Aktenzeichen Au 4 K 18.1148
WaffG § 5, § 41 Abs. 1, Abs. 2
Leitsatz
1 Für die Beurteilung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit kann auf den Kriterienkatalog des § 5 WaffG abgestellt werden. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG kann nicht im Wege eines Umkehrschlusses entnommen werden, dass eine Verurteilung nach fünf Jahren bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit außer Betracht bleiben muss. Es greift dann lediglich die Regelvermutung nicht mehr ein. Für die Zuverlässigkeit hat die Behörde eine Gesamtbetrachtung des Verhaltens und des Charakters des Betroffenen anzustellen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von * wird abgelehnt.
Gründe
Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Bescheides betreffend ein Waffenerwerbsund Besitzverbot erlaubnisfreier und erlaubnispflichtiger Waffen sowie für Munition.
Mit Bescheid vom 21. Januar 2005 untersagte das Landratsamt * dem Kläger den Erwerb und Besitz von Waffen und Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf sowie den Besitz von Waffen und Munition, deren Erwerb der Erlaubnis bedarf. Die sofortige Vollziehung des Bescheides wurde angeordnet. Der Bescheid wurde rechtskräftig.
Mit Urteil des Amtsgerichts * vom 9. Februar 2005 wurde der Kläger wegen eines Vergehens des vorsätzlichen unerlaubten Besitzes und vorsätzlichen unerlaubten Führens von zwei Schusswaffen in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz von Munition in Tatmehrheit mit Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten und einer Woche verurteilt. Die Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit betrug drei Jahre. Die Strafe wurde mit Wirkung vom 29. April 2008 erlassen.
Mit Urteil des Amtsgerichts * vom 2. Juli 2008 wurde der Kläger wegen Betrugs in zwei Fällen zu einer Geldstrafe von 35 Tagessätzen zu je 30,00 EUR verurteilt.
Mit Urteil des Amtsgerichts * vom 30. August 2012 wurde der Kläger wegen vorsätzlicher Zuwiderhandlung gegen eine vollziehbare Anordnung nach § 41 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 WaffG in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Die Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit betrug drei Jahre. Das Urteil wurde am 27. März 2013 rechtskräftig. Die Strafe wurde mit Wirkung vom 2. Mai 2016 erlassen. Ausweislich der Gründe im Berufungsurteil hat der Kläger in drei Fällen die tatsächliche Verfügungsgewalt über ein Luftdruckgewehr ausgeübt, welches er sich ausgeliehen und damit in zwei Schützenvereinen am Schießen mit dem Luftdruckgewehr teilgenommen hatte.
Am 27. Mai 2013 erhob der Kläger bereits schon einmal Klage beim Verwaltungsgericht Augsburg, um eine Aufhebung des Bescheids vom 21. Januar 2005 insoweit zu erreichen, als dem Kläger der Erwerb und der Besitz erlaubnisfreier Luftdruckwaffen samt dazugehöriger Munition verboten wird. Das Gericht wies die Klage unter dem Aktenzeichen Au 4 K 13.775 mit Urteil vom 24. Juli 2013 ab und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 22. Januar 2014 den Antrag auf Zulassung der Berufung ab.
Mit Bescheid vom 22. Juni 2018 lehnte es die Beklagte auf einen erneuten Antrag des Klägers ab, das Waffenerwerbs- und besitzverbot für erlaubnisfreie Waffen und Munition sowie das Besitzverbot für erlaubnispflichtige Waffen und Munition aufzuheben. Die Beklagte habe begründete Zweifel gegen die Zuverlässigkeit und persönliche Eignung des Klägers. Der Verstoß, der dem Urteil des Amtsgerichts * vom 30. August 2012 zugrunde lag, sei für die Behörde bei der Entscheidung über die waffenrechtliche Zuverlässigkeit von größter Bedeutung. Im Waffenrecht seien regelmäßig strenge Maßstäbe an die waffenrechtliche Zuverlässigkeit zu legen. Eine nur tadelsfreie Lebensweise reiche nicht aus, um eine waffenrechtliche Zuverlässigkeit zu belegen. Es sei zu berücksichtigen, dass der Verstoß des Klägers gerade mit einem erlaubnisfreien Luftdruckgewehr begangen wurde. Eine Änderung der Sachlage im Hinblick auf den Bescheid vom 21. Januar 2005 liege nicht vor. Bei der Schwere des begangenen Verstoßes im Jahre 2012 reiche ein erneuter Beurteilungszeitraum von unter zehn Jahren nicht im Mindesten aus.
Dagegen ließ der Kläger am 2. Juli 2018 Klage erheben. Mit der Klage begehrt er die Aufhebung des ablehnenden Bescheids der Beklagten vom 22. Juni 2018 sowie die Verpflichtung der Beklagten, den Antrag des Klägers auf Aufhebung des am 21. Januar 2005 unbefristet vom Landratsamt * erlassenen Bescheids erneut zu bescheiden, hilfsweise den Antrag nur insoweit erneut zu verbescheiden, soweit der Umgang mit erlaubnisfreien Waffen und erlaubnisfreier Munition betroffen ist.
Mit Schriftsatz vom 4. Juli 2017 ließ der Kläger zudem beantragten,
dem Kläger Verfahrenskostenhilfe zu gewähren und * als Bevollmächtigten beizuordnen.
Seit Eintritt der Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts * vom 30. August 2012 seien zwischenzeitlich mehr als fünf Jahre vergangen, sodass grundsätzlich allein auf Grund der genannten Verurteilung eine waffenrechtliche Zuverlässigkeit, zumindest soweit es den Umgang mit erlaubnisfreien Waffen und erlaubnisfreier Munition betreffe, nicht mehr angenommen werden könne. Aus all den Umständen, welche die Beklagte im Bescheid vom 22. Juni 2018 anführe, könne der Antrag des Klägers unter Anwendung der Bestimmungen des derzeit gültigen Waffenrechts nicht abgelehnt werden. Die Vorfälle würden allesamt zu lange zurückliegen, um heute eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit begründen zu können. Der Kläger möchte seinen Luftgewehrschießsport fortsetzen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Kläger allein habe darzulegen, dass sich die Sach- und Rechtslage zu seinen Gunsten geändert habe. Ein Widerruf des Waffenbesitzverbots komme nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen für den Erlass eines Waffenbesitzverbots weiterhin vorliegen würden. Es sei nach wie vor davon auszugehen, dass der Kläger in seinen Grundeigenschaften von einem volljährigen Durchschnittsbürger abweiche und es sei auf Grund seines bisherigen Verhaltens zu befürchten, dass Waffen so verwendet werden würden, dass andere dadurch zu Schaden kommen würden. Angesichts des möglichen Schadens bei Nichtbewährung und des präventiven ordnungsrechtlichen Charakters der Forderung nach einer besonderen Zuverlässigkeit für den Erwerb und Besitz von Waffen genüge es, dass bei verständiger Würdigung aller Umstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine nicht ordnungsgemäße Ausübung des Umgangs mit Waffen verbleibe. Auch im Auszug aus der Führerscheindatei seien belastenden Eintragungen auf Grund Trunkenheit am Steuer feststellbar. Die Polizei habe die Beklagte informiert, dass der Kläger der Wilderei verdächtigt werde. Nach den Einschätzungen der Polizei, basierend unter anderem auf den Beobachtungen des Jagdpächters des Jagdbezirks * und den persönlich gemachten Erfahrungen des Polizeibeamten sei der Kläger zum Umgang mit jeglichen Waffen nach wie vor ungeeignet. Es bestehe der Verdacht, dass der Kläger wildere, da er wiederholt im Waldgebiet von * gesehen worden sei wie er mit einem Fernglas Wild nachstelle. Die Beklagte habe ihr Ermessen nach bestem Wissen und Gewissen auch mit Blick auf die Sicherheit der Allgemeinheit ausgeübt. Sie regt an, das Gesundheitsamt * zu verpflichten, Auskunft zu erteilen, ob Tatsachen bekannt sind, die die erforderliche persönliche Eignung zum Waffenbesitz in Frage stellen.
Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Verwaltungsakten und die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts ist zulässig aber unbegründet. Gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu.
Die Klage wird voraussichtlich keinen Erfolg haben, da der Kläger voraussichtlich keinen Anspruch auf Neuverbescheidung des Antrags auf Aufhebung des Bescheids vom 21. Januar 2005 hat (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Dies gilt auch für den Hilfsantrag hinsichtlich erlaubnisfreier Waffen und Munition.
Die Voraussetzungen für einen Widerruf des mit dem Bescheid vom 21. Januar 2005 ausgesprochenen Besitz- und Erwerbsverbots liegen nicht vor.
Nach Art. 49 Abs. 1 BayVwVfG kann ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist. Damit kommt ein Widerruf nicht in Betracht, wenn die Voraussetzungen für ein Waffenbesitz- und -erwerbsverbot für erlaubnisfreie Waffen wie die vom Kläger beantragten Luftdruckwaffen samt Munition weiterhin vorliegen (VG Sigmaringen, U.v. 13.6.2001 – 5 K 2256/00 – Rn. 18; VG Augsburg, U.v. 24.7.2013 – 4 K 13.775 -juris Rn. 20). Dies ist hinsichtlich des Klägers nach wie vor der Fall.
Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG kann die zuständige Behörde jemandem den Besitz von Waffen oder Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf und den Erwerb solcher Waffen oder Munition untersagen, wenn Tatsachen bekannt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass der rechtmäßige Besitzer oder Erwerbswillige die für den Erwerb oder Besitz solcher Waffen oder Munition erforderliche Zuverlässigkeit fehlt. Für die Beurteilung der Zuverlässigkeit kann insoweit der Kriterienkatalog des § 5 WaffG herangezogen werden (VG Augsburg, U.v. 24.7.2013 – 4 K 13.775 – juris Rn. 21).
Hinsichtlich des Klägers rechtfertigen weiterhin Tatsachen die Annahme, dass er Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden könnte, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG. Der Kläger ist in der Vergangenheit bereits mehrfach negativ im Umgang mit Waffen aufgefallen. Im Jahr 2012 hat er in drei Fällen vorsätzlich gegen eine vollziehbare Anordnung nach § 41 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 WaffG verstoßen. Dies zeigt, dass der Kläger dazu bereit ist, sich über waffenrechtliche Vorgaben aus eigenen Interessen hinwegzusetzen. Die Taten sind nicht so lange her, dass sie bei der Prüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers nicht mehr zu beachten sind. Die Vorschrift des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG enthält eine Regelvermutung für die Unzuverlässigkeit, wenn eine entsprechende Verurteilung vor weniger als fünf Jahren erfolgte. Dem kann nicht im Wege eines Umkehrschlusses entnommen werden, dass eine Verurteilung nach fünf Jahren bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit außer Betracht bleiben muss. Es greift dann lediglich die Regelvermutung nicht mehr ein. Für die Zuverlässigkeit hat die Behörde eine Gesamtbetrachtung des Verhaltens und des Charakters des Betroffenen anzustellen, um daraus auf sein künftiges Verhalten in Bezug auf Waffen zu schließen. Bei dieser Gesamtbetrachtung kann auch ein länger zurückliegender Zeitraum herangezogen werden. Dies gilt vor allem, wenn wiederholte Verstöße bzw. Vorfälle vorliegen und gerade aus dieser Wiederholung und Hartnäckigkeit die Unzuverlässigkeit gefolgert wird.
Auf dieser Grundlage ist der Kläger weiterhin als waffenrechtlich unzuverlässig einzustufen. Eine inzwischen eingetretene Zuverlässigkeit hat der Kläger vorzutragen und zu beweisen. Ein rechtstreues Verhalten nach der Verurteilung im Jahr 2012 allein wird hierfür nicht ausreichend sein; außerdem sind Eintragungen im Bundeszentralregister noch nicht gelöscht.
Der Kläger wird voraussichtlich auch mit dem Hilfsantrag keinen Erfolg haben, da er in der Vergangenheit auch hinsichtlich erlaubnisfreier Waffen und Munition gegen waffenrechtliche Vorgaben verstieß und zu befürchten ist, dass anderen Personen ein Schaden droht, sollte der Kläger wieder mit erlaubnisfreien Waffen umgehen dürfen.
Die Ermessensentscheidung der Beklagten, weiterhin vollumfänglich am Verbot nach § 41 Abs. 1 WaffG festhalten zu wollen, ist nicht zu beanstanden (§ 114 VwGO).
Nach allem war der Antrag auf Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen.