Aktenzeichen 21 CS 16.1907
WaffG WaffG § 5 Abs. 2 Nr. 1a, § 45 Abs. 2 S. 1, § 46
StGB StGB § 267 Abs. 1 Alt. 3
BImSchV § 3, § 5
Leitsatz
Die gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. a WaffG erforderliche (waffenrechtliche) Zuverlässigkeit fehlt bei einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen wegen Urkundenfälschung. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
7 S 16.2807 2016-08-26 Bes VGMUENCHEN VG München
Tenor
I.
In teilweiser Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 26. August 2016 wird die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen Nummer 6 (Zwangsgeldandrohung) des Bescheids vom 25. Mai 2016 in der Fassung des Bescheids vom 12. August 2016 angeordnet. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.625,00 € festgesetzt.
Gründe
I. Dem Antragsteller geht es um die Anordnung und Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage, mit der er sich gegen den Widerruf der ihm erteilten Erlaubnis zum Erwerb und Besitz von Waffen und seines Kleinen Waffenscheines sowie gegen die dazu ergangenen Nebenentscheidungen wendet.
1. Mit seit 14. Januar 2014 rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts München wurde gegen den Antragsteller wegen Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 1 3. Alt. StGB) eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen verhängt (Gebrauch einer verfälschten Urkunde zur Täuschung im Rechtsverkehr). Ihm wurde zur Last gelegt, am 16. Juni 2013 mit dem Pkw, amtliches Kennzeichen …, auf der Prinzregentenstraße in München unterwegs gewesen zu sein. Um die Berechtigung darüber vorzutäuschen, dass das genannte Fahrzeug am Verkehr innerhalb der Umweltzone Münchens teilnehmen dürfe, sei zuvor an dem Fahrzeug mit Wissen des Antragstellers eine Umweltplakette an der Windschutzscheibe angebracht worden, die von der Landeshauptstadt München für den Pkw, amtliches Kennzeichen …, ausgestellt und dessen Halter der Antragsteller war.
Das Landratsamt Fürstenfeldbruck widerrief mit Bescheid vom 25. Mai 2016 die dem Antragsteller erteilte Waffenbesitzkarte, in die insgesamt drei Pistolen, eine Büchse, zwei Wechselsysteme und zwei Wechselläufe eingetragen sind, und seinen Kleinen Waffenschein (Nr. 1). Gleichzeitig gab es dem Antragsteller auf, die Waffenbesitzkarte und den Kleinen Waffenschein dem Landratsamt zurückzugeben (Nr. 2) und bis zum Ablauf von vier Wochen nach Zustellung des Bescheids die in der Waffenbesitzkarte eingetragenen Schusswaffen sowie die im Besitz des Antragstellers befindliche erlaubnispflichtige Munition unbrauchbar machen zu lassen oder an Berechtigte zu überlassen (Nr. 3). Nach fruchtlosem Ablauf der in Nummer 3 genannten Frist wurde die Sicherstellung der eingetragenen Schusswaffen und etwaig vorhandener Munition angekündigt (Nr. 4). Für die in Nummer 3 des Bescheids getroffene Anordnung wurde die sofortige Vollziehung angeordnet (Nr. 5). Unter Nummer 6 des Bescheids wurde für den Fall, dass der Antragsteller nicht bis spätestens fünf Wochen seit Zustellung dieses Bescheids der in Nummer 2 genannten Verpflichtung nachkommt, ein Zwangsgeld in Höhe von 100,00 € je nicht zurückgegebener Urkunde angedroht. Mit Bescheid vom 12. August 2016 wurde die sofortige Vollziehung der Nummer 2 des Bescheids vom 25. Mai 2016 angeordnet.
2. Der Antragsteller hat gegen den waffenrechtlichen Bescheid am 23. Juni 2016 Klage erhoben und vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Das Verwaltungsgericht München hat den Eilantrag mit Beschluss vom 26. August 2016 abgelehnt (M 7 S 16.2807).
Dagegen richtet sich die Beschwerde, die mit der offensichtlichen Unrichtigkeit des Strafbefehls und des Nichtvorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Urkundenfälschung begründet wird.
II. Die zulässige Beschwerde hat nur zu einem geringen Teil Erfolg. Im Übrigen ist sie zurückzuweisen.
Im Beschwerdeverfahren ist der Senat im Grundsatz auf die Prüfung der fristgerecht dargelegten Gründe beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Unabhängig von dem nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ordnungsgemäß Dargelegten hat die Beschwerde aber auch Erfolg, wenn die angefochtene Entscheidung offensichtlich unzutreffend ist und sich die Mängel daher unabhängig von einer Darlegung aufdrängen (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 146 Rn. 27, §124a Rn. 54).
1. Die Beschwerde hat insoweit Erfolg, als sie sich gegen die in Nummer 6 des Bescheids vom 25. Mai 2016 verfügte Zwangsgeldandrohung richtet. Die Fehlerhaftigkeit der Zwangsgeldandrohung liegt offensichtlich vor, einer Darlegung durch den Antragsteller bedurfte es daher nicht. Bis zum Ablauf der unter Nummer 6 des Bescheids vom 25. Mai 2016 eingeräumten Erfüllungsfrist für die Rückgabe der Dokumente von spätestens fünf Wochen seit Bescheidszustellung lagen die Vollstreckungsvoraussetzungen des Art. 19 Abs. 1 VwZVG nicht vor. Die sofortige Vollziehung der Nummer 2 des Bescheids vom 25. Mai 2016 wurde erst im Bescheid vom 12. August 2016, also nach Ablauf der Erfüllungsfrist, angeordnet. Die Zwangsgeldandrohung ist ein aufschiebend bedingter Leistungsbescheid (Art. 31 Abs. 3 Satz 2 VwZVG) über eine Geldforderung, die entsteht und fällig wird (Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG), wenn zwei Bedingungen erfüllt sind. Zum einen müssen zum maßgeblichen Zeitpunkt alle Vollstreckungsvoraussetzungen gegeben sein, zum anderen darf bei Ablauf der Erfüllungsfrist die durch die Grundverfügung auferlegte Pflicht nicht oder nicht vollständig erfüllt sein (Art. 31 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. Abs. 1 VwZVG; BayVGH, B. v. 11.7.2001 – 1 ZB 01.1255 – juris Rn. 12 ff.). Die erst nach Ablauf der in einer Zwangsgeldandrohung eingeräumten Erfüllungsfrist angeordnete sofortige Vollziehung der Grundverfügung (Nr. 2), wodurch erst die Vollstreckungsvoraussetzungen des Art. 19 Abs. 1 VwZVG geschaffen werden, kann den Mangel der bereits erlassenen fehlerhaften Zwangsgeldandrohung nicht beheben.
Da sich die Zwangsgeldandrohung unter Nr. 6 des angefochtenen Bescheids nach alldem voraussichtlich im Klageverfahren als rechtswidrig erweisen wird, ist insoweit die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohung anzuordnen (Art. 21a VwZVG, § 80 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO).
2. Im Übrigen hat die Beschwerde keinen Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigen es nicht, den angegriffenen Beschluss abzuändern oder aufzuheben.
Der Antragsteller rügt, das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die dem waffenrechtlichen Widerruf zugrunde liegende Strafbefehlsentscheidung augenscheinlich falsch sei. Eine Urkundenfälschung sei in dem insoweit unstreitigen Verhalten des Antragstellers offensichtlich nicht enthalten gewesen. Der Antragsteller habe weder eine unechte Urkunde hergestellt noch eine echte verfälscht (vgl. BGH, B. v. 5.7.2012 – 5 Str 380/11). Das Herzeigen einer richtigen Urkunde am falschen Zweck sei bestenfalls eine straflose schriftliche Lüge.
Diese Ausführungen geben keinen Anlass, von der im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung getroffenen Feststellung des Verwaltungsgerichts abzuweichen, die Klage werde voraussichtlich erfolglos bleiben. Dieses Vorbringen widerlegt nicht, dass dem Antragsteller gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG die erforderliche (waffenrechtliche) Zuverlässigkeit fehlt, weil er wegen der vorsätzlichen Straftat der Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt wurde (§ 410 Abs. 3 StPO). Das Verwaltungsgericht hat sich mit dem Einwand des Antragstellers, die Verurteilung wegen Urkundenfälschung sei mangels Vorliegen der Tatbestandsvarianten des § 267 StGB offensichtlich falsch, eingehend auseinander gesetzt (vgl. BA S. 8 f) und kommt zu dem zutreffenden Ergebnis, dass die vom Antragsteller zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht einschlägig sei, weil sie nicht den vorliegenden Fall einer zusammengesetzten Urkunde (auf dem Fahrzeug angebrachte Feinstaubplakette) behandle. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Beschluss vom 26. August 2016 (BA S. 9 f) Bezug genommen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Das Beschwerdevorbringen des Antragstellers widerlegt insbesondere nicht die dem Strafbefehl zugrunde gelegte Tatbestandsalternative des § 267 Abs. 1 Alt. 3 StGB, dass der Antragsteller zur Täuschung im Rechtsverkehr eine verfälschte Urkunde gebraucht hat. Der Antragsteller setzt sich auch nicht mit der hier besonderen Form der Urkunde – der zusammengesetzten Urkunde – auseinander. Eine zusammengesetzte Urkunde liegt vor, wenn eine Urkunde mit dem Augenscheinsobjekt, auf das sich ihr Erklärungsinhalt bezieht („Bezugsobjekt“) räumlich fest zu einer „Beweiseinheit“ verbunden ist (Heine/Schuster in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 267 Rn. 36a). Die Zuordnung eines Kraftfahrzeugs zu einer Schadstoffgruppe wird nachgewiesen durch Angaben in den Fahrzeugpapieren (vgl. § 5 35.BImSchV). Für dieses Fahrzeug geben die zuständigen Behörden die entsprechende Feinstaubplakette aus. Zur Kennzeichnung eines Kraftfahrzeugs ist die Plakette deutlich sichtbar auf der Innenseite der Windschutzscheibe anzubringen. Die Plakette muss so beschaffen und angebracht sein, dass sie sich beim Ablösen von der Windschutzscheibe selbst zerstört (§ 3 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 35. BImSchV). Durch das Anbringen der grundsätzlich nicht ablösbaren Plakette am Fahrzeug entsteht die „zusammengesetzte Urkunde“. Die durch die räumlich feste Verbindung verkörperte „Beweisbeziehung“ zwischen Urkunde und deren Bezugsobjekt hat im Rechtsverkehr den selben Beweiswert wie der eigentliche Erklärungsinhalt der Urkunde. Ihre Veränderung ist deshalb Urkundenfälschung (Heine/Schuster in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 267 Rn. 36a; vgl. auch Hertel, SVR 2015, 121, 126).
Nach summarischer Prüfung bestehen keine Zweifel daran, dass das unbestrittene Verhalten des Antragstellers die tatbestandlichen Voraussetzungen der Urkundenfälschung im Sinne des § 267 Abs. 1 3. Alt. StGB erfüllt. Entgegen der Ansicht des Antragstellers leidet der Strafbefehl somit nicht an einem offensichtlichen Fehler. Weitere Gründe hat der Antragsteller nicht geltend gemacht.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG in Anlehnung an die Nummern 50.2 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F vom 13. Juli 2013 (abgedr. in Kopp/Schenke, 22. Aufl. 2016, Anhang zu § 164 Rn. 14). Die Waffenbesitzkarte mit acht eingetragenen Waffen, wozu auch ein Wechsellauf oder Wechselsystem zählt, ist mit dem
Auffangwert von 5.000,00 zzgl. 750,00 € je weiterer Waffe, der Kleine Waffenschein mit dem Auffangwert von 5.000,00 € anzusetzen. In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist der Streitwert zu halbieren.