Verwaltungsrecht

Voraussetzungen für die Einbehaltung der Dienstbezüge

Aktenzeichen  M 19 L DA 16.4531

Datum:
23.11.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 137122
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 39, Art. 43, Art. 61
BeamtStG § 34, § 47
StGB § 86a, § 185

 

Leitsatz

1. Voraussetzungen für die Einbehaltung der Dienstbezüge sind nur das Bestehen einer wirksamen vorläufigen Dienstenthebung und die pflichtgemäße Ausübung des eingeräumten Ermessens. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Entscheidung, einen Teil der Dienstbezüge einzubehalten, hat die Disziplinarbehörde vor allem darauf Bedacht zu nehmen, dass die Alimentations- und Fürsorgepflicht des Dienstherrn auch während eines Disziplinarverfahrens fortdauert. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der vorläufig des Dienstes enthobene Antragsteller wendet sich gegen die Einbehaltung eines Teils seiner Dienstbezüge.
Der am 9. Mai … geborene Antragsteller ist seit 1. Juni … als Justizsicherheitsobersekretär am Amtsgericht … (Besoldungsgruppe A 7) beschäftigt. Vor seiner Dienstenthebung war er fast ausschließlich mit Aufgaben des Justizwachtmeisterdienstes betraut, hier überwiegend mit Personenkontrollen.
Mit Verfügung vom 17. März 2016 leitete der Direktor des Amtsgerichts … nach vorangegangener Anhörung des Antragstellers ein Disziplinarverfahren gegen diesen ein. Mit Verfügung vom 12. April 2016 übernahm die mit Schreiben des Direktors des Amtsgerichts … vom 23. März 2016 eingeschaltete Generalstaatsanwaltschaft das Verfahren und setzte es im Hinblick auf das bei der Staatsanwaltschaft … laufende strafrechtliche Ermittlungsverfahren aus. Mit Schreiben vom selben Tag räumte sie dem Antragsteller nochmals die Möglichkeit zur Äußerung, auch zu Maßnahmen nach Art. 39 Bayerisches Disziplinargesetz (BayDG), ein. Die Bevollmächtigte des Antragstellers äußerte sich mit Schriftsatz vom 28. April 2016 und trug insbesondere vor, die monatlichen Fixkosten des Antragstellers beliefen sich – wie sich aus einer beigefügten Aufstellung ergebe – auf circa 2.655,- Euro.
Mit Verfügung vom 3. Mai 2016 enthob die Generalanwaltschaft … den Antragsteller vorläufig des Dienstes (Nr. 1) und behielt seine Dienstbezüge vorläufig in Höhe von 30% ein (Nr. 2). Zur Begründung führte sie aus, dem Antragsteller würden folgende dienstliche Verfehlungen zur Last gelegt:
a) Etwa seit 2013 habe er immer wieder pornographische Zeichnungen, auf denen Strichmännchen mit übergroßen Geschlechtsteilen zu sehen gewesen seien, gefertigt und Kolleginnen und Kollegen zugänglich gemacht.
b) Mindestens seit 2013 habe er Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Amtsgerichts … Porno-Sequenzen und pornographische Darstellungen gezeigt, die sich auf seinem Handy befunden hätten.
c) Zwischen 2013 und März 2016 habe er sich beleidigend und abfällig über Kolleginnen und Kollegen des Amtsgerichts geäußert.
d) Zwischen 2013 und März 2016 habe er Sicherheitskontrollen teilweise unzureichend durchgeführt und sich gegenüber den Betroffenen inadäquat verhalten.
e) Im März 2016 habe er Sicherheitshandschuhe getragen, auf deren auf der Innenseite angebrachtem Etikett SS-Runen abgebildet gewesen seien.
f) Zwischen 2013 und März 2016 habe er Kolleginnen und Kollegen immer wieder mit dem Hitlergruß gegrüßt. Nicht selten habe er gegenüber Kolleginnen und Kollegen im persönlichen Kontakt, aber auch am Telefon, die Stimme Adolf Hitlers imitiert.
Es bestehe daher der Verdacht, dass der Antragsteller insbesondere gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten und gegen seine Pflicht zur vollen Hingabe an den Beruf verstoßen habe (§§ 47 Abs. 1, 34 Sätze 1 und 3 Beamtenstatusgesetz – BeamtStG – i.V.m. §§ 86a, 185 Strafgesetzbuch – StGB). Bei vorläufiger Bewertung der Sach- und Rechtslage sei überwiegend wahrscheinlich, dass er nach Abschluss des Verfahrens in einem gerichtlichen Verfahren aus dem Dienst entfernt werde. Die Aussagen der genannten Zeugen seien eindeutig und in sich stimmig. Die weitere Beschäftigung des Antragstellers bis zum rechtskräftigen Abschluss des Disziplinarverfahrens sei aufgrund der Schwere seiner Dienstpflichtverletzungen und der Gefahr eines weiteren Ansehensverlustes für die Justiz ausgeschlossen und für seine Kollegen unzumutbar. Er sei deshalb vorläufig des Dienstes zu entheben gewesen. Auch würden durch einen Verbleib im Dienst der Dienstbetrieb und die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt. Bei Berücksichtigung des Nettoverdienstes des Antragstellers und seiner abzugsfähigen Ausgaben und Belastungen erscheine ein Einbehalt von 30% angemessen. Zu berücksichtigen sei, dass er durch die vorläufige Dienstenthebung in die Lage versetzt werde, eine andere Tätigkeit bzw. Nebentätigkeit anzunehmen.
Die Staatsanwaltschaft … stellte ein gegen den Antragsteller wegen unerlaubten Waffenbesitzes geführtes Ermittlungsverfahren mit Verfügung vom 25. Juli 2016 nach § 153 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) ein.
Mit Schreiben vom 8. August 2016 an die Generalstaatsanwaltschaft … beantragte der Antragsteller im Hinblick auf seine seit längerer Zeit bestehende Arbeitsunfähigkeit die Aufhebung der Einbehaltung der Bezüge. Er sei nicht mehr in der Lage, eine Nebentätigkeit auszuüben. Die Generalstaatsanwaltschaft lehnte diesen Antrag mit Schreiben vom 17. August 2016 ab und äußerte, die Erzielung von Nebeneinkünften sei berücksichtigt worden, indem bei dem Antragsteller nicht wie sonst in diesem Fall üblich der Höchstsatz von 50% angesetzt worden, sondern lediglich eine 30%ige Kürzung erfolgt sei.
Mit Verfügung vom 6. Oktober 2016 setzte die Generalstaatsanwaltschaft … das Verfahren fort.
Am 7. Oktober 2016 beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht München,
die vorläufige Einbehaltung von Dienstbezügen i.H.v. 30% rückwirkend auszusetzen.
Zur Begründung trug er vor, er sei mit seinem jetzigen Einkommen i.H.v. monatlich knapp 2.000,- Euro nicht in der Lage, seinen finanziellen Verpflichtungen i.H.v. monatlich circa 2.500,- Euro nachzukommen. Diese seien größtenteils Folgen seiner im Jahr 2007 vollzogenen Scheidung. In deren Folge habe er im Jahr 2014 die ehemals gemeinsame Doppelhaushälfte verkauft. Dies sei allerdings durch eine Fehlberatung des eingeschalteten Maklers unter Wert erfolgt und habe eine Auseinandersetzung mit der finanzierenden Bank ausgelöst, was zu erfolglosen gerichtlichen Verfahren mit erheblichen Anwalts- und Gerichtskosten für ihn geführt habe. Da er die monatlichen Kosten nicht mit seinem Gehalt und der geringen Rente seiner jetzigen Ehefrau bezahlen habe können, habe er mit einer Nebentätigkeit monatlich 450,- Euro hinzuverdient. Er habe nunmehr einen Mini-Kredit aufnehmen und sein Konto um fast 5.500,- Euro überziehen müssen. Da Voraussetzung einer vorläufigen Einbehaltung von Bezügen die vorläufige Dienstenthebung sei, bedeute dies, dass die Voraussetzungen hierfür gegeben sein müssten, nämlich dass voraussichtlich auf Entfernung aus dem Dienst erkannt werde. Durch Einstellung des Strafverfahrens habe sich der Sachverhalt inzwischen zu seinen Gunsten geändert. Berücksichtige man zudem, dass einige der Anschuldigungen grundlos erfolgt seien, komme eine Entfernung aus dem Dienst nicht mehr in Betracht. Die Generalstaatsanwaltschaft hätte bei ihrer Ermessensausübung prüfen müssen, welcher Betrag ihm nach Abzug seiner Fixkosten verbleibe, und dabei erkennen müssen, dass ein Einbehalt der Bezüge nicht in Betracht komme. Erwägungen hierzu würden aber in der Verfügung vom 3. Mai 2016 fehlen. Seine monatlichen Belastungen lägen schon bei monatlich 2.500,- Euro. Unrichtig geworden sei im Hinblick auf seine Arbeitsunfähigkeit zudem die Erwägung, dass er infolge der gewonnenen zusätzlichen Zeit anderweitig Geld verdienen könne.
Der Antragsgegner beantragte,
den Antrag als unbegründet zurückzuweisen.
Er trug vor, zu den dem Antragsteller bislang vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen komme, dass er in rechtswidriger und nötigender Weise auf zwei Zeuginnen aus dem Disziplinarverfahren Einfluss genommen habe, indem ihnen mit strafbewehrter Unterlassungserklärung durch seine Bevollmächtigte untersagt werden sollte, Aussagen mit Relevanz für das vorliegende Disziplinarverfahren zu tätigen, was eine Strafbarkeit wegen (versuchter) Nötigung auslöse. Im Rahmen einer Maßnahme nach Art. 39 Abs. 2 BayDG habe der Beamte Einschränkungen hinzunehmen. Der angeordnete Kürzungssatz von 30% liege unter dem Höchstmaß. Nach Kürzung der Bezüge verbleibe dem Betroffenen ein Betrag i.H.v. netto immer noch 1.982,77 Euro, vor der Kürzung habe sich das Nettogehalt auf 2.661.47 Euro belaufen. Da die angegebenen Lebenshaltungskosten somit im Bereich des ungekürzten Nettogehalts gelegen hätten, habe der Antragsteller bereits ohne die Kürzung über seinen finanziellen Möglichkeiten gelebt.
Mit Schreiben vom 14. November 2016 wies das Gericht darauf hin, dass die Bezügekürzung mangels Gegenüberstellung der Einnahmen und der anzuerkennenden Ausgaben und Verbindlichkeiten des Antragstellers an einem Ermessensfehler leiden könnte und möglicherweise die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung erforderlich gewesen sein könnte.
Der Antragsgegner äußerte daraufhin mit Schreiben vom 16. November 2016, in den dem Verwaltungsgericht übersandten Personalakten des Antragstellers befinde sich kein Gleichstellungsbescheid nach § 2 Abs. 3 Sozialgesetzbuch (SGB) IX. Daraus folge, dass entweder ein solcher Bescheid nicht ergangen oder aber von dem Beamten nicht vorgelegt worden sei; in beiden Fällen könne die unterlassene Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Anordnungen haben. Bemessungsgrundlage für den vorläufigen Einbehalt seien die Pfändungsfreigrenzen des § 850 c Zivilprozessordnung (ZPO) gewesen; die Kürzung von 672,23 Euro liege deutlich unter dem danach pfändbaren Betrag i.H.v. 1.103,28 Euro. Soweit geltend gemacht werde, der Betroffene habe Darlehen zur Bestreitung seines Lebensunterhalts aufnehmen müssen, fehle die Spezifizierung.
Der Antragsteller führte mit Schriftsatz vom 18. November 2016 aus, er habe gegen die Festsetzung eines Grads der Behinderung von 40% Klage zum Sozialgericht erhoben mit dem Ziel, den Grad der Behinderung auf 50% zu erhöhen. Eine Gleichstellung sei bei der Bundesagentur nicht beantragt worden. Der Vorwurf, er habe seine dienstlichen Handschuhe mit SS-Runen gekennzeichnet, sei unzutreffend; tatsächlich habe er darin zur Identifizierung lediglich seine persönliche Glückszahl „44“ vermerkt. Es sei daher zweifelhaft, ob die Voraussetzungen für eine vorläufige Dienstenthebung vorlägen. Die Generalstaatsanwaltschaft habe es zudem unterlassen, seine konkrete finanzielle Situation genau zu analysieren. Die dargelegten Fixkosten würden nicht nur Miete und Nebenkosten betreffen; vielmehr seien auch die zu leistenden Darlehensraten angegeben gewesen, die monatlich über 1.100,- Euro lägen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakten und der Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Nach Art. 61 Abs. 1 BayDG kann der Beamte bei dem Gericht der Hauptsache die Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Dienstbezügen beantragen. Über den Antrag entscheidet nach Art. 43 Abs. 2 BayDG i.V.m. § 5 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die bei Beschlüssen allein entscheidungsbefugte Vorsitzende der Disziplinarkammer; die Beamtenbeisitzer (Art. 43 Abs. 1 Satz 1, Art. 44 ff. BayDG) wirken nicht mit. Dass Entscheidungen über Anträge nach Art. 61 Abs. 1 BayDG durch Beschluss ergehen, ist Art. 61 Abs. 3 BayDG zu entnehmen.
Die Auslegung des Antrags nach § 88 VwGO ergibt, dass sich dieser nach seinem eindeutigen Wortlaut lediglich gegen die Kürzung der Dienstbezüge richtet. Nicht Gegenstand des Antrags ist dagegen die vorläufige Dienstenthebung.
Nach Art. 61 Abs. 2 BayDG ist die Einbehaltung von Dienstbezügen ganz oder zum Teil auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Dies ist nicht der Fall. Die Einbehaltung begegnet sowohl in verfahrensrechtlicher (1.) als auch in materieller Hinsicht (2.) keinen ernstlichen rechtlichen Bedenken.
1. Die Unterrichtung und Anhörung der Schwerbehindertenvertretung ist hier zu Recht unterblieben. Der dem Antragsteller nach einem Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales – Region Oberpfalz – vom 7. Februar 2013 zuerkannte Grad der Behinderung beträgt 40%. Die von ihm gegen diesen Bescheid erhobene Klage zum Sozialgericht mit dem Ziel einer Erhöhung des Grades der Behinderung auf 50% lässt den festgestellten Grad der Behinderung von jedenfalls 40% nicht – auch nicht bis zur Rechtskraft der Entscheidung – entfallen. Nach § 95 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 SGB IX hat der Arbeitgeber bzw. Dienstherr die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen schwerbehinderten Menschen berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören. Die Einbehaltung von Bezügen ist eine Angelegenheit, die einen schwerbehinderten Beamten im Sinne des Gesetzes berührt (BayVGH, B.v. 15.11.2011 – 16a DA 11.1261 – juris Rn. 22). Eine solche Unterrichtung und Anhörung der Schwerbehindertenvertretung war hier jedoch nicht erforderlich. Eine Schwerbehinderung im Sinne des Teils 2 des Sozialgesetzbuchs IX, in dem sich die Regelung des § 95 SGB IX befindet, liegt nach § 2 Abs. 2 SGB IX erst vor, wenn bei dem Betroffenen unter anderem ein Grad der Behinderung von wenigstens 50% vorliegt, was bei dem Antragsteller nicht der Fall ist. Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen nach § 2 Abs. 3 SGB IX behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50%, aber wenigstens 30%, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen). Eine solche Gleichstellung, die die Bundesagentur für Arbeit ausspricht (§ 68 Abs. 2 Satz 1 SGB IX), liegt hier jedoch nach den eigenen Angaben des Antragstellers nicht vor.
2. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Einbehaltung der Bezüge bestehen auch nicht in materieller Hinsicht. Voraussetzungen hierfür sind nur das Bestehen einer wirksamen vorläufigen Dienstenthebung und die pflichtgemäße Ausübung des eingeräumten Ermessens (BayVGH, B.v. 3.3.2010 – 16a DA 10.146 – juris Rn. 12). Nicht nachzugehen ist in Verfahren nach Art. 61 BayDG, in denen sich ein nicht im Ruhestand befindlicher Beamter ausschließlich gegen die Einbehaltung von Bezügen nach Art. 39 Abs. 2 Satz 1 BayDG wendet, demgegenüber der Frage, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung bestehen (BayVGH, B.v. 3.3.2010, a.a.O. Rn. 13). Der Antragsteller irrt also, wenn er meint, dass für die Rechtmäßigkeit einer Einbehaltung von Bezügen die Voraussetzungen einer vorläufigen Dienstenthebung vorliegen müssen. Offen bleiben kann daher im vorliegenden Verfahren, ob sich der Sachverhalt durch Einstellung des Strafverfahrens zu seinen Gunsten geändert hat, ob einige der Anschuldigungen tatsächlich grundlos erfolgt sind und ob die Kennzeichnung der Handschuhe mit SS-Runen oder seiner Glückszahl „44“ erfolgt ist.
2.1. Anhaltspunkte, die gegen die Wirksamkeit der vorläufigen Dienstenthebung sprechen, wurden vom Antragsteller nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.
2.2. Der Antragsgegner hat auch das durch Art. 39 Abs. 2 BayDG eröffnete Ermessen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Die Ermessenserwägungen gehen nicht von unzutreffenden Tatsachen aus und orientieren sich an den Vorgaben der Rechtsordnung.
Bei der Entscheidung, einen Teil der Dienstbezüge einzubehalten, hat die Disziplinarbehörde vor allem darauf Bedacht zu nehmen, dass die Alimentations- und Fürsorgepflicht des Dienstherrn auch während eines Disziplinarverfahrens fortdauert. Der Beamte muss sich zwar eine gewisse Einschränkung seiner Lebenshaltung gefallen lassen; die Alimentation darf aber nicht bis auf die Regelsätze der Sozialhilfe reduziert werden. Zu ihnen muss vielmehr ein hinreichender Abstand gewahrt bleiben. Die um die Einbehaltung von Gehaltsteilen verminderten Dienstbezüge haben auf die Lebensverhältnisse des Beamten und dessen individuelle Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen; sie dürfen nicht nur den unbedingt notwendigen Lebensbedarf sichern und vor unmittelbarer Not schützen. Die Disziplinarbehörde hat somit im Rahmen einer Gesamtbetrachtung den laufenden Einkünften der Familie – einschließlich des Einkommens der Ehefrau – den Gesamtbedarf des Ehepaars gegenüberzustellen (vgl. BayVGH, B.v. 3.3.2010 – 16a DA 10.146 – juris Rn. 24).
Der vom Antragsgegner festgesetzte Einbehaltungssatz i.H.v. 30% trägt diesen Erfordernissen Rechnung. Bei der Prüfung, ob die Ermessensausübung in rechtmäßiger Weise erfolgt ist, sind sämtliche Ermessenserwägungen, die der Antragsgegner insoweit im gerichtlichen Verfahren vorgebracht hat, in die Betrachtung einzubeziehen. Der Antragsgegner ist nach § 114 Satz 2 VwGO berechtigt, seine Ermessenserwägungen im gerichtlichen Verfahren um weitere Gesichtspunkte zu ergänzen (BayVGH, B.v. 3.3.2010, a.a.O. Rn. 32).
Den Umstand, dass der Antragsteller derzeit seit längerer Zeit arbeitsunfähig und nicht in der Lage ist, eine Nebentätigkeit auszuüben, hat der Antragsgegner im Rahmen der Ermessensausübung berücksichtigt. Zwar hat er in der beanstandeten Verfügung vom 3. Mai 2016 den wiederholt vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof betonten Gesichtspunkt der Möglichkeit eines anderweitigen Einsatzes der Arbeitskraft des vom Dienst suspendierten Beamten (vgl. BayVGH, B.v. 3.3.2010, a.a.O. Rn. 31) wiedergegeben. In der Folge hat er jedoch mehrfach klargestellt, dass die nicht mehr gegebene Möglichkeit der Erzielung von Nebeneinkünften berücksichtigt worden sei, indem bei dem Antragsteller nicht wie sonst in diesem Fall üblich der Höchstsatz von 50% angesetzt worden, sondern lediglich eine 30%ige Kürzung erfolgt sei. Diese Überlegung ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Eine umfassende Prüfung, ob der Antragsteller aus der Gesamtsumme der ihm und seiner Ehefrau (noch) zufließenden Einkünfte den Gesamtbedarf des Ehepaars noch decken kann, konnte der Antragsgegner anhand der vom Antragsteller zur Verfügung gestellten Unterlagen nicht anstellen. Um der Aufgabe der fehlerfreien Ermessensausübung gerecht werden zu können, ist die Behörde auf die Mitwirkung des betroffenen Beamten angewiesen. In der Regel kann nur er angeben, ob die Familie über weitere Einnahmen verfügt und wie hoch sie bejahendenfalls sind. Gleiches gilt für die Frage, welche Ausgaben in seinem Haushalt anfallen. Die Obliegenheit des Beamten, sich über diese Umstände zu erklären und die Richtigkeit seiner Angaben zu belegen, folgt in einem auf die Einbehaltung von Teilen der Dienstbezüge gerichteten Verwaltungsverfahren aus Art. 26 Abs. 2 Sätze 1 und 2 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) i.V.m. Art. 3 BayDG, im gerichtlichen Verfahren nach Art. 61 BayDG aus § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO i.V.m. Art. 3 BayDG (BayVGH, B.v. 24.1.2013 – 16a DS 12.2337 – juris Rn. 20). Hier hat der Antragsteller weder die Einkünfte seiner Ehefrau offen gelegt noch spezifische Angaben zu Anlass und Tilgungsablauf der einzelnen Kredite gemacht. Die Angabe, seine Ehefrau verfüge nur über eine „geringe Rente“, reicht insoweit nicht aus. Aus den zu den Krediten über insgesamt rund 1.100,- Euro monatlich teilweise vorgelegten Kreditverträgen (etwa zu den Krediten bei der B. Bank, der Allgemeinen Beamtenkasse und der S. Bank) lässt sich nicht entnehmen, für welche Ausgaben die Kredite seinerzeit ausgereicht wurden. Diese Angabe wäre jedoch erforderlich gewesen, um beurteilen zu können, ob die Kredittilgung den anzuerkennenden Ausgaben unterfällt oder möglicherweise auf einer unangemessenen, durch feien Entschluss herbeigeführten Lebenshaltung beruht. Gleiches gilt für die Vorlage der Tilgungspläne, ohne die nicht zu erkennen ist, ob die Kredite möglicherweise bereits zurückgezahlt sein könnten (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 30.11.2010 – 16a DS 09.3252 – juris Rn. 94, 103 und 118). Hinzu kommt, dass der Antragsteller bereits ohne Kürzung der Dienstbezüge nicht in der Lage gewesen sein dürfte, seine monatlich anfallenden Ausgaben zu decken. Die von ihm angegebenen monatlichen Fixkosten i.H.v. 2.500,- Euro beinhalten keine Ausgaben für Ernährung, Kleidung, Benzin etc., so dass nicht nachvollziehbar ist, wie sich sämtliche Ausgaben durch seine ungekürzten Nettobezüge, seinen Verdienst aus geringfügiger Beschäftigung und die Rente seiner Ehefrau bezahlen ließen. Bei überschlägiger Berechnung reicht das reduzierte Nettogehalt des Antragstellers i.H.v. 1.982,- Euro zur Deckung der angegebenen Fixkosten i.H.v. monatlich rund 1.400,- Euro (der von ihm insoweit angegebene Betrag der monatlichen Fixkosten i.H.v. 2.500,- Euro wurde um die Kreditkosten i.H.v. 1.100,- Euro reduziert) und des Sozialhilfesatzes von derzeit 404,- Euro aus.
Der Antrag war somit abzulehnen. Der Antragsteller trägt nach Art. 72 Abs. 4 Satz 1 BayDG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Das Verfahren ist nach Art. 73 Abs. 1 Satz 1 BayDG gerichtsgebührenfrei.

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