Verwaltungsrecht

Voraussetzungen der Annahme eines wichtigen Grundes für den Fachrichtungswechsel vom Parkstudium in das Wunschstudium

Aktenzeichen  12 CE 17.1796

Datum:
13.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BAföG BAföG § 7 Abs. 3

 

Leitsatz

1 Die Zeitschranke des § 7 Abs. 3 S. 4 BAföG, wonach das Vorliegen eines wichtigen Grundes für einen erstmaligen Fachrichtungswechsel vermutet wird, wenn der Fachrichtungswechsel bis zu Beginn des dritten Fachsemesters erfolgt, ist auch dann gewahrt, wenn der Auszubildende bei bestehenden Zulassungsbeschränkungen erst verspätet nach Beginn des dritten Fachsemesters für das neue Wunschstudium zugelassen wird. In diesem Fall gilt der Fachrichtungswechsel als “zum Beginn des Semesters” vollzogen. (Rn. 2) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Bei § 7 Abs. 3 S. 4 BAföG handelt es sich lediglich um eine Regelvermutung, die sich durch den Nachweis des Fehlens eines wichtigen Grundes für einen Fachrichtungswechsel entkräften lässt. Hierfür trifft das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Beweislast. (Rn. 3) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Die Annahme eines wichtigen Grundes für einen Wechsel vom Parkstudium in das Wunschstudium erfordert, dass der Auszubildende beabsichtigt, für den Fall, dass er zu seinem Wunschstudium nicht zugelassen wird, das Parkstudium berufsqualifizierend abzuschließen. Die Aufnahme des Parkstudiums darf nicht zu einer “reinen Überbrückung” bis zur Zulassung zum Wunschstudium dienen. (Rn. 5) (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Die Pflicht, “ordnungsgemäß” zu studieren, d.h. regelmäßig die im Studienplan vorgesehenen Lehrveranstaltungen zu besuchen und die vorgeschriebenen Prüfungen abzulegen, trifft einen Studenten, der Ausbildungsförderungsleistungen bezieht, nach § 9 Abs. 2 BAföG ungeachtet des Umstands, ob er dieses Studium als Parkstudium oder als Wunschstudium begreift. Aus dem Besuch von Lehrveranstaltungen und der Ablegung von Prüfungen lässt sich daher der zwingende Schluss auf den Willen zum berufsqualifizierenden Abschluss des Studiums nicht ziehen. (Rn. 7) (red. LS Clemens Kurzidem)

Verfahrensgang

B 3 E 17.609 2017-08-25 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antragsteller verfolgt mit seiner zulässigen Beschwerde die Leistung von Ausbildungsförderung für sein Studium der Sportökonomie an der Universität Bayreuth im Wege der einstweiligen Anordnung weiter. Die Beschwerde erweist sich indes als unbegründet, da ihm, wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat, kein Anordnungsanspruch zur Seite steht.
1. Soweit das Verwaltungsgericht zunächst davon ausgeht, die Regelvermutung für das Vorliegen eines wichtigen Grundes für einen Fachrichtungswechsel nach § 7 Abs. 3 Satz 4 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) greife im Fall des Antragstellers nicht ein, da er erst am 21. Oktober 2016, mithin nach Beginn des dritten Fachsemesters, die Fachrichtung gewechselt habe, trifft dies wohl nicht zu. Denn Bezug nehmend auf die Zeitschranke des § 7 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz BAföG, wonach lediglich bis zum „Beginn des vierten Fachsemesters“ ein wichtiger Grund für einen Fachrichtungswechsel ausreicht, bestimmt Ziffer 7.3.17 Satz 2 BAföG-VwV, dass dann, wenn Auszubildende bei bestehenden Zulassungsbeschränkungen von einer Zulassungsstelle erst verspätet nach Beginn des vierten Fachsemesters für dieses laufende Semester im neuen Wunschstudium zugelassen werden, der Wechsel als zum Beginn des Semesters vollzogen gilt. Damit wird die Zeitschranke des § 7 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz BAföG insofern flexibilisiert, als zeitliche Verzögerungen im Rahmen des Zulassungsverfahrens zu einem zulassungsbeschränkten Wunschstudium nicht zu Lasten des Auszubildenden gehen sollen (vgl. hierzu Rothe/Blanke, Bundesausbildungsförderungsgesetz, § 7 Rn. 44: „sehr wohlwollende“ Verwaltungspraxis). Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin muss dieser Gedanke wohl auch auf die identisch gefasste Zeitschranke des § 7 Abs. 3 Satz 4 BAföG übertragen werden (vgl. Rothe/Blanke, Bundesausbildungsförderungsgesetz, § 7 Rn. 50: es gelten insoweit die „gleichen Überlegungen“). Nachdem der Antragsteller zum Wintersemester 2016/2017 in das zulassungsbeschränkte Studium der Sportökonomie an der Universität Bayreuth gewechselt ist, er seinen Studienplatz erst im Nachrückverfahren nach Beginn des Wintersemesters am 1. Oktober 2016 erhalten und sich in der Folge erst am 21. Oktober 2016 für sein neues Wunschstudium immatrikuliert hat, muss er daher so gestellt werden, wie wenn er das Wunschstudium zum Beginn des Wintersemesters 2016/2017 aufgenommen hätte. Damit würde für ihn nach § 7 Abs. 3 Satz 4 BAföG grundsätzlich das Vorliegen eines wichtigen Grundes für seinen erstmaligen Fachrichtungswechsel vermutet. Hierauf kommt es indes im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich an.
2. Denn bei § 7 Abs. 3 Satz 4 BAföG handelt es sich lediglich um eine Regelvermutung, die sich durch den Nachweis des Fehlens eines wichtigen Grundes für einen Fachrichtungswechsel entkräften lässt. Hierfür trifft das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Beweislast (vgl. Rothe/Blanke, Bundesausbildungsförderungsgesetz, § 7 Rn. 51; Stein Weg in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 6. Aufl. 2016, § 7 Rn. 157 f.). Im vorliegenden Fall hat, worauf das Verwaltungsgericht zutreffend abgestellt hat, der Antragsteller durch die Begründung, die er für den Fachrichtungswechsel bei der Antragsgegnerin gegeben hat, die Regelvermutung selbst entkräftet. Maßgeblich erweist sich hierfür sein Schreiben vom 14. März 2017 (Bl. 121 der Behördenakte) an das Studentenwerk O., in dem er wörtlich Folgendes ausführt:
„Mein Betriebswirtschaftsstudium habe ich, wie ich das schon in den letzten Schreiben erwähnt habe, zur reinen Überbrückung betrieben und nicht, um dies berufsqualifizierend abzuschließen.“
Damit liegen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, die Voraussetzungen für die Annahme eines wichtigen Grunds beim Wechsel von einem sog. Parkstudium in das Wunschstudium nicht vor, wonach insbesondere erforderlich ist, dass der Auszubildende beabsichtigt, für den Fall, dass er zu seinem Wunschstudium nicht zugelassen wird, das sog. Parkstudium berufsqualifizierend abzuschließen. Die Aufnahme des Parkstudiums darf demnach gerade nicht zur „reinen Überbrückung“ bis zur Zulassung zum Wunschstudium dienen (vgl. hierzu ausführlich mit Nachweisen aus der Rechtsprechung Rothe/Blanke, Ausbildungsförderungsrecht, § 7 Rn. 42.3; Stein Weg in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 6. Aufl. 2016, § 7 Rn. 142 ff.).
Soweit der Bevollmächtigte des Antragstellers in der Beschwerdebegründung hierzu ausführt, dass der Antragsteller, hätte man ihm zu einem anderen Zeitpunkt – nämlich als die Zulassung zum Wunschstudium Sportökonomie noch völlig ungewiss war – nach dem Willen zum berufsqualifizierenden Abschluss des Betriebswirtschaftsstudiums gefragt, zweifelsohne bekundet hätte, dass er einen derartigen Abschluss anstrebe, handelt es sich um eine lediglich hypothetische, nicht belegte Annahme, der die insoweit unzweideutige Bekundung des Antragstellers gegenüber der Antragsgegnerin bei der Begründung des Fachrichtungswechsels entgegensteht.
Auch der Verweis darauf, dass der Antragsteller sein Betriebswirtschaftsstudium ordnungsgemäß betrieben habe, insbesondere, dass er auch in Fächern Vorlesungen besucht und Klausuren geschrieben habe, die nicht Gegenstand des Curriculums des Sportökonomiestudiums sind, relativiert entgegen der Auffassung seines Bevollmächtigten seine Aussage im Schreiben vom 14. März 2017 nicht. Denn die Pflicht, „ordnungsgemäß“ zu studieren, d.h. regelmäßig die im Studienplan vorgesehenen Lehrveranstaltungen zu besuchen und die vorgeschriebenen Prüfungen abzulegen, trifft einen Studenten, der – wie der Antragsteller – Ausbildungsförderung bezieht, nach § 9 Abs. 2 BAföG ungeachtet des Umstands, ob er dieses Studium nur als „Parkstudium“ oder als „Wunschstudium“ begreift. Aus dem Besuch von Lehrveranstaltungen und dem Ablegen von Prüfungen lässt sich der zwingende Schluss auf den Willen zum berufsqualifizierenden Abschluss des Studiums nicht ziehen. Ebenso wenig steht dies der Einlassung des Antragstellers entgegen, er habe das Betriebswirtschaftsstudium nur zur „reinen Überbrückung“ betrieben.
Schließlich kommt es auf den Vortrag des Antragstellers, es sei bei Beginn des Betriebswirtschaftsstudiums im Wintersemester 2015/2016 noch nicht absehbar gewesen, dass er demnächst zum Studium der Sportökonomie zugelassen werde, nicht maßgeblich an, da der Antragsteller angesichts dieser, für die Aufnahme eines Parkstudiums typischen Situation gerade hätte beabsichtigen müssen, gegebenenfalls das Betriebswirtschaftsstudium berufsqualifizierend abzuschließen, was nach seiner Begründung des Fachrichtungswechsels nicht der Fall war.
Mithin ist im vorliegenden Fall aufgrund der eigenen Angaben des Antragstellers davon auszugehen, dass ein wichtiger Grund für einen Fachrichtungswechsel vom Parkins Wunschstudium nicht vorgelegen hat, sodass ein Anordnungsanspruch für die Bewilligung von Ausbildungsförderung im Wege der einstweiligen Anordnung nicht besteht. Die Beschwerde war folglich als unbegründet zurückzuweisen.
3. Der Antragsteller trägt nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden in Angelegenheiten des Ausbildungsförderungsrechts nach § 188 Satz 2, 1 VwGO nicht erhoben. Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

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