Verwaltungsrecht

Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit, Gerichtliche Kostenentscheidung, Freiheitsstrafe, Örtliche Unzuständigkeit, Waffenbesitzverbot, Unbrauchbarmachung, Verwaltungsgerichte, Erlaubnisfreier, Gefahrenprognose, Ermessensausübung, Behördenakten, Erlaubnisfreie Waffen, Waffenverbot, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Ermessensreduzierung auf Null, Kostenfestsetzung, Rechtsmittelbelehrung, Diebstahl mit Waffen, Zehnjahresfrist, Bußgeldverfahren

Aktenzeichen  RN 4 K 19.1980

Datum:
2.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 1609
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
§§ 5
I Nr. 1 Buchst. b, 41 I, 46 III WaffG
BayVwVfG Art. 46

 

Leitsatz

Tenor

I. Nr. 3 des Bescheids des Landratsamtes Dingolfing-Landau vom 24.9.2019 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 9/10, der Beklagte zu 1/10.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

Über die Klage konnte ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten ihr Einverständnis dazu erklärt haben (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)).
Die gegen die Anordnungen in Nr. 1, 3 und 5 des angegriffenen Bescheids gerichtete Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.
I.
Die Behörde hat dem Kläger in Nr. 1 des Bescheids vom 24.9.2019 zurecht Besitz und Erwerb von Waffen, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf, untersagt. Zwar wurde die Anordnung durch das Landratsamt Dingolfing-Landshut als örtlich unzuständige Behörde getroffen (dazu 1.). Sie war jedoch die einzig sachgerechte Maßnahme; andere Maßnahmen oder deren Unterlassen wäre ermessensfehlerhaft gewesen, weshalb der Kläger deren Aufhebung gemäß Art. 46 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) nicht beanspruchen kann (dazu 2.)
1. Eine Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheids folgt nicht daraus, dass er durch das Landratsamt Dingolfing-Landshut erlassen wurde. Die Behörde ging aufgrund einer Auskunft aus dem Melderegister davon aus, dass der Kläger im Landkreis Dingolfing-Landau seinen Wohnsitz habe und erachtete sich daher gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a BayVwVfG für zuständig. Aus der vorgelegten polizeilichen Auskunft vom 10.7.2019 ergibt sich indes, dass der Kläger seit 30.6.2019 in der Justizvollzugsanstalt München einsitzt. Weil es nicht darauf ankommt, ob sich ein Betroffener freiwillig am Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts befindet (Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018 Rn. 24), und unbeachtlich ist, wo jemand nach dem Melderecht gemeldet ist (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 3 Rn.27; Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 3 Rn.23, 24; Rollenfitsch in BeckOK VwVfG, Stand Oktober 2020, § 3 Rn.9), wäre vorliegend zum Erlass des streitgegenständlichen Bescheids die Landeshauptstadt München und nicht das Landratsamt Dingolfing-Landau zuständig gewesen.
Dieser Mangel ist jedoch nach Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Zwar fehlt es im Fall von Ermessensakten in der Regel an der geforderten Offensichtlichkeit; ein Anderes gilt aber, wenn sich das behördliche Ermessen im konkreten Einzelfall auf null reduziert hatte (Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 990o. Aufl. 2018, § 46 Rn. 60 f.). Eine solche Situation kommt namentlich dann in Betracht, wenn eine Gefahr für wichtige Rechtsgüter in erheblichem Ausmaß droht oder die Gefahr besonders schwerwiegend ist (VG München, U.v. 12.12.2012 – M 7 K 12.2149 – juris Rn. 25). Hiervon ist vorliegend auszugehen (dazu 2.b)).
2. Die Beklagtenseite hat sich bei Verhängung des Waffenverbots zutreffend auf § 41 Abs. 1 WaffG gestützt. Dabei hat sie ihrem Handeln fehlerfrei zu Grunde gelegt, dass der Kläger im waffenrechtlichen Sinne unzuverlässig ist und zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit ein Waffenverbot geboten ist (dazu a)). Bedenken hinsichtlich der Ermessensausübung bestehen nicht, es ist vielmehr von einer Ermessensreduzierung auf null auszugehen (dazu b)).
a) Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaffG kann die Waffenbehörde den Erwerb und Besitz von nicht erlaubnispflichtigen Waffen und Munition untersagen, soweit es zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit oder zur Kontrolle des Umgangs mit diesen Gegenständen geboten ist. Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG besteht zudem die Möglichkeit, ein Verbot für erlaubnisfreie Waffen und Munition zu verhängen, wenn Tatsachen bekannt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass der Besitzer oder Erwerbswillige abhängig von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln, psychisch krank oder debil ist oder sonst die erforderliche persönliche Eignung nicht besitzt oder ihm die für den Erwerb oder Besitz solcher Waffen oder Munition erforderliche Zuverlässigkeit fehlt.
Der Kläger erfüllt die in § 41 WaffG genannten Voraussetzungen eines Waffenverbots, und zwar sowohl im Hinblick auf seine fehlende Zuverlässigkeit (dazu aa)) als auch unter dem Aspekt der Verhütung von Gefahren für die Sicherheit (dazu bb)).
aa) Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG.
Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG kann die zuständige Behörde den Besitz von Waffen oder Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf, und den Erwerb solcher Waffen oder Munition untersagen, wenn Tatsachen bekannt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass dem rechtmäßigen Besitzer oder Erwerbswilligen die für den Erwerb oder Besitz solcher Waffen oder Munition erforderliche Zuverlässigkeit fehlt.
Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, die rechtskräftig verurteilt worden sind wegen (Buchst. a) eines Verbrechens oder (Buchst. b) wegen sonstiger vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung zehn Jahre noch nicht verstrichen sind. Ebenso besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG.
Entgegen der Ansicht des Klägers können für die Frage der Zuverlässigkeit im Sinne des § 41 Abs. 1 Nr. 2 WaffG die Tatbestände des § 5 Abs. 1 WaffG herangezogen werden (vgl. BayVGH, Beschluss vom 22.01.2014 – 21 ZB 13.1781 = BeckRS 2014, 46234 Rn.13; Beschluss vom 10.08.2006 – 21 ZB 06.428 = BeckRS 2009, 40288). Die gegenteilige Ansicht des Klägers findet schon im Gesetzestext selbst keine Stütze. Der Gesetzeswortlaut in § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG nimmt allgemein und uneingeschränkt Bezug auf die „erforderliche Zuverlässigkeit“. Die „erforderliche Zuverlässigkeit“ hat der Gesetzgeber in § 5 WaffG näher konkretisiert. Verwendet der Gesetzgeber in ein- und demselben Gesetz identische Begrifflichkeiten, so ist davon auszugehen, dass – sofern sich nichts Anderes aus dem Gesetz ergibt – diese auch einheitlich auszulegen sein sollen. Durch § 41 WaffG hat der Gesetzgeber außerdem ganz bewusst eine Erweiterung der Befugnis zum Erlass eines Waffenbesitzverbotes gegenüber der bisherigen Regelung in § 40 WaffG a. F., die eine zusätzliche Prüfung einer missbräuchlichen Waffenverwendung vorsah, vorgenommen (BT-Drs. 14/7758, Seite 76; BayVGH, Beschluss vom 22.01.2014 a. a. O., Rn.14; VG München, Beschluss vom 17.08.2018 – M 7 S 18.1851 = BeckRS 2018, 20955 Rn.20). Es ist auch kein sachlicher Grund ersichtlich, bei nicht erlaubnispflichtigen Waffen einen weniger strengen Maßstab hinsichtlich der erforderlichen Zuverlässigkeit anzulegen als bei erlaubnispflichtigen Waffen (BayVGH, Beschluss vom 22.01.2014, a. a. O. Rn.14; VG München, a. a. O., Rn.20).
Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b WaffG waren nachweislich erfüllt. Der Kläger war durch Urteil des Amtsgerichts Schwäbisch Gmünd vom 08.08.2013 wegen versuchten gemeinschaftlichen Diebstahls in besonders schwerem Fall zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Das Urteil war am 17.12.2013 rechtskräftig geworden, so dass auch der Zehnjahresfrist genügt ist. Auf einen waffenrechtlichen Bezug dieser Straftat kommt es nicht an, § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b setzt einen solchen gerade nicht voraus (VG München, U. v. 12.12.2012 a. a. O., Rn.19). Nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers ist eine Unzuverlässigkeit im Sinne des WaffG unabhängig davon gegeben, ob die begangene Straftat einen waffenrechtlichen Bezug hat. Nachdem das Urteil des Amtsgerichts Schwäbisch Gmünd bereits die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers begründet, braucht nicht entschieden zu werden, ob auch das Urteil des Landgerichts Landshut vom 4.8.1995 die Annahme fehlender Zuverlässigkeit noch rechtfertigen könnte. Gleiches gilt für die Frage, ob zusätzlich auch das am 30.6.2019 eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls mit Waffen, Bandendiebstahls und Wohnungseinbruchdiebstahls die Annahme einer Unzuverlässigkeit des Klägers gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b WaffG rechtfertigen könnte. Mithin kommt es auch nicht auf die Frage an, welcher der Beschuldigten ein Messer bei sich geführt haben soll und ob dies dem anderen gegebenenfalls im Rahmen einer mittäterschaftlichen Begehungsweise zugerechnet werden kann. Das Gericht nimmt ergänzend Bezug auf seine Ausführungen im Beschluss vom 20.12.2019 im Verfahren RN 4 S 19.1979.
bb) Nachdem beim Kläger bereits die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 Nr. 2 WaffG vorliegen, kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, ob er daneben auch den Untersagungstatbestand des § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaffG erfüllt. Nach Einschätzung des Gerichts liegen aber auch die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaffG beim Kläger vor.
§ 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WaffG setzt voraus, dass die betreffende Person von den persönlichen Grundeigenschaften eines volljährigen Durchschnittsbürgers so nachhaltig abweicht, dass für den Fall des Umgangs auch mit an sich erlaubnisfrei zu erwerbenden Waffen Gefahren für die Rechtsordnung zu befürchten sind (Gade WaffG, 2. Auflage 2018, § 41 Rn 6). Bei der betreffenden Person muss aufgrund ihres bisherigen Verhaltens oder wegen körperlicher oder geistiger Mängel zu befürchten sein, dass Waffen oder Munition in einer Art und Weise verwendet werden, bei der Dritte zu Schaden kommen (BVerwG, U. v. 08.02.1983 – 1 C 144/80 – NJW 1984, 1192; zur Anwendung auf die aktuelle Fassung des Waffengesetzes: Gerlemann in Steindorf, Waffenrecht, 10. Auflage 2015, § 41 Rn.4). Ein Verbot ist dann geboten, wenn die betreffende Person in der Vergangenheit ein Verhalten oder eine seiner Person anhaftende Eigenschaft zutage gelegt hat, welche den auf Tatsachen beruhenden Verdacht begründet, dass durch einen Umgang mit der Waffe Gefahren für die öffentliche Sicherheit verursacht werden (Gade a.a.O., Rn. 6). Bei der Gefahrenprognose kann der in § 5 WaffG enthaltene Kriterienkatalog zur Zuverlässigkeit mit einbezogen werden (Gade a.a.O., Rn. 6).
Für den Kläger ist das Vorliegen einer solchen Gefahr zu bejahen. Er hat in der Vergangenheit insbesondere mehrfach Straftaten auch unter Verwendung von Waffen begangen; ihm sind verschiedene Verstöße gegen das Waffengesetz vorzuwerfen. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Verurteilungen wegen Taten, die unter Verwendung einer Waffe bzw. unter Verstoß gegen das WaffG begangen wurden, bereits lange zurückliegen. Bei dem Kläger ist dabei allerdings zu berücksichtigen, dass er sich seit den entsprechenden Verurteilungen bzw. Tatbegehungen nicht beanstandungslos geführt hat (vgl. BVerwG, U.v. 24.4.1990 – 1 C 56/89 – juris Rn. 18 zu § 5 Abs. 2 WaffG a. F.), sondern in der Zwischenzeit vielmehr mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten und verurteilt worden ist. Dies hat dazu geführt, dass auch die zurückliegenden Verurteilungen nicht aus dem Bundeszentralregister getilgt wurden, § 47 Abs. 3 Satz 1 Bundeszentralregistergesetz (BZRG), und kein Verwertungsverbot nach § 51 BZRG eingetreten ist (vgl. BGH, U.v. 10.11.2011 – 4 StR 261/11 – juris Rn. 4; U.v. 28.3.2001 – 3 StR 463/00 – juris Rn. 5). Ferner ist dabei zu berücksichtigen, dass es sich um erhebliche Verurteilungen zu u. a. elf Jahren Freiheitsstrafe gehandelt hat (Urteil des LG Landshut vom 4.8.1995, rechtskräftig seit 29.10.1996). Dies rechtfertigt vorliegend deren Berücksichtigung im Rahmen der Gefahrenprognose des § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaffG (vgl. NdsOVG B.v. 21.12.2012 – 11 LA 309/12 – juris Ls. 1 zu § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG) und führt in Anbetracht der Schwere und Anzahl der Verstöße dazu, dass eine Untersagung zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit geboten ist, § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaffG.
Auf die Frage, ob der Kläger am 19.6.2019 bei Betreten des Amtsgerichts Passau eine Ordnungswidrigkeit, §§ 42a, 53 Abs. 1 Nr. 21a WaffG, begangen hat, kommt es mithin nicht entscheidend an. Ausweislich der Bescheidsgründe war das Geschehen am 19.6.2019 lediglich Anlass für die Überprüfung, ob der Kläger die erforderlichen Voraussetzungen nach dem WaffG erfüllt. Das Gericht hat daher nicht aufzuklären, ob es sich – was klägerseits verneint wird – bei dem mitgeführten Gegenstand um ein Einhandmesser im Sinne von § 42a Abs. 1 Nr. 3 WaffG handelt.
Eine Gefahr im Sinne von § 41 Abs. 1 Nr. 1 WaffG ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil der Kläger eine Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt München verbüßt. Entgegen der Darstellung des Klägers sind Erwerb und Besitz erlaubnisfreier Waffen und Munition auch während des Strafvollzugs nicht ausgeschlossen. Dies schon deshalb nicht, weil auch im Rahmen des Justizvollzugs, namentlich des offenen Vollzugs, Art. 12 Abs. 2 BayStVollzG, sowie des Freigangs bzw. Ausgangs, Art. 13 BayStVollzG, oder Urlaubs aus der Haft, Art. 14 BayStVollzG, tatsächliche Möglichkeiten zum Erwerb und Besitz gegeben sind. Selbst im geschlossenen Vollzug dürfte der Besitz und Erwerb von Waffen zwar weitreichend eingeschränkt sein, praktisch ausgeschlossen jedoch nicht (vgl. OVG Hamburg, Urteil vom 11.01.2011 – 3 Bf 197/09 = NordÖR 2011, 417, 419). Im Übrigen wird eine Gefahr im Sinne von § 41 Abs. 1 Nr. 1 WaffG nicht dadurch beseitigt, dass dem Betroffenen gegebenenfalls für einen gewissen Zeitraum Waffen oder Munition nicht bzw. nur unter erschwerten Bedingungen zur Verfügung stehen. Es würde dem Sinn und Zweck der Norm zur effektiven Gefahrenabwehr widersprechen, wenn die Behörde erst nach Entlassung aus der Justizvollzugsanstalt zu entsprechenden Erlassen befugt wäre. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die Entlassung aus der Justizvollzugsanstalt der Behörde nach ihrem – klägerseits unwidersprochenem – Vortrag häufig erst mit Verzögerung bekannt wird.
Das Vorbringen des Klägers, dass er 59 Jahre, mithin „im Charakter gesetzt“ sei, verfängt ebenfalls nicht. Die Gefahrenprognose des § 41 Abs. 1 Nr. 1 WaffG ist nicht an ein bestimmtes Alter geknüpft.
Gleiches gilt für das Vorbringen des Klägers, dass er zu keinem Zeitpunkt wegen einer gefährlichen Körperverletzung mit Waffen verurteilt worden sei. Eine solche setzt § 41 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 WaffG nicht voraus.
Ob der Kläger bereits in der Vergangenheit mit erlaubnisfreier Munition angetroffen wurde, ist ebenfalls nicht relevant. Der Untersagungstatbestand des § 41 Abs. 1 WaffG verlangt dies nicht. Die getroffene Gefahrenprognose rechtfertigt die Erstreckung der Untersagung auf Munition.
b) Die Ermessensausübung der Beklagtenseite begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Es war nur der Erlass des streitgegenständlichen Bescheids möglich. Andere Maßnahmen oder ein Absehen hiervon wäre ermessensfehlerhaft gewesen.
Maßgebend für die Frage, ob eine Ermessensreduzierung auf null vorliegt, sind insbesondere die Sensibilität der gefährdeten Rechtsgüter sowie die Größe und Intensität der Gefahr für diese Rechtsgüter (vgl. Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 114 Rn.131, 132). Eine Ermessensreduzierung auf null kommt insbesondere dann in Betracht, wenn eine Gefahr für wichtige Rechtsgüter in erheblichem Ausmaß droht oder die Gefahr besonders schwerwiegend ist (VG München, U. v. 12.12.2012, a. a. O., Rn.20).
So liegt der Fall hier.
aa) Gemäß § 1 Abs. 1 WaffG regelt das WaffG den Umgang mit Waffen oder Munition unter Berücksichtigung der Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Unter die öffentliche Sicherheit im Sinne des § 1 Abs. 1 WaffG fallen insbesondere der Schutz von Leben, Gesundheit und Freiheit des Einzelnen (Gade, WaffG, 2. Auflage 2018, § 1 Rn.4). § 41 Abs. 1 WaffG ermöglicht im Einzelfall die Untersagung an sich erlaubnisfreier Waffen, da auch mit diesen im Fall eines missbräuchlichen Umgangs erhebliche Verletzungen rechtlich geschützter Güter, namentlich der körperlichen Unversehrtheit, verursacht werden können (Gade, WaffG, 2. Aufl. 2018, § 41 Rn.3). Die Norm dient daher dem Schutz von hochrangigen, verfassungsrechtlich garantierten Rechtsgütern.
bb) Durch § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG hat der Gesetzgeber festgelegt, dass ab einer gewissen Schwere einer Straftatbegehung (für die Dauer der Zehnjahresfrist) unwiderlegbar von einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit der betreffenden Person auszugehen ist, und zwar unabhängig davon, ob die Straftat einen waffenrechtlichen Bezug aufweist (BT Drs. 14/7758). Anders als bei § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b und c WaffG kommt es im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG auf einen waffenrechtlichen Zusammenhang gerade nicht an. Bei strafrechtlich relevantem Verhalten wird die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit an das Strafmaß statt an bestimmte Delikte geknüpft (BT Drs. 14/7758, S. 54). Dabei geht der Gesetzgeber davon aus, dass Verurteilungen wegen vorsätzlichen Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bereits von einem solchen Gewicht sind, dass die betreffende Person zwingend als waffenrechtlich unzuverlässig einzustufen ist (BT Drs. 14/7758, S. 54).
Die Verurteilungen des Klägers liegen weit über dieser Grenze. So war der Kläger u. a. mit Urteil des Landgerichts Landshut vom 04.08.1995 (rechtskräftig seit 29.10.1996) zu einer Freiheitsstrafe von 11 Jahren verurteilt worden. Insoweit kommt es ebenfalls nicht darauf an, ob die Verurteilung die Zehnjahresfrist des § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG wahrt, denn jedenfalls im Rahmen der Ermessensausübung durfte die Verurteilung herangezogen werden. Insbesondere lag wegen § 47 Abs. 3 Satz 1 BZRG kein Verwertungsverbot nach § 51 BZRG vor. Das Amtsgericht Schwäbisch Gmünd verurteilte den Kläger mit Urteil vom 08.08.2013 (rechtskräftig seit 17.12.2013) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 08.02.2016 (rechtskräftig seit 12.01.2017) wurde der Kläger ferner zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Inländische Strafurteile stehen im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG den inländischen Strafurteilen zwar nicht gleich, sind aber deshalb nicht etwa generell unbeachtlich oder unverwertbar (OVG Hamburg, B.v. 3.9.2008 – 3 So 55/08 – juris Rn. 14 ff.). Nachdem der Strafrahmen der vom Kläger verwirklichten ausländischen Straftatbestände in etwa dem Strafrahmen der entsprechenden bzw. damit vergleichbaren inländischen Straftatbestände entspricht, kann vorliegend jedenfalls im Rahmen der Ermessensausübung die Wertung des Gesetzgebers in § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG gleichsam herangezogen werden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers als evident dar. Das Gericht nimmt ergänzend Bezug auf seine Ausführungen im Beschluss vom 20.12.2019 im Verfahren RN 4 S 19.1979.
Ferner wies das Bundeszentralregister eine hohe Anzahl von 17 Eintragungen auf. Wiederholt hatte der Kläger in der Vergangenheit bei der Begehung von Straftaten auch Waffen eingesetzt und war wegen waffenrechtlicher Verstöße verurteilt worden.
Vor diesem Hintergrund drohte in erheblichem Ausmaß eine Gefahr für wichtige Rechtsgüter.
cc) Anhaltspunkte, die den Kläger entlasten oder das Waffenverbot unzumutbar erscheinen lassen würden, sind nicht ersichtlich. Soweit der Kläger vorbringt, dass er „Werkzeuge“ oder „Alltagsgegenstände“ für seine berufliche und/oder private Tätigkeit als Nachrichtentechniker benötige, ändert sich daran nichts. Es wird dem Kläger durch die streitgegenständliche Anordnung nicht verwehrt, Werkzeuge zu verwenden. Dass der Kläger auf die Verwendung von Waffen im Sinne von § 41 Abs. 1 WaffG angewiesen wäre, macht er nicht geltend. Der vom Kläger vorgebrachte Einwand, dass der Beklagte auch sein „Multifunktionstool“ als Waffe einordne, bedarf dabei keiner Aufklärung durch das Gericht. Streitgegenständlich sind die angegriffenen Anordnungen im Bescheid vom 24.9.2019. Das Gericht hat daher (nur) die Rechtmäßigkeit sowie eine Verletzung der Rechte des Klägers durch den Bescheid zu überprüfen. Der Bescheid untersagt lediglich den Besitz von Waffen oder Munition. Ob der Beklagte unter die Anordnungen des Bescheids gegebenenfalls auch davon nicht erfasste Gegenstände subsumiert, ist nicht Streitgegenstand und damit durch das Gericht nicht zu prüfen.
Ausgehend von dem Grundsatz, dass im Waffenrecht ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (BayVGH, B.v. 2.10.2013 – 21 Cs 13.1564 – juris Rn. 10), kam bei der vorliegenden Sach- und Rechtslage eine andere Entscheidung als die Verhängung des streitgegenständlichen Waffenverbots nicht in Betracht. Andere Maßnahmen oder ein Absehen hiervon wäre ermessensfehlerhaft gewesen.
Die örtliche Unzuständigkeit des Landratsamtes Dingolfing-Landau hat daher die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst, Art. 46 BayVwVfG.
II.
Nicht zu beanstanden ist auch die behördliche Kostenentscheidung in Nr. 5 des Bescheids vom 24.9.2019.
Gemäß Art. 1 Abs. 1 Kostengesetz (KG) erheben die Behörden des Freistaates für Tätigkeiten, die sie in Ausübung hoheitlicher Gewalt vornehmen, Kosten und Gebühren nach den Vorschriften des ersten Abschnitts des KG. Für den Erlass der Kostenentscheidung ist mithin die Behörde (sachlich und örtlich) zuständig, die die Amtshandlung vorgenommen hat. Das ist hier das Landratsamt Dingolfing-Landau.
Als Veranlasser des Waffenverbots hat der Kläger gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KG die Kosten zu tragen. Der beklagtenseits herangezogene § 50 Abs. 2 (der mit Wirkung vom 1.10.2019 durch G.v. 18.7.2016 aufgehoben wurde) i.V. m. den Vorschriften des Verwaltungskostengesetzes (VwKostG) beschränkt sich grundsätzlich auf das Handeln von Bundesbehörden (vgl. König/Papsthart, WaffG, 2. Aufl. 2012, § 50 Rn.1) und ist mithin vorliegend nicht einschlägig. Die Falschbezeichnung ist hier gleichwohl unschädlich, weil die Auswechslung der Rechtsgrundlage weder eine unzulässige Wesensänderung der Kostenentscheidung herbeiführt noch sich der Ermessensrahmen in der Sache verändert (vgl. BVerwG, U.v. 19.5.1992 – 9 C 54/91 – juris Rn. 21; VG München, U.v. 9.3.2016 – M 7 K 15.5177 – juris Rn. 32). Insbesondere hat das Landratsamt Dingolfing-Landau ebenfalls Nr. 2.II.7/37 des Kostenverzeichnisses zum KG (KVz) herangezogen und hat die Festsetzung der Gebühr innerhalb dieses Rahmens sowohl nach § 9 Verwaltungskostengesetz (VwKostG) als auch nach Art. 6 Abs. 2 KG unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwands sowie der Bedeutung der Angelegenheit für die Beteiligten zu erfolgen.
Die Höhe der von der Behörde konkret festgesetzten Gebühren hält sich in dem von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 KG, Nr. 2.II.7/37 KVz gezogenen (unteren) Rahmen. Fehler bei dessen Ausfüllung nach Art. 6 Abs. 2 KG sind nicht ersichtlich. Ausweislich der Bescheidsgründe hat die Behörde ihre Kostenentscheidung zudem (nur) auf Nr. 2.II.7/ 37 KVz gestützt, mithin nur für das angeordnete Waffenbesitzverbot Kosten erhoben. Für die Anordnung in Nr. 3 des Bescheids (Nr. 2.II.7/ 40 KVz), die durch das Gericht aufzuheben war (dazu III.), hat die Behörde hingegen keine gesonderten Kosten festgesetzt, so dass die Kostenentscheidung auch vor dem Hintergrund des Art. 16 Abs. 5 KG nicht zu beanstanden ist.
III.
Die in Nr. 3 des Bescheids vom 24.9.2019 gegenüber dem Kläger getroffene Anordnung, noch vorhandene erlaubnisfreie Waffen und Munition unverzüglich an Berechtigte abzugeben, erweist sich indes als rechtswidrig und für den Kläger rechtsverletzend. Sie war daher aufzuheben.
Gemäß § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WaffG kann die zuständige Behörde, wenn jemand entgegen einem vollziehbaren Verbot nach § 41 Abs. 1 oder 2 WaffG eine Waffe oder Munition besitzt, anordnen, dass er binnen angemessener Frist die Waffe oder Munition dauerhaft unbrauchbar macht oder einem Berechtigten überlässt.
Zwar dürfte die örtliche Unzuständigkeit des Landratsamtes Dingolfing-Landshut für den Erlass einer Anordnung nach § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WaffG ebenfalls unbeachtlich gemäß Art. 46 BayVwVfG sein. Denn vor dem Hintergrund, dass das Ermessen der Behörde zum Erlass des Waffenverbots als Grundentscheidung auf null reduziert war, dürfte auch das (Entschließungs-) Ermessen im Rahmen des § 46 Abs. 3 WaffG entsprechend reduziert gewesen sein. Das von § 46 Abs. 3 WaffG eingeräumte Ermessen ist insofern nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit dem Waffenverbot als der maßgeblichen Grundentscheidung zu sehen (vgl. BVerwG, B.v. 15.4.1998 – 1 B 230/97 – juris Rn. 5 zur alten Rechtslage bei Widerruf der Erlaubnis).
Es bestehen jedoch bereits Zweifel, ob die Voraussetzungen des § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WaffG überhaupt gegeben sind, nachdem der Beklagte mitgeteilt hat, dass keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Kläger noch im Besitz erlaubnisfreier Waffen oder Munition sei. Adressat der Maßnahme nach § 46 Abs. 3 Satz 1 WaffG ist nach dem Wortlaut aber derjenige, der Waffen oder Munition besitzt. Im Ergebnis kann die Frage eines Waffen- oder Munitionsbesitzes durch den Kläger indes dahinstehen. Denn jedenfalls sieht § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WaffG eine Anordnung dergestalt vor, dass der Adressat der Maßnahme Waffen bzw. Munition innerhalb einer bestimmten Frist einem Berechtigten zu überlassen o d e r unbrauchbar zu machen hat. Danach stellt die Behörde die beiden Alternativen dem Betroffenen zur Auswahl (vgl. Gerlemann in Steindorf, Waffenrecht, 10. Aufl. 2015, § 46 Rn. 4 zum insoweit gleichlautenden Abs. 2). Gründe, die es vorliegend ausnahmsweise rechtfertigen würden, dem Kläger diese Auswahl zu nehmen, sind nicht ersichtlich. Entgegen der Ansicht des Beklagten muss die Überlassung an Berechtigte für den Kläger nicht zwangsläufig die einfachste und schnellste Möglichkeit darstellen. Da keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich der Kläger in Besitz von Schreckschusswaffen befindet, geht auch der Einwand des Beklagten fehl, dass beispielsweise unbrauchbar gemachte Schreckschusswaffen den Anschein einer funktionsfähigen Waffe erwecken könnten. Im Übrigen sieht das Gesetz die Möglichkeit der Unbrauchbarmachung ausdrücklich vor und nimmt mithin einen etwaig verbleibenden Anschein grundsätzlich in Kauf. Ein bloßer Anschein birgt auch nicht die gleiche Gefahr wie funktionsfähige Munition oder Waffen. Die technische Möglichkeit der Unbrauchbarmachung war ebenfalls gegeben, da z. B. auch die Zerstörung eine weitergehende Form der Unbrauchbarmachung darstellt (Gerlemann in Steindorf, Waffenrecht, 10. Aufl. 2015, § 46 Rn. 4; Nr. 46.2 WaffVwV i.V. m. Anlage 1 Abschn. 1 UA 1 Nr. 1.4 WaffVwV). Eine Rechtsverletzung des Klägers ergibt sich insoweit daraus, als ihm als Adressat der Maßnahme die von § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WaffG eingeräumte Auswahl genommen wird. Darin liegt jedenfalls ein nicht gerechtfertigter Eingriff in Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Mithin kommt es nicht darauf an, dass – entgegen der Ansicht des Klägers – eine Überlassung gemäß der Legaldefinition in Nr. 3 im Abschnitt 2 der Anlage 1 zum WaffG keine Eigentumsübertragung voraussetzt (BayVGH, B.v. 14.1.2019 – 21 CS 19.226 – juris Rn. 19).
IV.
Rechtsgrundlage der gerichtlichen Kostenentscheidung ist § 155 Abs. 1 VwGO.
V.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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