Verwaltungsrecht

Waffenrechtliche Anordnungen gegen einen „Reichsbürger“

Aktenzeichen  AN 16 S 17.02400

Datum:
10.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 26770
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 5 Abs. 1, § 45 Abs. 2 S. 1
VwGO § 80 Abs. 3, § 154 Abs. 1, § 117 Abs. 5
GKG § 52 Abs. 2

 

Leitsatz

Da die Eilbedürftigkeit sowohl des Widerrufs einer Waffenerlaubnis als auch der Verpflichtung, die Erlaubnisse abzugeben, der Anordnung immanent ist, genügt auch eine knappe Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs den Anforderungen des § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO. Ein Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse macht nur dann Sinn, wenn er nicht durch eine bloße Klageerhebung faktisch „ausgehebelt“ werden kann. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller und der Antragsgegner streiten um die sofortige Vollziehbarkeit der waffenrechtlichen Anordnungen im Bescheid des Landratsamtes … vom … 2017.
Der am … 1982 in Fürth geborene Antragsteller ist seit Juni 2016 Laborleiter bei der Firma … sowie Sportschütze und Mitglied beim … seit November 2010. In diesem Zusammenhang besitzt er eine Flinte der Marke Rottweil 770.
Am 21. September 2015 beantragte er beim Landratsamt …einen Staatsangehörigkeitsausweis und gab dabei als Staatsangehörigkeit und Geburtsort wiederholt „Königreich Bayern“ an und beantragte den Staatsangehörigkeitsausweis auf der Grundlage des Reichsund Staatsangehörigkeitsgesetzes 1913.
Der Antragsgegner ordnete dieses Verhalten der Ideologie der sogenannten Reichsbürgerbewegung zu und hörte ihn mit Schreiben vom … 2016 zum beabsichtigten Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse an. In seiner Stellungnahme hierzu vom … 2016 gab der Antragsteller an, er gehöre nicht zur sogenannten Reichsbürgerbewegung und vertrete auch nicht deren Ideologie. Mit der Mitteilung, er sei deutscher Staatsangehöriger, habe er sich zufrieden gegeben.
Mit Bescheid vom … 2017 widerrief daraufhin der Antragsgegner die dem Antragsteller erteilte waffenrechtliche Erlaubnis in Form einer Waffenbesitzkarte Nr. …, ausgestellt vom Landratsamt …(Numrrier 1 des Bescheides), gab dem Antragsteller auf, die vorgenannte Erlaubnis bis spätestens vier Wochen nach Zustellung dieses Bescheides dem Landratsamt … zu übergeben (Nummer 2 des Bescheides), forderte den Antragsteller auf, seine Feuerwaffe sowie die dazugehörige Munition innerhalb einer genannten Frist an einen Berechtigten zu übergeben oder diese durch einen Berechtigten dauerhaft unbrauchbar zu machen lassen (Nummer 3 des Bescheides), drohte für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der unter Nummern 2 und 3 genannten Verfügungen ein Zwangsgeld an (Nummer 4 des Bescheides), ordnete die sofortige Vollziehung zu Nr. 3 des Bescheides an (Nummer 5 des Bescheides) und setzte die Kosten unter Nummer 6 des Bescheides fest.
Zur Begründung führte der Antragsgegener im Wesentlichen aus, er habe nach Eingang des Schreibens vom … 2016 das waffenrechtliche Widerrufsverfahren zwar eingestellt, sei aber mit Schreiben der Regierung* … vom … 2017 aufgefordert worden, das Widerrufsverfahren erneut aufzunehmen und die waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen. Der Widerruf stütze sich auf § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG, denn der Antragsteller besitze die nach § 5 Abs. 1 Nummer 2 Buchstabe a WaffG erforderliche Zuverlässigkeit nicht. Die hierzu erforderliche Prognose falle zu Ungunsten des Antragstellers aus, „da er als Reichsbürger die verfassungsmäßige Ordnung klar ablehne“. Auch die ergänzenden waffenrechtlichen Anordnungen stützen sich auf einschlägige Rechtsgrundlagen. Die sofortige Vollziehung des Bescheides finde ihre Rechtsgrundlage in § 45 Abs. 5 WaffG, wonach Anfechtungsklagen keine aufschiebende Wirkung hätten. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nummer 5 des Bescheides finde ihre Rechtsgrundlage in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nummer 4 VwGO. Die Sicherheit der Allgemeinheit könne im vorliegenden Fall nur durch die Anordnung des Sofortvollzuges wirksam gewährleistet werden.
Der Antragsteller erhob hiergegen mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom …2017, eingegangen beim Verwaltungsgericht … am selben Tag, Klage und beantragte zugleich,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom … 2017 hinsichtlich der Nummern 1, 2, 4 und 6 anzuordnen und hinsichtlich Nummer 3 wiederherzustellen.
Zur Begründung verwies er im Wesentlichen auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 20. September 2016 sowie eine weitere Entscheidung des Verwaltungsgerichts München vom 8. Juni 2017. Zur Charakteristika der Verhaltensweisen von Reichsbürgern führte er einen Aufsatz von Caspar/Neubauer an und betonte, dass er im Schreiben vom … 2017 nachdrücklich und glaubhaft sich von jedweder Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung und deren Gedankengut distanziert habe.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er bezieht sich zur Begründung in seiner Antragserwiderung lediglich auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Verfahrensakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist abzulehnen, weil er unbegründet ist. Der Antrag im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist zwar zulässig.
Der Antragsgegner ist auch passivlegitimiert. Der Antrag ist gleichwohl unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen, wie hier, die sofortige Vollziehbarkeit eines Verwaltungsaktes kraft Gesetzes besteht (Nummer 1 des Bescheides) oder angeordnet wurde (Nummer 5 des Bescheides), die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen den Bescheid ganz oder teilweise anordnen oder wiederherstellen. Hierbei sind die widerstreitenden Interessen gegeneinander abzuwägen. Abwägungsgesichtspunkte sind hierbei die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfes, dessen aufschiebende Wirkung angeordnet werden soll, eine etwaige gesetzliche Wertung zur Frage der Vollziehbarkeit und ein Blick auf die Folgen, die eintreten können, wenn der Anordnung Folge geleistet oder nicht Folge geleistet wird, wobei im Rahmen dieser Abwägung die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache besondere Berücksichtigung finden. Bleibt dieser Rechtsbehelf mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos, wird die Abwägung in der Regel zum Nachteil des Betroffenen ausfallen.
Die formellen Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 VwGO sind, soweit das erforderlich ist (§ 45 Abs. 5 WaffG), vorliegend gegeben. Wie sich aus dem Inhalt des streitgegenständlichen Bescheids vom … 2017 ergibt, kommt dem Widerruf der Waffenerlaubnisse des Antragstellers besondere Eilbedürftigkeit zu. Die Begründung nach § 80 Abs. 3 VwGO ist diesbezüglich zwar knapp ausgefallen, ist aber im Hinblick darauf, dass die Eilbedürftigkeit sowohl des Widerrufs als auch der Verpflichtung, die Erlaubnisse abzugeben, der Anordnung letztlich immanent sind, noch als ausreichend anzusehen. Ein Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse macht nur dann Sinn (siehe dazu § 45 Abs. 5 WaffG), wenn er nicht durch eine bloße Klageerhebung faktisch „ausgehebelt“ werden kann (vgl. auch Adolph/Brunner/Bannach, WaffG, 73. AL Stand: Oktober 2017, § 45 RdNr. 74 f.).
Die Gesamtabwägung aller entscheidungserheblichen Umstände führt zur Überzeugung der Kammer dazu, dass das Interesse an der sofortigen Vollziehung der hier streitgegenständlichen Anordnungen das Interesse des Antragstellers, bis zur Entscheidung in der Hauptsache über seine Waffenbesitzkarten und seine Waffe zu verfügen, deutlich überwiegt.
Die Anfechtungsklage des Antragstellers gegen die zugrunde liegenden waffenrechtlichen Verfügungen hat bei der hier erforderlichen aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung keine hinreichenden Erfolgsaussichten.
Rechtsgrundlage für den in Nummer 1 des streitgegenständlichen Bescheids verfügten Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse ist § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Danach ist eine Erlaubnis nach dem WaffG zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung (der waffenrechtlichen Erlaubnisse) hätten führen müssen. Ob diese tatbestandlichen Voraussetzungen letztlich gegeben sind, weil es dem Antragsteller an der erforderlichen Zuverlässigkeit im Sinne von § 5 Abs. 1 WaffG fehlt, kann abschließend im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht entschieden werden.
Der Antragsgegner hat seinen Widerruf sowohl auf § 5 Abs. 1 Nummer 2 Buchstabe a WaffG als auch auf § 5 Abs. 2 Nummer 3 Buchstabe a WaffG gestützt. Das wird im Ergebnis nicht zu beanstanden sein (siehe dazu ausführlich BayVGH vom 12.12.2017 Az. 21 CS 17.1332 m.w.N.). Die vom Antragsgegner vorgetragen Verhaltensweisen des Antragstellers begründen die vom Antragsgegner dargelegten konkreten Befürchtungen, dass der Antragsteller aufgrund seines bisherigen Verhaltens keine hinreichende Gewähr für einen jederzeit verantwortungsvollen Umgang mit Waffen bietet. Die Regelung des § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG lässt der Behörde in solchen Fällen keinen Ermessensspielraum (vgl. auch Adolph/Brunner/Bannach, WaffG, 73. AL Stand: Mai 2017, § 45 RdNrn. 22 f., 26). Die Kammer folgt insoweit im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes den dargelegten Begründungen im angefochtenen Widerrufsbescheid (§ 117 Abs. 5 VwGO entsprechend; ausführlich dazu Brunner in Adolph/Brunner/Bannach, WaffG, 73. AL Stand: Mai 2017, § 5 RdNr. 30a). Die Verfügung ist damit auch in jeder Hinsicht verhältnismäßig.
Das bedarf auch keiner weiteren Vertiefung, denn der Antragsteller ist diesem Vorhalt nicht zur Überzeugung der Kammer entgegengetreten. So hat er die vom Antragsgegner herangezogenen Äußerungen, die sich in den wesentlichen Teilen auch aus den Akten entnehmen lassen, bestätigt und lediglich erklärt, er halte so daran nicht mehr fest. Den in Bezug genommenen Entscheidungen des Verwaltungsgerichts München, siehe dazu etwa die o.a. Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, und des Verwaltungsgerichts Cottbus folgt die Kammer nicht. Die vom Antragsteller in die Welt gesetzten Sachverhaltspunkte veranlassen eine genauere Überprüfung in einem Hauptsacheverfahren, deren Ergebnis hier noch nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit prognostiziert werden kann.
Auch die übrigen Verfügungen sind, soweit sie hier Gegenstand des Verfahrens sind, mithin rechtlich nicht zu beanstanden.
Neben der mangelnden Erfolgsaussicht in der Hauptsache stützen § 45 Abs. 5 WaffG diese Einschätzung ebenso wie die vom Bundesverfassungsgericht angedachte Folgenabwägung.
Im Rahmen einer abschließenden Interessenabwägung bewertet die Kammer mithin das öffentliche Interesse daran, dass der Antragsteller seine Waffenerlaubnis (Nummer 1 des Bescheides) bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens abgibt, höher als das Interesse des Antragstellers an einem vorläufigen Verbleib der Waffenerlaubnisse und der Waffen in seinem Besitz. Die Kammer stellt dabei auch darauf ab, dass die Abgabe der Waffe an einen Berechtigten im streitgegenständlichen Bescheid (Nummer 3) verfügt wurde, den Antragsteller nicht unzumutbar belastet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Streitwert ergibt sich aus § 52 Abs. 2 GKG.

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