Aktenzeichen 7 CE 20.10022
HZV § 46
Leitsatz
1. Maßgeblich für die Kapazitätsberechnung ist die im Rahmen des Dienstrechts festgesetzte Lehrverpflichtung der Lehrpersonen. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die von der FAU angesetzten 14 Semesterwochen im Studienfach Humanmedizin (Vorklinik) entsprechen auch den tatsächlichen Verhältnissen im Geltungsbereich des Staatsvertrags über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
AN 2 E 19.10118 2020-02-19 Bes VGANSBACH VG Ansbach
Tenor
I. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerinnen und Antragsteller tragen jeweils die Kosten der Beschwerdeverfahren.
III. Der Streitwert für die Beschwerdeverfahren wird jeweils auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller und Antragstellerinnen (im Folgenden: Antragsteller) begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin im ersten Fachsemester an der F.-A.-Universität E.-N. (FAU) nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2019/2020, hilfsweise beschränkt auf den ersten Studienabschnitt. Sie machen geltend, dass mit der in der Satzung der FAU über die Festsetzung von Zulassungszahlen für die im Studienjahr 2019/20 als Studienanfängerinnen und Studienanfänger sowie in höhere Fachsemester aufzunehmenden Bewerberinnen und Bewerber (Zulassungszahlsatzung) vom 5. Juli 2019 festgesetzten Zahl von 174 (Erlangen) und 55 (Bayreuth) Studienanfängerinnen und Studienanfängern die vorhandene Ausbildungskapazität nicht ausgeschöpft sei.
Das Verwaltungsgericht Ansbach hat die Anträge mit Beschlüssen vom 19. Februar 2020 abgelehnt. Die Antragsteller hätten nicht glaubhaft gemacht, dass an der FAU über die kapazitätsdeckend vergebenen 177 (Erlangen) und 56 (Bayreuth) Studienplätze hinaus noch weitere Studienplätze im Studiengang Humanmedizin (Vorklinik) zur Verfügung stünden.
Gegen diese Beschlüsse wenden sich die Antragsteller mit den vorliegenden Beschwerden. Sie tragen im Wesentlichen vor, die FAU habe bei der Berechnung der Lehrnachfrage zur Ermittlung der Semesterwochenstunden die in der Studienordnung festgesetzten Gesamt-Unterrichtsstunden durch 14 Semesterwochen dividiert, anstatt durch die richtige Anzahl von 14,5 Semesterwochen. Die Länge der Vorlesungszeit von durchschnittlich 14,5 Wochen ergebe sich aus § 2 UniVorlZV, die Zahl der Semesterwochen könnte entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht durch Abzug einzelner Feiertage reduziert werden. Andernfalls werde das Kapazitätsberechnungssystem unstimmig, wenn auf Lehrangebots- und Lehrnachfrageseite ein unterschiedlicher Bezugsrahmen in Ansatz gebracht werde. Denn § 2 Abs. 1 Satz 2 LUFV definiere eine Lehrveranstaltungsstunde als mindestens 45 Minuten Lehrzeit pro Woche der Vorlesungszeit des Semesters. Hiernach sei die (durchschnittliche) Länge der Vorlesungszeit eines Semesters (in Wochen) die maßgebliche Variable zur Ermittlung des Real-Lehrdeputats der Hochschuldozenten. Zudem sei aus Gründen der Systemgerechtigkeit erforderlich, dass die Lehrnachfrage zum einen an allen Hochschulen in Bayern und zum anderen auch an einer Hochschule für alle Studiengänge aufgrund einer einheitlichen Länge der Vorlesungszeit errechnet werde. Bei der LMU München werde die Lehrnachfrage auch im Studiengang Medizin ausgehend von 14,5 Semesterwochen ermittelt, die FAU gehe für diverse Bachelor- und Masterstudiengänge sogar von 15 Semesterwochen aus. Diese Vorgehensweise führe dazu, dass Hochschullehrer der FAU im Studiengang Medizin ein geringeres Lehrdeputat zu erfüllen hätten als Hochschullehrer an der LMU München und an der FAU in Bachelor- oder Masterstudiengängen. Zudem ergebe sich aus den „Ausfüllhinweisen Lehrverpflichtung, Stand März 2019“ der FAU, dass die FAU selbst von einer Vorlesungszeit von 14,5 Semesterwochen ausgehe. Die Curricularwerte im Studiengang Medizin (Vorklinik) seien daher anhand der Vorlesungszeit von 14,5 Wochen zu errechnen; danach ergäben sich am Studienort Erlangen über die vergebenen 177 Studienplätze hinaus drei weitere Studienplätze und am Studienort Bayreuth über die vergebenen 56 Studienplätze hinaus ein weiterer Studienplatz. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Bevollmächtigten der Antragsteller vom 5. März und 8. April 2020 verwiesen.
Der Antragsgegner widersetzt sich der Beschwerde. Es wird auf die Schriftsätze vom 25. März und 6. April 2020 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerden sind zulässig, aber unbegründet. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf die sich die Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), wird im Ergebnis nicht erkennbar, dass an der FAU über die im Wintersemester 2019/2020 tatsächlich besetzten Studienplätze hinaus noch ungenutzte Ausbildungskapazität im Studienfach Humanmedizin (Vorklinik) vorhanden war.
Die Rüge der Antragsteller, die einzelnen Curricularwerte seien zu Unrecht auf der Grundlage von 14 Vorlesungswochen ermittelt worden, bleibt ohne Erfolg. Den geltend gemachten Korrekturbedarf kann der Senat nicht feststellen.
1. Die Kapazitätsberechnung beruht auf einem abstrakten und pauschalierten Berechnungsmodell, dem jeweils typisierende Durchschnittsbetrachtungen zugrunde gelegt werden, was den Anforderungen des Kapazitätserschöpfungsgebots genügt (vgl. BVerfG, B.v. 8.2.1984 – 1 BvR 580/83 u.a. – BVerfGE 66, 155). Entscheidend ist im Rahmen der Kapazitätsberechnung, dass die in der Approbationsordnung für Ärzte vorgeschriebenen Mindeststundenzahlen für Unterrichtsveranstaltungen gewährleistet werden (vgl. § 2 ÄAppO 2002 in der hier noch maßgeblichen Fassung vom 17.7.2012). Danach müssen neben Vorlesungen insbesondere praktische Übungen und Seminare durchgeführt werden mit einer Gesamtstundenzahl von mindestens 630 Stunden (vgl. Anlage 1 zu § 2 Abs. 1 Satz 2 ÄAppO), zudem sind neben diesen Veranstaltungen Seminare im Umfang von mindestens 98 Stunden als integrierte Veranstaltungen und weitere Seminare mit klinischem Bezug im Umfang von mindestens 56 Stunden vorzusehen (§ 2 Abs. 2 Satz 5 ÄAppO). Ersichtlich sind diese Unterrichtsveranstaltungen mit Blick auf ihre durch 14 teilbare Gesamtstundenzahl an Semestern mit einer Vorlesungszeit von 14 Wochen ausgerichtet (vgl. hierzu ÄAppO und KapVO – Aspekte der Kapazitätsberechnung von Dr. R. Blasberg, Mainz, Fachbereich Medizin der Johannes Gutenberg-Universität, http://www.m…-online.de/files/39 omft2002 omft2002.pdf, S.2). Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die FAU in der Studien- und Prüfungsordnung für den Studiengang Medizin (StuPOMed) und im Rahmen der Kapazitätsberechnung von 14 Vorlesungswochen im Semester ausgeht und damit die vorgeschriebenen Mindeststundenzahlen für Unterrichtsveranstaltungen gewährleistet. Sofern andere Universitäten – wie die Antragsteller vortragen – kapazitätsgünstig 14,5 Vorlesungswochen im Semester bzw. wie die FAU selbst bei Bachelor- und Masterstudiengängen 15 Wochen zugrunde legen sollten, kann hieraus jedenfalls nicht geschlussfolgert werden, die FAU verstoße bei der Zulassungsberechnung im Studiengang Humanmedizin (Vorklinik) gegen das Kapazitätserschöpfungsgebot. Solange die Universität – wie vorliegend – ihrer Lehrverpflichtung in vollem Umfang nachkommt, bewegt sie sich im Rahmen ihrer verfassungsrechtlich garantierten Lehrfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG; insoweit gebietet es auch der Kapazitätserschöpfungsgrundsatz nicht, stets die kapazitätsgünstigere Alternative zu wählen.
2. Nichts anderes ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über die Lehrverpflichtung des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an Universitäten, Kunsthochschulen und Fachhochschulen (LUFV vom 14.2.2007, GVBl. S.201). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist maßgeblich für die Kapazitätsberechnung die im Rahmen des Dienstrechts festgesetzte Lehrverpflichtung der Lehrpersonen (vgl. § 46 Abs. 1 HZV). Der Umfang der Lehrverpflichtung wird in Lehrveranstaltungsstunden ausgedrückt (§ 2 Abs. 1 Satz 2 LUFV) und umfasst mindestens 45 Minuten Lehrzeit pro Woche der Vorlesungszeit des Semesters (§ 2 Abs. 1 Satz 3 LUFV). Zur Länge der Vorlesungszeit äußert sich die Lehrverordnung nicht und ist dabei im Übrigen auch ohne Belang (vgl. BayVGH, B.v. 3.5.2013 – 7 CE 13.10053 u.a. – juris Rn. 15). Soweit die Antragsteller meinen, das Lehrdeputat der Hochschullehrer an der FAU im Studiengang Medizin sei aufgrund der zugrunde gelegten kürzeren Vorlesungszeit geringer als an anderen Universitäten mit einer Vorlesungszeit von 14,5 Wochen bzw. selbst an der FAU in Bachelor- oder Masterstudiengängen und darin einen Verstoß gegen die Systemgerechtigkeit sehen, ist dem entgegenzuhalten, dass dies maßgeblich eine Frage des Dienst- und nicht des Kapazitätsrechts ist. Dagegen widerspräche es dem Grundsatz der Bilanzierungssymmetrie, wenn Lehrangebot und Lehrnachfrage im Studienfach Humanedizin (Vorklinik) einen unterschiedlichen zeitlichen Bezugsrahmen hätten (vgl. VGH BW, B.v. 17.1.2012 – NC 9 S 2775/10 – juris Rn. 24). Soweit sich die Antragsteller auf die „Ausfüllhinweise Lehrverpflichtung“ beziehen, in der die FAU bei der Umrechnung von Unterrichts- bzw. Zeitstunden in Lehrveranstaltungsstunden von einer Vorlesungszeit im Wintersemester von 15 und im Sommer von 14 Wochen ausgeht, kann hieraus kein Grundsatz für die Kapazitätsberechnung hergeleitet werden, da diese Rechengröße nicht generell im Rahmen der Umrechnung herangezogen wird, sondern nur in Ausnahmefällen, wie beispielsweise bei Blockveranstaltungen und bei der Erstellung von Multimedia – Angeboten.
3. Die von der FAU angesetzten 14 Semesterwochen im Studienfach Humanmedizin (Vorklinik) entsprechen auch den tatsächlichen Verhältnissen im Geltungsbereich des Staatsvertrags über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung, d.h. der bei den deutschen Universitäten traditionell üblichen Vorlesungsdauer und dementsprechend in der Regel auch der Ausbildungswirklichkeit an wissenschaftlichen Hochschulen (vgl. VGH BW, B.v. 17.1.2012, a.a.O.). Entgegen der Beschwerdebegründung lässt sich auch aus § 2 Abs. 1 und 3 UniVorlZV nicht zwingend die Vorlesungswochenzahl von 14,5 Wochen pro Semester errechnen. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 UniVorlZV beträgt die Vorlesungszeit des Wintersemesters 17 und die des Sommersemesters 14 Kalenderwochen. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 und 2 UniVorlZV wird die Vorlesungszeit vom 24. Dezember bis einschließlich 6. Januar unterbrochen, ferner vom Gründonnerstag bis einschließlich Dienstag nach Ostern, am Dienstag nach Pfingsten sowie durch gesetzliche Feiertage, die außerhalb der genannten Zeiten liegen (Pfingstmontag, Christi Himmelfahrt, Fronleichnam und ggf. Tag der Arbeit und Allerheiligen). Zwar widerspräche eine taggenaue Ermittlung der tatsächlichen Vorlesungsdauer der auf einem abstrakten und pauschalierten Berechnungsmodell beruhenden Kapazitätsberechnung (vgl. VGH BW, B.v. 17.1.2012, a.a.O.), jedoch kann der von den Antragstellern angestellten Berechnung, nur volle Wochen im Hinblick auf den Wortlaut von § 2 Abs. 1 Satz 2 LUFV zu berücksichtigen, schon deshalb nicht gefolgt werden, da Zweck der Verordnung nicht die Regelung der Lehrverpflichtung des wissenschaftlichen Personals ist und die Verordnung im Übrigen auch nicht von vorlesungsfreien „Wochen“ sondern von „Unterbrechung“ der Vorlesungszeit spricht. Zutreffend ist daher das Verwaltungsgericht unter Berücksichtigung überschlägiger Durchschnittswerte im Rahmen einer zur Vereinfachung notwendigen Pauschalierung neben einer zweiwöchigen Unterbrechung über die Weihnachtsferien von einer weiteren Unterbrechung der Vorlesungszeit von einer Woche ausgegangen.
4. Eine Entscheidung über den Hilfsantrag, die Antragsteller zum 1. Studienabschnitt zuzulassen, ist nicht veranlasst, da der 1. Studienabschnitt identisch ist mit dem Studienabschnitt Vorklinik (vgl. § 44 Abs. 3 HZV).
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung in den erstinstanzlichen Verfahren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).