Aktenzeichen 4 CE 19.1436
WAS § 8
BayVwVfG Art. 57
VwGO § 123, § 146 Abs. 4 S. 6
Leitsatz
Beliefert eine Gemeinde ohne Abschluss einer schriftlichen Sondervereinbarung einen außerhalb des Gemeindegebiets ansässigen Betrieb fortlaufend mit Wasser, kann darin ein wirksamer zivilrechtlicher Sonderabnahmevertrag liegen, für den die allgemeinen Grundsätze über Dauerschuldverhältnisse gelten. (Rn. 5)
Verfahrensgang
W 2 E 19.346 2019-07-01 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um die Frage, ob der Antragsgegner es zu unterlassen hat, die Trinkwasserversorgung für die außerhalb seines Gemeindegebiets gelegene Betriebsstätte der Antragstellerin zu unterbinden. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2018 (Bl. 14 der VG-Akte) teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, die seit 2011 erfolgende Lieferung von Trinkwasser werde zum 31. Dezember 2018 eingestellt. Daraufhin beantragte die Antragstellerin am 20. Dezember 2018 den Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Amtsgericht Aschaffenburg, das den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Würzburg verwies. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab, weil es an der Glaubhaftmachung sowohl eines Anordnungsanspruchs als auch eines Anordnungsgrunds fehle. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Auf die Beschwerdebegründung wird – ebenso wie auf die Gerichts- und Behördenakten im Übrigen – verwiesen.
II.
1. Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 1. Juli 2019, die der Senat anhand der fristgerecht dargelegten Gründe überprüft (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt. Zwar ist der Antragstellerin zuzugeben, dass es angesichts der zeitlichen Abläufe wohl nicht an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrunds fehlen dürfte. Die Antragstellerin hat mit ihrem Eilantrag vom 20. Dezember 2018 auf die schriftliche Ankündigung des Antragsgegners vom 10. Dezember 2018 reagiert, die Wasserlieferung aufgrund seines Gemeinderatsbeschlusses vom 6. Dezember 2018 zum Jahresende einzustellen. Der Umstand, dass die Antragstellerin nach Einschätzung des Verwaltungsgerichts zuvor nicht alles Mögliche und Zumutbare zur Erreichung eines Vertragsschlusses mit dem Antragsgegner getan hat, ändert an der nunmehr eingetretenen Eilbedürftigkeit nichts. Gleichwohl ist für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung kein Raum, weil die Antragstellerin keinen Anordnungsanspruch hinsichtlich einer Fortsetzung der Wasserversorgung glaubhaft gemacht hat.
a) Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich der geltend gemachte Anordnungsanspruch nicht aus der Satzung für die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung des Antragsgegners (Wasserabgabesatzung – WAS), weil die in der Nachbargemeinde ansässige Antragstellerin nicht als Gemeindeangehörige nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 GO zur Benutzung der auf das Gemeindegebiet bezogenen öffentlichen Wasserversorgungseinrichtung (§ 1 Abs. 1 WAS) des Antragsgegners berechtigt ist. Ein Anspruch auf Wasserbelieferung im Rahmen der gemeindlichen Daseinsvorsorge (Art. 57 Abs. 2 Satz 1 GO) besteht daher nicht. Im Übrigen ist das Betriebsgrundstück der Antragstellerin nicht im Sinn des § 4 Abs. 2 Satz 2 WAS von der gemeindlichen Wasserversorgungseinrichtung erschlossen, weil die Versorgungsleitung – was die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nicht bestritten hat – nicht unmittelbar an die Grundstücksgrenze heranreicht (vgl. BayVGH, U.v. 3.3.2015 – 4 B 14.415 – juris Rn. 29 m.w.N.).
b) Eine Sondervereinbarung gemäß § 8 WAS, aus der die Antragstellerin Ansprüche herleiten könnte, ist zwischen den Beteiligten nicht wirksam geschlossen worden. Nach § 8 WAS kann die Gemeinde durch Vereinbarung ein besonderes Benutzungsverhältnis begründen, wenn der Grundstückseigentümer nicht zum Anschluss berechtigt oder verpflichtet ist. Bei der Sondervereinbarung gemäß § 8 WAS handelt es sich – ebenso wie bei einer solchen nach einer Entwässerungssatzung – um eine vertragliche Abmachung, also um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinn von Art. 54 ff. BayVwVfG (vgl. BayVGH, U.v. 3.3.2015 – 4 B 14.415 – juris Rn. 33; B.v. 30.9.2002 – 23 ZB 02.846 – juris Rn. 5 m.w.N.). Die Vereinbarung bedarf daher gemäß Art. 57 BayVwVfG der Schriftform, wobei sich das Formerfordernis sowohl auf das Vertragsangebot als auch auf dessen Annahme bezieht (vgl. BayVGH, U.v. 24.4.2015 – 4 BV 13.2391 – VGH n.F. 68, 105 = juris Rn. 27 m.w.N.). Für das wirksame Zustandekommen eines öffentlich-rechtlichen Vertrags ist es daher nicht ausreichend, dass die Antragstellerin den vom Antragsgegner übermittelten Entwurf einer Sondervereinbarung per E-Mail vom 21. November 2011 ohne Unterzeichnung zurückgesandt hat (vgl. Bl. 32a ff. der VG-Akte). Im Übrigen geht auch die Antragstellerin selbst in ihrer Beschwerdebegründung davon aus, dass die Beteiligten keinen öffentlich-rechtlichen Vertrag geschlossen haben.
c) Schließlich lässt sich der behauptete Anordnungsanspruch auch nicht aus einem privatrechtlichen Vertragsverhältnis zwischen den Beteiligten herleiten, über das die Verwaltungsgerichtsbarkeit nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG zu entscheiden hat. Dabei kann dahinstehen, ob ein entsprechender Wasserlieferungsvertrag – wie die Antragstellerin meint – durch die Rücksendung des Entwurfs der Sondervereinbarung formlos per E-Mail geschlossen wurde oder ob die Vereinbarung faktisch – durch die seit 2011 dauerhaft praktizierte tatsächliche Belieferung der Antragstellerin gegen jährliche Abrechnung (vgl. Bl. 9 ff. der VG-Akte) – zustande gekommen ist. Jedenfalls haben die Beteiligten individuell einen privaten Sonderabnahmevertrag geschlossen (vgl. BGH, U.v. 15.2.2006 – VIII ZR 138/05 – NJW 2006, 1667 Rn. 15 f.), auf den weder die Wasserabgabesatzung des Antragsgegners noch die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV) Anwendung findet. Diesen Vertrag hat der Antragsgegner jedoch inzwischen wirksam gekündigt, so dass die Antragstellerin keinen Anspruch auf (vorläufige) Weiterlieferung von Wasser hat.
Nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen können Dauerschuldverhältnisse – unbeschadet des in § 314 BGB normierten außerordentlichen Kündigungsrechts -ordentlich unter Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden (vgl. nur BGH, B.v. 15.9.2009 – VIII ZR 241/08 – juris Rn. 6 m.w.N.). Hier hat der Antragsgegner mit seiner schriftlichen Mitteilung vom 10. Dezember 2018 unmissverständlich seinen Willen zum Ausdruck gebracht, die Wasserlieferung zum Jahresende einstellen zu wollen, und damit den Vertrag gekündigt. Es kann offenbleiben, ob der Antragsgegner eine außerordentliche Kündigung aussprechen wollte, für die es wohl an einem wichtigen Grund gemäß § 314 Abs. 1 BGB fehlen würde, oder ob eine ordentliche Kündigung vorliegt, die nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen die Einhaltung einer angemessenen Frist erfordert. Deren interessengerechte Präzisierung könnte etwa durch eine entsprechende Anwendung der Monatsfrist des § 32 Abs. 1 AVBWasserV erfolgen. Jedenfalls ließe sich eine wegen zu kurzer Frist unwirksame Kündigung angesichts des eindeutig erklärten Beendigungswillens gemäß § 140 BGB in eine Kündigung mit einer angemessenen Auslauffrist umdeuten (vgl. – jeweils m.w.N. – Beurskens in beck-online.Großkommentar, Stand 1.6.2019, § 140 BGB Rn. 91; Mansel in Jauernig, BGB, 17. Aufl. 2018, § 140 Rn. 6). Diese Frist wurde der Antragstellerin tatsächlich durch vorübergehende Fortführung der Wasserlieferung eingeräumt (vgl. Schreiben des Antragsgegners vom 30.1.2019, Bl. 133a der VG-Akte). Sie ist zumindest zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats abgelaufen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 31). Im Übrigen stand die beabsichtigte Einstellung der Wasserversorgung bereits seit dem Gemeinderatsbeschluss vom Frühjahr 2017 (vgl. Bl. 105 ff. der VG-Akte) im Raum, so dass sich die Antragstellerin mit genügend zeitlichem Vorlauf darauf einrichten und entsprechende Maßnahmen, etwa den Anschluss an das Wasserversorgungsnetz ihrer Sitzgemeinde, auf den Weg bringen konnte.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).