Aktenzeichen M 7 K 16.1777
AWaffV AWaffV § 4 Abs. 3, § 13 Abs. 6
Leitsatz
1. Die Behörde kann davon ausgehen, dass die persönliche Eignung eines Waffenbesitzers entfallen ist, wenn er trotz Hinweises auf die Rechtsfolgen (§ 45 Abs. 4 S. 2 WaffG, § 4 Abs. 6 S. 2 AWaffV) ein ärztliches Zeugnis nicht vorgelegt hat und die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (ähnlich auch VGH München BeckRS 2016, 51391). (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Umzug in ein Seniorenheim und eine Erblindung sind hinreichender Anlass, einem Waffenbesitzkarteninhaber gem. § 6 Abs. 2 WaffG aufzugeben, auf seine Kosten ein amts- oder fachärztliches oder fachpsychologisches Zeugnis über die gesundheitliche Eignung aufzugeben. (redaktioneller Leitsatz)
3. Es ist zweifelhaft, ob eine nicht dauernd bewohnte Wohnung mit einem nicht dauernd bewohnten Gebäude iSv § 13 Abs. 6 AWaffV gleichzusetzen ist. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Mit dem Einverständnis der Beteiligten kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 14. März 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger damit nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Anders als der Kläger meint, ist der Widerrufsbescheid nicht schon deshalb rechtswidrig, weil er mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 30. Dezember 2015 seine Bereitschaft zur freiwilligen Rückgabe der Waffenbesitzkarte erklärt hat. Abgesehen davon, dass er offen gelassen hat, ob er auch zum Verzicht auf die Schusswaffen bereit ist, hat er diese Erklärung erst nach Einleitung des Widerrufsverfahrens, hier spätestens mit dem Anhörungsschreiben vom 10. November 2015, abgegeben. Zu diesem Zeitpunkt jedoch hatte ihm nach der jüngsten obergerichtlichen Rechtsprechung bereits die für einen Verzicht erforderliche Dispositionsbefugnis gefehlt. Nach dieser Rechtsprechung (BVerwG, U. v. 17. November 2016 – 6 C 36.15 – juris Rn 13) ist zwar allgemein anerkannt, dass auch der einseitige Verzicht des Begünstigten auf eine ihm erteilte Erlaubnis zu deren Erledigung auf andere Weise führen kann und auch im Waffenrecht im Grundsatz von der Möglichkeit eines Verzichts auszugehen ist. Jedoch ist dann, wenn zum Zeitpunkt der Verzichtserklärung bereits ein Widerrufsverfahren auf der Grundlage des § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG eingeleitet war, weil Zweifel am Fortbestand der erforderlichen Zuverlässigkeit oder persönlichen Eignung des Erlaubnisinhabers bestanden, davon auszugehen, dass dem Verzichtenden wegen entgegenstehender öffentlicher Interessen keine Dispositionsbefugnis mehr zustand (BVerwG, aaO, Rn 14). In einem solchen Fall besteht grundsätzlich ein öffentliches Interesse daran, dass der Wegfall der Berechtigung zum Umgang mit erlaubnispflichtigen Waffen durch einen im Waffengesetz vorgesehenen Verwaltungsakt verbindlich geregelt wird und auf dieser Grundlage durch eine Eintragung im Nationalen Waffenregister sowie im Bundeszentralregister dokumentiert werden kann (BVerwG, aaO). Dabei konnte offen bleiben, ob ein Widerruf eines Verwaltungsakts, der gem. Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG kraft Gesetzes unwirksam geworden ist, weil er sich durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt hat, von vornherein und unabhängig von dem konkreten Erledigungsgrund ausgeschlossen ist (BVerwG, aaO, Rn 12).
Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis, hier die Waffenbesitzkarte (§ 10 Abs. 1 WaffG), zwingend zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Letzteres ist dann der Fall, wenn die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis nicht (mehr) gegeben sind, unter anderem gem. § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG dann, wenn die persönliche Eignung des Erlaubnisinhabers im Sinne von § 6 WaffG entfallen ist (vgl. BVerwG, U. v. 16. Mai 2007 – 6 C 24/06 – juris Rn 38 zum Begriff „nachträglich“). Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 WaffG stellt es einen absoluten Unzuverlässigkeitsgrund dar, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass Personen aufgrund in ihrer Person liegender Umstände unter anderem – was hier in Betracht kommt – mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren können.
Vorliegend durfte der Beklagte gem. § 45 Abs. 4 Satz 1 WaffG, § 4 Abs. 6 Satz 1 AWaffV davon ausgehen, dass die persönliche Eignung des Klägers entfallen ist, weil er trotz Hinweises auf die Rechtsfolgen (§ 45 Abs. 4 Satz 2 WaffG, § 4 Abs. 6 Satz 2 AWaffV) ein ärztliches Zeugnis nicht vorgelegt hat. Der Schluss auf die Nichteignung ist zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (BayVGH, B. v. 15. August 2016 – 21 CS 16.1247 – juris Rn 16).
Dies ist hier der Fall. Der Umzug in ein Seniorenheim und die Erblindung waren ein hinreichender Anlass, dem Kläger gem. § 6 Abs. 2 WaffG aufzugeben, auf seine Kosten ein amts- oder fachärztliches oder fachpsychologisches Zeugnis über die gesundheitliche Eignung aufzugeben. Dies hat der klägerische Vortrag zu seinen waffenrechtlichen Verpflichtungen gem. § 46 Abs. 1 und 2 WaffG im Klageverfahren, dass er nämlich nicht mehr in der Lage ist, sich selbst um seine Waffen zu kümmern, letztlich bestätigt. Dem Kläger wurden gem. § 4 Abs. 3 AWaffV die Gründe für die Eignungsbedenken im Schreiben vom 10. November 2015 mitgeteilt; er wurde auf die Kostentragung hingewiesen. Ein in dem Schreiben vorgeschlagener Arzt für Nervenheilkunde bzw. Neurologie wäre auch in der Lage gewesen, eine valide Aussage zur waffenrechtlichen Eignung des Klägers zu treffen. Die ihm gesetzte Frist erscheint angemessen. Es sind keine Gründe dafür vorgetragen worden oder ersichtlich, weshalb die Beibringung des von ihm geforderten Gutachtens nicht möglich gewesen sein sollte.
Damit ist nicht mehr entscheidungserheblich, ob der Kläger darüber hinaus einen zur waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) WaffG führenden Verstoß gegen die Aufbewahrungsvorschriften (§ 36 WaffG, § 13 Abs. 6 AWaffV) begangen hat, indem er die Schusswaffen an seinem Nebenwohnsitz in seiner vormaligen Wohnung in einem Mehrfamilienhaus verwahrt hat. Insoweit erscheint nach einer systematischen und teleologischen Auslegung der einschlägigen Vorschriften allerdings zweifelhaft, ob eine nicht dauernd bewohnte Wohnung mit einem nicht dauernd bewohnten Gebäude im Sinne von § 13 Abs. 6 AWaffV gleichzusetzen ist (vgl. VG Köln, U. v. 9. Dezember 2010 – 20 K 577/09 – juris Rn 15). Jedenfalls war die Waffenbehörde gem. § 36 Abs. 3 Satz 1 WaffG berechtigt, vom Kläger einen Nachweis für die sichere Aufbewahrung zu verlangen, da er bisher nur eine Rechnung über die Anschaffung eines Möbeleinsatztresors vom 20. Juni 2008 vorgelegt und damit keinen vollständigen Nachweis geführt hatte.
Die Anordnung, die Waffe einem Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar zu machen, beruht auf § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG, die Anordnung der Rückgabe der Waffenbesitzkarte auf § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG und die Ankündigung der Sicherstellung, ggf. Einziehung und Verwertung oder Vernichtung auf § 46 Abs. 2 Satz 2, Abs. 5 Satz 1 WaffG. Diese behördlichen Verfügungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Gleiches gilt für die auf Art. 29 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Art. 31, 36 VwZVG beruhende Androhung des Zwangsgeldes.
Dass dem Kläger die Erfüllung seiner Verpflichtungen aus § 46 Abs. 1 und 2 WaffG, d.h. die Rückgabe des Erlaubnisdokuments und die Abgabe bzw. Unbrauchbarmachung der Waffen, subjektiv unmöglich ist, ist nicht glaubhaft gemacht. Zum einen hat er nicht glaubhaft gemacht, dass die Waffenbesitzkarte, wie zuletzt behauptet, verloren gegangen ist. Denn der Verlust wurde erst behauptet, als der Beklagte von ihm die Rückgabe gefordert hat. Überdies wurde nichts dazu vorgetragen, wann der Verlust entdeckt worden sein soll und ob überhaupt jemand nach dem Dokument gesucht hat. Auch ist nicht ersichtlich, weshalb die Waffen, die nach seinen Angaben vom Juni 2008 in dem Möbeleinsatztresor liegen müssten, sich nach dem Umzug in das Seniorenheim nicht mehr in diesem Behältnis befinden sollten. Zum andern handelt es sich nicht um höchstpersönliche Pflichten. Es ist dem Kläger, der in der Lage war, in dieser Sache zunächst seine Schwester und dann einen Prozessbevollmächtigten zu beauftragen, zuzumuten, eine dritte Person mit der Erfüllung seiner waffenrechtlichen Verpflichtungen zu beauftragen.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.