Verwaltungsrecht

Vorläufige Aufnahme eines Schülers mit Autismus-Spektrum-Störung in eine Förderschule mit Förderschwerpunk

Aktenzeichen  W 2 E 18.1025

Datum:
5.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 33424
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
BayEUG Art. 41 Abs. 4
BayVwVfG Art. 40

 

Leitsatz

Eine Förderschule mit Förderschwerpunkt Hören gem. Art. 20 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG ist lediglich verpflichtet, schulpflichtige – im räumlichen Ausdehnungsbereich ihres Schulsprengels ansässige – Kinder mit einem festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf im Bereich des Hörens aufzunehmen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1. Der am … … 2011 geborene Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Aufnahme in die erste Klasse der D…Schule, Würzburg, einer Förderschule mit Förderschwerpunkt Hören, deren Rechtsträger der Antragsgegner ist.
Der Antragsteller leidet an frühkindlichem Autismus (ICD-10: F84.0 – hochfunktional) und Hyperakusis (ICD-10: H 93.2). Es besteht ein Verdacht auf auditive Wahrnehmungsstörung (ICD-10: F80.20).
Am 1. Februar 2018 beantragten seine gemeinsam sorgeberechtigten Eltern für ihn die Aufnahme in die D…Schule. Im Rahmen des Aufnahmeverfahrens hospitierte der Antragsteller am 18. Juli 2018 in einer der dortigen Grundschulklassen.
Mit Schreiben vom 24. Juli 2018, bei den Eltern des Antragstellers am 28. Juli 2018 eingegangen, teilte die D…Schule den Eltern des Antragstellers mit, dass die D…Schule nicht als geeigneter Förderort für den Antragsteller gesehen werde, und empfahl die Vorstellung an einer Förderschule mit Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung.
2. Daraufhin beantragte der Antragsteller, vertreten durch seine Mutter, mit Schriftsatz vom 4. August 2018, am 7. August 2018 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg eingegangen, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Aufnahme in die D…Schule zum Beginn des Schuljahres 2018/2019.
Der Antrag wird im Wesentlichen wie folgt begründet:
Mit der Verweigerung der Aufnahme verstoße die Schule gegen das Recht des Antragstellers auf die seinem Förderbedarf am besten erfüllende Beschulung. Der Besuch einer Regelschule komme wegen seiner Autismus-Störung nicht in Betracht. „Alle“ behandelnden Ärzte und Therapeuten hätten übereinstimmend die Einschulung in der D…Schule empfohlen. Mit der ebenfalls diagnostizierten Hyperakusis habe der Antragsteller eine Hörstörung, die bereits für sich genommen zu einer Aufnahmeverpflichtung der Schule führe. Der Antragsteller erfülle darüber hinaus auch die Voraussetzungen für eine Aufnahme aufgrund seiner Autismus-Spektrum-Störung. Die D…Schule habe für die Aufnahme von Autisten ein eigenes Aufnahmeformular und ein eigenes Aufnahmeverfahren. Der Antragsteller sei – durch Test nachgewiesen – normal bis überdurchschnittlich intelligent. Die D…Schule verfüge aktuell über freie Plätze, die für Schülerinnen und Schüler mit Autismus-Spektrum-Störungen zur Verfügung gestellt werden könnten. Lediglich die Übernahme der Kostenpauschale und der Schülerbeförderung sei noch offen. Hier habe es jedoch der Antragsgegner selbst versäumt, auf den vom staatlichen Schulamt zugeleiteten Zuweisungsantrag vom 10. April 2018 zu reagieren.
Das Schreiben vom 24. Juli 2018 sowie die im Verfahren eingeholte Stellungnahmen der Schule seien in sich widersprüchlich und stünden im Gegensatz zu den positiven Bekundungen der Grundschulleiterin beim „Schnuppertag“ am 18. Juli 2018 sowie dem eigenen Erleben der Eltern. Die Hospitation sei nicht nach 20 Minuten abgebrochen worden, sondern habe über zwei Stunden gedauert. Dabei sei offenbar die Geräuschempfindlichkeit des Antragstellers durch das Anschalten lauter Musik getestet worden. Aufgrund seiner durch den Autismus verstärkten Hyperakusis könnten Geräusche beim Antragsteller Schmerzen auslösen. Es sei deshalb nachvollziehbar, dass er versucht habe, weinend die Klasse zu verlassen. Dies bedeute nicht, dass er sein Verhalten nicht angemessen steuern könne. Ein autistisches Kind benötige – mehr noch als andere Kinder – Zeit zur Eingewöhnung. Aus seinem Verhalten am „Schnuppertag“ könne deswegen weder gefolgert werden, dass er nicht in der Lage sei, mit anderen Menschen zu kooperieren, noch, dass er kein erkennbares Interesse an Lernangeboten habe. Der Antragsteller habe sich in Kinderkrippe, Regelkindergarten, Frühförderstelle und dem Autismus-Therapiezentrum auf verschiede Personen eingelassen und deren Lern- und Therapieangebote angenommen. Es bleibe unklar, welches Verhalten die Rechte anderer Kinder gefährden solle.
Der Antragsteller benötige neben einer Schulbegleitung ausreichend akustische und psychische Ruhe sowie ständige visuelle Unterstützung. Er sei in diesen Belangen auf erfahrenes Schulpersonal angewiesen. Entsprechende Förderbedingungen seien nur auf der D…Schule gegeben. Er habe deshalb einen „Anspruch“ auf deren Besuch. Im Hinblick auf den baldigen Beginn des Schuljahres und die für den Antragsteller bestehende Schulpflicht sei die Sache auch eilbedürftig. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 4. August 2018, 28. August 2018 und 3. September 2018 Bezug genommen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß die vorläufige Aufnahme in die erste Klasse der D…Schule zum Beginn des Schuljahres 2018/2019.
Der Antragsgegner beantragt,
Der Antrag wird abgelehnt.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen:
Die D…Schule sei als Förderzentrum mit dem Förderschwerpunkt Hören zur Aufnahme des Antragstellers nicht verpflichtet. Bei ihm bestehe keine periphere Hörstörung vor. Der Antragsgegner habe die Schule lediglich auf freiwilliger Basis und unter bestimmten Voraussetzungen für Autisten geöffnet. Dazu gehöre die Übernahme einer Sachkostenpauschale und der Schülerbeförderungskosten durch den Träger der Sprengel-Pflichtschule, die für die Antragsteller nicht vorliege.
Unabhängig von dieser Finanzierungsfrage beruhe die Ablehnung der Aufnahme des Antragstellers auf der pädagogischen Bewertung der Schule:
Die Auswirkungen einer autistischen Störung auf die Entwicklung und das schulische Lernen seien stets individuell ausgeprägt und wichen in hohem Maße voneinander ab. Schülerinnen und Schüler, die im Kontext ihrer Autismus-Störung an einer Hyperakusis litten, könnten in der D… zwar Entlastung erfahren und kompensatorische Strategien im Rahmen eines Hörtrainings erwerben. Dies setze allerdings voraus, dass das Kind seine Bedürfnisse erkennen und äußern könne. Es müsse konstruktiv am Unterricht in einer Lerngemeinschaft teilnehmen. Die Aufnahme von Schülerinnen und Schülern mit Autismus-Spektrum-Störung erfolge deshalb nur nach Prüfung des Einzelfalles.
Bis Juli 2018 hätten der Schule keine aussagekräftigen Unterlagen zum Antragsteller vorgelegen, so dass eine Meinungsbildung nicht früher möglich gewesen sei. Aus der Auswertung der am 18. Juli 2018 vorgelegten Unterlagen und den Beobachtungen vom gleichen Tag habe sich die Einschätzung ergeben, dass das Angebot der D…Schule nicht geeignet sei, den Förder- und Hilfebedarf des Antragstellers zu erfüllen. Der Antragsteller sei nicht in der Lage, mit anderen Personen als seiner Mutter zu kooperieren. Er zeige kein erkennbares Interesse an seiner Umgebung und an Lernangeboten. Er sei auch unter sehr strenger Führung im Einzelkontakt nicht ausreichend in der Lage, sein Verhalten zu steuern und eigene momentane Bedürfnisse zurückzustellen. Seine Verhaltensweisen gefährdeten die Rechte anderer Kinder in hohem Maße. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 20. August 2018 und 3. September 2018 (datiert mit 20. August 2018) Bezug genommen.
Im Übrigen wird auf den Vortrag der Parteien, die vorgelegten Unterlagen – insbesondere die Arztbriefe des Universitätsklinikums Erlangen vom 5. Juli 2018 und des Universitätsklinikums Würzburg vom 27. April 2018 sowie vom 28. Februar 2018, den Psychologischen Befund der Gemeinschaftspraxis K… vom 4. Juli 2018, das Gutachten der J…Schule zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs vom 5. Juli 2018, den Entwicklungsbericht des „… … Zentrum … … …“ zur Alltagsintegration vom 17. Juli 2018, die Stellungnahme des R… … … Zentrums zur Einschulung (undatiert) und die Stellungnahme der D…Schule (undatiert) – sowie die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte verwiesen .
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO bleibt ohne Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung für eine einstweilige Anordnung ist demnach das Vorliegen eines Rechts, dessen Sicherung die Anordnung dient (Anordnungsanspruch) sowie die drohende Vereitelung oder Erschwerung dieses Anspruchs (Anordnungsgrund). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Wegen der Eilbedürftigkeit des Anordnungsverfahrens sind die Anforderungen an das Beweismaß und somit auch an den Umfang der Ermittlung von Sach- und Rechtslage geringer als im Hauptsacheverfahren. Es genügt eine nur summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage (Kopp/Schenke, VwGO, 24. Auflage 2018, § 123 Rn. 23 ff.).
1. Der Antrag ist zulässig.
Im Hinblick auf den in der kommenden Woche bevorstehenden ersten Schultag des Schuljahres 2018/2019 ist nicht nur ein Anordnungsgrund zweifelsohne zu bejahen, sondern auch auf die mit gerichtlichem Schreiben vom 7. August 2018 angeforderte Vorlage der Zustimmung des weiteren Erziehungsberechtigten – im Sinne einer Notvornahme – zu verzichten und den Antrag – sinnentsprechend – als Antrag des Kindes, vertreten durch seine Mutter, auszulegen.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage besteht kein Anordnungsanspruch. Der Antragsteller hat mit überwiegender Wahrscheinlichkeit keinen Anspruch auf eine Aufnahme in der D…Schule, so dass auch keine Anordnung unter dem Gesichtspunkt einer reinen Güterabwägung bei offenen Erfolgsaussichten in Betracht kommt.
2.1 Ein gebundener Anspruch auf Aufnahme in die D…Schule besteht bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht.
Gem. § 14 Satz 1 der Schulordnung für die Volksschulen zur sonderpädagogischen Förderung (Volksschulordnung-F, VSO-F) vom 11. September 2008 (GVBl S. 731, 907; BayRS 2233-2-1-K), zuletzt geändert durch Verordnung vom 1. Juli 2016 (GVBl S. 193), liegt ein Bedarf an besonderer pädagogischer Förderung gem. Art. 41 Abs. 1 Satz 2 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) i.d.F. d. Bek. vom 31. Mai 2000 (GVBl S. 414, 632; BayRS 2230-1-1-K), zuletzt geändert durch Gesetzes vom 24. Juli 2018 (GVBl S. 613) vor, wenn die angemessene persönliche, soziale und schulische Entwicklungsförderung in einem oder mehreren sonderpädagogischen Förderschwerpunkten die Inanspruchnahme der besonderen Fachlichkeit und Ausstattung der Förderschule begründet.
Gem. Art. 41 Abs. 4 Satz 2 BayEUG setzt ein Anspruch auf Aufnahme in eine Förderschule die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs im Förderschwerpunkt der jeweiligen Schule voraus. Diese Feststellung ist im Rahmen des sonderpädagogischen Gutachtens durch eine gem. Art. 19 Abs. 1 BayEUG zur Diagnose berechtigten Förderschule anhand der Empfehlungen der der Kultusministerkonferenz zur sonderpädagogischen Förderung in den Schulen in der Bundesrepublik Deutschland (KM-Bek. vom 16. September 1994, KWMBl I S. 458) in Verbindung mit den ergänzend zu den einzelnen Förderschwerpunkten erlassenen Empfehlungen der Kultusministerkonferenz zu treffen.
Da es sich bei der D…Schule um eine Förderschule mit Förderschwerpunkt Hören gem. Art. 20 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG handelt, ist die Schule bzw. ihr Rechtsträger mithin lediglich verpflichtet, schulpflichtige – im räumlichen Ausdehnungsbereich ihres Schulsprengel ansässige – Kinder mit einem gem. Art. 41 Abs. 4 Satz 1, Art. 19. Abs. 1 BayEUG i.V.m. § 28 Abs. 4 Satz 1 VSO-F festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf im Bereich des Hörens aufzunehmen.
Diese Aufnahmeverpflichtung korrespondiert mit der Schulpflicht des Kindes gem. Art. 35 Abs. 1 Satz 1, 41 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 BayEUG und steht gem. § 22 Abs. 1 VSO-F unter dem Vorbehalt, dass der Schwerpunkt des festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf nicht in einem anderen der in Art. 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 BayEUG definierten Förderschwerpunkte liegt und die Schülerin oder der Schüler in einer Schule mit diesem Förderschwerpunkt besser entsprechend seinem bzw. ihrem individuellen Förderbedarf gefördert werde kann.
Für den Antragsteller wurde mit Gutachten der J… vom 5. Juli 2018, einer als Förderzentrum Sprache gem. Art. 19. Abs. 1 BayEUG i.V.m. § 28 Abs. 4 Satz 1 VSO-F zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs berufenen Einrichtung, beim Kläger ausdrücklich nur ein sonderpädagogischer Förderbedarf im Bereich der emotional-sozialen Entwicklung und im Bereich der Sprache und Kommunikation festgestellt. Es wurde gerade kein Förderbedarf im Bereich Hören festgestellt, sondern nur bestehende Hinweise auf einen solchen Förderbedarf in das Gutachten aufgenommen. Dem steht auch die ebenfalls dort empfohlene Kontaktaufnahme mit der D…Schule als Förderzentrum Hören nicht entgegen. Diese bezieht sich offensichtlich vor allem auf die dort tatsächlich bestehende Aufnahmepraxis von Schülerinnen und Schülern mit einer Autismus-Spektrum-Störung, wie sie auch der Antragsteller hat.
Auch aus der beim Antragsteller ebenfalls diagnostizierten Hyperakusis (ICD-10: H93.2) lässt sich ein gebundener Anspruch auf Aufnahme in die Karl-Kroiß-Schule unter dem Aspekt einer beim Antragsteller vorliegenden Hörstörung nicht ableiten. Ein (gesonderter) Förderbedarf im Bereich Hören wurde weder von der J…Schule noch der D…Schule selbst als dazu gem. Art. 19 Abs. 1 BayEUG zuständiger Fachbehörde festgestellt. Allein die medizinische Diagnose ersetzt die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs nicht. Denn die medizinische Diagnose und der gegebenenfalls daraus folgende Förderbedarf sind weder identisch noch kann aus der Diagnose regelhaft auf den sonderpädagogischen Förderbedarf geschlossen werden. Wie sich aus den (ergänzenden) Empfehlungen der Kultusministerkonferenz zum Förderschwerpunkt Hören (KM-Bek. vom 16. September 1996, KWMBl I 1996 S. 370; BayRS 2233.1-K) ergibt, bedarf es für die Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs im Bereich Hören eines eigenständigen Ermittlungsverfahrens bei dem weit über die medizinische Diagnose hinausgehende Faktoren zu berücksichtigen und interdisziplinär zu gewichten sind.
So ist bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage glaubhaft, das es sich bei der Hyperakusis vor allem um ein Begleitphänomen im Kontext der Autismus-Spektrum-Störung des Antragstellers handelt, die es nicht rechtfertigt, alleine einen Schwerpunkt im auditiven Bereich zu setzen.
Wie sich bestätigend aus den Empfehlungen der Kultusministerkonferenz zu Erziehung und Unterricht von Kindern und Jugendlichen mit autistischem Verhalten (KM-Bek. vom 4. September 2000, KWMBl I 2000 S. 403; Bay-RS 2233.1-K) ergibt, gibt es keine eigenen Schulen für Schülerinnen und Schüler mit Autismus-Spektrum-Störung. Gem. Ziff. 5.3 der Empfehlungen besuchen Kinder und Jugendliche mit autistischem Verhalten, deren Förderung in einer allgemeinen Schule nicht ausreichend gewährleistet werden kann, Sonderschulen mit unterschiedlichen Förderschwerpunkten (a.a.O.), so dass eine generelle Zuordnung zum Förderschwerpunkt Hören auch unter dem Aspekt einer die Autismus-Spektrum-Störung begleitenden Hyperakusis nicht angezeigt ist. Diese ist vielmehr – unabhängig von Förderort und Förderform – bei der konkreten Ausgestaltung von Unterricht und Erziehung zu berücksichtigen. So geht beispielsweise auch die Kultusministerkonferenz in Ziff. 5 Abs. 2 ihrer Empfehlungen davon aus, dass bei Kindern und Jugendlichen zu Beginn der schulischen Bildung eine Einzelförderung notwendig sein kann (a.a.O.).
2.2 Im Wege der summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist auch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass sich ein Anspruch des Antragstellers auf Aufnahme in die D…Schule im Wege der Ermessensbindung im Hinblick auf die bestehende Aufnahmepraxis bei Schülerinnen und Schülern mit einer Autismus-Spektrum-Störung ergibt.
Denn unabhängig von der offenen Frage der finanziellen Beteiligung des Rechtsträgers der Sprengel-Pflichtschule liegen keine Anhaltspunkte für eine entsprechende Ermessensbindung vor.
Zwar ist der Antragsgegner – auch bei freiwilliger Aufnahme von Schülerinnen und Schülern mit Autismus-Spektrum-Störung nicht völlig frei in seiner Auswahlentscheidung, sondern hat sein Ermessen gem. Art. 40 BayVwVfG entsprechend dem vorgegebenen Zweck, d.h. der Erfüllung sonderpädagogischen Förderbedarfs, und in den gesetzlichen Grenzen auszuüben.
Weder bestehen aber Hinweise, dass bislang in die D…Schule Schülerinnen und Schüler mit Autismus-Spektrum-Störung im Rahmen der entsprechenden Aufnahmekapazitäten von max. 15 Prozent der Gesamtschülerzahl grundsätzlich ohne pädagogische Einzelfallprüfung aufgenommen worden wären, so dass sich der Antragsteller auf eine bestehende Aufnahmepraxis berufen könnte. Noch liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsgegner dem Antragsteller gegenüber einen – sein Ermessen im Einzelfall reduzierenden – Vertrauenstatbestand geschaffen hätte. So enthält bereits der den Eltern des Antragstellers am 1. Februar 2018 ausgehändigte Antrag auf Genehmigung des Schulbesuchs die Stellungnahme, dass die D…Schule vorläufig nicht einverstanden ist. Auch wenn dies lediglich allgemein damit begründet wird, dass eine endgültige Entscheidung erst nach Abschluss der Planungsphase zur Klassenbildung und Personalversorgung für das kommende Schuljahr getroffen werden könne, und keinen Hinweis auf eine sonderpädagogische Einzelfallprüfung enthält, kommt eine Reduzierung des Aufnahmeermessens zu einem gebundenen Anspruch allein aufgrund der Aushändigung des Genehmigungsantrags oder der vom Antragsteller vorgelegten Emailkorrespondenz jedenfalls nicht in Betracht.
Trotz der im Wesentlichen fehlenden Begründung im Schreiben vom 24. Juli 2018 ist bei der Ablehnung der Aufnahme des Antragstellers auch nicht von einem Ermessensausfall auszugehen. Der Hinweis auf die Überprüfung der vorgelegten Unterlagen und die Einschätzung der Fachdienste impliziert gerade eine Ermessensentscheidung im Wege einer einzelfallbezogene Auseinandersetzung.
Die dabei angestellte Bewertung, wie sie in der Stellungnahme nachträglich plausibilisiert wurde, entzieht sich einer vollständigen Erfassung nach rein rechtlichen Kriterien und bedingt sachnotwendig einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren pädagogischen Wertungsspielraum. So kann und darf das Gericht nicht anstelle der pädagogischen Fachgremien darüber befinden, ob die D…Schule als geeigneter Förderort für den Antragsteller anzusehen ist. Es hat sich darauf zu beschränken, die vorgetragenen ermessensleitenden Erwägungen auf ihre Plausibilität, Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit zu prüfen.
Dabei hat das Gericht keine Zweifel, dass der Antragsgegner die vorgelegten Stellungnahmen, Gutachten und Atteste umfassend zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidung berücksichtigt hat. Es ist auch nicht erkennbar, dass der Entscheidung sachfremde Erwägungen zugrunde liegen. Insbesondere bestehen keinerlei nachvollziehbare Anhaltspunkte für eine Diskriminierung des Antragstellers aufgrund seiner Autismus-Diagnose.
Zwar erscheint es – angesichts der vom Antragsteller vorgelegten Emailkorrespondenz – jedenfalls hinsichtlich des Aufnahmeverfahrens für die Grundschule nicht zwingend nahe liegend, die mangelnde Kooperation der Eltern des Antragstellers zu beanstanden. Jedoch sollte der Hinweis in der Stellungnahme der Schule offenkundig nur den späten Zeitpunkt für die Meinungsbildung der Schule begründen.
Es ist auch nicht ersichtlich, dass seitens der Schule ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde gelegt wurde. Dabei bedarf es – zumal im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes – keiner weiteren Sachaufklärung hinsichtlich des tatsächlichen Ablaufs der Hospitation des Antragstellers am 18. Juli 2018. Die abweichende Darstellung der Mutter des Antragstellers im Schriftsatz vom 3. September 2018 betreffen hinsichtlich des tatschlichen Geschehens lediglich Einzelfragen, die für die Gesamtbewertung von untergeordneter Bedeutung sind.
Sofern sie das Verhalten des Antragstellers anders bewertet und einordnet, vermag sie die in sich schlüssige und im Einklang mit den sich aus den vorgelegten Gutachten, Attesten und Stellungnahmen stehende pädagogische Einschätzung der Schule damit nicht zu erschüttern. Zwar ist einleuchtend, dass ein autistisches Kind auf eine fremde Situation, Umgebung und Menschen mit Rückzug reagiert und eine Eingewöhnungsphase benötigt, jedoch kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die an der Einschätzung des Antragstellers beteiligten Fachkräfte über entsprechendes sonderpädagogische Fachwissen verfügen und dies bei ihrer Bewertung bereits berücksichtigt haben. So wurden auch die vorgelegten Unterlagen einbezogen, so dass – jedenfalls bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage – gewährleistet erscheint, dass sich die in die Beurteilung einbezogenen Fachkräfte – trotz des relativ kurzen persönlichen Erlebens – ein objektives Bild des sonderpädagogischen Förderbedarfs des Antragstellers machen konnten. Da es sich dabei um einen anderen Blickwinkel als den einer Mutter handelt, sind abweichende Standpunkte kaum vermeidbar und nicht zwangsläufig als Diskriminierungsversuch zu bewerten.
Dass das sonderpädagogische Fachpersonal bei seiner Aufnahmeentscheidung den sonderpädagogischen Förderbedarf eines potentiellen Schülers nicht losgelöst von der Klassengemeinschaft betrachtet, in die er bei einer Aufnahme zu integrieren wäre, ist ebenfalls nicht sachfremd. Gerade vor dem Hintergrund der nur begrenzt vorhandenen sachlichen wie personellen Kapazitäten ist es legitim, den Förderbedarf eines Schülers ins Verhältnis zu den ebenfalls zu berücksichtigenden Belangen der anderen Schülerinnen und Schülern zu setzen. Es ist deshalb nicht ermessensfehlerhaft, wenn der Antragsgegner es auch bei der Aufnahme autistischer Kinder zur Voraussetzung macht, dass sie andere Kinder in kleineren Lerngruppen von max. zwölf Kindern ausreichend wahrnehmen und in der Lage sind, eigene Bedürfnisse temporär zurückzustellen. Denn es ist plausibel, dass dies nicht nur dem Interesse der übrigen Schülerinnen und Schüler an einem lehrplangerechten und angemessenen Unterricht dient, sondern auch Voraussetzung dafür ist, dass das betroffene Kind die Lernangebote der Schule überhaupt annehmen und daraus für sich Nutzen ziehen kann.
Insgesamt ist bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage jedenfalls nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner bei der Nichtaufnahme des Antragstellers von unrichtigen Tatsachen ausgegangen ist, ermessensrelevante Aspekte nicht berücksichtigt, sachfremde Erwägungen angestellt oder seinen Ermessensspielraum verkannt oder überschritten hätte.
Im Übrigen würden selbst festgestellte Ermessensfehler in der Hauptsache lediglich zu einem Anspruch des Antragstellers auf eine erneute Ermessensentscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes führen und könnten mithin einen Anspruch auf vorläufige Aufnahme des Antragstellers gerade unter – jedenfalls temporärer – Vorwegnahme der Hauptsache nicht begründen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes beruht auf § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 63 Abs. 2 GKG, wobei die Kammer von einer Halbierung des Auffangstreitwerts ausgeht (vgl. ebenso: VG Würzburg, B.v. 18. August 2016 – W 2 E 16.819 – juris).

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