Verwaltungsrecht

Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit wegen Sympathiesierens mit der “Reichsbürgerbewegung”

Aktenzeichen  B 1 S 16.633

Datum:
10.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
WaffG WaffG § 45 Abs. 2
WaffG WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

1 Wenn eine Person den Staat, in dem sie lebt, nicht als ihren Wohnsitzstaat angibt bzw. zu erkennen gibt, dass sie ein davon abweichendes staatliches Gebilde für einschlägig hält – hier: das nicht mehr existierende “Königreich Bayern” – sind Anknüpfungstatsachen vorhanden, die für eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit sprechen (ebenso BayVGH BeckRS 2016, 40332).  (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2 Es erscheint möglicherweise zu weitgehend, allein aus der Verwendung von einzelnen Vokabeln der “Reichsbürgerbewegung” oder daraus, dass einzelne für diese Bewegung typische Verhaltensweisen an den Tag gelegt werden, ohne zusätzliche Indizien auf die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit zu schließen. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Landratsamts B. vom 06.07.2017 wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Der am … geborene Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen den Widerruf seiner Waffenbesitzkarte durch das Landratsamt B. sowie gegen begleitende Verfügungen.
Der Antragsteller stellte am 06.09.2016 beim Landratsamt B. einen Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit. In diesem gab er an, sein Geburtsstaat sei das „Königreich Bayern“, dieses sei auch sein Wohnsitzstaat. Neben der deutschen Staatsangehörigkeit besitze er seit seiner Geburt noch die Staatsangehörigkeit des Königreichs Bayern, erworben durch
„Abstammung gemäß § 4 Abs. 1 RuStAG 1913“. Seit seiner Geburt habe er sich im Ort .. im Staat „Königreich Bayern“ aufgehalten. Nach Beteiligung der Verwaltungsgemeinschaft … und einer rechtlichen Prüfung wurde dem Antragsteller ein Staatsangehörigkeitsausweis am 18.10.2016 ausgehändigt.
Das Polizeipräsidium … wandte sich mit Schreiben vom 08.12.2016 an das Landratsamt B. und teilte seine Bewertung mit, dass der Antragsteller aufgrund des geschilderten Sachverhalts (staatsangehörigkeitsrechtliches Verfahren, siehe oben) der sog. Reichsbürgerbewegung zuzuordnen sei. Weitere polizeiliche Erkenntnisse zum Antragsteller lägen nicht vor. Polizeirechtliche Sofortmaßnahmen seien derzeit nicht erforderlich.
Mit Schreiben vom 17.03.2017 hörte das Landratsamt B. den Antragsteller zum beabsichtigten Widerruf seiner Waffenbesitzkarte an. Dieser teilte daraufhin schriftlich mit, dass er sich an die Gesetze halte und die Bundesrepublik Deutschland anerkenne. Die Vorwürfe im Anhörungsschreiben weise er zurück. Ein polizeiliches Führungszeugnis werde dies bestätigen.
Mit Bescheid vom 06.07.2017 widerrief das Landratsamt B. die dem Antragsteller erteilte Waffenbesitzkarte Nr. … und verfügte diverse begleitende Anordnungen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, die erteilte Waffenbesitzkarte sei aufgrund waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Alt. 2 WaffG zu widerrufen. Der Antragsteller sei nicht mehr als waffenrechtlich zuverlässig anzusehen und daher sei seine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen. Er sei als Angehöriger der Reichsbürgerbewegung anzusehen. Er habe einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt und dabei einschlägige Floskeln der Reichbürgerbewegung wie z.B. Geburtsland „Königreich Bayern“ und „Antrag nach § 4 RuStAG von 1913“ benutzt. Den Zweck der Ausweisbeantragung habe der Antragsteller offen gelassen. Auch das Polizeipräsidium Oberfranken habe mitgeteilt, dass der Antragsteller der Reichsbürgerbewegung zuzuordnen sei. Auf das Anhörungsschreiben habe der Antragsteller mit Schriftstück vom 07.04.2017 reagiert und lapidar erklärt, dass er sich an die Gesetze halte, die Bundesrepublik Deutschland anerkenne sowie die Vorwürfe zurückweise und dass dies ein Führungszeugnis bestätigen werde. Eine Begründung, warum er seinerzeit den Staatsangehörigkeitsausweis beantragt habe, habe er in keiner Weise angegeben und auch sonstige Erklärungen bezüglich seiner politischen Neigung hätten gefehlt.
Das Landratsamt müsse deshalb davon ausgehen, dass der Antragsteller sich nicht an die strengen Vorgaben des Waffengesetzes zum Umgang mit einer Waffe halten werde, auch wenn der Antragsteller in der Vergangenheit noch nicht polizeilich in Erscheinung getreten sei. Angehörige der Reichsbürgerbewegung bestritten die Verbindlichkeit der unter dem Grundgesetz geschaffenen Rechtsordnung, zu der auch das Waffengesetz zähle. Sie stellten die Legimitation der Bundesrepublik Deutschland, Gesetze mit auch für sie bindender Wirkung zu erlassen, in Frage. Wer aber Bundes- und Landesgesetze generell nicht als für sich verbindlich anerkenne, gebe Anlass zu der Befürchtung, dass er auch die Regelungen des Waffengesetzes nicht strikt befolgen werde, da auch dieses Teil der Rechtsordnung sei, die der Betroffene unter Umständen nicht anerkenne. Dies gelte zum Umgang mit Waffen im Allgemeinen ebenso wie z.B. der Pflicht, zu gewährleisten, dass andere Personen auf Waffen keinen Zugriff haben könnten sowie die strikten Vorgaben zum Schießen mit Waffen im Besonderen. Wer die waffenrechtlichen Normen gerade nicht als für sich verbindlich ansehe, dem müsse nach § 5 WaffG die erforderliche Zuverlässigkeit abgesprochen werden. Dies ausgehend von dem Grundsatz, dass nur derjenige in Besitz von Waffen sein solle, der jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß mit Waffen umgehe.
Die bei Anhängern der Reichsbürgerbewegung per se bestehende Grundeinstellung, der staatlichen Rechtsordnung bzw. dem Handeln staatlicher Organe die Anerkennung zu verweigern, müsse als aktives Vorgehen gegen die verfassungsmäßige Ordnung in diesem Sinne bewertet werden. Zwar müsse dieses Vorgehen aktiv, ziel- und zweckgerichtet sein, jedoch nicht notwendigerweise aktiv-kämpferisch. Die Waffenbesitzkarte sei daher zu widerrufen, da nachträglich Tatsachen eingetreten seien, die zur Versagung hätten führen müssen. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG lasse keine Ausnahmen zu. Die erforderliche Zuverlässigkeit sei daher beim Antragsteller nicht mehr gegeben. Auf die weitere Begründung wird verwiesen.
Am 14.08.2017 gab der Antragsteller seine Waffenbesitzkarte und eine Bestätigung über das Überlassen seiner Waffe an einen Waffenhändler beim Landratsamt B. ab.
Am selben Tag ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten Klage gegen den Bescheid vom 06.07.2017 erheben (Az. B 1 K 17.634) und um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchen.
Das Verwaltungsgericht München habe sich in zwei Beschlüssen vom 08.06.2017 mit der hier vorliegenden Problematik befasst. Soweit der Antragsgegner von einer Unzuverlässigkeit des Antragstellers ausgehe, müsse die Besorgnis einer missbräuchlichen Verwendung der Waffen des Antragstellers, deren mangelhafter Aufbewahrung oder unbefugten Weitergabe auf der Grundlage entsprechender Anknüpfungstatsachen erwiesen sein. Bloße Vermutungen reichten nicht aus. In der vorliegenden Sache habe es nicht einmal eine Sympathiebekundung in Bezug auf die Reichsbürgerbewegung gegeben. Es komme darauf an, ob weitere Umstände vorlägen, die hinsichtlich der Rechtstreue Zweifel aufkommen ließen. Zu beanstanden wäre allenfalls, wenn nach außen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als Staat verneint und damit zugleich die darin bestehende Rechtsordnung offensiv abgelehnt würde. Der Antragsteller habe jedoch über seinen monierten Antrag auf Ausstellung eines Staatsbürgernachweises absolut nichts Negatives aufzuweisen, was nach den Vorgaben der zitierten Rechtsprechung das Verdikt seiner Unzuverlässigkeit stützen könnte. Er habe keine Ahnung, was unter dem Begriff Reichsbürger zu verstehen sei, jedenfalls sei er kein Reichsbürger und kenne auch keinen solchen. Er habe den Antrag für das EStA-Register aus dem Internet entnommen und habe sich bei dessen Ausfüllung auf dem richtigen Weg gesehen. Zweifel an der Staatsangehörigkeit gebe es genug, zumal insbesondere die bayerischen Behörden darauf hingewiesen hätten, dass die Staatsangehörigkeit weder durch den Personalausweis noch durch den Reisepass nachgewiesen werde. Es bestehe daher aller Anlass, für klarere Verhältnisse zu sorgen, ohne auch nur im Ansatz den Staat Bundesrepublik Deutschland dadurch in Frage stellen zu wollen. Der Antragsteller habe nichts „nach außen“ getragen oder auch nur solche Vorstellungen gehegt, die als offensives Bekämpfen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung oder der Rechtsordnung angesehen werden müssten. Schließlich habe er keine weiteren Umstände aufzuweisen, die auf mangelnde Rechtstreue hindeuten würden. Er habe keine Eintragungen in Registern, sei nicht vorbestraft und begehe nicht mindestens wöchentlich eine Verkehrsordnungswidrigkeit, er habe auch ansonsten nichts Negatives in dieser Richtung aufzuweisen. Alleine der Antrag zum EStA-Register in völlig gutem Glauben reiche als Grundlage für den ergangenen Bescheid nach der Rechtsprechung und dem gesunden Menschenverstand nicht aus, um den Antragsteller zum aggressiven Reichsbürger und Unzuverlässigen im Sinne des Waffenrechts zu machen.
Das Landratsamt B. trat dem Antrag mit Schriftsatz vom 01.09.2017 entgegen. Der Antragsteller habe beim Landratsamt persönlich vorgesprochen, sei hierbei in Begleitung von drei Herren gewesen. Diese Begleiter seien offensiv unter Verwendung für die Reichsbürgerbewegung typischer Parolen aufgetreten. Der Antragsteller selbst habe seinen Willen nicht selbstständig äußern können und habe augenscheinlich unter vehementem ideologischem Einfluss der Begleiter gestanden. Aufgrund des aggressiven Vorgehens habe die Sachbearbeiterin die Herren aus dem Raum gebeten, um mit dem Antragsteller selbst sprechen zu können. Diese hätten den Raum allerdings nicht verlassen wollen. Auf Nachfrage habe der Antragsteller bestätigt, dass die Begleiter im Raum bleiben sollten, die sodann auch den weiteren Gesprächsverlauf übernommen hätten. Dass der Antragsteller selbst nicht wisse, was ein Reichsbürger sei und auch keine anderen Reichsbürger kenne, werde in tatsächlicher Hinsicht ausdrücklich bestritten.
Der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis sei rechtmäßig ergangen. In seinem Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises habe sich der Antragsteller typischer Ausdrucksweisen der Reichsbürgerbewegung bedient. Er habe damit nachgewiesen, dass er mit den ideologischen Grundzügen der Reichsbürgerbewegung zumindest sympathisiere und sein Gedankengut durch die Antragstellung auch in die Tat umsetze. Sympathiebekundungen seien auch tatsächlich erfolgt durch die dargelegten Angaben der für die Reichsbürgerbewegung typischen Verankerung der Staatsangehörigkeit auf § 4 RuStAG sowie den dreimaligen Verweis auf die Staatsangehörigkeit zum Königreich Bayern. Aufgrund ihrer Kürze und mangelnden inhaltlichen Ausführung könne die Stellungnahme des Antragstellers die Bedenken nicht entkräften. Sie sei vielmehr als bloße Schutzbehauptung einzustufen. Sollte der Antragsteller weder die Rechtmäßigkeit der staatlichen Institutionen noch deren Befugnisse in Zweifel ziehen, würde im Übrigen im Rückschluss kein Grund dafür bestehen, den Antrag auf Staatsangehörigkeit in der vorliegenden Art und Weise überhaupt zu stellen. Weitere Gründe für die Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises seien nicht genannt worden, so dass das Landratsamt davon ausgehen müsse, dass solche nicht vorhanden seien und die ideologische Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung alleiniger Grund für die Antragstellung sei. Eine Rücknahme des Antrags bzw. eine Rückgabe des Staatsangehörigkeitsausweises sei zudem nicht erfolgt, so dass davon ausgegangen werden müsse, dass der Antragsteller an seiner Ideologie festhalte. Die Rückgabe der waffenrechtlichen Erlaubnis am 14.08.2017 sei aus Sicht des Landratsamtes alleine aus dem Grund erfolgt, um vordergründig die vermeintliche Rechtstreue des Antragstellers zu betonen und nicht aus Anerkennung der Anordnung der Behörden des Freistaats Bayern in der Umsetzung des bundesrechtlichen Waffengesetzes.
Im Übrigen lägen weitere Tatsachen vor, die die Annahmen rechtfertigten, dass mit Waffen oder Munition unsachgemäß umgegangen werde. Diese stützten sich konkret auf die starke Beeinflussbarkeit durch andere Zugehörige der Reichsbürgerbewegung sowie auf die fehlende Umsicht als waffenrechtlicher Erlaubnisträger im Hinblick auf die offensichtlichen Gefahren, welche mit dem Umgang mit Reichsbürgern verbunden seien. So habe sich der Antragsteller bei der Beantragung des Ausweises nicht selbst artikulieren können, sondern bei der betreffenden Stelle aufgrund seiner Verhaltensweise in Anwesenheit der genannten drei Begleiter den Eindruck hinterlassen, er sei unmündig und könne die Konsequenzen seines Antrages und einer damit einhergehenden Zuwendung zur Reichsbürgerbewegung nicht umreißen. Auch dieser Tatbestand stütze den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis, da aufgrund der gezeigten Verhaltensweisen eine unzuverlässige Handhabung der Waffe wahrscheinlich sei.
Soweit der Antragsteller angegeben habe, dass er überhaupt nicht wisse, was der Begriff Reichsbürger bedeute, untermauere dies die Beurteilung des Antragstellers als unzuverlässig, da dieser sich offensichtlich mit der Thematik nicht umfassend auseinandergesetzt habe und nur aufgrund seiner Leichtgläubigkeit unter Beeinflussung von Reichsbürgern in der vorliegenden Art und Weise den Antrag auf Staatsbürgerschaft gestellt habe. Die Begleiter hätten offensiv und aggressiv Gedankengut aus der Reichsbürgerbewegung geäußert. Die Behauptung des Antragstellers, er kenne keine weiteren Reichsbürger, sei daher als bloße Schutzbehauptung zu werten.
Der Antragsteller ließ dem entgegnen, dass schon reichlich kühn erscheine, was ihm im Hinblick auf seine drei Begleiter unterstellt werde. Es sei überhaupt nicht erforderlich, den Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises schlüssig zu begründen. Das Landratsamt verlasse die Tatsachengrundlagen, wenn von einer Beeinflussbarkeit oder gar Unmündigkeit des Antragstellers gesprochen werde. Wenn die Begleiter auf dem Amt für ihre nicht näher mitgeilten Ansichten missioniert haben sollten, dann sei dies deren Sache und gehe den Antragsteller nichts an. Es sei immer wieder festzustellen, dass die erforderlichen Tatsachen durch reine Mutmaßungen und Unterstellungen ersetzt würden, um zu dem Ergebnis „Reichsbürger“ zu kommen. Diese Vorgehensweise sei unzulässig und erfülle nicht die Tatbestände des Waffengesetzes. Weiter sei hinzuweisen auf ein Schreiben des Verwaltungsgerichts Arnsberg, das in dem Verfahren Az. 8 K 6366/17 ergangen sei (wird näher ausgeführt). Ferner werde hingewiesen auf weitere verwaltungsgerichtliche Beschlüsse.
Der Antragsteller beantragt,
1.die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Landratsamtes B. vom 06.07.2017, dem Antragsteller zugestellt am 18.07.2017, anzuordnen/ wiederherzustellen, soweit im Bescheid vom 06.07.2017 Sofortvollzug angeordnet wurde.
2.Der Antragsgegner trägt die Verfahrenskosten.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Vortrag der Parteien sowie auf den Inhalt der Behördenakte Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).
II.
1. Der vorliegende Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist sachgerecht dahin auszulegen (§ 122 Abs. 1 i.V.m. § 88 VwGO), dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der unter der Az. B 1 K 17.634 anhängigen Hauptsacheklage begehrt wird, soweit die im streitgegenständlichen Bescheid getroffenen Verfügungen kraft Gesetzes sofort vollziehbar sind; im Übrigen wird die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beantragt.
2. Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. anordnen. Bei der Entscheidung hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, bei der entsprechend § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen.
Bei summarischer Prüfung erscheint offen, ob die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage des Antragstellers gegen den Widerruf der Waffenbesitzkarte sowie die begleitenden Anordnungen begründet ist. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kommt es daher auf eine Abwägung der widerstreitenden Interessen an, die hier zu Lasten des Antragstellers ausgeht. Die Kammer hält eine weitere Sachaufklärung für geboten, die jedoch dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss.
a) Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zu deren Versagung hätten führen müssen. Zwingende Voraussetzung einer waffenrechtlichen Erlaubnis ist gem. § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG die Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 WaffG.
Bei der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der gerichtlich voll überprüfbar ist. Angesichts der Risiken, die mit jedem Waffenbesitz einhergehen, ist für das Fehlen der Zuverlässigkeit nicht etwa erforderlich, dass der Betroffene den waffenrechtlichen Anforderungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht genügen wird. Vielmehr reicht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit aus, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 18.07.2017 – 11 ME 181/17 – juris Rn. 8 m.w.N.). Bei der Prognose, die auf Grundlage der festgestellten Tatsachen anzustellen ist, ist der allgemeine ordnungsrechtliche Zweck des Waffengesetzes zu berücksichtigen, beim Umgang mit Waffen die Belange der Sicherheit und Ordnung (§ 1 Abs. 1 WaffG) – namentlich die Allgemeinheit vor den schweren Folgen eines nicht ordnungsgemäßen Umgangs mit Waffen zu schützen – zu wahren (vgl. BT-Drs. 14/7758, S. 51). Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. Die Prognose der Unzuverlässigkeit ist unter Berücksichtigung des strikt präventiven, auf die Umsetzung grundrechtlicher Schutzpflichten gerichteten Regelungskonzepts des Waffengesetzes nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Tatsachen, auf die sie gestützt wird, nach aller Lebenserfahrung kein plausibles Risiko dafür begründen, dass die in Rede stehende Person künftig Verhaltensweisen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG begehen wird (vgl. etwa BVerwG, U.v. 28.01.2015 – 6 C 1.14 – juris Rn. 17 – m.w.N.).
Legt man diese Maßstäbe an, so erscheint offen, ob der streitgegenständliche Bescheid letztlich als rechtmäßig wird bestätigt werden können. Hierfür sind folgende Überlegungen maßgeblich:
Es liegen durchaus Anknüpfungstatsachen vor, die die Behörde dazu veranlassen durften, in eine Prüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit des Antragstellers einzutreten. Diese ergeben sich aus den Erkenntnissen des Landratsamts B. aus dem staatsangehörigkeitsrechtlichen Verwaltungsverfahren, das in die Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises mündete. In dem entsprechenden Antrag hatte der Antragsteller angegeben, sein Wohnsitzstaat sei das „Königreich Bayern“, er sei auch im „Königreich Bayern“ geboren. Weiter habe er sich Zeit seines Lebens im „Königreich Bayern“ aufgehalten.
Damit hat sich der Antragsteller eines Vokabulars bedient und nach außen gegenüber einer Behörde schriftlich verlautbart, das in den Kreisen der als „Reichsbürger“ bezeichneten Bewegung gängig ist. Mit dem Begriff der „Reichsbürger“ werden Personengruppen und Einzelpersonen zusammengefasst, welche die Existenz der Bundesrepublik als souveränen Staat leugnen, dafür aber den Fortbestand des Deutschen Reiches zumeist in den Grenzen von 1937 behaupten (vgl. Brandenburgisches Institut für Gemeinwesenberatung, Handbuch „Reichsbürger“, S. 14). Ebenso ist jedoch festzustellen, dass sich die Bewegung der „Reichsbürger“ nicht als einheitlich darstellt, sondern als eine Mischung aus autark handelnden Einzelpersonen und Gruppierungen, die sich in ihrem Wesen zum Teil deutlich unterscheiden. „Reichsbürgern“ ist jedoch gemeinsam, dass sie die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland negieren bzw. dem Grundgesetz und demokratisch gewählten Repräsentanten, ggf. auch der Exekutive, ihre Legitimität absprechen sowie Gesetze, Bescheide und Gerichtsurteile als nichtig erachten (vgl. Verfassungsschutz Sachsen, Informationen zum Thema „Reichsbürger und Selbstverwalter“).
Wenn eine Person jedoch die Existenz der Bundesrepublik Deutschland (und deren Rechtssystem) ablehnt, dann gibt sie in der Regel zugleich Anlass zur Besorgnis, dass sie Verstöße gegen die Rechtsordnung begehen könnte (vgl. VG Augsburg, B.v. 7.9.2017 – Au 4 S 17.1196 – juris).
Der Antragsteller hat bisher keine plausible Erklärung dafür vorgetragen, wie er als Person, die stets in … (…) in der Bundesrepublik Deutschland bzw. im Freistaat Bayern gewohnt hat, dazu gekommen ist, in einem Antragsformular, das er bei der zuständigen Behörde abgegeben hat, von einem Wohnsitz- und Geburtsstaat „Königreich Bayern“ zu sprechen. Mit seiner lapidaren schriftlichen Erklärung, er erkenne die BRD an und halte sich an die Gesetze, kann jedenfalls nicht schlüssig nachvollzogen werden, warum der Antragsteller mehrfach das „Königreich Bayern“ anführte. Damit kann beim aktuellen Stand der Dinge nicht hinreichend sicher festgestellt werden, dass es sich bei der Erklärung vom 07.04.2017 nicht lediglich um eine vorgeschobene Äußerung handelt, mit der negative waffenrechtliche Folgen abgewendet werden sollten. Dies hat aber zur Folge, dass weiter im Bereich des Möglichen liegt, dass sich der Antragsteller in Wahrheit im nicht mehr existierenden „Königreich Bayern“ wähnt. Wenn aber eine Person den Staat, in dem sie lebt, nicht als ihren Wohnsitzstaat angibt bzw. zu erkennen gibt, dass sie ein davon abweichendes staatliches Gebilde für einschlägig halte, dann liegt jedenfalls im Bereich des Möglichen, dass sie nicht mehr das nötige Vertrauen verdient, dass sie mit Waffen Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen wird. In Anbetracht der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, darf ein Restrisiko freilich nicht hingenommen werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.12.2015 – 21 ZB 15.2419 – juris).
Andererseits hat die Kammer erwogen, dass es möglicherweise zu weitgehend erscheint, alleine aus der Verwendung von einzelnen Vokabeln der „Reichsbürgerbewegung“ oder daraus, dass einzelne für diese Bewegung typische Verhaltensweisen an den Tag gelegt werden, ohne zusätzliche Indizien auf die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit zu schließen.
Im vorliegenden Fall kommt jedoch die Besonderheit hinzu, dass unabhängig davon, dass der Antragsteller mit seinen Angaben im Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises ein Vokabular verwendet hat, dass für „Reichsbürger“ typisch ist, es eine Vorsprache des Antragstellers unter Begleitung von drei Herren beim Landratsamt B. gegeben haben soll, die in der Antragserwiderung geschildert wird. Die näheren Umstände und Einzelheiten dieser Vorsprache, die als solche nicht bestritten wurde, sind im Hauptsacheverfahren näher aufzuklären. Die bisher von Seiten des Antragsgegners mitgeteilten Aspekte lassen es jedenfalls als möglich erscheinen, dass der Antragsteller nicht hinreichend in der Lage ist, sich des Einflusses von Personen zu erwehren, die die bestehenden staatlichen Strukturen und die geltenden Gesetze – so auch das Waffengesetz – ablehnen. Sollte es sich im Hauptsacheverfahren erweisen, dass der Antragsteller die nötige Distanz zu solchen Strukturen, Personen und Gruppierungen nicht aufweist oder insoweit gar beeinflussbar erscheint, so könnte dies zum dem Rückschluss führen, dass auch der Antragsteller in seiner Person nicht das Vertrauen verdient, er werde jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß mit Waffen und Munition umgehen.
Im Hauptsacheverfahren wird den bislang offenen Fragen näher nachgegangen werden können. In einem ersten Schritt wird das Landratsamt B. gebeten werden, einen möglichst detaillierten Aktenvermerk vorzulegen, in dem Einzelheiten zu der in der Antragserwiderung erwähnten Vorsprache des Antragstellers mitgeteilt werden, insbesondere auch unter Benennung der Amtswalter, die die entsprechenden Vorgänge und Äußerungen nötigenfalls in einer mündlichen Verhandlung schildern können.
Bei derzeit offenen Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage geht die anzustellende Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus. Das öffentliche Interesse daran, die Allgemeinheit vor den schweren Folgen eines nicht ordnungsgemäßen Umgangs mit Waffen zu schützen, wiegt schwerer als das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Er hat insbesondere keine dringenden Gründe geltend gemacht, die ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache als unzumutbar erscheinen lassen würden.
Der Antrag wird nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abgelehnt. Die Streitwertfestsetzung basiert auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

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