Verwaltungsrecht

Wegfall des Regelungsobjekts

Aktenzeichen  6 CE 15.2396

Datum:
2.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBG BBG § 44
VwGO VwGO §§ 123, 146

 

Leitsatz

Tenor

I.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 8. Oktober 2015 – M 21 E 15.4160 – wird zurückgewiesen.
II.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin steht als Postamtfrau (Besoldungsgruppe A 11) im Dienst der Antragsgegnerin. Sie wird bei der Niederlassung … M. mit einer Wochenarbeitszeit von 20 Stunden als Datentypistin in der Nach- und Rücksendestelle beschäftigt. Seit dem 7. Mai 2015 ist die Antragstellerin ununterbrochen dienstunfähig erkrankt.
Mit Schreiben vom 27. Juli 2015 wurde die Antragstellerin gebeten, sich am 31. Juli 2015 um 9:00 Uhr beim Abteilungsleiter Personal zu einem Gespräch einzufinden. Daraufhin legte die Antragstellerin eine Bescheinigung des Professors Dr. P. vom 30. Juli 2015 vor, wonach sie aus medizinischen Gründen nicht in der Lage sei, den Termin wahrzunehmen. Am 17. September 2015 ging bei der Personalabteilung der Niederlassung … M. ein Schreiben der Antragstellerin ein, wonach diese sich von Dienstag, den 22. September 2015 bis Samstag, den 3. Oktober 2015, in Italien aufhalten werde. Daraufhin wandte sich der Abteilungsleiter Personal am 17. September 2015 per E-Mail an die Antragstellerin, verwies auf ihr Schreiben bezüglich des anstehenden Italien-Aufenthalts und bat um kurzfristigen Anruf wegen einer Terminvereinbarung zu einem Gespräch über die aktuelle „Gesamtsituation“. Die Antragstellerin wies mit E-Mail vom 18. September 2015 darauf hin, dass sie derzeit dienstunfähig/krank sei und daher kein Gespräch mit dem Abteilungsleiter Personal führen werde. Mit E-Mail vom 21. September 2015 (9:18 Uhr) teilte dieser der Antragstellerin mit, dass er der angezeigten Auslandsreise nach Italien während der aktuellen Dienstunfähigkeit der Antragstellerin nicht zustimme. Die Personalabteilung gehe davon aus, dass die Dienstunfähigkeit dadurch verlängert werden würde, nachdem es der Antragstellerin nicht einmal möglich sei, zu einem Gespräch zu kommen. Gleichzeitig wurden Einladungen zu ärztlichen Untersuchungen angekündigt und die Antragstellerin aufgefordert, sich dafür vor Ort verfügbar zu halten. Mit E-Mail vom 21. September 2015 (12:49 Uhr) wurde die Antragstellerin aufgefordert, sich am 22. September 2015 um 8:00 Uhr zu einer ärztlichen Eignungsuntersuchung bei der Betriebsarztpraxis Dr. H. einzufinden.
Nachdem die Antragstellerseite per E-Mail von der Antragsgegnerin erfolglos die Aufhebung der Untersuchungsanordnung vom 21. September 2015 gefordert hatte, beantragte sie am 21. September 2015 beim Verwaltungsgericht, die Antragstellerin vorläufig bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens von der Verpflichtung der Durchführung einer betriebsärztlichen Untersuchung aufgrund der Untersuchungsanordnung vom 21. September 2015 freizustellen. Den Untersuchungstermin am 22. September 2015 nahm die Antragstellerin nicht wahr.
Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 8. Oktober 2015 ab, weil dieser wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig geworden sei.
Mit der eingelegten Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel weiter.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Die mit der Beschwerde innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), führen zu keiner anderen Beurteilung.
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für den gestellten Antrag nach § 123 VwGO entfallen ist.
Die streitbefangene Untersuchungsanordnung vom 21. September 2015 hat sich bereits vor Eingang der Beschwerde beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (am 29.10.2015) „auf andere Weise“ erledigt, weil ihr Regelungsobjekt weggefallen ist (vgl. BVerwG, U.v. 9.5.2012 – 6 C 3.11 – juris Rn. 19). Die an die Antragstellerin gerichtete Aufforderung vom 21. September 2015, sich am 22.9.2015 um 8:00 Uhr zu einer betriebsärztlichen Untersuchung einzufinden, erfolgte nämlich erkennbar in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der von der Antragstellerin während ihrer Dienstunfähigkeit beabsichtigten Reise nach Italien vom 22. September 2015 bis zum 3. Oktober 2015. Das ergibt sich zwar nicht aus der Untersuchungsaufforderung selbst, wohl aber aus den eindeutigen Begleitumständen, die zur Auslegung herangezogen werden müssen. Aus der der Aufforderung vorangehenden E-Mail vom 21. September 2015 (9:18 Uhr) geht hervor, dass der Abteilungsleiter Personal der Auslandsreise während der aktuellen Dienstunfähigkeit der Antragstellerin nicht zustimmte und davon ausging, dass deren Dienstunfähigkeit dadurch verlängert werden würde, nachdem es ihr nicht einmal möglich sei, zu einem Gespräch zu ihm zu kommen. Gleichzeitig wurden „Einladungen zu ärztlichen Untersuchungen“ angekündigt und die Antragstellerin aufgefordert, sich für diese vor Ort verfügbar zu halten. Der enge sachliche und zeitliche Zusammenhang der Untersuchungsaufforderung mit der von der Antragstellerin geplanten Auslandsreise wird bekräftigt durch das Schreiben vom 25. September 2015, in dem der Abteilungsleiter Personal nochmals betonte, es habe die berechtigte Sorge bestanden, dass die vorgesehene Auslandsreise den Genesungsprozess der Antragstellerin beeinträchtigen könnte, zumal diese jedes Gespräch mit ihm abgelehnt habe. Die Antragstellerin wurde aufgefordert, schriftlich Stellung zu nehmen, weshalb sie den Termin am 22. September 2015, 8:00 Uhr nicht wahrgenommen habe, bevor die Personalabteilung „weitere Schritte einleiten“ werde. Hieraus ergibt sich hinreichend deutlich, dass der mit der Untersuchungsaufforderung vom 21. September 2015 in erster Linie verfolgte Zweck, nämlich eine Verlängerung der Dienstunfähigkeit aufgrund der beabsichtigten Auslandsreise zu verhindern, spätestens mit Ende der geplanten Reise am 3. Oktober 2015 erreicht war. Die rechtlichen Wirkungen und die Steuerungsfunktion der Untersuchungsaufforderung vom 21. September 2015 sind damit spätestens ab diesem Zeitpunkt entfallen. Dies gilt auch, wenn die Benachrichtigung über die ärztliche Eignungsuntersuchung den Passus enthält, dass mit dem Arzt ein neuer Termin vereinbart und die Antragstellerin erneut benachrichtigt werde, falls ihr die Einhaltung des Untersuchungstermins aus zwingenden Gründen nicht möglich sei. Eine erneute Terminvereinbarung und Benachrichtigung über eine ärztliche Eignungsuntersuchung fand gerade nicht statt. Die Antragstellerin muss der Aufforderung vom 21. September 2015 nicht mehr nachkommen, weil deren Regelungsobjekt weggefallen ist. Auf die Frage, ob die Untersuchungsaufforderung vom 21. September 2015 formal und inhaltlich rechtmäßig war oder nicht, kommt es daher nicht mehr entscheidungserheblich an.
Die vorliegende Fallkonstellation ist entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht vergleichbar mit derjenigen, die dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 6. Oktober 2014 (- 3 CE 14.1357 – juris Rn. 14) zugrunde lag. In dieser Entscheidung ging es um einen Untersuchungstermin für eine psychiatrische Untersuchung, zu dem der Beamte nicht erschienen ist. Die grundlegende Anordnung, dass nämlich eine psychiatrische Untersuchung erforderlich ist, blieb jedoch aufrechterhalten. In derartigen Fällen hat sich das Verfahren – im Gegensatz zum vorliegenden Fall – nicht durch bloßes Verstreichenlassen des gesetzten Untersuchungstermins erledigt (vgl. auch BayVGH, B.v. 1.9.2015 – 3 CE 15.1274 – juris Rn. 29).
Ohne dass es noch entscheidungserheblich darauf ankommt, ist die Untersuchungsaufforderung vom 21. September 2015 mit Erlass der nachfolgenden Untersuchungsaufforderung vom 10. November 2015 (vgl. dazu die Parallelsache 6 CE 15.2591) auch inhaltlich überholt (vgl. BVerwG, U.v. 9.5.2012 – 6 C 3.11 – juris Rn. 21). Mit dieser ist die Antragstellerin aufgefordert worden, sich betriebsärztlich nach § 44 Abs. 6 BBG untersuchen zu lassen, weil Zweifel über die Dienstunfähigkeit bestünden. Damit verfolgt der Dienstherr den Zweck, ihm die Entscheidung darüber zu ermöglichen, ob die Antragstellerin zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig ist und ob sie im Falle der Dienstunfähigkeit anderweitig verwendet werden kann (vgl. § 44 Abs. 1 BBG). Die Dienstunfähigkeitsuntersuchung ist damit auf einen umfassenderen Untersuchungszweck gerichtet als die vorangegangene ärztliche Eignungsuntersuchung vom 21. September 2015.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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