Verwaltungsrecht

Vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin

Aktenzeichen  7 CE 17.10240

Datum:
9.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 532
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayHZV § 54
ÄAppO § 2 Abs. 3, § 27 Abs. 4 Nr. 5
VwGO § 123

 

Leitsatz

1. Ein Blockpraktikum, das für Allgemeinmedizin in einer Lehrpraxis von zwei Wochen im Rahmen eines Pflichtpraktikums im 5. Semester (vgl. § 2 Abs. 3, § 27 Abs. 4 Nr. 5 ÄAppO) und damit außerhalb des Praktischen Jahres abgehalten wird, ist bei der Berechnung der patientenbezogenen Ausbildungskapazität schon deshalb nicht zu berücksichtigen, weil für die wegen außeruniversitär geleisteter Blockpraktika zugelassenen weiteren Studierenden keine ausreichende Zahl geeigneter Patienten im Rahmen des Unterrichts am Krankenbett zur Verfügung stehen. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zur Ermittlung der Zahl der tagesbelegten Betten ist die sog. „Mitternachtszählung“ mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der erschöpfenden Kapazitätsauslastung vereinbar (wie BayVGH BeckRS 2016, 50140 Rn. 9). Da die Mitternachtszählung auch zu einem Ausgleich der Interessen der Studierenden an einer ordnungsgemäßen praktischen und patientenbezogenen Ausbildung einerseits und der Interessen der betroffenen Patienten, unzumutbare Belastungen im Rahmen dieses Unterrichts zu vermeiden andererseits führt, besteht kein Anlass, von dieser Ansicht abzuweichen. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Berechnung der patientenbezogenen Kapazität nach § 54 BayHZV sieht eine Berücksichtigung des Schwundes nicht vor (wie BayVGH BeckRS 2013, 59908 Rn. 12). (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 1 E HK 17.10058 2017-11-07 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
III. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
IV. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin im ersten klinischen Semester an der Universität Regensburg (UR) gemäß der Sach- und Rechtslage des Sommersemesters 2017. Er macht geltend, die UR habe ihre Aufnahmekapazität nicht ausgeschöpft.
Das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg hat seinen Antrag und den gleichzeitig gestellten Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten mit Beschluss vom 7. November 2017 abgelehnt.
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter. Er macht geltend, das erstinstanzliche Gericht habe sich noch nie mit der Berücksichtigung bzw. Einbeziehung von Lehrpraxen in die Berechnung der klinischen Ausbildungskapazität beschäftigt. Im Übrigen sei die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur sog. „Mitternachtszählung“ überholt und es fehle an einer ordnungsgemäßen Schwundberechnung für den klinischen Ausbildungsabschnitt. Er hat überdies beantragt,
dem Antragsteller unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 7. November 2017 Prozesskostenhilfe für die erste und zweite Instanz nebst Anwaltsbeiordnung zu bewilligen.
Der Antragsgegner hat sich im Beschwerdeverfahren ausführlich geäußert, den angefochtenen Beschluss verteidigt und beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren ist mangels hinreichender Erfolgsaussichten des Rechtsmittels abzulehnen (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO).
1. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), begründet den geltend gemachten Anordnungsanspruch des Antragstellers nicht. Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die UR im Sommersemester 2017 ihre Ausbildungskapazität im ersten klinischen Fachsemester des Studiengangs Humanmedizin (2. Studienabschnitt) ausgeschöpft hat. Der Senat folgt den Gründen des streitgegenständlichen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und nimmt darauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist zu bemerken:
a) Die Rüge des Antragstellers, es sei „nicht ersichtlich, dass sich das erstinstanzliche Gericht auch nur ansatzweise mit der Ausbildung von Medizinstudenten während des 2. Ausbildungsabschnitts in Hausarztpraxen beschäftigt bzw. das dort befindliche „(Lehr) Potential“ gewürdigt“ habe; … auf jeden Fall werde „der Begriff „Lehrpraxis“ (bezogen auf das 5. bis 10. Fachsemester) überhaupt nicht erwähnt“, geht fehl. Dass sich das „erstinstanzliche Gericht – soweit ersichtlich – noch nie mit der Berücksichtigung bzw. Einbeziehung von Lehrpraxen in die Berechnung der klinischen Ausbildungskapazität beschäftigt hat“, ist dem Umstand geschuldet, dass derartige Bedenken insbesondere von Seiten des Antragstellers, der seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ohne Begründung erhoben hat, noch niemals geltend gemacht worden sind. Auch für eine entsprechende Überprüfung von Amts wegen bestand bislang mangels Anhaltspunkten für eine diesbezüglich falsche Berechnung kein Anlass. Im Übrigen hat der Beklagte nun im Beschwerdeverfahren nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass an der UR lediglich ein Blockpraktikum, dasjenige für Allgemeinmedizin, in einer Lehrpraxis von zwei Wochen im Rahmen eines Pflichtpraktikums im 5. Semester (vgl. §§ 2 Abs. 3, 27 Abs. 4 Nr. 5 ÄAppO) und damit außerhalb des Praktischen Jahres abgehalten wird und dass dieses bei der Berechnung der patientenbezogenen Ausbildungskapazität schon deshalb nicht zu berücksichtigen ist, weil für die wegen außeruniversitär geleisteter Blockpraktika zugelassenen weiteren Studierenden keine ausreichende Zahl geeigneter Patienten im Rahmen des Unterrichts am Krankenbett zur Verfügung stünde (so im Ergebnis auch: OVG Hamburg B.v. 13.10.2016 – 3 NC 18/16 – juris).
b) Auch die Anzahl der tagesbelegten Betten ist seitens der UR fehlerfrei ermittelt worden. Soweit der Antragsteller die dabei angewandte sog. „Mitternachtszählung“ für überholt hält, weil „die Belegung für jede Tageszeit unschwer per Computer ermittelt werden kann“ und somit „überhaupt keine Notwendigkeit mehr besteht, dass irgendwann zu mitternächtlicher Zeit eine Krankenschwester durch die Gänge und Flure des Universitätsklinikums „streift“, um zu ermitteln, wie viele Patienten in den einzelnen Zimmern vorhanden sind“, widerspricht dies – wie der Antragsteller selbst einräumt – der Rechtsprechung des erkennenden Senats. In dessen Rechtsprechung ist seit langem geklärt, dass zur Ermittlung der Zahl der tagesbelegten Betten die sog. „Mitternachtszählung“ mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der erschöpfenden Kapazitätsauslastung vereinbar ist (BayVGH B.v. 26.7.2016 – 7 CE 16.10126 – juris Rn. 9 m.w.N.). Abgesehen davon, dass die UR bei der Berechnung der patientenbezogenen Ausbildungskapazität grundsätzlich auch teilstationäre Leistungen in Tageskliniken berücksichtigt (vgl. auch Schriftsatz des Beklagten vom 19.12.2017, S. 3), hat auch der Verordnungsgeber bislang davon abgesehen, nach Beobachtung der diesbezüglichen tatsächlichen Entwicklung korrigierend einzugreifen (vgl. dazu ausführlich: BayVGH B.v. 12.6.2014 – 7 CE 14.10011 – juris Rn. 14 ff.). Da die Mitternachtszählung im Übrigen auch zu einem Ausgleich der Interessen der Studierenden an einer ordnungsgemäßen praktischen und patientenbezogenen Ausbildung einerseits und der Interessen der betroffenen Patienten, unzumutbare Belastungen im Rahmen dieses Unterrichts zu vermeiden andererseits führt (vgl. dazu: BayVGH B.v. 12.6.2014 – 7 CE 14.10011 – juris Rn. 16), besteht auch vor dem Hintergrund des Beschwerdevorbringens kein Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.
c) Schließlich ist auch die „Frage des Schwundansatzes“ nicht, wie der Antragsteller meint, „offen“. Denn der Senat hat bereits entschieden (BayVGH B.v. 25.11.2013 – 7 CE 13.10315 – juris Rn. 12), dass die Berechnung der patientenbezogenen Kapazität nach § 54 HZV eine Berücksichtigung des Schwundes nicht vorsieht.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen