Verwaltungsrecht

Widerruf des Kleinen Waffenscheins aufgrund Nähe zu Reichsbürgern

Aktenzeichen  M 7 S 17.933

Datum:
8.6.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 45 Abs. 5
VwGO VwGO § 67 Abs. 4 S. 4, S. 7, § 80 Abs. 2 Nr. 4, § 154 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Zwar ist bei der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung fraglich, ob Sympathiebekundungen in Bezug auf die Reichsbürgerbewegung alleine bereits die Prognose einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit rechtfertigen können, sofern nicht weitere Umstände hinzutreten, die hinsichtlich der Rechtstreue Zweifel aufkommen lassen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2 Wird hingegen nach außen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als Staat verneint und damit sogleich die darin bestehende Rechtsordnung offensiv abgelehnt, erscheint nicht hinreichend gesichert, dass ein waffenrechtlicher Erlaubnisinhaber die maßgeblichen Regelungen des Polizei- und Waffenrechts für sich als bindend ansieht und sein Verhalten danach ausrichtet. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wird abgelehnt.
II. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren M 7 S 17.933 wird abgelehnt.
III. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV. Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen den Widerruf seines Kleinen Waffenscheins.
Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 26. Juni 2007 – … – war dem Antragsteller untersagt worden, erlaubnisfreie Waffen und Munition zu erwerben oder zu besitzen. Dieses Waffenbesitzverbot hatte die Antragsgegnerin verhängt, nachdem das Jugendgericht beim Amtsgericht München gegen den Antragsteller am 14. März 2007 eine Woche Dauerarrest wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Waffenbesitz in Tateinheit mit vorsätzlichem Führen einer Schusswaffe verhängt hatte.
Auf Antrag vom 11. Januar 2012 hin erteilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller am 21. August 2012 den Kleinen Waffenschein zum Führen von Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen („PTB“) mit der Nr. … und hob insoweit das Waffenbesitzverbot auf. Zudem erteilte das Landratsamt Breisgau – Hochschwarzwald am 2. Oktober 2015 dem Antragsteller eine Waffentrageberechtigung (…).
Am 16. Juni 2015 beantragte der Antragsteller die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises durch das Kreisverwaltungsreferat München. Als Grund wurde handschriftlich der „Nachweis einer glaubhaft bestätigten Staatszugehörigkeit gemäß RuStaG – Stand 1913“ angegeben. Bei der Angabe seiner Personalien vermerkte der Antragsteller als Geburtsland „Königreich Bayern“. Die Bezeichnung „Kgr. Bayern“ verwendete er insgesamt fünfmal bei der Angabe seiner Wohnorte sowie bei der Angabe der Wohnorte seiner Eltern und seines Großvaters. Ein weiterer mittels PC ausgefüllter Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit enthielt ebenfalls die Angabe „Königreich Bayern“ als Geburtsstaat und Wohnsitzstaat. Bei seiner aktuellen Anschrift fehlte die Angabe der Postleitzahl vor der Ortangabe München. Zudem gab der Antragsteller freitextlich neben der Abstammung vom Vater als Grund für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit „Abstammung gemäß § 4 Abs. 1 RuStaG 1913“ an. Mit Schreiben vom 29. August 2016 legte der Antragsteller Widerspruch gegen die in Bezug auf seine Person am 8. September 2015 „an die Registerbehörde gemeldeten Daten zum Erwerb der Deutscheneigenschaft und der deutschen Staatsangehörigkeit“ ein. In diesem Schreiben gab der Antragsteller an, in seinem Antrag auf Feststellung der Staatsangehörigkeit auch den Besitz der „per ius sanguinis erworbenen Deutscheneigenschaft, respektive Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaat bzw. Bundesangehörigkeit durch Ableitung auf die Person ihres Großvaters zurück in das Jahr 1911, und somit ihre Deutscheneigenschaft urkundlich nachgewiesen“ zu haben. Im Übrigen wird auf die Angaben des Antragstellers Bezug genommen (Blatt 119-150 der Behördenakte).
Unter dem 31. Januar 2017 vermerkte das Kriminalfachdezernat 4 München, Kommissariat 44, das Ergebnis der Ermittlungen gegen den Antragsteller wegen Zugehörigkeit zur sogenannten „Reichsbürgerbewegung“ aufgrund dessen Angaben bei der Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises (Blatt 105 ff. der Behördenakte). Ebenfalls unter dem 31. Januar 2017 vermerkte das Kriminalfachdezernat 4 München eine am Tag zuvor durchgeführte Gefährderansprache beim Antragsteller (Blatt 151 f. der Behördenakte). Der Antragsteller habe beinahe sämtliche dem Gesprächsführer bekannten reichsbürgertypischen Argumente und Theorien von sich gegeben. Er habe mehrfach darauf bestanden, die bayerische Staatsbürgerschaft zu besitzen, und ausgeführt, dass er sich diese zurückgeholt und durch seinen Staatsangehörigkeitsausweis nachgewiesen habe. Zudem habe der Antragsteller ohne Nachfrage mitgeteilt, dass er das Grundgesetz nicht für eine Verfassung halte, da dieses von den Alliierten oktroyiert worden sei und somit lediglich Verfassungscharakter habe. Auf Nachfrage habe er gemeint, dass die mit dem Grundgesetz in Verbindung stehende Rechtsordnung „Löcher“ hätte. Er habe weiterhin auf Nachfrage mitgeteilt, dass er das RuStaG für voll gültig halte und sich danach richte. Auf mehrfache Nachfrage, ob er wirklich hinter der Argumentation stehe, da diese der „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnen sei, habe er geantwortet, dass er eben diese Ansicht vertrete und dass er es genauso meine, wie er sage. Der Antragsteller habe allgemein den Eindruck gemacht, viel Zeit in die Thematik der „Reichsbürger“ investiert zu haben und sich deren Argumentationen komplett zu eigen gemacht zu haben, sodass er nicht als bloßer Mitläufer einzuschätzen sei, sondern als überzeugter „Reichsbürger“. Er selbst habe sich jedoch nicht als solcher bezeichnen wollen, da er nicht radikal oder gewalttätig sei. Aufgrund seiner Einstellung und den bisherigen polizeilichen Erkenntnissen, auch aufgrund der stark gehäuften Verkehrsverstöße seit seiner Antragstellung sieht die Polizei die Besorgnis, der Antragsteller könne (weitere) Verstöße gegen die Rechtsordnung begehen. Er sei bereits mehrfach polizeilich in Erscheinung getreten. Der Kriminalaktennachweis der Polizeipräsidien München und Oberbayern Nord führe 14 Einträge (falsche Verdächtigungen (2009), 2 x Betrug (2008), 2 x Diebstahl im besonders schweren Fall (2008), Körperverletzung (2007), gefährliche Körperverletzung mittels Schreckschusspistole (2006), Verstoß Waffengesetz (unberechtigtes Führen einer Schreckschusspistole) (2006), Verstoß Waffengesetz (Führen eines Springmessers) (2005), Verstoß Versammlungsgesetz (2004), Diebstahl aus einem Kraftfahrzeug (2004), Landfriedensbruch (2003), Sachbeschädigung durch Brandlegung (2003) und Ladendiebstahl (2002). Im Jahr 2016 habe der Antragsteller insgesamt neun Verkehrsverstöße (drei Parkverstöße und sechs Geschwindigkeitsverstöße) sowie im Jahr 2015 zwei Geschwindigkeitsverstöße begangen. 2015 sei ihm ein einmonatiges Fahrverbot erteilt worden. Im Jahr 2016 sei in Amtshilfe für die Bezirkshauptmannschaft Salzburg gegen ihn bezüglich eines Verkehrsverstoßes ermittelt worden, im Jahr 2011 wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes und weiterhin in den Jahren 2016 und 2013 wegen unerlaubten Entfernen vom Unfallort. Die Verfahrensausgänge seien nicht bekannt. Auf Nachfrage habe er der Polizei mitgeteilt, dass er den Kleinen Waffenschein und seine Walther P 22 für Sylvester brauche. Er habe eine Schreckschusswaffe, weil diese „schön knallt“. Am 2. Februar 2017 wurde polizeilicherseits vermerkt, dass ein auf seinem Facebook-Account öffentlich zugängliches Foto den Antragsteller in „Kampfmontur“ – vermutlich mit einem Paint-Ball-Gewehr – zeige sowie auf einem anderen Bild mit einem sehr großen Kampfmesser. Ein weiteres Foto zeige ihn neben einem Graffiti „Fuck the police“. Auf einem seiner Titelbilder sei der Plenarsaal des Deutschen Bundestages zu sehen, über welchem die auf einem WindowsPC typische Löschmeldung „Möchten Sie diese 620 Elemente wirklich löschen?“ eingefügt worden sei.
Unter dem 6. Februar 2017 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller im Hinblick auf den beabsichtigten Widerruf des Kleinen Waffenscheins an. Am 8. Februar 2017 nahm der Antragsteller daraufhin Stellung, in der er von sich im Wesentlichen als „meine Person“ schreibt. Der Antragsteller führte unter anderem aus: „Wenn meine Person durch besagtes Handeln den Anschein erweckt haben sollte im Kontext zu so etwas (entschuldigen Sie den Wortlaut) „schwachsinnigen“ und „hirnverbrannten“ wie dieser mir lediglich durch die Medien bekannten „Reichsbürger-Bewegung“ zu stehen bedaure ich dies zutiefst und möchte gleichzeitig vermitteln, dass dies zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt wurde. Meines erachtens spricht nichts gegen die legitimation der Bundesrepublik Deutschland, der Bundesregierung und auch nicht ihrer Behörden. Sowohl das Grundgesetz als auch andere Gesetze wurden niemals angezweifelt. Sollte dies so verstanden oder aufgefasst worden sein möchte ich dies hiermit richtig stellen.“ Im weiteren Verlauf seines Schreibens führte der Antragsteller aus: „Abgesehen von beruflicher Notwendigkeit und für das ein oder andere Silvester hat meine Person ohnehin keinen wirklichen nutzen und auch kein großes Interesse an diversen „Großen“ oder „Kleinen“ Waffenberechtigungen“. Ein Entzug der Berechtigung würde jedoch den Verlust seines Arbeitsplatzes bedeuten.
Mit Bescheid vom 16. Februar 2017 widerrief die Antragsgegnerin die Erteilung des Kleinen Waffenscheins Nr. … vom 21. August 2012 (Nr. 1) und verpflichtete den Antragsgegner, diesen innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung dieses Bescheides abzugeben (Nr. 2). Die sofortige Vollziehung von Nr. 2 des Bescheides wurde angeordnet (Nr. 3). Für den Fall der nicht fristgerechten Rückgabe werde ein Zwangsgeld in Höhe von 250,- € zur Zahlung fällig (Nr. 4). Die Kosten für den Bescheid hat der Antragsteller zu zahlen. Es wurde eine Gebühr von 50 € festgesetzt und Auslagen i.H.v. 2,19 € (Nr. 5).
Die Begründung des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnis stützt die Antragsgegnerin auf § 45 Abs. 2 i.V.m. §§ 4 Abs. 1 Nr. 2, 5 Abs. 1 Nr. 2 b) und c) WaffG. Aufgrund der Angaben des Antragstellers zu seinem Staatsangehörigkeitsausweis und seiner Äußerungen gegenüber der Polizei am 30. Januar 2017 sei zu befürchten, dass er sich nicht an die strengen waffenrechtlichen Vorgaben zum Umgang mit Waffen halten werde und daher unzuverlässig sei. Als sogenannter „Reichsbürger“ würde er die Verbindlichkeit der unter dem Grundgesetz geschaffenen Rechtsordnung, zu der auch das Waffengesetz zähle, bestreiten. Er negiere die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland, Gesetze mit auch für ihn bindender Wirkung zu erlassen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Bescheidsbegründung Bezug genommen.
Am 23. Februar 2010 äußerte sich der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin zum Bescheid (Blatt 186 ff. der Behördenakte) und gab den Kleinen Waffenschein mit Schreiben vom 3. März 2017 zurück.
Per Telefax vom 6. März 2017 ließ der Antragsteller durch seine Bevollmächtigten Klage zum Verwaltungsgericht München erheben (M 7 K 17.932) mit dem Antrag, den Bescheid wegen Widerrufs des Kleinen Waffenscheins vom 16. Februar 2017 aufzuheben.
Zudem beantragt er, im Wege einer einstweiligen jeweiligen Anordnung die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuheben.
Zudem wurde die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und die Beiordnung seines Bevollmächtigten beantragt.
Zur Begründung wird ausgeführt, dass der angefochtene Bescheid deshalb rechtswidrig sei, weil dem Kläger unterstellt werde, Reichsbürger zu sein und dass er den deutschen Staat, die Bundesrepublik Deutschland, nicht anerkenne. Dies treffe nicht zu. Anhaltspunkte für Gewaltakte oder gar terroristische Pläne gebe es nicht. Der Begriff Reichsbürger sei im geltenden Recht nicht definiert. Das Hauptargument der Stellung als Reichsbürger sei somit nicht bestimmt genug, um in das Recht der Bürger einzugreifen. Der Entzug des Kleinen Waffenscheins habe zur Folge gehabt, dass der Antragsteller von seinem Arbeitgeber freigestellt worden sei. Er arbeite als Angestellter bei einer Geldtransportfirma seit längerer Zeit schon unauffällig und gehe seinen beruflichen Pflichten gewissenhaft nach, es gebe keine Beschwerden. Als Schutzbefohlener dürfe er Waffen tragen und tue dies auch. Niemand sei bisher zu Schaden gekommen und werde es auch in Zukunft nicht. Es gebe keine objektiven Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger seinen beruflichen Pflichten an der Waffe nicht nachkommen werde. Der Kläger sei aufgrund seines Einkommens und Vermögens nicht zur Tragung der zu erwartenden Verfahrenskosten und Kosten der Prozessführung in der Lage und nach den obigen Ausführungen auch nicht verpflichtet. Ein weiterer Schriftsatz betreffend die persönlichen Verhältnisse werde zeitnah nachgereicht.
Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 17. März 2017 beantragt,
den Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen, und die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf die vorgelegte Waffenakte, insbesondere die Begründung des angefochtenen Bescheids Bezug genommen. Es wurde als „bemerkenswert“ herausgestellt, dass die bei der Befragung des Antragstellers ebenfalls anwesenden Vorgesetzten offenbar den gleichen Eindruck wie die Polizisten erlangt hätten, denn der Antragsteller sei zunächst bis zur Entscheidung über seine waffenrechtlichen Erlaubnisse beurlaubt worden. Ihm sei noch in Anwesenheit der Ermittler der Zugriff auf die Firmenwaffen entzogen worden. Insofern könne keine Rede davon sein, der verfahrensgegenständliche Widerruf des Kleinen Waffenscheins habe zur Folge gehabt, der Antragsteller sei von seinem Arbeitgeber freigestellt worden. Vielmehr habe die für den Firmensitz des Unternehmens zuständige Waffenbehörde beim Landratsamt Breisgau – Hochschwarzwald aufgrund der Einstufung des Antragstellers als Reichsbürger den Widerruf der Waffentrageerlaubnis des Antragstellers eingeleitet. Die Argumentation des Antragstellers in seinen beiden Schreiben an die Antragsgegnerin sei als Schutzbehauptung zu werten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten M 7 K 17.932 und M 7 S. 17.933 sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der entsprechend dahingehend auszulegende Antrag, nach § 80 Abs. 5 VwGO die von Gesetzes wegen nach § 45 Abs. 5 WaffG bzw. aufgrund einer Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO entfallende aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis in Form des Kleinen Waffenscheins anzuordnen bzw. im Hinblick auf die Rückgabepflicht wiederherzustellen, ist zulässig, aber unbegründet. Nach einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage spricht vieles für die Rechtmäßigkeit des Bescheids der Antragsgegnerin.
Entfaltet ein Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anordnen bzw. wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Bei der vom Gericht im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu treffenden Interessensabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides einerseits und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs andererseits sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Diese sind ein wesentliches, wenn auch nicht das alleinige Indiz für bzw. gegen die Begründetheit des Begehrens im einstweiligen Rechtsschutz. Ergibt die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (nur) gebotene summarische Prüfung der Erfolgsaussichten, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolgreich sein wird, besteht kein öffentliches Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes.
Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für das Gericht bei dieser summarischen Prüfung ist dabei der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung.
Die Antragsgegnerin stützt den Widerruf des Waffenscheins auf eine fehlende Zuverlässigkeit des Antragstellers. Für einen solchen Widerruf eines Waffenscheins nach § 45 Abs. 2 WaffG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG wegen fehlender Zuverlässigkeit kommt es dabei nicht auf eine allgemeine Zuverlässigkeit in Bezug auf die Einhaltung der Vorschriften der Rechtsordnung an, sondern auf eine Zuverlässigkeit im waffenrechtlichen Sinne. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 b) und c) WaffG, auf die sich auch die Antragsgegnerin in ihrer Begründung des Widerrufs stützt, besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden bzw. Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind.
Die anzustellende Prognose diesbezüglich verlangt nicht den Nachweis, der Antragsteller werde dies mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tun. Es genügt insoweit vielmehr, dass bei verständiger Würdigung aller Umstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit hierfür besteht. Die Besorgnis einer missbräuchlichen Waffenverwendung, -aufbewahrung oder -weitergabe muss jedoch auf der Grundlage entsprechender Anknüpfungstatsachen erwiesen sein (vgl. u.a. OVG Saarland, B. v. 14.10.2015, 1 B 155/15 – juris -; VG München, B.v. 14.12.2015, M 7 E 15.5544 – juris; VG Freiburg v. 10.11.2016, 4 K 3983/16 – juris Rn. 5). Bloße Vermutungen reichen dabei nicht aus.
Die Antragsgegnerin leitet ihre Unzuverlässigkeitsbeurteilung des Antragstellers aus dessen Angaben im Zusammenhang mit der Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises und gegenüber der Polizei bei einer Gefährderansprache ab.
Zur waffenrechtlichen (Un-)Zuverlässigkeit von sog. „Reichsbürgern“, die ihrer Grundideologie nach der Bundesrepublik Deutschland die Existenz absprechen, daher den Behörden ihre Legitimation absprechen und das Grundgesetz sowie die darauf fußende Rechtsordnung ablehnen, gibt es bislang keine Rechtsprechung bayerischer Verwaltungsgerichte.
Dem Gericht erscheint bei der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung zwar fraglich, ob Sympathiebekundungen in Bezug auf die Reichsbürgerbewegung alleine bereits die Prognose einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit rechtfertigen können, sofern nicht weitere Umstände hinzutreten, die hinsichtlich der Rechtstreue Zweifel aufkommen lassen (vgl. insoweit VG Gera, U. v. 16. September 2015 – 2 K 525/14 – juris Leitsatz). Das Äußern abstruser politischer Auffassungen bzw. Sympathiebekundungen für solche Auffassungen rechtfertigt für sich genommen wohl noch nicht den Schluss, dass ein Ignorieren der waffenrechtlichen Vorschriften oder eine eigenwillige Auslegung zu befürchten und damit die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit zu bejahen wäre (vgl. VG Gera, a.a.O., Rn 21).
Wird hingegen nach außen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als Staat verneint und damit sogleich die darin bestehende Rechtsordnung offensiv abgelehnt, z.B., wenn Behörden, der Polizei oder selbst dem Gericht die Befugnis abgesprochen wird, aufgrund der nach dem 8. Mai 1945 erlassenen Gesetze tätig zu werden, erscheint nicht hinreichend gesichert, dass ein waffenrechtlicher Erlaubnisinhaber die maßgeblichen Regelungen des Polizei- und Waffenrechts für sich als bindend ansieht und sein Verhalten danach ausrichtet (vgl. hierzu VG Cottbus, U. v. 20.9.2016 – VG 3 K 305/16 – juris Rn. 19). Wer erklärtermaßen bundes- oder landesgesetzliche Vorschriften, und damit auch die des Waffenrechts, nicht als für sich verbindlich anerkennt und sich deshalb auch nicht verpflichtet sieht, die darin enthaltenen, dem Schutz der allgemeindienenden Vorschriften im Einzelnen jederzeit zu beachten, gibt sehr wohl Anlass zu der Befürchtung, dass er die Regelungen des Waffengesetzes, die heute anders als noch in preußischer Zeit ausgestaltet sind, nicht strikt befolgen wird (VG Minden, U. v. 29.11.2016 – 8 K 1965/16 – juris Rn 40). Konkreter Verstöße gegen waffenrechtliche Vorschriften bedarf es dann nicht (VG Cottbus, a.a.O., Rn. 19 a.E.).
Die im vorliegenden Fall erfolgten Angaben bei der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises bzw. Nachweises der Staatsangehörigkeit und insbesondere die gegenüber der Polizei bei der Gefährderansprache vermerkten Äußerungen rechtfertigen in Verbindung mit den von der Polizei benannten Fotos auf Facebook sowie dem bisherigen polizeilichen In-Erscheinung-Treten und der erheblichen Anzahl an Verkehrsverstößen gravierende Bedenken an der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit des Antragstellers. Dabei stellt es nach vorläufiger Auffassung des Gerichts einen Unterschied dar, ob bei der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises nur beim Großvater das Königreich Bayern als Geburtsland angegeben wird oder auch beim Antragsteller selber, der in der Bundesrepublik Deutschland geboren wurde. Die Einschätzung der Polizei nach der Gefährderansprache, dass der Antragsteller nicht nur ein „Mitläufer“, sondern überzeugter Anhänger der „Reichsbürgerbewegung“ sei, ist angesichts der Äußerungen, die die Polizei aus dem Gespräch vermerkt hat, nachvollziehbar. Die im Eilverfahren nur mögliche summarische Gesamtschau des antragstellerischen Auftretens bis zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der Behördenentscheidung ist durchaus geeignet, die Einschätzung der Antragsgegerin zur waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit zu tragen. Die Aussage des Antragstellers, dass er seine Schreckschusspistole ab und zu an Silvester benutze, um damit zu knallen, untermauert dies noch.
Soweit der Bevollmächtigte des Antragstellers das Fehlen einer Definition des „Reichsbürgers“ bzw. der „Reichsbürgerbewegung“ als Hindernisgrund für eine darauf gestützte waffenrechtliche Unzuverlässigkeitsprognose nennt, verfängt dies nach summarischer Prüfung nicht. Entscheidend für die Prognose der Unzuverlässigkeit ist weniger die Gruppenzugehörigkeit an sich als vielmehr die tatsächlich nach außen getragene Grundhaltung zu bestimmten Themen, wie sie typischerweise im Kreise der „Reichsbürgerbewegung“ vertreten wird. Diesbezüglich hat der Antragsteller mit seinen erfolgten Angaben zur Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises etc. sowie den in indirekter Rede vermerkten Äußerungen in der Gefährderansprache durch die Polizei erhebliche Zweifel an seiner Grundhaltung gegenüber der Existenz der Bundesrepublik Deutschland und geltenden Rechtsordnung begründet. Auch das gleichzeitige Auftreten der vermerkten Verkehrsverstöße ist augenfällig.
Auch bei einer reinen Interessenabwägung überwiegt vorliegend das Interesse an sofort vollziehbaren waffenrechtlichen Konsequenzen. Im Waffenrecht fällt dabei grundsätzlich zugunsten des öffentlichen Interesses die vom Waffenbesitz ausgehende erhöhte Gefahr für die Allgemeinheit ins Gewicht, die u.a. in der Regelung des § 45 Abs. 5 WaffG ihren Niederschlag gefunden hat (VG München, a.a.O., mit Verweis auf SächsOVG, B.v. 2.5.2011 – 3 B 128/10 – juris Rn. 10). Es besteht ein überragendes Interesse der Allgemeinheit daran, das mit dem Waffenbesitz verbundene erhebliche Sicherheitsrisiko möglichst gering zu halten und nur bei Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeglicher Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (BayVGH, vgl. B.v. 15.8.2008, 19 CS 08.1471 – juris – Rn. 21 m. Verweis auf BVerfG, U.v. 26.3.1996, 1 C 12/95 – juris – Rn. 25). Ist dieses Vertrauen nicht mehr gerechtfertigt, überwiegt das öffentliche Interesse, die Gefahr eines vorschriftswidrigen Umgangs mit Schusswaffen mit sofort wirksamen Mitteln zu unterbinden, das private Interesse des Betroffenen, von den Wirkungen des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnis bis zur Entscheidung in der Hauptsache verschont zu bleiben. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Widerruf des Kleinen Waffenscheins selber entgegen dem antragstellerischen Vorbringen unmittelbar keine beruflichen Auswirkungen hat. Es ist vorliegend bei Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht erkennbar, dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das waffenrechtlich bereits angenommene sofortige Vollzugsinteresse überwiegen würde.
III.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren M 7 S. 17.933 hat keinen Erfolg.
Einer Partei ist auf ihren Antrag hin Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).
Wie zuvor dargestellt, sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache gering und bestanden jedenfalls im Eilverfahren wegen des überwiegenden allgemeinen Interesses am Sofortvollzug keine Erfolgsaussichten.
Zudem sind dem Antrag auf Prozesskostenhilfe gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei sowie entsprechende Belege beizufügen. Dies ist zwar mit Schriftsatz vom 6. März 2017 ausdrücklich von rechtsanwaltlicher Seite angekündigt worden, jedoch bislang nicht erfolgt.
IV.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 Satz 1, 50.2 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen