Aktenzeichen B 1 K 17.334
Leitsatz
1. Personen, die der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht haben, besitzen, wie im streitgegenständlichen Bescheid bereits zutreffend näher dargestellt, nicht die für eine waffenrechtliche Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit (Anschluss an BayVGH BeckRS 2018, 26769). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Da maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer waffenrechtlichen Widerrufsentscheidung derjenige der letzten Behördenentscheidung ist, kommt es nicht darauf an, ob ob sich eine wegen Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung unzuverlässige Person inzwischen von dieser abgewandt hat und deren Gedankengut nicht mehr vertritt. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die von der Behörde bezüglich der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit vorzunehmende Zukunftsprognose erlaubt in der Sache rechtsfehlerfrei nur eine Entscheidung, ist also rechtlich ohne Alternative (Anschluss an BayVGH BeckRS 2015, 55610). (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Anfechtungsklage hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Der angefochtene Bescheid des Landratsamts vom 21.03.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klage ist daher abzuweisen.
a) Es liegt kein Verstoß gegen das Anhörungsgebot des Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG vor, der zur Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheids führen könnte. Sofern man es als erforderlich ansehen wollte, dass im Anhörungsschreiben vom 14.11.2016 auch auf die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 2c) WaffG Bezug zu nehmen gewesen wäre, wovon das Gericht nicht ausgeht, wäre ein solcher Fehler jedenfalls gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG als geheilt anzusehen. Denn der Kläger hatte nach Erlass des streitgegenständlichen Bescheids, auch im Gerichtsverfahren, Gelegenheit sich hierzu nachträglich zu äußern und hat auch davon Gebrauch gemacht.
b) Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Personen, die der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht haben, besitzen, wie im streitgegenständlichen Bescheid bereits zutreffend näher dargestellt, nicht die für eine waffenrechtliche Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit (vgl. BayVGH, B.v. 4.10.2018 – 21 CS 18.264 – juris, Rn. 13 m.w.N.). Bei ihnen rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass sie im Sinn von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden (Buchst. a), sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden (Buchst. b) oder sie Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind (Buchst. c).
Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids am 31.03.2017 der Reichsbürgerbewegung angehört hat. Dieser Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ist auch der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer waffenrechtlichen Widerrufsentscheidung durch das Gericht (vgl. BayVGH, B.v. 05.01.2018 – 21 CS 17.1521 – juris, Rn. 13 m.w.N.). Es kommt damit nicht darauf an, ob sich der Kläger (möglicherweise) mittlerweile – zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und des Ergehens dieses Urteils am 28.05.2019 über zwei Jahre nach Erlass des streitgegenständlichen Bescheids – von der Reichsbürgerbewegung abgewandt hat und deren Gedankengut nicht mehr vertritt.
Maßgeblich für die Überzeugungsbildung, den Kläger im Zeitpunkt des Bescheidserlasses tatsächlich als der Reichsbürgerbewegung zugehörig anzusehen, war für die Kammer das Schreiben vom 31.10.2016, welches der Kläger bezüglich der Aktivierung der Landgemeinde … an das Bayerische Staatsministerium des Inneren gesandt hat. Dieses Schreiben (Bl. 24 ff. der Verfahrensakte des Landratsamts) weist eindeutig einen reichsbürgertypischen Inhalt und Stil auf. In reichsbürgertypischer Sprache wird dort die Aktivierung einer Gemeinde nach dem Rechtsstand im Deutschen Reich und dem Königreich Bayern zum Ende des 19. Jahrhunderts durch eine Gruppe von Männern und Frauen bekannt gegeben. Aus dem Schreiben geht weiter hervor, dass es den Botschaftern der USA, Russlands, Frankreichs, Großbritanniens und Italiens in Berlin zur Kenntnis übersandt wurde, also – mit Ausnahme Italiens – den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs, welche die Reichsbürgerbewegung typischerweise als die aktuellen Verwalter Deutschlands ansieht. Für die Kammer bestehen daher keine Zweifel, dass der Kläger der Reichsbürgerbewegung zuzuordnen war.
Ergänzend hierzu und das Bild abrundend sind die Angaben des Klägers im Rahmen der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises zu bewerten. Auch diese belegen, dass sich der Kläger in der „Reichsbürgerszene“ bewegt und sich deren Vokabular zu eigen gemacht hat. Neben den Angaben zum Geburts- und Wohnsitzstaat bzw. zur Staatsangehörigkeit (Königreich Bayern und Königreich Preußen) wird im Schriftwechsel mit Behörden z.B. verlangt, dass der Familienname in Sperrschrift zu schreiben sei; die Postleitzahl wird in eckige Klammern gesetzt. Auf den Vorfall vom 14.11.2016 und die anonyme Anzeige kommt es damit entscheidungserheblich nicht mehr an, wenngleich auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem weiteren waffenrechtlichen Entziehungsverfahren die verwaltungsgerichtliche Einschätzung gestützt hat, dass sich der Vorfall vom 14.11.2016 im Reichsbürgermilieu zugetragen habe (BayVGH, B.v. 16.01.2019, – 21 C 18.578).
Auch dadurch, dass der Kläger geltend macht, die Bundesrepublik und die aktuellen Gesetze anzuerkennen, in die Gesellschaft integriert zu sein, keine Vorstrafen zu haben und sich auch von der Reichsbürgerbewegung distanziert zu haben, besteht für die Kammer kein Anlass, die vorgenommene Einstufung des Klägers als Reichsbürger im Zeitpunkt des Bescheidserlasses in Zweifel zu ziehen. Es ist ausreichend, dass sich der Kläger die Ideologie dieser Bewegung zu eigen gemacht hatte. Dass der Kläger im Übrigen ein nicht zu beanstandendes Leben geführt haben mag, konnte daher den Wegfall seiner waffenrechtlichen Zuverlässigkeit nicht hindern. Denn im Waffenrecht gilt der Grundsatz, dass nur derjenige im Besitz von Waffen sein soll, der nach seinem Verhalten das Vertrauen darin verdient, dass er mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen wird (vgl. BVerwG, B.v. 26.3.1997 – 1 B 9/97 – juris).
Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben, sich – auch im Lichte der Geschehnisse von … – bereits wenige Wochen nach „Gründung der Landgemeinde …“ (wieder) von der Reichsbürgerbewegung distanziert zu haben. Dies habe er auch gegenüber dem Landratsamt in seinem Anhörungsschreiben vom 30.11.2016 erklärt (vgl. S. 2 der Sitzungsniederschrift). Indes ist es für die Kammer nicht glaubhaft, dass der Kläger innerhalb dieser kurzen Zeit seine Gesinnung geändert hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich der Vorfall von …, bei dem ein Polizeibeamter von einem Reichsbürger erschossen wurde, bereits am 19.10.2016 ereignete. Hingegen ist das Schreiben bezüglich der Reaktivierung der Landgemeinde … auf den 31.10.2016 datiert. Dieser Umstand zeigt, dass der Kläger auch noch unmittelbar nach dem einschneidenden Ereignis von … reichsbürgertypische Verhaltensweisen an den Tag gelegt hat. Die Erklärungen des Klägers im Verwaltungsverfahren, der Reichsbürgerbewegung nicht anzugehören und die Bundesrepublik Deutschland und ihre Gesetze anzuerkennen, werden daher von der Kammer als bloße Schutzbehauptungen angesehen, die unter dem Druck des drohenden Widerrufs nur zu dem Zweck abgegeben wurden, die Waffen behalten zu können.
c) Das Landratsamt hatte bei der Entscheidung über den Widerruf nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG auch weder ein Ermessen noch einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich des Vorliegens des Tatbestands. Die von der Behörde bezüglich der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG vorzunehmende Zukunftsprognose erlaubt in der Sache rechtsfehlerfrei nur eine Entscheidung, ist also rechtlich ohne Alternative (vgl. BayVGH, B.v. 23.11.2015 – 21 CS 15.2130 – juris Rn. 17 m.w.N.).
d) Hinsichtlich der weiteren Anordnungen im streitgegenständlichen Bescheid wird auf Folgendes hingewiesen:
Eine Klage gegen die Verpflichtungen nach § 46 Abs. 1 und Abs. 2 WaffG hat aufschiebende Wirkung, da diese nicht vom kraft Gesetzes bestehenden Sofortvollzug nach § 45 Abs. 5 WaffG umfasst sind. Ein Sofortvollzug wurde vom Landratsamt nicht angeordnet. Der Kläger musste daher der Verpflichtung nach Ziffer 1 Satz 2 und Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids bis zu den im Bescheid genannten Zeitpunkten nicht nachkommen. Durch die Abgabe der Waffen und die Ablieferung der Waffenbesitzkarten haben sich diese Verpflichtungen aber erledigt. Dies schlägt auch auf die Zwangsgeldandrohung im Hinblick auf die Verpflichtung nach Ziffer 1 des Bescheids durch. Erweist sich eine Fristsetzung als gegenstandslos, gilt dies auch für das Zwangsmittel, das dadurch nicht rechtswidrig, sondern gegenstandslos wird. Einer weitergehenden Berücksichtigung im Urteil bedarf es daher nicht (vgl. auch BayVGH, B.v. 21.8.2006 – 24 CS 06.1945, m.w.N.; Giehl, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Anmerkung II.2 zu Art. 31 VwZVG).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Beteiligter hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis bedurfte es angesichts der – wenn überhaupt anfallenden – jedenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht, zumal dieser auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.