Verwaltungsrecht

Vorläufigen Rechtschutz gegen eine Abschiebungsandrohung nach Nigeria

Aktenzeichen  Au 9 S 20.30557

Datum:
12.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 11924
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 36 Abs. 4
AufenthG § 60 Abs. 5, § 60a Abs. 1 S. 1
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege vorläufigen Rechtschutzes gegen eine Abschiebungsandrohung nach Nigeria bzw. in einen anderen aufnahmebereiten Staat.
Der am … 1984 in … (Nigeria) geborene Antragsteller ist nigerianischer Staatsangehöriger mit Volkszugehörigkeit der Edo und christlichem Glauben. Der Antragsteller hat bereits in Italien einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Am 14. Juni 2019 hat der Antragsteller in der Bundesrepublik Deutschland erneut Asylantrag gestellt.
Mit Schreiben vom 2. April 2020 teilte die Republik Italien dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) mit, dass das Verfahren des Antragstellers auf Gewährung internationalen Schutzes in Italien am 3. Januar 2019 erfolglos abgeschlossen worden sei. Der Antragsteller hat unter dem 31. Juli 2019 bestätigt, dass sein Asylantrag in Italien abgelehnt worden sei.
Die persönliche Anhörung des Antragstellers beim Bundesamt fand am 11. Juli 2019 statt. Der Antragsteller trug im Wesentlichen vor, dass er von Mitgliedern eines „secret cult“ mit dem Tode bedroht worden sei, da er sich geweigert habe, sich ihnen anzuschließen. Dies habe sich im Jahr 2012 ereignet. Er sei dann nach * gegangen und habe dort im Security-Bereich gearbeitet. Auch dort habe er Probleme mit einem Arbeitskollegen wegen einem Handy bekommen. Dieser Arbeitskollege sei ebenfalls Mitglied in einem Kult gewesen und habe ihn bedroht. Daraufhin habe er Nigeria verlassen.
Ergänzend trug der Antragsteller vor, dass sein Vater zwischenzeitlich verstorben sei. In Deutschland suche er seine hier lebende Schwester. In Italien sei er nach Ablehnung seines Asylantrages auf einer privaten Feier von Männern angegriffen worden.
Für das weitere Vorbringen des Antragstellers wird auf die vom Bundesamt über die Anhörung gefertigte Niederschrift verwiesen.
Mit Bescheid des Bundesamts vom 20. April 2020 wurde der Antrag des Antragstellers als unzulässig abgelehnt (Nr. 2 des Bescheids). In Nr. 3 des Bescheids ist festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen. In Nr. 4 wird der Antragsteller aufgefordert die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Folgeleistung wurde dem Antragsteller die Abschiebung nach Nigeria angedroht. Weiter wurde bestimmt, dass der Antragsteller auch in einen anderen Staat abgeschoben werden könne, in den er einreisen dürfe und der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei. Nr. 5 setzt das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung fest.
Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Bundesamt u.a. aus, dass der Antrag unzulässig sei, da die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vorlägen. Ein Asylantrag sei unzulässig, wenn im Falle eines Zweitantrags nach § 71a Asylgesetz (AsylG) ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen sei (§ 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG). Wiederaufgreifensgründe seien zugunsten des Antragstellers nicht gegeben. Insbesondere läge keine Sachlagenänderung vor. Das Asylverfahren in Italien habe zum Zeitpunkt der dortigen Entscheidung auf denselben europarechtlichen Grundlagen wie das aktuelle deutsche Asylverfahren beruht. Der Antragsteller habe dem Bundesamt auch keine neuen Beweismittel vorgelegt, die ein Wiederaufgreifen des Verfahrens gebieten würden. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Für den Antragsteller bestehe keine beachtliche Wahrscheinlichkeit staatlicher Verfolgung allein wegen seiner Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse könne nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschlich oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) erfüllen. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Nigeria führten nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass für Rückkehrer in Nigeria die Möglichkeit bestehe, ökonomisch eigenständig alleine zu leben und auch mit oder ohne Hilfe Dritter zu überleben. Für den Antragsteller sei kein Ausnahmefall ersichtlich. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Antragstellers sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch eine Abschiebung nicht beachtlich. Auch die Verletzung anderer Menschenrechte oder Grundfreiheiten der EMRK komme nicht in Betracht. Es drohe dem Antragsteller auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG führe. Die Abschiebungsandrohung sei nach § 71a Abs. 4 AsylG i.V.m. § 34 Abs. 1 AsylG und § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 71a Abs. 4 AsylG i.V.m. § 36 Abs. 1 AsylG. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot werde gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Diese Befristung sei vorliegend angemessen. Anhaltspunkte für eine kürzere Fristfestsetzung aufgrund schutzwürdiger Belange, seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Auf den weiteren Inhalt des Bescheids des Bundesamts vom 20. April 2020 wird ergänzend verwiesen.
Der Antragsteller hat gegen den vorbezeichneten Bescheid mit Schriftsatz vom 29. April 2020, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg am 30. April 2020 Klage gegen den vorbezeichneten Bescheid erhoben (Az.: Au 9 K 20.30555). Über die vorbezeichnete Klage ist noch nicht entschieden worden.
Ebenfalls mit Schriftsatz vom 29. April 2020, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg am 30. April 2020, hat der Antragsteller im Wege vorläufigen Rechtsschutzes beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Bundesamts vom 20. April 2020, Gz: * anzuordnen.
Zur Begründung ist ausgeführt, dass der Antragsteller nigerianischer Staatsangehöriger sei. Die gegen den Bescheid des Bundesamts erhobene Klage habe keine aufschiebende Wirkung. Daher sei der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geboten. Der Antrag sei auch sachlich begründet, wenn dem Antragsteller bei einer Abschiebung in sein Heimatland dort Gefahr für Leib und Leben drohe. Sein Interesse an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage sei weit größer als dasjenige der Antragsgegnerin, welche nur eine Zeitverzögerung hinzunehmen habe.
Mit weiterem Schriftsatz vom 6. Mai 2020 wurden für den Antragsteller ärztliche Atteste vom 17. Juli 2019 und vom 11. März 2020 vorgelegt, auf deren Inhalt verwiesen wird.
Die Antragsgegnerin hat dem Gericht die einschlägige Verfahrensakte vorgelegt. Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 11. Mai 2020 wurde die Abschiebungsandrohung in Nr. 4 des Bescheids dahingehend abgeändert, dass der Antragsteller die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe einer Ablehnung im Verfahren nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO ) zu verlassen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die von der Antragsgegnerin vorgelegte Verfahrensakte Bezug genommen.
II.
1. Der Eilantrag ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Wird in einer „Zweitantragssituation“ ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt, so darf die Aussetzung der Abschiebung im Rahmen eines Eilverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO wegen § 71a Abs. 4, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts, hier der Abschiebungsandrohung nach Nigeria bzw. in einen anderen aufnahmebereiten Staat, bestehen. Solche „ernstlichen Zweifel“ liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafürsprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99). Eine solche Einschätzung ist hier auch nach dem Vorbringen des Antragstellers beim Bundesamt anlässlich von dessen persönlicher Anhörung am 26. März 2019 nicht gerechtfertigt.
§ 34 AsylG, der den Erlass einer Abschiebungsandrohung regelt, ist über § 71a Abs. 4 AsylG nur dann entsprechend anzuwenden, wenn eine „Zweitantragssituation“ im Sinne des § 71a Abs. 1 AsylG vorliegt und ein weiteres Asylverfahren in rechtmäßiger Weise nicht durchgeführt wird. Nur dann ist der Asylantrag auch nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG als unzulässig abzulehnen. Nach hinreichender Sachverhaltsermittlung hat das Bundesamt vorliegend eine „Zweitantragssituation“ im Sinne des § 71a Abs. 1 AsylG annehmen dürfen. Zu Gunsten des Antragstellers ist ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen. Dies ergibt sich aus den nachfolgenden Überlegungen:
Ein asylrechtlicher Zweitantrag, der bei Fehlen neuen Vorbringens ohne Sachprüfung als unzulässig abgelehnt werden kann, setzt gemäß § 71a Abs. 1 AsylG ein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren in einem sicheren Drittstaat voraus (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris Leitsatz 2). Es obliegt dem Bundesamt, den negativen Abschluss des Erstverfahrens im Rahmen der Amtsermittlungspflicht zu belegen. Bei der Prüfung nach § 71a Abs. 1 AsylG, ob ein erfolgloser Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat vorliegt, darf sich das Bundesamt nicht allein auf die Angaben der jeweiligen Antragsteller zum Verlauf von Asylverfahren in anderen Mitgliedsstaaten stützen. Denn diese habe in aller Regel den Verfahrensablauf nicht überblicken können und können dazu deshalb auch keine verlässlichen Angaben machen (vgl. BayVGH, U.v. 3.12.2015 – 13a B 15.50069 u.a. – juris Rn. 22 m.w.N.). Mit dem vom Bundesamt grundsätzlich zu nutzenden, sogenannten Info-Request nach Art. 21 Dublin-II-VO bzw. Art. 34 Dublin-III-VO ist unter den Mitgliedsstaaten ein beschleunigtes Informationsaustauschsystem eingeführt worden, dessen Möglichkeiten zur Informationsgewinnung den Verwaltungsgerichten nicht offenstehen (vgl. BayVGH, U.v. 20.10.2016 – 20 B 14.30320 – juris Rn. 29, 41).
Demnach beruht die Annahme des Bundesamts, es liege der erfolglose Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat vor, vorliegend auf zureichender Tatsachenbasis. Die Antwort der zuständigen italienischen Behörden im Dublin-Unit-Verfahren vom 2. April 2020 (Behördenakte Bl. 310) belegt in hinreichender Weise, dass der Antragsteller in Italien bereits ein Asylverfahren erfolglos abgeschlossen hat. Die italienischen Behörden haben dem Bundesamt insoweit mitgeteilt, dass das Asylbegehren des Antragstellers in Italien nach durchgeführter inhaltlicher Prüfung am 3. Januar 2019 erfolglos abgeschlossen worden sei. Diese Auskunft der italienischen Behörden steht im Übrigen im Einklang mit den Ausführungen des Antragstellers, der im Verfahren selbst erklärt hat, dass sein Asylantrag in Italien negativ verbeschieden worden sei.
Zudem liegen die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nach § 71 Abs. 1 Halbs. 1 AsylG nicht vor.
Der Antragsteller kann insbesondere keinen Wiederaufgreifensgrund nach § 51 Abs. 1 VwVfG für sich in Anspruch nehmen.
Sein Vorbringen gegenüber dem Bundesamt beschränkt sich einerseits im Wesentlichen auf Umstände, die sich bereits im Herkunftsland Nigeria im Jahr 2012 ereignet haben sollen. Damit können diese Umstände mit Blick auf das in Italien erfolglos abgeschlossene Asylverfahren insbesondere keine nachträgliche Änderung der Sachlage zu Gunsten des Antragstellers begründen. Der weitere Vortrag des Antragstellers, dass sein Vater zwischenzeitlich verstorben sei, begründet ebenfalls keinen Grund für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens. Auch insoweit besteht keine Relevanz in Bezug auf die Gewährung internationalen Schutzes nach §§ 3, 4 AsylG. Gleiches gilt in Bezug auf den Vortrag, dass der Antragsteller in eine private Auseinandersetzung in Italien nach negativem Abschluss seines Asylverfahrens verwickelt gewesen sei. Vor dem Hintergrund, dass Zielstaat Nigeria ist, ist der Vortrag des Antragstellers insoweit asylrechtlich irrelevant.
Ergänzend, ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankäme, weist das Gericht darauf hin, dass der Vortrag des Antragstellers beim Bundesamt keine asylrechtliche Relevanz vor dem Hintergrund des § 3 AsylG hat. Selbst wenn man dem Vorbringen des Antragstellers Glauben schenken wollte, handelt es sich bei der in Nigeria angeblichen Bedrohung durch Mitglieder eines Geheimbunds allenfalls um kriminelles Unrecht, welches asylrechtlich bedeutungslos bleibt. Der Antragsteller hat gerade keine Verfolgung in seinem Heimatstaat wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (§ 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3b AsylG) geltend gemacht.
Auch die Voraussetzungen der Gewährung subsidiären Schutzes liegen beim Antragsteller offensichtlich nicht vor. Der Antragsteller ist im Falle einer Rückkehr nach Nigeria nicht einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG) ausgesetzt, auch nicht wegen seines christlichen Glaubens.
Die immer wieder aufkommenden, gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen christlichen und muslimischen Gruppen, bzw. die Angriffe und Auseinandersetzung mit der Gruppierung „Boko Haram“ sind überwiegend regional begrenzt und weisen nicht die Merkmale eines innerstaatlichen Konflikts i.S. der Vorschrift und der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung auf (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 2013 -, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/10 -, U.v. 27. 4.2010 – 10 C 4/09 -, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9/08 und U.v. 24.6.2008 – 10 C 43/07 – sowie B.v. 14.11.2012 – 10 B 22/12 – jeweils juris). Das Ausmaß dieser Konflikte ist in Intensität und Dauerhaftigkeit nicht mit Bürgerkriegsauseinandersetzungen, die in Nigeria (noch) nicht festzustellen sind, vergleichbar. Nach den allgemein zugänglichen Erkenntnismitteln (Tagespresse, Medien) und Erkenntnissen des Gerichts kam es zwar auch im Jahr 2017 und 2018 sehr häufig zu Anschlägen der Gruppe „Boko Haram“ und sind auch die Einsätze der nigerianischen Sicherheitskräfte mit Gewaltexzessen und willkürlichen Verhaftungen verbunden. Allerdings konzentrieren sich die Anschläge von „Boko Haram“ und die daraus folgenden Auseinandersetzungen immer noch hauptsächlich auf den Norden bzw. Nordosten Nigerias, während es im Süden und Südwesten des Landes nur vereinzelt zu Anschlägen bzw. Terrorakten gekommen ist. Eine landesweite Verübung von Terrorakten durch die Organisation „Boko Haram“ findet nicht statt (vgl. dazu: AA, Lageberichte von Nigeria vom 10. Dezember 2018, 21. Januar 2018, 26. November 2016, 28. November 2014, jew. Zusammenfassung S. 5 sowie II, 1.4., vom 28. August 2013, vom 6. Mai 2012, 7. März 2011, 11. März 2010 und vom 21. Januar 2009, jeweils Ziffer II.1.4). In Nigeria findet kein Bürgerkrieg statt; Bürgerkriegsparteien sind nicht vorhanden.
Der Antragsteller ist daher in der Lage, diesen Konflikten durch Rückkehr in weniger gefährdete Gebiete im Sinne eines internen Schutzes (§ 4 Abs. 3, § 3e AsylG) aus dem Wege zu gehen. An dieser Stelle ist ebenfalls darauf zu verweisen, dass der Antragsteller nach seinem eigenen Vorbringen selbst aus Uromi aus dem Bundesstaat * State im Süden Nigerias stammt und auch vor seiner Ausreise zuletzt im Südwesten des Landes in * gelebt hat.
2. Daneben hat die Antragsgegnerin aber auch zutreffend dargelegt, dass beim Antragsteller keine nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. Gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG ist in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG vorliegen. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK besteht vorliegend weder aufgrund der vom Antragsteller geltend gemachten Gefährdung durch die Familie seiner verstorbenen Ehefrau, noch aufgrund einer Situation allgemeiner Gewalt gegen Nigeria noch aufgrund schlechter humanitärer Bedingungen in seinem Heimatland. Im Hinblick auf die Konkretisierung der Situation allgemeiner Gewalt in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG erfolgt die Prüfung auch im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG am Maßstab dieser Norm (vgl. SächsOVG, U.v. 25.10.2018 – 5 A 806/17.A – juris Rn. 42). Insoweit kann auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden. Eine landesweite Gefährdung ist für den Antragsteller nicht zu erkennen.
Gleiches gilt für zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK bzw. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die schlechte wirtschaftliche Situation in Nigeria – hier leben immer noch ca. 70% der Bevölkerung am Existenzminimum und sind von informellem Handel und Subsistenzwirtschaft abhängig (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria – Lagebericht – a.a.O. Nr. I.2.) – ebenso wie die Situation hinsichtlich der verschiedenen gewalttätigen Auseinandersetzungen und Übergriffe, z.T. auch durch die Sicherheitskräfte, und die damit zusammenhängenden Gefahren (s.o. und Lagebericht a.a.O. Nr. II.2 und 3.) grundsätzlich nicht zu einer individuellen, gerade dem Antragsteller drohenden Gefahr führt, sondern unter die allgemeinen Gefahren zu subsumieren ist, denen die Bevölkerung oder relevante Bevölkerungsgruppe allgemein ausgesetzt ist und die gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG durch Anordnungen gemäß § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen sind.
Der Umstand, dass im Falle einer Aufenthaltsbeendigung die Lage eines Betroffenen erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen; anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen, wie zum Beispiel im Falle einer tödlichen Erkrankung in fortgeschrittenen Stadium, wenn im Zielstaat keine Unterstützung besteht (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – BVerwGE 146, 12-31, juris, Rn. 23 ff. m.w.N.). Im Hinblick auf die Bewertung eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK gelten dabei bei der Beurteilung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG die gleichen Voraussetzungen wie bei der Frage der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG wegen unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – a.a.O. – juris Rn. 22, 36).
Auch eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben (§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) für einen Betroffenen aufgrund allgemein für die Bevölkerung bestehender Gefahren, die über diese allgemein bestehenden Gefahren hinausgeht ist, nur im Ausnahmefall im Sinne eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (BVerwG, U. v. 31.1.2013 – a.a.O., juris Rn. 38). Ein Ausländer kann im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser allgemein bestehenden Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für die Betroffenen die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Betroffenen daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (zum Ganzen BVerwG, U.v. 31.1.2013 a.a.O., juris Rn. 38).
Für derartige besondere Gefahren aufgrund schlechter humanitärer oder wirtschaftlicher Verhältnisse ist hier nichts ersichtlich. Insbesondere kann im Falle des Antragstellers nicht davon ausgegangen werden, dass die schlechte wirtschaftliche Situation in Nigeria zu einem Abschiebungsverbot aufgrund schlechter humanitärer Verhältnisse führt, die im Ausnahmefall als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK qualifiziert werden könnten. So gilt es insbesondere zu berücksichtigen, dass der Antragsteller nach seinem eigenen Vorbringen in Nigeria einen 12jährigen Schulbesuch durchlaufen hat. So hat der Antragsteller in * 12 Jahre lang zuletzt die Senior Secondary School besucht. Auch verfügt der Antragsteller bereits über berufliche Erfahrungen. So hat er seinem Vater in der familieneigenen Apotheke geholfen und war auch als Metallarbeiter im Bauwesen tätig. Auch halten sich nach dem Vorbringen des Antragstellers sowohl noch mehrere Familienangehörige, Mutter, eine Schwester, sowie eine Tochter des Antragstellers im Heimatland auf.
Es kann daher nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller nach einer Rückkehr in existenzielle Not geraten wird. Vielmehr ist es dem Antragsteller zuzumuten, in seine Heimat zurückzukehren, auch wenn dies mit gewissen Schwierigkeiten verbunden ist.
Auch ein Abschiebungsverbot auf der Grundlage des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist zugunsten des Antragstellers nicht zu erkennen. Nach dieser Vorschrift kann von der Abschiebung eines Ausländers abgesehen werden, wenn im Zielstaat für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht (sogenannte individuelle Gefahren). Eine wesentliche Verschlechterung ist dabei nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden. Das Abschiebeverbot dient nicht dazu, eine bestehende Erkrankung optimal zu behandeln und ihre Heilungschancen zu verbessern. Ein Ausländer muss sich vielmehr auf den Standard der Gesundheitsversorgung im Heimatland verweisen lassen, auch wenn dieser dem entsprechenden Niveau in Deutschland nicht entspricht (§ 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG). Es wird im Fall einer Erkrankung nicht vorausgesetzt, dass die medizinische Versorgung im Herkunftsland mit der Versorgung in Deutschland gleichwertig ist und eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel zudem vor, wenn diese zumindest in einem Teil des Zielstaats erlangt werden kann (§ 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG).
Unter Berücksichtigung der vom Antragsteller am 6. Mai 2020 vorgelegten ärztlichen Unterlagen vom 17. Juli 2019 (Orthopädie, *) und vom 11. März 2020 (Radiologie *), ergibt sich kein Abschiebungsverbot für den Antragsteller. Eine lebensbedrohliche Erkrankung, die sich bei Rückkehr nach Nigeria umgehend derart verschlechtern würde, dass es zu einer Lebensgefahr für den Antragsteller käme, ist es den vorgelegten Unterlagen nicht zu entnehmen. Dem vorgelegten Attest vom 17. Juli 2019 ist zu entnehmen, dass der Antragsteller wegen eines Hexenschusses (Lumbago) in ärztlicher Behandlung war. Der Befundbericht der Radiologie * vom 11. März 2020 gelangt zum Befund, dass beim Antragsteller eine mäßiggradige degenerative Veränderung der Facetten-Gelenke L3/L4-L5/S1 mit geringer Ergussbildung sowie eine Osteochondrose L4/L5 mit breitbasiger mediolinkslateral betonter Protrusion der Bandscheibe vorliege. Insbesondere dem ärztlichen Befundbericht vom 11. März 2020 ist nicht zu entnehmen, welche Therapie für den Antragsteller überhaupt angedacht ist. Es handelt sich insoweit lediglich um das Ergebnis einer am 11. März 2020 durchgeführten Kernspintomographie. Damit sind aber die im Verfahren vorgelegten ärztlichen Atteste nicht geeignet, ein gesundheitsbedingtes Abschiebungsverbot zugunsten des Antragstellers zu begründen.
3. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Als im Verfahren unterlegen hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.
Der Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.

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