Aktenzeichen B 1 K 17.158
Leitsatz
1 Angesichts der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit ausgehen, reicht für das Fehlen der Zuverlässigkeit, dass der Betroffene den waffenrechtlichen Anforderungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht genügen wird. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Verhaltensweisen und Einlassungen, die sich typischerweise als solche der sog. Reichsbürgerbewegung darstellen, rechtfertigen die auf Tatsachen gestützte Prognose einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit, wenn das Gedankengut der sog. Reichsbürger auch die innere Einstellung des Waffenbesitzers widerspiegelt (St.Rspr. BayVGH BeckRS 2018, 3070). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine fehlende waffenrechtliche Zuverlässigkeit setzt keinen Verstoß gegen waffenrechtliche Vorschriften oder ein konkretes strafrechtlich relevantes Fehlverhalten im Zusammenhang mit dem Führen einer Waffe in der Vergangenheit voraus. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
1. Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.
2. Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Bescheid des Landratsamts … vom 26. Januar 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Entscheidend für die Rechtmäßigkeit des verfügten Waffenbesitzverbotes ist dabei der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, da es sich um einen sog. Dauerverwaltungsakt handelt (vgl. BVerwG, U.v. 06.12.1978 – I C 23.76 – juris Rn. 13). Das Gericht schließt sich zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen im Wesentlichen zunächst den Gründen des angefochtenen Bescheides an und sieht von einer gesonderten Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 84 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 117 Abs. 5 VwGO).
Ergänzend ist zur Sache sowie zum Klagevorbringen noch Folgendes auszuführen:
Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 3. Alt. WaffG kann die zuständige Behörde jemandem den Besitz von Waffen oder Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf, und den Erwerb solcher Waffen oder Munition untersagen, wenn Tatsachen bekannt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass dem rechtmäßigen Besitzer oder Erwerbswilligen die für den Erwerb oder Besitz solcher Waffen oder Munition erforderliche Zuverlässigkeit fehlt. Als Maßstab für die Beurteilung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit in Bezug auf erlaubnisfreie Waffen und dazugehörige Munition kann auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG zurückgegriffen werden (BayVGH, B.v. 22.01.2014 – 21 ZB 13.1781 – juris Rn. 13 m.w.N., dessen Entscheidung explizit zu § 5 Abs. 1 Nr. 2 a) und c) WaffG erging). Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden (Buchst. a), mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden (Buchst. b) oder Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind (Buchst. c).
Bei der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der gerichtlich voll überprüfbar ist. Angesichts der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit ausgehen, ist für das Fehlen der Zuverlässigkeit nicht etwa erforderlich, dass der Betroffene den waffenrechtlichen Anforderungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht genügen wird. Vielmehr reicht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit aus. Ein Restrisiko muss nicht hingenommen werden (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 18.07.2017 – 11 ME 181/17 – juris Rn. 8 m.w.N.; BayVGH, B.v. 05.10.2017 – 21 CS 17.1300 – juris Rn. 11). Bei der Prognose, die auf Grundlage der festgestellten Tatsachen anzustellen ist, ist der allgemeine ordnungsrechtliche Zweck des Waffengesetzes zu berücksichtigen, beim Umgang mit Waffen die Belange der Sicherheit und Ordnung (§ 1 Abs. 1 WaffG) – namentlich die Allgemeinheit vor den schweren Folgen eines nicht ordnungsgemäßen Umgangs mit Waffen zu schützen – zu wahren (vgl. BT-Drs. 14/7758, S. 51).
Im Hinblick auf Personen, die der sog. Reichsbürgerszene zuzuordnen sind oder die sich deren Ideologie zu eigen machen, hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einer Reihe von Entscheidungen ausgeführt, dass diesen Personen die notwendige waffenrechtliche Zuverlässigkeit abzusprechen ist. Wer der Ideologie der Reichsbürger folgend die Existenz und Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiert und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung generell nicht als für sich verbindlich anerkennt, gibt Anlass zu der Befürchtung, dass er auch die Regelungen des Waffengesetzes nicht strikt befolgen wird. Eine missbräuchliche Verwendung ist insbesondere dann zu befürchten, wenn die Gefahr besteht, dass der Waffenbesitzer „sein Recht“ außerhalb oder neben der bestehenden Rechtsordnung durchsetzen wird (vgl. BayVGH, U.v. 10.10.2013 – 21 B 12.964 – juris). Dies gilt ebenso für die Pflicht zur sicheren Waffenaufbewahrung, die Pflicht zur getrennten Aufbewahrung von Waffen und Munition, die Pflicht zu gewährleisten, dass andere Personen keinen Zugriff haben können, sowie die strikten Vorgaben zum Schießen mit Waffen im Besonderen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bis c WaffG). Ausgehend von dem Grundsatz, dass nur derjenige im Besitz von Waffen sein soll, der nach seinem Verhalten das Vertrauen darin verdient, dass er mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen wird, muss einer der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnenden Person anknüpfend an die Tatsache, dass sie die waffenrechtlichen Normen gerade nicht als für sich verbindlich ansieht, die nach § 5 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit abgesprochen werden. Verhaltensweisen und Einlassungen, die sich typischerweise als solche der sog. „Reichsbürgerbewegung“ darstellten, rechtfertigen daher die auf Tatsachen gestützte Prognose einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit, wenn das Gedankengut der sog. „Reichsbürger“ auch die innere Einstellung des Waffenbesitzers widerspiegelt (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 5.10.2017 – 21 CS 17.1300 -; B.v. 19.12.2017 – 21 CS 17.2029 -; B.v. 10.01.2018 – 21 CS 17.1339 -; B.v. 25.01.2018 – 21 CS 17.2310 -; B.v. 26.01.2018 – 21 CS 17.1668 -; alle juris).
Legt man diese Maßstäbe an, liegen hinreichend gewichtige Tatsachen vor, die die Zweifel an der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers begründen. Das Gericht teilt die Einschätzung des Landratsamts …, dass der Kläger der Reichsbürgerbewegung zuzuordnen ist und Verhaltensweisen an den Tag legt, die die Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit rechtfertigen. Dabei bezeichnet der Begriff „Reichsbürger“ sowohl die Szene der „klassischen“ Reichsbürger, dient allerdings auch als phänomenbezogener Überbegriff, der das Spektrum sogenannter Selbstverwalter mit umfasst (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2017, S. 170 ff.).
Der Kläger hat durch die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises und beim Ausfüllen des Antrags ein eindeutig „reichsbürgertypisches“ Verhalten gezeigt und sich des einschlägigen Vokabulars der Reichsbürgerszene bedient. So hat er insgesamt fünfmal auf seine Person bezogen das „Königreich Bayern“ als Geburts, Wohn- bzw. Aufenthaltsort angegeben und als rechtlichen Bezug auf § 4 RuStAG 1913 verwiesen. Damit hat er eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass er sich nicht der Bundesrepublik Deutschland und ihrem Rechtssystem zugehörig betrachtet. Es ist auch unter keinem Aspekt erklärbar, dass sich eine im Jahr 1956 geborene Person dem Königreich Bayern zugehörig sieht. Eine auch nur ansatzweise plausible Erklärung, weshalb er in dem Formular zur Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises an fünf Stellen das Königreich Bayern angegeben hat, hat weder er selbst gegeben noch kann sie den Ausführungen seines Bevollmächtigten entnommen werden. Die Erklärungsversuch im Schriftsatz vom 2. November 2017, der Kläger wolle damit allenfalls die Bezeichnung „Freistaat Bayern“ in Frage stellen, ist nicht nachvollziehbar; vielmehr knüpft diese eindeutige Angabe an eine negierte Existenz der Bundesrepublik Deutschland an. Die Stellungnahme im Rahmen der Anhörung, wonach er lapidar erklärt, er gehöre nicht der Reichsbürgerbewegung an und er erkenne die Bundesrepublik Deutschland an, erscheint vor diesem Hintergrund als bloße Schutzbehauptung.
Hinzu kommen weitere reichsbürgertypische Verhaltensweisen bzw. Erklärungen, die eindeutig Aufschluss darüber geben, dass sich der Kläger außerhalb der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland sieht, so z.B. die Erklärung anlässlich der Wohnungsdurchsuchung, er werde seinen Personalausweis abgeben, die stetige Infragestellung der Rechtmäßigkeit der Durchsuchung sowie der Existenz der Steuerforderung. Insbesondere in seinem Schreiben vom 17. Februar 2017 führt der Kläger mehrfach aus, dass die Steuerschulden nicht existierten. Er stellt die Rechtmäßigkeit einer Durchsuchung durch staatliche Vollzugsorgane insgesamt und generell in Frage. Indem er das Finanzamt und die Polizei in Anführungszeichen setzt (Bl. 58 der Behördenakte), bringt er zum Ausdruck, dass er diesen keine staatlich legitimierten Rechte zugesteht. Kein Mensch sei weltlich niedergeschriebenen Gesetzen untertan. Über dem Grundgesetz stünden höhere Gesetze. Er führt sinngemäß aus, dass der Mensch als „absoluter Rechteträger“ frei sei zu entscheiden, ob er sich der Rechtsordnung unterwerfe und als Schuldner (einer zivilrechtlichen Gesellschaft namens Staat) betrachtet werden könne. Er zieht die Legitimität der Beamten, die die Wohnungsdurchsuchung durchführten, in Zweifel. Durch den Hinweis auf die „unveräußerlichen Rechte nach UCC 1-103 und 1-308“ benutzt er das Vokabular eines Personenkreises, der sich außerhalb unseres Rechtssystems sieht (vgl. z.B. www.wirsindeins.org; www.endlichfreileben.wordpress.com) und damit die Gesetze und auch die Rechtsprechung der Gerichte der Bundesrepublik Deutschland nicht anerkennt. Formulierungen wie „without prejudice“, „ohne Vorurteil“, „Schlüsselvermutungen der BAR-Gilde“ und „UCC 1-103 und 1-308“ weisen darauf hin, dass der Kläger diesem Gedankengut offensichtlich fest verhaftet ist. Er zeigt, dass er die von ihm für sich selbst definierten Rechte über der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland stehend ansieht. Dies wird auch in seinem Verhalten anlässlich der Durchsuchung seiner Wohnung am 14. November 2016 deutlich. Er hatte sich bereits im Vorfeld der Durchsuchung vom 14. November 2016 einer Durchsuchungsmaßnahme des Finanzamts zur Vollstreckung von Steuerschulden widersetzt. Hinsichtlich der Durchsuchung am 14. November 2016 kann keine Rede davon sein, der Kläger habe sich nur schlicht unkooperativ verhalten. Nicht zuletzt hält er ohne konkreten Anlass für eine diesbezügliche Nachfrage auch die Zuständigkeit des Gerichts für fraglich.
Soweit der Klägerbevollmächtigte vorbringt, der Kläger müsse sich Äußerungen seiner bei der Durchsuchung anwesenden Bekannten nicht zurechnen lassen, ist dies angesichts des eigenen Verhaltens des Klägers von untergeordneter Bedeutung. Jedoch ist auch dies ein Indiz dafür, dass der Kläger im Reichsbürgermilieu verkehrt und Bekannte aus diesem Milieu hat, die auch Einfluss auf ihn ausüben können, denn nur durch das Zureden des Herrn O. konnte der Kläger zum Öffnen seiner Terrassentür bewegt werden. Außerdem hat sich insbesondere Herr O. als „Beistand“ bzw. „Vertrauensperson“ des Klägers bezeichnet.
Vor diesem Hintergrund liegen aus Sicht des Gerichts keine Umstände vor, die eine weitere Sachaufklärung notwendig erscheinen ließen (so auch BayVGH im Beschluss vom 16. Januar 2019). Auch unter dem Gesichtspunkt, dass es sich bei dem angefochtenen Bescheid um einen Dauerverwaltungsakt handelt, sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich bzw. es wurden vom Kläger keinerlei Gründe vorgetragen, weshalb der Kläger zwischenzeitlich wieder als waffenrechtlich zuverlässig angesehen werden müsste, zumal hierbei auch der in § 5 Abs. 2 WaffG normierte Grundgedanke, dass erst nach Verstreichen einer hinreichend langen Frist wieder von einer Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann, mit in den Blick genommen werden müsste.
Der Klägerbevollmächtigte kann auch nicht damit durchdringen, dass der Bescheid deshalb rechtswidrig sei, weil dem Kläger kein waffenrechtswidriges Verhalten vorzuwerfen sei. Zunächst hat das Landratsamt zutreffend darauf hingewiesen, dass bei einem nicht getrennten Aufbewahren von nicht erlaubnispflichtigen Waffen und der dazugehörigen Munition ein Verstoß gegen § 36 Abs. 1 WaffG i.d.F.v. 25.07.2009 vorliegt (i.Ü. ist auch nach der Neufassung von § 36 Abs. 1 WaffG i.V.m. § 13 Abs. 2 Nr. 1 AWaffV ein waffenrechtlicher Verstoß gegeben, wenn eine Verwahrung nicht in einem verschlossenen Behältnis erfolgt). Eine fehlende waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG setzt zudem, wie oben dargelegt, keinen Verstoß gegen waffenrechtliche Vorschriften (vgl. VG Cottbus, U.v. 20.09.2016 – VG 3 K 305/16 – juris) oder gar ein konkretes strafrechtlich relevantes Fehlverhalten im Zusammenhang mit dem Führen einer Waffe in der Vergangenheit voraus.
Soweit dem Kläger auch das Führen erlaubnispflichtiger Waffen untersagt wurde (Ziff. 2 des streitgegenständlichen Bescheids), gelten die gleichen Grundsätze. Ein Waffenbesitzverbot nach § 41 Abs. 2 WaffG setzt nicht voraus, dass der Betroffene bereits im Besitz erlaubnispflichtiger Waffen ist; es kann auch der künftige Besitz verboten werden. Denn die Behörde ist nicht gehalten, den für sie oftmals nicht bekannten Zeitpunkt abzuwarten, in dem der Betroffene tatsächlich in den Besitz erlaubnispflichtiger Waffen gelangt (vgl. BVerwG, U.v. 22.08.2012 – 6 C 31/11 – juris Rn. 21 f.).
Das Landratsamt hat das ihm zustehende Ermessen erkannt und auch zweckgerecht und im Rahmen der gesetzlichen Grenzen ausgeübt. Ein milderes Mittel, das gleichermaßen geeignet wäre, den Gefahren zu begegnen, die vom Besitz erlaubnisfreier und evtl. auch erlaubnispflichtiger Waffen durch den Kläger ausgehen, ist nicht ersichtlich. Die Ermessensausübung des Landratsamts …, die das Gericht nur eingeschränkt überprüfen kann (vgl. § 114 VwGO), ist daher nicht zu beanstanden.
3. Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten richtet sich nach § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.