Aktenzeichen M 7 K 15.5177
BayPAG BayPAG Art. 39
Leitsatz
1 Die Mitgliedschaft in einer lokalen Organisationseinheit der Rockergruppierung Bandidos MC rechtfertigt die Annahme einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit iSv § 5 Abs. 1 Nr. 2a und 2c WaffG. Dies gilt auch dann, wenn keine weiteren Tatsachen für die Unzuverlässigkeit der betroffenen Person sprechen und diese bislang einen unbescholtenen Lebenswandel geführt hat (ebenso BVerwG, BeckRS 2015, 42545). (redaktioneller Leitsatz)
2 Die wesensprägenden Strukturmerkmale des Bandidos MC rechtfertigen eine bundesweite Betrachtung dieser Rockergruppierung und eine einheitliche Prognose für jede ihrer Organisationseinheiten und jedes ihrer Mitglieder (ebenso BVerwG, BeckRS 2015, 42545; BayVGH, BeckRS 2013, 59477). (redaktioneller Leitsatz)
3 Für die verwaltungsrechtliche Auslegung des Begriffs der missbräuchlichen Verwendung in § 5 Abs. 1 Nr. 2a WaffG und der Bestimmung des Prognosemaßstabs ist nicht ausschlaggebend, ob der Erlaubnisnehmer in dem Bandidos MC eine herausgehobene Funktion einnimmt; die bloße Vollmitgliedschaft reicht für eine negative Prognose aus (ebenso BayVGH, BeckRS 2013, 59477). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Widerrufsbescheid des Beklagten vom … Januar 2014 in der Fassung des nach § 91 Abs. 1 und 2 VwGO zulässig in die Klage einbezogenen Änderungsbescheides vom … März 2014 war im maßgeblichen Zeitpunkt der jeweiligen Behördenentscheidung (vgl. BVerwG, U. v. 16. Mai 2007 – 6 C 24/06 – juris Rn. 35; BayVGH, B. v. 18. August 2008 – 21 BV 06.3271 – juris Rn. 25) rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach § 45 Abs. 2 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis, hier die Waffenbesitzkarte (§ 10 Abs. 1 WaffG), zwingend zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Ein solcher Versagungsgrund ergibt sich u. a. aus § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, der für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne von § 5 WaffG und die persönliche Eignung gem. § 6 WaffG voraussetzt. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 a und c WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden oder Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind. Die Mitgliedschaft in einer lokalen Organisationseinheit einer Rockergruppierung wie dem Bandidos MC … rechtfertigt diese Annahme (vgl. BVerwG, U. v. 28. Januar 2015 – 6 C 1/14 – juris Rn. 6).
Eine missbräuchliche Verwendung im Sinn des Waffengesetzes ist unter anderem dann zu befürchten, wenn die Gefahr besteht, dass der Erlaubnisinhaber “sein Recht” außerhalb oder neben der bestehenden Rechtsordnung durchsetzen wird, sei es im Rahmen planvoll begangener Straftaten, sei es im Rahmen sogenannter Selbsthilfeexzesse (BayVGH, U. v. 10. Oktober 2013 – 21 BV 12.1280 – juris Rn. 29; N. Heinrich in Steindorf, Waffenrecht, 10. Aufl. 2015, § 5 Rn. 9). Auch das mangelnde Potential für gewaltfreie Konfliktlösungen, das insbesondere Auftritte in Gruppen, von denen Gewalt ausgeht, offenbaren, trägt die Prognose einer missbräuchlichen Verwendung, selbst wenn das eigene Verhalten für eine konkrete Tat nicht kausal war (BayVGH, a. a. O.). Eine aggressive Grundhaltung genügt, die die Taten anderer eher begünstigt als verhindert; denn hierin zeigt sich die Bereitschaft zur Konfliktlösung mit Gewalt und damit der Mangel, Konflikte friedlich zu lösen (BayVGH, a. a. O.).
In Anbetracht des vorbeugenden Gesetzeszwecks (vgl. § 1 Abs. 1 WaffG; BT-Drs. 14/7758, S. 51) und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, genügt für die auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellende Prognose eine hinreichende, auf der Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (st. Rspr. des BVerwG und des BayVGH, vgl. BVerwG, U. v. 28. Januar 2015 – 6 C 1/14 – juris Rn. 17 und BayVGH, B. v. 4. Dezember 2013 – 21 CS 13.1969 – juris Rn. 14 jeweils m. w. N.; ebenso VGH BW, B. v. 3. August 2011 – 1 S 1391/11 – juris Rn. 4;). Die Prognose erfordert daher nicht den Nachweis eines bestimmten Fehlverhaltens und wird nicht dadurch widerlegt, dass eine Person im Zusammenhang mit ihrer Mitgliedschaft in einer Gruppierung strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist (BVerwG, U. v. 28. Januar 2015 – 6 C 1/14 – juris Rn. 16, 10; BayVGH, U. v. 10. Oktober 2013 – 21 BV 12.1280 – juris Rn. 61). Auch ohne konkrete Vorfälle genügt es als Tatsache für die Annahme der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit, wenn der Erlaubnisinhaber einer sozialen Gruppe angehört, in der es gehäuft zu Straftaten gekommen ist, sofern die Strukturmerkmale dieser Gruppe die Annahme rechtfertigen, dass gerade auch der Erlaubnisinhaber künftig Straftaten verwirklichen wird, d. h. sofern zwischen der Annahme der Unzuverlässigkeit und der Gruppenzugehörigkeit eine kausale Verbindung besteht (vgl. BVerwG, a. a. O., Rn. 11 f.). Dies ist der Fall, wenn die Gruppe von einer Kultur der gewaltsamen Austragung von Rivalitäten und Konflikten geprägt ist, in die jede örtliche Organisationseinheit und jedes Mitglied aufgrund einer überörtlichen Vernetzung und eines hohen Loyalitäts- und Konformitätsdrucks jederzeit hineingezogen werden kann (vgl. BVerwG, a. a. O., Rn. 14, 16).
Davon ausgehend liegen Tatsachen vor, die den nachvollziehbaren und plausiblen Schluss rechtfertigen, dass der Kläger – ob beabsichtigt oder unter dem Druck einer Situation – selbst mit Waffen in einer vom Waffengesetz nicht geduldeten Form umgehen oder Dritten eine solchen Umgang durch willentliche Überlassung ermöglichen wird.
Der Bandidos MC, dessen am … November 2014 aufgelöstem Chapter … der Kläger bei Erlass der streitgegenständlichen Bescheide angehört hat, wird den sog. Rockergruppen bzw. den von den amerikanischen Strafverfolgungsbehörden so bezeichneten Outlaw Motorcycle Gangs (OMCG) zugeordnet (vgl. BayVerfSchBer 2014, S. 213 ff.; BayVerfSchBer 2013, S. 202 ff.; BayVGH, U. v. 10. Oktober 2013, a. a. O., Rn. 37, 66). Mit der Bezeichnung OMCG werden weltweit die polizeilich besonders relevanten Rockergruppierungen von der breiten Masse der Motorradclubs abgrenzt, welche zwar im Einzelfall auch kriminelle Aktivitäten verfolgen können, diese aber nicht als Hauptmotivation ihrer Existenz verstehen (BayVerfSchBer 2014, S. 213). Wegen der nachgewiesenen Nähe einzelner Mitglieder dieser Rockergruppen zur Organisierten Kriminalität (OK) im Sinn von Art. 1 Abs. 3 BayVSG wird der Bandidos MC in den Verfassungsschutzberichten derjenigen Bundesländer aufgeführt, in denen die Verfassungsschutzbehörde die OK beobachtet (BayVGH, a. a. O., Rn. 36). Die Schwerpunkte der Rockerkriminalität liegen im Rotlichtmilieu und dem Drogen- und Waffenhandel (vgl. BayVerfSchBer 2014, S. 213 ff.; BayVerfSchBer 2013, S. 202 ff.). Wegen der Aktivitäten der OMCGs, darunter des Bandidos MC, im Einzelnen und der von ihnen ausgehenden Straftaten und sonstigen Gefahren nimmt das Gericht auf die in den Urteilen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. Oktober 2013 – 21 BV 12. 1280, 21 BV 13.429, 21 B 12.964, 21 B 12.960 – ausführlich dargelegten Erkenntnisse, die u. a. auf den auch der Kammer zur Verfügung stehenden allgemein zugänglichen Quellen (Wikipedia) und den Verfassungsschutzberichten Bayern 2009 – 2012 beruhen, und die Einschätzung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs Bezug, ferner auf die nachfolgenden Verfassungsschutzberichte Bayern 2013 und 2014. Das Bundesverwaltungsgericht (U. v. 28. Januar 2015, a. a. O., Rn. 13), dem sich die Kammer anschließt, hat die Feststellungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs insoweit als maßgeblich angesehen, als von Mitgliedern der Bandidos gehäuft Straftaten unter zum Teil erheblicher Gewaltanwendung begangen worden sind, sie wie eine Reihe anderer Gruppierungen territorialen und finanziellen Machtzuwachs innerhalb der Rockerszene anstreben und entsprechende Ansprüche regelmäßig mit Gewalt durchzusetzen versuchen (vgl. auch die Sachverhalte, die dem durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, U. v. 20. Februar 2014 – 22 BV 13.1909 – juris, bestätigten Widerruf einer Bewachungserlaubnis eines Mitglieds des Bandidos MC …, dem durch das OVG Bremen, U. v. 10. Juni 2014 – 1 D 126/11 – juris, bestätigten Vereinsverbot des Mongols MC Bremen und dem durch das Bundesverwaltungsgericht, B. v. 29. Januar 2013 – 6 B 40/12 – juris, bestätigten Vereinsverbot der Hells Angels Flensburg zugrunde lagen), Streitigkeiten aller Art innerhalb der Rockerszene regelmäßig mit Gewalt ausgetragen werden und es insbesondere zwischen dem Hells Angels MC und den Bandidos zu gewalttätigen Auseinandersetzungen bis hin zu Schießereien gekommen ist. Ferner hat das Bundesverwaltungsgericht die obergerichtlichen Feststellungen zugrunde gelegt, dass innerhalb von Rockergruppierungen ein strenger Ehrenkodex sowie ein einheitliches, formalisiertes Aufnahmeritual gilt, ein starkes Maß innerer Verbundenheit vorherrscht, die verschiedenen örtlichen Organisationseinheiten miteinander vernetzt sind und es vorgekommen ist, dass eine örtliche Organisationseinheit der Bandidos wegen befürchteter Auseinandersetzungen mit dem Hells Angel MC bundesweit Unterstützung angefordert hat. Diese gerichtlichen Feststellungen wurden durch die Aussagen des sachverständigen Zeugen, eines Sachbearbeiters des Bayerischen Landeskriminalamtes im Bereich Rockerkriminalität, in der mündlichen Verhandlung und durch statistische Auswertungen des Bundeskriminalamtes bestätigt und ergänzt, soweit sie den Zeitraum nach Erlass des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. Oktober 2013 und dem dort maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt und dem Erlass des streitgegenständlichen Bescheides Anfang 2014 betreffen. So haben sich nach dem im Internet veröffentlichten sog. Bundeslagebild OK ein signifikanter Anteil der OK-Verfahren, nämlich im Jahr 2012 4,6%, im Jahr 2013 5,5% und im Jahr 2014 8,4%, gegen Rockergruppierungen gerichtet, wobei das Bundeskriminalamt die Anzahl der Personen, die derartigen Gruppierungen angehören, in Deutschland auf ca. 9.000 schätzt. Auch in Bayern, wo der sachverständige Zeuge von 5.000 Rockern ausgeht, haben die 48 im Jahr 2014 gegen Rocker geführten OK-Verfahren einen erheblichen Anteil an der Gesamtzahl von 300 geführten OK-Verfahren, wobei der Anteil von 17 gegen Rocker geführten OK-Verfahren im Gewaltbereich im Verhältnis zu insgesamt 23 OK-Verfahren im Gewaltbereich signifikant ist. In Anbetracht der relativ niedrigen Anzahl von Rockern im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung bewegen sich diese Zahlen, anders als der Kläger meint, auch nicht im Promillebereich bzw. einem nicht aussagekräftigen Normalbereich.
Die Feststellungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts widersprechen nicht den Feststellungen des Bundesgerichtshofs in dem vom Kläger angeführten Urteil vom 9. Juli 2015 – 3 StR 33/15 -, die für die waffenrechtliche Prognose auch keine entscheidungserheblichen Tatsachen oder Wertungen ergeben. Soweit der Bundesgerichtshof festgestellt hat, dass die Gruppierung der Bandidos nicht aus einem einzelnen Verein besteht, sondern sich auf europäischer Ebene aus der jeweiligen “Nationalen Hauptgruppe” und auf regionaler Ebene aus zahlreichen Chaptern zusammensetzt, welche organisatorisch weitgehend selbstständig sind und von denen nur einzelne behördlich verboten worden sind, sagt dies über die vorliegend entscheidungserhebliche Vernetzung der Chapter untereinander und bestehende Loyalitätspflichten nichts aus. Soweit der Bundesgerichtshof zwischen Chaptern, die behördlich verboten worden sind, und anderen differenziert hat, und die den Verboten zugrunde liegenden Gründe geprüft hat, lag dies daran, dass der strafrechtliche Vorwurf der öffentlichen Verwendung von Kennzeichen eines verbotenen Vereins und des Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen zu prüfen war. Dies hat mit dem Streitgegenstand der verwaltungsgerichtlichen Verfahren nichts zu tun.
Die wesensprägenden Strukturmerkmale der Bandidos MC, namentlich die Praxis der gewaltsamen Austragung der – ihrerseits szenetypischen – Rivalitäten, die bundesweite Vernetzung der örtlichen Organisationseinheiten, der hohe Loyalitätsdruck, der aus dem starken Verbundenheitsempfinden der Bandidos untereinander folgt, und die zahlreichen Verbindungen von Bandidos zur OK rechtfertigen auch die vom Kläger beanstandete bundesweite Betrachtung dieser Rockergruppierung und einheitliche Prognose für jede ihrer örtlichen Organisationseinheiten und jedes ihrer Mitglieder (vgl. BVerwG, U. v. 28. Januar 2015, a. a. O., Rn. 14 ff.; vgl. BayVGH, U. v. 10. Oktober 2013, a. a. O., Rn. 33, 44, 59, 64, 66, 68 f.).
Wie bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes dargelegt, hält es das Gericht nicht für maßgeblich, dass der Kläger im Gegensatz zu den Klägern in den vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fällen „nur“ ein „einfaches“ Vollmitglied des Bandidos MC … ist. Denn bei der Auslegung des Begriffs der missbräuchlichen Verwendung in § 5 Abs. 1 Nr. 2 a WaffG und der Bestimmung des Prognosemaßstabs hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof nicht ausschlaggebend auf eine bestimmte Funktion oder einzelne Aktivitäten des Erlaubnisinhabers abgestellt, sondern auf die – auch für jedes Vollmitglied ohne Funktion geltende – dem Motorcycle Club geschuldete bedingungslose Loyalität und lebenslange Zugehörigkeit (BayVGH, a. a. O., Rn. 43), auf eine in sonstigen gesellschaftlichen Gruppierungen nicht vorzufindende gegenseitige Verbundenheit der besonders restriktiv ausgewählten MC-Mitglieder (BayVGH, a. a. O., Rn. 43, 68), auf die Verzahnung und Vernetzung der einzelnen Chapter des Bandidos MC durch ortsgruppenübergreifende hierarchische Strukturen (BayVGH, a. a. O., Rn. 70) und auf die Parallelen zwischen der OK und den 1%er Rockergruppen wie der Begehung schwerer Straftaten, des hierarchischen inneren Aufbaus und eines internen Ehrenkodexes mit strengen, ungeschriebenen Regeln, der Durchsetzung von Gebietsansprüchen durch Gewaltanwendung, des Macht- und Gewinnstrebens und des arbeitsteiligen Vorgehens (BayVGH, a. a. O., Rn. 44). Aus diesen Gründen hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die kriminellen Aktivitäten des Bandidos MC in einer Gesamtschau auch den einzelnen Ortsgruppen, hier dem Chapter des Bandidos MC …, zugeordnet (a. a. O., Rn. 69). Der herausgehobenen Funktion des Erlaubnisinhabers kam in den Entscheidungsgründen nur verstärkende Bedeutung zu, da hieraus erfahrungsgemäß geschlossen werden kann, dass ein Mitglied in herausragender Weise für die Ziele der Rockergruppe eingetreten ist und sich damit besonders identifiziert (BayVGH, a. a. O., Rn. 69). Ebenso wenig war die Wahrnehmung einer herausgehobenen Funktion für das Bundesverwaltungsgericht in seiner Revisionsentscheidung vom 28. Januar 2015 maßgebend.
Im Falle des Klägers haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die wesentlichen Gründe, die für die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit von OMCG-Mitgliedern sprechen, auf ihn nicht zutreffen. Er hat sich langjährig im Umfeld des Bandidos MC … bewegt und damit in einem Milieu, in dem Straftaten gehäuft begangen worden sind. Nach der Auflösung dieses Clubs ist er Mitglied beim Chapter … geworden. Nach eigenen Angaben hat er schon seit Jahrzehnten persönliche Kontakte zu anderen Clubangehörigen gepflegt. Er hat längere Zeit ein Aufnahmeverfahren durchlaufen, bevor er Vollmitglied geworden, hat sich also das Vertrauen der Clubmitglieder erworben und die für Mitglieder geltenden Verpflichtungen übernommen. Er hat regelmäßig an den Aktivitäten seines Chapters teilgenommen. Der Vortrag, dass bei ihm das Motorradfahren im Vordergrund stehe, ist weder geeignet, die aus der Mitgliedschaft zu ziehenden Schlussfolgerungen zu widerlegen, noch liegt darin eine Distanzierung von den Aktivitäten des Bandidos MC oder seinen für die Mitglieder geltenden Regeln. Wie das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt hat (U. v. 28. Januar 2015, a. a. O., Rn. 16), können auch solche Mitglieder der Bandidos, die sich bislang rechtskonform verhalten haben, in gewaltsame szeneinterne Auseinandersetzungen hineingezogen werden. Die Vorstellung, einzelne Mitglieder könnten sich gegen die wesensimmanente Tendenz der Gruppierung zur Gewalttätigkeit stemmen oder ihr zumindest persönlich ausweichen, muss im Lichte des hohen Geschlossenheitsgrades der Bandidos und des hieraus resultierenden Konformitätsdrucks als fernliegend eingeschätzt werden (BVerwG, ebenda). Ungeachtet einer anderslautenden Selbstdarstellung der MCs kann ebenso wenig davon ausgegangen werden, einzelne örtliche Organisationseinheiten könnten für sich eine Sonderexistenz jenseits der gruppentypischen Praxis führen (vgl. BVerwG, ebenda).
Der Einwand, die Waffenbehörde sei aufgrund einer unzulässigen Information der Kriminalpolizeiinspektion … und einer rechtswidrigen Weisung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern gegen den Kläger vorgegangen, greift nicht durch. Rechtlich maßgeblich für den Widerruf der Waffenbesitzkarte ist allein das Waffengesetz. Die Gerichte sind an ministerielle Weisungen nicht gebunden. Abgesehen davon, dass die Waffenbehörde bereits vor der Mitteilung der Kriminalpolizeiinspektion … Kenntnis von einer möglichen Mitgliedschaft des Klägers bei dem Bandidos MC … hatte, hat sie nach § 5 Abs. 5 WaffG im Rahmen einer spätestens alle drei Jahre (§ 4 Abs. 3 WaffG) durchzuführenden Zuverlässigkeitsprüfung eine Stellungnahme der örtlichen Polizeidienststelle einzuholen. Die Übermittlung personenbezogener Daten ist nach dem Polizeiaufgabengesetz zulässig (vgl. Art. 39 PAG) und erfordert, sofern sie auf ein entsprechendes Ersuchen hin erfolgt, nach Art. 39 Abs. 1 Satz 3 PAG lediglich die Prüfung, ob das Ersuchen im Rahmen der Aufgaben des Empfängers liegt. Im Hinblick auf ihre gesetzliche Aufgabe der Gefahrenabwehr (Art. 2 Abs. 1 PAG) ist es der Polizei jedoch auch nicht verwehrt, Informationen, die den Aufgabenbereich anderer Behörden betreffen, von sich aus zu übermitteln.
Auch die Anordnung in Nummer 1 des Änderungsbescheides vom … März 2014 einschließlich der Länge der jeweiligen Handlungsfristen begegnet im Ergebnis keinen rechtlichen Bedenken, wenngleich Rechtsgrundlage hier nicht § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 3 WaffG ist, sondern § 46 Abs. 2 WaffG. Denn der Kläger besitzt seine Waffen nicht illegal oder entgegen einem gesetzlichen Verbot, sondern aufgrund der – nunmehr widerrufenen – Waffenbesitzkarte. Die Falschbezeichnung ist indes unschädlich, weil die Auswechslung der Rechtsgrundlage weder eine unzulässige Wesensänderung der Anordnung herbeiführt noch sich der Ermessensrahmen in der Sache verändert (vgl. BVerwG, U. v. 19. Mai 1992 – 9 C 54/91 – juris Rn. 21; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 45 Rn. 54). Eine Anordnung nach § 46 Abs. 2 WaffG ist auf die gleichen Rechtsfolgen (Wahlrecht zwischen Überlassung an einen Berechtigten oder Unbrauchbarmachung) gerichtet wie eine Anordnung nach § 46 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 3 WaffG und erfordert die Abwägung derselben Interessen. Die Annahme des Landratsamtes, dass Schusswaffen wegen ihrer Gefährlichkeit nicht bis zum Abschluss eines gerichtlichen Verfahrens im Besitz einer – aus welchen Gründen auch immer – unberechtigten Person bleiben können und deshalb das private Interesse des Klägers hinter das öffentliche Interesse zurücktreten muss, entspricht pflichtgemäßem Ermessen. Aus der zwingenden Widerrufspflicht in § 45 Abs. 2 WaffG, die dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit bzw. der materiellen Gerechtigkeit Vorrang vor den Aspekten von Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eingeräumt hat, folgt, dass die Waffenbehörde grundsätzlich bestrebt sein muss, den Waffenbesitz, der nicht mehr durch eine entsprechende Erlaubnis gedeckt ist, zu beenden und rechtmäßige Zustände herzustellen, indem sie von den Ermächtigungen in § 46 Abs. 2 oder 3 WaffG Gebrauch macht, damit ihre Entscheidung nicht wirkungslos bleibt (vgl. BVerwG, B. v. 15. April 1998 – 1 B 230/97 – juris Rn. 5).
Ebenso wenig begegnet die Androhung des Zwangsgeldes in Nummer 5 des Ausgangsbescheides nach Art. 19, 29, 30, 31 und 36 VwZVG rechtlichen Bedenken.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an einer deutschen Hochschule im Sinn des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 5 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 6.500,- EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz – GKG – i. V. m. Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Über die Beschwerde entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an einer deutschen Hochschule im Sinn des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 5 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.