Verwaltungsrecht

Vorbeurteilung als Maßstab für dienstliche Beurteilung

Aktenzeichen  M 5 K 15.1793

Datum:
24.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LlbG Art. 54, Art. 62
BayBesG BayBesG Art. 30, Art. 66

 

Leitsatz

1 Die dienstliche Beurteilung hat sich an den Leistungen des betreffenden Beamten im Beurteilungszeitraum im Vergleich zu den Beamten derselben Fachlaufbahn und Besoldungsgruppe zu orientieren, nicht hingegen an der Vorbeurteilung. (redaktioneller Leitsatz)
2 Wenn der beförderte Beamte seine bisher gezeigten Leistungen nicht weiter steigert, ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beurteilung im neuen Amt schlechter ausfällt als im vorangegangenen, niederiger eingestuften Amt (ebenso BayVGH BeckRS 1999, 26036). (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Begründung des Gesamturteils einer dienstlichen Beurteilung muss nicht zwingend in der Beurteilung selbst vorgenommen werden. Sie kann auch im Rahmen einer Besprechung erfolgen; die Konkretisierung ist auch im Verwaltungsverfahren oder Verwaltungsstreitverfahren möglich (ebenso BayVGH BeckRS 2015, 56417). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.
Über die Streitsache kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt haben (§ 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
II.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Aufhebung ihrer periodischen Beurteilung vom 6. Juni 2013 für den Beurteilungszeitraum 1. Juni 2009 bis 31. Mai 2012 und Erstellung einer neuen periodischen Beurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Die angefochtene Beurteilung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO analog, da eine dienstliche Beurteilung keinen Verwaltungsakt darstellt).
1. Dienstliche Beurteilungen sind ihrem Wesen nach persönlichkeitsbedingte Werturteile, die verwaltungsgerichtlich nur beschränkt überprüfbar sind (ständige Rechtsprechung: BVerwG, U.v. 13.5.1965 – 2 C 146.62 – BVerwGE 21, 127/129; U.v. 26.6.1980 – 2 C 8/78 – BVerwGE 60, 245). Nach dem erkennbaren Sinn der Regelung über die dienstliche Beurteilung soll nur der Dienstherr oder der für ihn handelnde Beurteiler ein persönliches Werturteil darüber abgeben, ob und inwiefern der Beamte den vom Dienstherrn zu bestimmenden, zahlreichen fachlichen und persönlichen Anforderungen des konkreten Amtes entspricht. Bei einem derartigen, dem Dienstherren vorbehaltenden Akt wertender Erkenntnis steht diesem eine der gesetzlichen Regelung immanente Beurteilungsermächtigung zu. Demgegenüber hat sich die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle darauf zu beschränken, ob der Beurteiler den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, oder ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen hat, ist vom Gericht auch zu prüfen, ob die Richtlinien eingehalten sind und ob sie den gesetzlichen Regelungen über die dienstliche Beurteilung und auch sonst mit gesetzlichen Vorschriften in Einklang stehen (BVerwG, U. v. 11.1.1999 – 2 A 6/98 – ZBR 2000, 269). Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle kann dagegen nicht dazu führen, dass das Gericht die fachliche oder persönliche Beurteilung des Beamten durch den Dienstherrn in vollem Umfang nachvollzieht oder diese gar durch eine eigene Beurteilung ersetzt (BVerwG, U. v. 26.6.1980, a. a. O.).
Zugrunde zu legen sind die Art. 54 ff. des Gesetzes über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der … Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz – LlbG), die Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht (Bekanntmachung des … Staatsministeriums der Finanzen v. 18.11.2010 – VV-BeamtR, FMBl. S. 264, Abschnitt 3: Dienstliche Beurteilung – allgemeine Beurteilungsrichtlinien), sowie die Richtlinien für die dienstliche Beurteilung, Leistungsfeststellungen nach Art. 30 und 66 des … Besoldungsgesetzes – BayBesG – i. V. m. Art. 62 LlbG für die Beamtinnen und Beamten der … Polizei und des … Landesamtes für Verfassungsschutz vom 8. April 2011 (Beurteilungsrichtlinien der … Polizei, AllMBl S. 129). Maßgebend ist, welches Beurteilungssystem und welche Regelungen zum Beurteilungsstichtag (hier: 31.5.2012) gegolten haben (vgl. BVerwG, U. v. 2.3.2000 – 2 C 7/99 – NVwZ-RR 2000, 621 unter Hinweis auf BVerwG, B.v. 14.2.1990 – 1 WB 181/88 – BVerwGE 86, 240).
2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die angefochtene dienstliche Beurteilung vom 6. Juni 2013 rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Zeugen – an deren Glaubhaftigkeit das Gericht keinen Anlass zu Zweifeln sieht – haben in der mündlichen Verhandlung das formale Vorgehen wie auch die maßgeblichen Erwägungen für die Bewertung der Klägerin im Vergleich mit den Beamten derselben Besoldungsgruppe (A 11) dargestellt. Danach ist gegen die Beurteilung rechtlich nichts zu erinnern. Es wurde erläutert, dass auch im vorliegenden Fall die Beurteilung, wie bei der … Polizei üblich, „von unten nach oben“ entwickelt wurde. So wurde zunächst eine Reihung auf Sachgebietsebene gebildet, danach auf Dezernatsebene, auf Abteilungsebene und zuletzt auf Amtsebene. Auf die Amtsreihung wurde die vom … Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr vorgegebene Quote angelegt, die jedoch nicht absolut streng zu verstehen ist und Ausnahmen zulässt.
a) Insbesondere der Beurteiler der Klägerin, der Zeuge Polizeipräsident a.D. D., hat nachvollziehbar dargestellt, wie die Reihungen „von unten nach oben“ erarbeitet wurden. Bereits bei der Reihung auf niedrigster Ebene, innerhalb des Sachgebiets, belegte die Klägerin den letzten von vier Plätzen. Auf Dezernatsebene wurde sie auf Platz 33 von 36 gereiht, auf Abteilungsebene auf Platz 69 von 73 und schließlich auf Amtsebene auf Platz 147 von 156.
Der Zeuge B. hat weiterhin erläutert, wie die niedrige Punktebewertung der Klägerin zustande kam. Diese habe sich insbesondere mit dem Arbeitsverhalten der Klägerin begründet. Er gab an, dass sie seinerzeit sehr viele dienstliche Nebentätigkeiten ausgeübt habe, wodurch die Sachbearbeitung zum Teil in den Hintergrund getreten sei. Ohne sich konkret an den Fall des von der Klägerin angesprochenen Beamten zu erinnern, welcher erst nach ihr in die Ermittlungsgruppe gekommen und teilweise unter besondere Aufsicht gestellt worden sei, vermutete er dessen Arbeitsverhalten als Grund für die bessere Platzierung. Das Arbeitsverhalten der Klägerin habe sich erst nach einem diesbezüglichen Gespräch und einer damit einhergehenden Reduzierung der Nebentätigkeiten gebessert.
Darüber hinaus ist es auch nicht ungewöhnlich, dass ein Beamter bei einer Beförderung während des Beurteilungszeitraums ein im Vergleich zur Vorbeurteilung schlechteres Gesamturteil erhält, da er sich nunmehr an dem höheren Statusamt und somit an gestiegenen Anforderungen messen lassen muss. Zudem muss er sich mit den Beamten des höheren Statusamtes vergleichen lassen, die dieses in aller Regel schon längere Zeit innehaben und dadurch einen Erfahrungsvorsprung aufweisen. Hat der beförderte Beamte seine bisher gezeigten Leistungen nicht weiter gesteigert, sondern beibehalten, so führt dies regelmäßig dazu, dass die Beurteilung im neuen Amt schlechter ausfällt als diejenige im vorangegangenen, niedriger eingestuften Amt (BayVGH, B.v. 27.8.1999 – 3 B 96.4077 – juris Rn. 21; VG München, U.v. 31.1.2006 – M 5 K 04.6371 – juris Rn. 25; OVG RhPf, B.v. 12.9.2000 – 10 A 11056/00 – juris Rn. 2).
Der Zeuge B. hat in der mündlichen Verhandlung auch deutlich gemacht, dass er mit der Höhe der Bewertung von 8 Punkten durchaus einverstanden war und diese als leistungsangemessen ansah. Soweit er Einwendungen gegen die Beurteilung erhob, empfand er lediglich die damit einhergehende Absenkung um zwei Punkte gegenüber der Vorbeurteilung als zu viel. Die Punktebewertung der dienstlichen Beurteilung hat sich jedoch an den Leistungen des betreffenden Beamten im Beurteilungszeitraum im Vergleich zu den Beamten derselben Fachlaufbahn und Besoldungsgruppe zu orientieren, nicht hingegen an der Vorbeurteilung. Die Bewertung in der Vorbeurteilung ist nicht der Maßstab für die aktuelle dienstliche Beurteilung.
Der Zeuge D. hat weiterhin nachvollziehbar dargelegt, aus welchen Gründen ausnahmsweise ein zweites Reihungsgespräch auf Amtsebene stattgefunden hat. Dies lag entgegen der Vermutung der Klägerin nicht etwa daran, dass die Abteilung VI zunächst vergessen worden sei, sondern an Schwierigkeiten und Diskussionen um Leistungsveränderungen der Beamten, die eine Rücksprache der Abteilungsleiter erforderlich machten. Diese Diskussionen wurden nach Aussage des Zeugen in erster Linie durch Abweichungen der Abteilung VI von der letzten Jahresreihung verursacht. Diese war somit offensichtlich Gegenstand der Reihungsgespräche und wurde nicht vergessen. Die Reihungsrunde sei nach Aussage des Zeugen nach diesem ersten Gespräch „auf null gesetzt“ worden, so dass die endgültige Reihung erst in dem zweiten Gespräch vorgenommen worden sei.
b) Die streitgegenständliche Beurteilung ist auch hinreichend plausibilisiert worden. Eine Begründung des Gesamturteils muss nicht zwingend in der Beurteilung selbst vorgenommen werden. Sie kann etwa auch im Rahmen der Besprechung der dienstlichen Beurteilung erfolgen (Schnellenbach/Bodanowitz, Die dienstliche Beurteilung der Beamten und der Richter, Band II, Stand September 2014, Rn. 330). Auch aus dem von der Klägerseite zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.06.1980 (2 C 8/78 – juris) ergibt sich kein beanstandungsbedürftiges Verhalten des Dienstherrn. Hiernach dürfen allgemeine und pauschal formulierte Werturteile nicht formelhafte Behauptungen bleiben, sondern müssen vom Dienstherrn konkretisiert werden. Die Konkretisierung kann im Verwaltungsverfahren oder im Verwaltungsstreitverfahren erfolgen (BVerwG, a. a. O., Rn. 25 f.; BayVGH, U. v. 12.11.2015 – 3 B 14.2012 – juris Rn. 22).
Die streitgegenständliche Beurteilung wurde der Klägerin eröffnet und sie erhielt spätestens durch den Widerspruchsbescheid zusätzliche Erläuterungen auf ihre Fragen und Anmerkungen. Der Klägerin ist mitgeteilt worden, dass der später in das Sachgebiet gekommene Kollege bewusst vor ihr gereiht wurde. Darüber hinaus hat sie keinen Anspruch darauf, dass mit ihr die durch den Kollegen gezeigte Leistung näher erörtert wird.
Bereits im Widerspruchsbescheid wies der Dienstherr auf die Unterschiede bei der Leistungsstärke der Klägerin im Vergleich zu den mehrheitlich erfahreneren Beamten der neuen Vergleichsgruppe hin. Im Erörterungstermin konkretisierte der Zeuge B. dies weiter und gab an, dass die Sachbearbeitung bei der Klägerin zum Teil nahezu in den Hintergrund getreten sei. Dies genügt zur Plausibilisierung der dienstlichen Beurteilung. Eine eingehendere Erläuterung im Sinne einer beispielhaften Benennung einzelner Vorgänge kann vom Dienstherrn nicht abverlangt werden (BVerwG, a. a. O., Rn. 24).
III.
Die Klägerin hat als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München beantragen.
In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem … Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 5.000,00 festgesetzt (§ 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz -GKG-).

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