Aktenzeichen 21 B 15.720
StPO § 359
Leitsatz
Die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils dürfen nur dann nicht zur Grundlage für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung der Frage gemacht werden, ob sich der Kläger eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich die Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des tierärztlichen Berufs ergibt (§ 6 Abs. 2, § 4 Abs. 1 Nr. 2 BTÄO), wenn gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit dieser Feststellungen bestehen, etwa weil Wiederaufnahmegründe nach § 359 StPO gegeben sind (s. auch BVerwG BeckRS 2014, 48928). (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
W 8 K 03.1031 2003-12-08 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg
Tenor
I.
Das Berufungsverfahren wird eingestellt.
II.
Die Kosten des Berufungsverfahren haben der Beklagte und der Kläger je zur Hälfte zu tragen.
III.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 80.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand des Verfahrens war der Widerruf einer dem Kläger erteilten Bestallung (Approbation) als Tierarzt.
Das Amtsgericht Würzburg verurteilte den Kläger am 11. März 2003 wegen der vorsätzlichen unerlaubten Abgabe von Arzneimitteln in 347 sachlich zusammentreffenden Fällen, in 37 Fällen jeweils rechtlich zusammentreffend mit vorsätzlichem unerlaubtem Inverkehrbringen von Arzneimitteln, sachlich zusammentreffend mit vorsätzlich unerlaubtem Inverkehrbringen von Arzneimitteln in 47 sachlich zusammentreffenden Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren. Die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Das Urteil wurde rechtskräftig.
Mit Bescheid vom 28. Juli 2003 widerrief die Regierung von Unterfranken auf der Grundlage der strafgerichtlichen Feststellungen die Approbation des Klägers als Tierarzt.
Das Verwaltungsgericht Würzburg hat der dagegen erhobenen Klage mit Urteil vom 8. Dezember 2003 stattgegeben. Der Beklagte hat gegen das Urteil die mit Beschluss des Senats vom 14. September 2010 zugelassene Berufung eingelegt.
Mit Schriftsatz vom 22. Juli 2016 hat der Beklagte das Berufungsverfahren für erledigt erklärt; der Kläger hat dem mit Schriftsatz vom selben Tag zugestimmt.
II. Das Berufungsverfahren ist in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, weil es die Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Solche lediglich auf die Erledigung eines Rechtsmittelverfahrens bezogenen Erklärungen sind rechtlich zulässig (vgl. BVerwG, B. v. 22.4.1994 – 9 C 456.93; BayVGH, B. v. 7.11.2014 – 1 ZB 14.322 – juris; BayVGH, B. v. 7.6.2011 – 8 ZB 10.2463 – juris). Infolge der Beschränkung der Erledigungserklärungen ist das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 8. Dezember 2003 rechtskräftig geworden.
Über die Kosten des Verfahrens ist entsprechend der Bestimmung des § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Danach sind die Kosten wie geschehen zu verteilen, weil der Ausgang des Berufungsverfahren im Zeitpunkt der Erledigung offen war.
Das Rechtsmittelverfahren konzentrierte sich auf die Frage, ob die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen im rechtskräftigen Strafurteil des Amtsgerichts Würzburg vom 11. März 2003 zur Grundlage für die Beurteilung gemacht werden durften, der Kläger habe sich eines Verhaltens schuldig gemacht, aus dem sich die Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des tierärztlichen Berufs ergibt (§ 6 Abs. 2, § 4 Abs. 1 Nr. 2 BTÄO). Das wäre entgegen der Regel dann nicht der Fall, wenn gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit dieser Feststellungen bestehen, etwa weil Wiederaufnahmegründe nach § 359 StPO gegeben sind (vgl. BVerwG, B. v. 13..2.2014 – 3 B 68.13 – juris). Der Kläger hat dazu im Berufungsverfahren unter Darlegung substantiierter, nachprüfbarer Umstände geltend gemacht, es lägen neue Tatsachen und Beweismittel vor, die geeignet seien, eine für ihn günstigere Entscheidung zu begründen. Ob sich daraus ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der strafgerichtlichen Feststellungen ergeben hätten, lässt sich ohne eine erschöpfende Klärung der Sach- und Rechtslage nicht feststellen. Eine solche Klärung findet aber nach der gesetzlichen Wertung wegen der allein noch zu treffenden Kostenentscheidung nicht statt (vgl. Clausing in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Februar 2016, § 161 Rn. 22 m. w. N.).
Dem Beklagten sind die Kosten des Berufungsverfahrens nicht etwa deshalb insgesamt zu überbürden, weil seine Erledigungserklärung als verdeckte Berufungsrücknahme anzusehen wäre. Ausschlaggebend für die Erklärung des Beklagten war nicht etwa die – nach Vorstehendem nicht ohne Weiteres gerechtfertigte – Erkenntnis, dass der vom Kläger angefochtene Widerruf der Approbation als Tierarzt rechtswidrig ist und damit die Berufung voraussichtlich keinen Erfolg hat. Der Beklagte hat sich vielmehr ausweislich seines Schriftsatzes vom 22. Juli 2016 nachvollziehbar davon leiten lassen, dass dem Kläger auch bei einem Erfolg der Berufung auf Antrag angesichts der konkreten Umstände wohl sogleich wieder eine Approbation zu erteilen wäre.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 158 Abs. 2, § 152 Abs. 1 VwGO).A