Verwaltungsrecht

Vollmacht, Festsetzung, Kostenfestsetzung, Erinnerung, Verfahren, Kostenfestsetzungsbeschluss, Vorlage, Antragsgegner, Klage, Prozessvollmacht, RVG, Aktenlage, Vermittlung, Nebenkosten, angefochtene Entscheidung

Aktenzeichen  Au 6 M 21.2539

Datum:
18.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 3118
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des gerichtsgebührenfreien Erinnerungsverfahrens. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die Antragstellerin ist Rechtsanwältin und begehrt die Kostenfestsetzung gegen ihren früheren Mandanten, der ihre Bevollmächtigung und Mandatierung bestreitet.
I.
Der Antragsgegner ließ am 11. Mai 2020 durch seinen heutigen Bevollmächtigten unter Vorlage einer entsprechenden Vollmacht (VG-Akte Bl. 8) Klage erheben.
Mit Schreiben vom 17. Januar 2021 sandte die Antragstellerin einen „Nachtrag zur Klageschrift“ und kündigte an, ihre Vollmacht werde sie alsbald nachreichen. Das Verwaltungsgericht bat sie um Vorlage der Vollmacht.
Mit Schreiben vom 12. Februar 2021 bestellte sich eine weitere Kanzlei unter Vorlage einer ordnungsgemäßen Vollmacht (VG-Akte Bl. 24) neben dem ersten Klägerbevollmächtigten.
Das Verwaltungsgericht forderte die Klägerseite mit Schreiben vom 17. Februar 2021 zur Klärung auf, mit welchem Klägerbevollmächtigten ein Termin zur mündlichen Verhandlung abgestimmt werden solle und wies auch darauf hin, dass eine Klägerbevollmächtigte – die Antragstellerin – noch keine Vollmacht vorgelegt hatte.
Die Antragstellerin begehrte mit Schreiben vom 21. Februar 2021, der erste Klägerbevollmächtigte solle unverzüglich ihre Prozessvollmacht vorlegen. Entgegen ihrer Bitte habe ihr Mandant das ihm von ihr unterbreitete und von ihm anschließend unterschriebene Vollmachtsformular nicht an sie, sondern an den ersten Klägerbevollmächtigten gesandt. Der jedoch übersende ihr diese Vollmacht nicht.
Der erste Klägerbevollmächtigte teilte dem Verwaltungsgericht mit, der Antragsgegner werde durch ihn und den dritten Klägerbevollmächtigten parallel vertreten und mit ihnen sei der Termin zur mündlichen Verhandlung abzustimmen.
Die Antragstellerin fragte am 12. März 2021 nochmals nach, ob die Vollmacht für sie in der Gerichtsakte sei, was nicht der Fall war.
Der erste Klägerbevollmächtigte teilte in weiterem Schreiben vom 15. März 2021 mit, es sei richtig, dass ihm sein Mandant in einem persönlichen Gespräch die Vollmacht der Antragstellerin übergeben habe und über eine weitere Anwaltsmandatierung in dieser Sache nachgedacht habe. Die Vollmacht sei von ihm vorsorglich unterzeichnet worden, aber nicht erteilt worden. Er habe ausdrücklich darum gebeten, die Vollmacht so lange zurückzuhalten, bis er eine Entscheidung getroffen habe. Wenige Tage später habe ihm der Antragsgegner mitgeteilt, dass er die Antragstellerin nicht mandatieren wolle und die übergebene Vollmacht auch nicht dem Verwaltungsgericht vorgelegt werden solle. Daher sei die Antragstellerin überhaupt nicht mandatiert.
Das Verwaltungsgericht führte das weitere Verfahren mit dem ersten und dem dritten Klägerbevollmächtigten und teilte der Antragstellerin mit, sie sei nicht für das Verfahren bevollmächtigt.
In der mündlichen Verhandlung am 14. April 2021, in welcher der Antragsgegner durch den ersten und den dritten Klägerbevollmächtigten vertreten war, wurde das Verfahren nach Klagerücknahme eingestellt.
Die Antragstellerin stellte mit Schreiben vom 6. September 2021 einen Vergütungsfestsetzungsantrag nach § 11 RVG und führte zur Begründung aus, nach Angaben des ersten Klägerbevollmächtigten liege diesem bereits die Vollmacht für sie vor, so dass sie nachweislich bevollmächtigt worden sei, unabhängig davon, ob der Antragsgegner dies gewollt habe. Es handele sich um einen geheimen Vorbehalt.
Der Antragsgegner ließ durch seinen ersten Klägerbevollmächtigten mitteilen, die geltend gemachte Verfahrensgebühr sei mangels Vergütungsanspruchs der Antragstellerin nicht entstanden, denn sie sei zu keinem Zeitpunkt mandatiert worden. Sie habe nach einem Telefonat dem Antragsgegner ein Vollmachtsformular übersandt, der jedoch entschieden habe, es nicht an sie weiterzuleiten bis zu seiner Entscheidung, ob er sie beauftragen wolle. Es fehle also nicht nur an einer Vollmacht, sondern überhaupt auch an einem Auftrag als Grundlage einer Mandatierung.
Mit streitgegenständlichem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 8. Dezember 2021, der Antragstellerin zugestellt am 11. Dezember 2021, lehnte die Urkundsbeamtin des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg die Festsetzung der mit Schreiben vom 6. September 2021 beantragten Vergütung ab.
Zur Begründung führte sie aus, Gebühren erhalte ein Anwalt, dem ein unbedingter Auftrag als Bevollmächtigter in einem Prozess oder Verfahren erteilt worden sei. Nach § 130 Abs. 1 BGB werde eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben sei, erst in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugehe. Hier habe die Antragstellerin keine Vollmacht durch den Antragsgegner erhalten, so dass diese nicht wirksam geworden sei. Einen sonstigen unbedingten Auftrag habe sie ebenfalls nicht erhalten.
Die Antragstellerin stellte am 18. Dezember 2021 hiergegen
Antrag auf gerichtliche Entscheidung.
Eine Prozessvollmacht könne auch wirksam erteilt werden, wenn sie dem betreffenden Rechtsanwalt nicht zugegangen, sondern gegenüber dem betreffenden Gericht wirksam erteilt worden sei, dieses sei daher ein geeigneter Empfänger. Der erste Klägerbevollmächtigte habe daher als Bote an das Verwaltungsgericht gehandelt. Diese Vollmacht sei daher dem Verwaltungsgericht mit der Übermittlung zugegangen.
Die Kostenbeamtin half dem Antrag auf Entscheidung des Gerichts jedoch nicht ab. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu und die Antragstellerin verwies auf die Gründe ihrer ergänzenden Antragsbegründung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Kostenakten Bezug genommen.
II.
Die nach § 11 Abs. 3 Satz 2 RVG i.V.m. § 165 und § 151 VwGO zulässige Erinnerung ist unbegründet. Zu Recht wurde im angefochtenen Vergütungsfestsetzungsbeschluss die Festsetzung der beantragten Verfahrensgebühr mit Nebenkosten nach § 11 Abs. 1 RVG mangels Mandatierung der Antragstellerin abgelehnt.
1. Über die Erinnerung entscheidet nach § 11 Abs. 3 Satz 2 RVG i.V.m. § 165 und § 151 sowie § 5 Abs. 3 Satz 2 VwGO im vorliegenden Fall die Kammer ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter, da das Klageverfahren mündlich verhandelt wurde und sich nicht mehr im vorbereitenden Verfahrensstadium befand.
2. Die mit der Erinnerung angefochtene Entscheidung der Urkundsbeamtin ist recht mäßig.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin fehlt ihr das erforderliche Mandatsverhältnis, für welches insbesondere eine wirksam erteilte Vollmacht ein Indiz sein kann. Wie sie selbst nicht bestreitet, hatte sich der Antragsgegner nach einem Telefonat mit ihr ihre Bevollmächtigung als weitere Klägerbevollmächtigte vorbehalten, aber noch nicht abschließend entschieden. Das ihm von ihr übersandte Vollmachtsformular hat der Antragsgegner möglicherweise unterschrieben, jedenfalls aber dem ersten Klägerbevollmächtigten zur Aufbewahrung übergeben und weder der Antragstellerin noch dem Verwaltungsgericht übersenden lassen.
Da nach § 130 Abs. 1 BGB eine Willenserklärung unter Abwesenden erst wirksam wird, wenn sie dem Empfänger zugeht – sei es direkt oder durch Vermittlung Anderer -, die Antragstellerin aber die Vollmacht weder direkt noch indirekt durch das Verwaltungsgericht (dem das Vollmachtsformular ebenfalls nicht vorliegt) erhalten hat, fehlt es bereits an einer wirksamen Bevollmächtigung für die Prozessführung. Da nach dem Vorbringen der Beteiligten und nach der Aktenlage auch sonst nicht erkennbar oder vorgetragen ist, dass und wie ein Mandatsverhältnis zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner entstanden sein sollte, fehlt es vorliegend an einer wirksamen Mandatierung der Antragstellerin durch den Antragsgegner, insbesondere fehlt es auch am Indiz einer wirksamen Bevollmächtigung.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren ist nach § 11 Abs. 2 Satz 4 RVG gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nach § 11 Abs. 2 Satz 6 RVG nicht erstattet.

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