Verwaltungsrecht

Vorliegen eines Abschiebungsverbots wegen schlechter Lebensbedingungen in Afghanistan

Aktenzeichen  W 1 K 16.32095

Datum:
6.12.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5

 

Leitsatz

1 Nur alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne besonderen Schutzbedarf können in Afghanistan ohne externe Unterstützung überleben. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Familie, der ein minderjähriges betreuungsbedürftiges Kind im Alter von neun Jahren zugehörig ist, ist unter den derzeit in Afghanistan herrschenden Rahmenbedingungen nicht – auch nicht gemeinschaftlich – in der Lage, dort die notwendigen Mittel zu erwirtschaften, um eine Art. 3 EMRK widersprechende Lebenssituation abzuwenden. Zu berücksichtigen ist dabei die sehr hohe und weiter zunehmende Arbeitslosigkeit in Afghanistan. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3 Wenn Schutzsuchende die derzeitige Lebenserwartung in Afghanistan von 50 Jahren überschritten haben, sind sie gemessen an afghanischen Verhältnissen nicht mehr dem berufsfähigen Alter zuzurechnen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
4 Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse in Afghanistan kann nicht davon ausgegangen werden, dass Verwandte, zumindest solange diese finanziell nicht besonders gut gestellt sind, in der Lage sind, zurückkehrende Familien zu unterstützen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 28. Oktober 2016 verpflichtet festzustellen, dass bei den Klägern ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegt.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage, über die in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist im noch rechtshängigen Umfang begründet, da der Bescheid der Beklagten vom 28. Oktober 2016 in den Ziffern 4,5 und 6 rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt. Sie haben einen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG, §§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO.
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Einschlägig ist hier Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf. Das wäre jedoch bei den Klägern der Fall, wenn sie nach Afghanistan zurückkehren müssten. Die Kläger müssten befürchten, aufgrund der dortigen Lage unter Berücksichtigung ihrer individuellen Situation einer nach Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Zwar machen die Kläger nicht geltend, dass ihnen näher spezifizierte, konkrete Maßnahmen drohen würden, sondern sie berufen sich auf die allgemein schlechte Lage in ihrem Heimatland. Die zu erwartenden schlechten Lebensbedingungen und die daraus resultierenden Gefährdungen weisen im vorliegenden Einzelfall aber eine solche Intensität auf, dass auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist (BayVGH, U.v. 23.3.2017 – 13a B 17.30030; U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30284, B.v. 11.01.2017 – 13a ZB 16.30878 – jeweils juris). Der Schutzbereich des § 60 Abs. 5 AufenthG ist auch bei einer allgemeinen, auf eine Bevölkerungsgruppe bezogenen Gefahrenlage eröffnet (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris; BayVGH v. 21.11.2014, a.a.O., juris – Rn. 16ff.). Es ist hierbei in Bezug auf den Gefährdungsgrad das Vorliegen eines sehr hohen Niveaus erforderlich, denn nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die humanitären Gründe gegen eine Ausweisung „zwingend“ sind. Wenn das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) die allgemeine Lage in Afghanistan nicht als so ernst einstuft, dass ohne weiteres eine Verletzung des Art. 3 EMRK angenommen werden könne, weist dies ebenfalls auf die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation hin (vgl. BayVGH, U.v. 23.3.2017 und U.v. 21.11.2014, a.a.O.).
Ein entsprechend hohes Gefährdungsniveau liegt bei den Klägern unter Berücksichtigung der nachstehenden Ausführungen vor. Zwar hat die Klägerin zu 2) vorliegend in der Vergangenheit durch ihre Erwerbstätigkeit zu einem (kleineren) Teil zum Familieneinkommen beigetragen, so dass der Kläger zu 1) nicht alleine mit der Erwirtschaftung des Unterhalts für die ganze Familie belastet war. Allerdings ist nach der überzeugenden Erkenntnismittellage davon auszugehen, dass nur alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf in Afghanistan ohne externe Unterstützung überleben können (vgl. UNHCR-Richtlinien vom 19.4.2016, S. 10). Aufgrund der Tatsache, dass der Familie zumindest noch ein minderjähriges betreuungsbedürftiges Kind im Alter von neun Jahren zugehörig ist, ist das Gericht davon überzeugt, dass die Kläger unter den derzeit in Afghanistan herrschenden Rahmenbedingungen (vgl. insoweit etwa: Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19.10.2016 sowie Lagebeurteilung des Auswärtigen Amtes vom 28.7.2017; Schweizerische Flüchtlingshilfe: Afghanistan: Update – Die aktuelle Sicherheitslage vom 30.9.2016; UNHCR-Richtlinien vom 19.4.2016 sowie Anmerkungen des UNHCR zur Situation in Afghanistan vom Dezember 2016) nicht – auch nicht gemeinschaftlich – in der Lage sein werden, dort die notwendigen Mittel zu erwirtschaften, um eine Art. 3 EMRK widersprechende Lebenssituation abzuwenden. Erschwerend ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Kläger zu 1) und 2) jeweils schon über 50 Jahre alt sind und damit bereits die derzeitige Lebenserwartung in Afghanistan von 50 Jahren überschritten haben (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19.10.2016, S. 23), sodass sie – jedenfalls gemessen an afghanischen Verhältnissen – auch nicht mehr dem berufsfähigen Alter zuzurechnen sind, was sich nicht zuletzt daran zeigt, dass der Kläger zu 1) auf mittlerweile bestehende Augenprobleme und die Klägerin zu 2) auf Herz-, Blutdruck und Magenprobleme hingewiesen haben. Auch aufgrund des persönlichen Eindrucks in der mündlichen Verhandlung geht der erkennende Einzelrichter davon aus, dass die Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht mehr in der Lage sein würden, sich auf dem hart umkämpften Arbeitsmarkt mit den häufig körperlich anstrengenden Tätigkeiten gegenüber der enormen Zahl der jungen und uneingeschränkt gesunden Männer zu behaupten. Das Gericht geht darüber hinaus auch nicht davon aus, dass die Kläger zu 1) und 2) wieder in ihren alten Berufen Fuß fassen können. Denn der Kläger zu 1) hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft und nachvollziehbar ausgeführt, dass seine ehemalige Stelle bei der Elektrofirma bereits anderweitig besetzt sei und er mit dem Verkauf seiner Autos vor der Ausreise und fehlendem Vermögen für eine Ersatzbeschaffung auch den Grundstock für seine Tätigkeit als Taxifahrer verloren habe. Die Klägerin zu 2) hat bezogen auf ihre frühere Tätigkeit ebenso glaubhaft dargelegt, dass auch ihre Stelle bereits wieder vergeben sei. In Einklang mit der Erkenntnismittellage hat sie darüber hinaus berichtet, dass in Afghanistan sehr viel über Beziehungen laufe. Die Vorgesetzten würden stets versuchen, nur ihre eigenen Verwandten und Leute aus ihrer Herkunftsregion einzustellen. Auch wenn die Kläger zu 1) und 2) eine gute Schulbildung vorweisen können, so verfügen sie gleichwohl doch nicht über besondere berufliche Fähigkeiten, die es nahelegen könnten, dass sie alsbald nach ihrer Rückkehr nach Afghanistan wieder eine Anstellung würden. So hat der Kläger zu 1) als Angestellter in einem Geschäft für Elektroartikel gearbeitet und ist nach Feierabend Taxi gefahren, während die Klägerin zu 2) beim staatlichen Radio- und Fernsehsender im Finanzbereich gearbeitet hat, offensichtlich in der Lohnbuchhaltung. Überdies ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin zu 2) sich mit hoher Wahrscheinlichkeit entsprechend den gesellschaftlichen Verhältnisse in Afghanistan bei ihrer Rückkehr um die betreuungsbedürftige Tochter würde kümmern müssen, was einer Berufstätigkeit entgegenstünde. Denn es ist angesichts der Verhältnisse in Afghanistan nicht davon auszugehen, dass die Klägerin erneut einen der wenigen Arbeitsplätze (wie bei ihrem bisherigen Arbeitgeber) erhalten könnte, bei denen nach der Schule eine Hortbetreuung angeboten wird. In der Gesamtschau ist nach Überzeugung des Gerichts nichts dafür ersichtlich, dass die Kläger – auch unter Berücksichtigung des Klägers zu 3), der allerdings gerade erst volljährig geworden ist, über keine Berufserfahrung verfügt und bislang stets in der Obhut seiner Eltern gelebt hat – die Existenz der gesamten Familie würden sichern können, wobei gerade die sehr hohe und zunehmende Arbeitslosigkeit in Afghanistan von derzeit etwa 40% in den Blick zu nehmen ist (vgl. etwa Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19.10.2016 und 28.7.2017).
Zudem ist hier zu berücksichtigen, dass die Kläger ihr gesamtes Familienvermögen zur Finanzierung ihrer Flucht nach Deutschland verbraucht haben und somit nicht mehr über Rücklagen verfügen, welche ihnen gegebenenfalls einen Neustart in Afghanistan ermöglichen könnten. Insoweit wurde von den Klägern vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend lebensnah nachvollziehbar berichtet, dass die Fluchtkosten in Höhe von 15.000,00 $ in der Weise finanziert worden seien, dass die Familie ihre beiden Autos, den gesamten Hausrat und den Rest des Goldschmucks der Ehefrau verkauft habe. Zudem hat der Kläger zu 1) in Übereinstimmung mit dem schriftsätzlichen Vortrag ausgeführt, dass er sich zusätzlich 5.000,00 $ habe von der Schwiegermutter und dem Onkel mütterlicherseits sowie dessen Kindern habe leihen müssen. Dass der geliehene Anteil vor dem Bundesamt nicht erwähnt wurde, steht aufgrund des überzeugenden persönlichen Eindrucks der Kläger in der mündlichen Verhandlung ihrer Glaubwürdigkeit nicht entgegen. Bei diesem eher randständigen Bestandteil des Gesamtvorbringens mag es tatsächlich zu einem Übersetzungsfehler bzw. einer Auslassung gekommen sein, worauf auch bei der Rückübersetzung klägerseitig nicht ausreichend geachtet wurde. Der Kläger zu 1) hat überdies in der mündlichen Verhandlung angesichts der vorhandenen Vermögenswerte glaubhaft angegeben, dass die Kläger ihr gesamtes Vermögen in Afghanistan zur Finanzierung der Fluchtkosten verkauft hätten und sie aktuell über keinerlei Vermögenswerte, insbesondere nicht mehr über Haus- oder Grundbesitz verfügten. Auch haben die Kläger bislang in Deutschland nicht gearbeitet und waren daher nicht in der Lage, etwaige Rücklagen zu bilden. Im Gegenteil sähen sich die Kläger bei ihrer Rückkehr nach Afghanistan einer Darlehensrückzahlungsverpflichtung in Höhe von 5.000,00 $ ausgesetzt, da lebensnah erklärt worden ist, dass sie das erhaltene Geld zurückzahlen müssen. Soweit die Beklagte die Aussagen zu den Vermögensverhältnissen für fragwürdig gehalten hat, so geht diese Einschätzung bereits grundlegend von der nicht korrekten Annahme aus, dass den Klägern ein monatliches Familieneinkommen in Höhe von 20.000 Afghani zur Verfügung gestanden hat, während dies tatsächlich 51.750 Afghani zzgl. des Verdienstes für etwaige Überstunden der Ehefrau betragen hat (15.000 Afghani im Elektrogeschäft, 30.000 Afghani aus dem Taxigewerbe (eines der beiden Autos war hierbei vermietet), 6.750 Afghani aus der Tätigkeit der Klägerin zu 2)).
Darüber hinaus ist auch nicht zu erwarten, dass den Klägern in Afghanistan in relevantem Umfang Unterstützung durch deren Familien oder Verwandte zuteilwerden würde. Die Klägerin zu 2) hat vor dem Bundesamt erklärt, dass sie in Afghanistan noch zwei Schwestern und ihre Mutter habe. In der mündlichen Verhandlung hat sie nunmehr aufgrund der schlechten Sicherheitssituation und der allgemein schlechten Lebensverhältnisse in Afghanistan glaubhaft erklärt, dass ihr Bruder die Mutter zu sich in den USA geholt habe. Zu den beiden Schwestern bestehe kein Kontakt mehr, da diese es ihr übel nähmen, dass sie sich bei der Ausreise aus Afghanistan nicht von ihnen verabschiedet habe. Insoweit erscheint eine Unterstützung durch Familienmitglieder bzw. Verwandte der Klägerin zu 2) nicht möglich. Dasselbe gilt hinsichtlich des Klägers zu 1). Von diesem leben lediglich ein Onkel mütterlicherseits, der selbst schon im Ruhestand ist, und dessen Kinder in Afghanistan. Zwar haben diese entsprechend obiger Ausführungen anteilig zur Aufbringung der Fluchtkosten beigetragen und betreiben ein Metallbaugeschäft. Es ist jedoch nichts dafür ersichtlich, dass diese über Vermögensverhältnisse verfügen, die es ihnen ermöglichen würden, die Kläger dauerhaft zu unterstützen. Denn angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse in Afghanistan kann nicht davon ausgegangen werden, dass Verwandte, zumindest solange diese finanziell nicht besonders gut gestellt sind, wofür hier nichts ersichtlich ist, in der Lage sind, zurückkehrende Familien zu unterstützen. Auch ist in diesem Zusammenhang hier zu berücksichtigen, dass die Kläger diesen Verwandten weiterhin seit geraumer Zeit Geld schulden, was deren Bereitschaft zu weiterer, gar dauerhafter Unterstützung nicht realistisch erscheinen lässt. Der Kläger zu 1) hat in Bezug auf diese Verwandten überdies nachvollziehbar erklärt, dass er auch in deren Betrieb nicht würde arbeiten können, da es sich dort um spezialisierte Aufgaben handele und er aufgrund seiner Augenprobleme nicht mehr die erforderliche Sehkraft hierfür besitze.
Schließlich fällt im vorliegenden Fall negativ ins Gewicht, dass die Klägerin zu 2) an gesundheitlichen Problemen leidet, welche die regelmäßige Einnahme von Medikamenten erforderlich machen. Die Klägerin zu 2) hat in Übereinstimmung mit dem Kläger zu 1) in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie drei verschiedene Arzneimittel regelmäßig einnehmen müsse, eines gegen Bluthochdruck, eines gegen Magenbeschwerden und ein Mittel für ihr Herz. Wegen der Herzbeschwerden sei sie in ärztlicher Behandlung und in zwei Monaten werde entschieden, ob sie gegebenenfalls operiert werden müsse. Selbst wenn man davon ausginge, dass die erforderlichen Medikamente in Afghanistan erhältlich sind, so führen sie doch in jedem Falle dazu, dass sie die Lebenshaltungskosten der Kläger nochmals spürbar erhöhen, sodass nicht davon auszugehen ist, dass die Kläger diese in Afghanistan werden erwirtschaften können.
Vorstehenden Schlussfolgerungen kann schließlich nicht entgegengehalten werden, dass die Kläger auch vor ihrer Ausreise ihren Lebensunterhalt haben decken können. Denn dies lässt gänzlich außer Acht, dass sich die Lebensverhältnisse und der Arbeitsmarkt in Afghanistan entsprechend der Erkenntnismittellage seit deren Ausreise im Oktober 2015 noch weiter verschlechtert haben. Individuell ist überdies zu berücksichtigen, dass das Vermögen der Familie für die Flucht verbraucht wurde und die zusätzlichen Kosten für die Medikamente der Klägerin zu 2) die Lebensunterhaltskosten weiter erhöhen.
Nach alledem ist davon auszugehen, dass die Kläger als Rückkehrer nach Afghanistan tatsächlich Gefahr laufen, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies deckt sich auch mit der Einschätzung des UNHCR, der davon ausgeht, dass nur bei alleinstehenden leistungsfähigen Männern und ggf. auch kinderlosen Paaren eine Ausnahme vom Erfordernis der externen Unterstützung in Afghanistan in Betracht kommt (vgl. dazu bereits oben – UNHCR-Richtlinien vom 19.4.2016, S. 9 f.). An dieser Einschätzung hat sich durch die Anmerkungen des UNHCR zur Situation in Afghanistan vom Dezember 2016 nichts grundsätzlich geändert, vielmehr verweist der UNHCR darauf, dass sich die Lage seit April 2016 insgesamt nochmals deutlich verschlechtert habe. Auch in der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass zwar für einen jungen, gesunden alleinstehenden Rückkehrer Abschiebungsverbote regelmäßig nicht infrage kommen, auch wenn dieser nicht über nennenswertes Vermögen und familiären Rückhalt verfügt, da dieser regelmäßig durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums finanzieren kann (st. Rspr., z.B. BayVGH, B.v. 21.8.17 – 13a ZB 17.30529 – juris; B.v. 4.8.2017 – 13a ZB 17.30791 – juris; BayVGH, B.v. 6.4.2017 – 13a ZB 17.30254 – juris; BayVGH, B.v. 23.1.2017 – 13a ZB 17.30044 – juris; B.v. 27.7.2016 – 13a ZB 16.30051 – juris; B.v. 15.6.2016 – 13a ZB 16.30083 – juris; U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris; OVG NW, U.v. 3.3.2016 – 13 A 1828/09.A – juris Rn. 73 m.w.N.; SächsOVG, B.v. 21.10.2015 – 1 A 144/15.A – juris; NdsOVG, U.v. 20.7.2015 – 9 LB 320/14 – juris). Anders ist dies nach der obergerichtlichen Rechtsprechung jedoch im Allgemeinen bei einer Familie mit minderjährigen Kindern im Hinblick auf die zu erwartenden schlechten humanitären Verhältnisse in Afghanistan (vgl. BayVGH, U.v. 23.3.2017 – 13a B 17.30030 – juris, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30284 – juris).
Im Rahmen einer Gesamtschau steht damit vorliegend zu befürchten, dass die Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan in eine ausweglose Lage geraten, die ihnen nicht zugemutet werden kann. Ein Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG ist daher festzustellen.
Ob die Klägerin zu 2) die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aus gesundheitlichen Gründen erfüllt sind, bedarf keiner Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (BVerwG, U.v. 8.9.2011 – 10 C 14.10 – juris).
Aufgrund vorstehender Ausführungen zum Bestehen eines Abschiebungsverbots waren auch die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 und das in Ziffer 6 festgesetzte Einreise- und Aufenthaltsverbot im angegriffenen Bescheid vom 28. Oktober 2016 aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG (zur Kostenverteilung vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – juris).

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