Verwaltungsrecht

Widerruf einer Erlaubnis für die Aufstellung von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit

Aktenzeichen  22 ZB 17.2358

Datum:
21.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 6980
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO § 33c Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 34c Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
BayVwVfG Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

Sind zwischen der Straftatbegehung und der Widerrufsentscheidung noch keine drei Jahre im Sinne von § 33c Abs. 2 Nr. 1 GewO vergangen, kann von einer sehr weit zurückliegenden Straftat und damit von einer möglichen Widerlegung der gesetzlichen Vermutung der Unzuverlässigkeit keine Rede sein. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 4 K 17.462 2017-10-18 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf einer Erlaubnis für die Aufstellung von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit nach § 33 c Abs. 1 Satz 1 GewO.
Mit rechtskräftigem Strafurteil des Amtsgerichts Ansbach vom 8. April 2016 wurden der Kläger und eine weitere Person der unerlaubten Veranstaltung eines Glücksspiels für schuldig befunden. Dabei wurde ein qualifizierter Fall nach § 284 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 StGB angenommen. Der Kläger erhielt eine Geldstrafe von 110 Tagessätzen.
Nach den strafgerichtlichen Feststellungen stellten beide Angeklagte in für Vereinsmitglieder und Besucher jederzeit zugänglichen Vereinsräumen spätestens seit April 2015 bis zum 11. Mai 2015 ohne erforderliche behördliche Erlaubnis zwei Spielautomaten auf, die ursprünglich als reine Unterhaltungsspielautomaten produziert worden waren. Durch die Ersetzung der ursprünglichen Software durch eine Casino-Software war es an diesen Automaten möglich, Geldbeträge zu erspielen. Diese Geldbeträge wurden von dem anderen Angeklagten an den jeweiligen Spieler ausgezahlt. Der Kläger kam regelmäßig in das Vereinsgebäude zur Leerung der Automaten und zur Aufteilung des Geldes mit dem anderen Angeklagten.
Mit Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 2017 wurde eine dem Kläger erteilte Erlaubnis für die Aufstellung von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit vom 4. Juli 2013 widerrufen (Nr. 1 des Bescheids) und der Kläger verpflichtet, die Erlaubnisurkunde vom 4. Juli 2013 innerhalb einer Woche nach Unanfechtbarkeit des Bescheides zurückzugeben oder zur Kennzeichnung der Ungültigkeit vorzulegen (Nr. 2 des Bescheides).
Der Widerruf der Erlaubnis wurde auf Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG gestützt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, nach § 33 c Abs. 2 Nr. 1 GewO wäre die Erlaubnis nicht erteilt worden, da Tatsachen die Annahme rechtfertigen würden, dass der Kläger nicht die erforderliche Zuverlässigkeit besitze. Diese sei aufgrund der Aufzählung in § 33 c Abs. 2 GewO regelmäßig abzusprechen, wenn der Antragsteller wegen unerlaubter Veranstaltung eines Glücksspiels rechtskräftig verurteilt worden sei. Ein derartiges rechtskräftiges Urteil liege vor. Auf das Strafmaß komme es zunächst nicht an. Eine Ausnahme von dieser Regelung könne unter den vorliegenden Umständen nicht zugelassen werden. Dem Kläger sei aus seiner Tätigkeit als Automatenaufsteller bekannt gewesen, dass in einer Gaststätte neben den drei maximal zulässigen Geldspielgeräten keine weiteren Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit aufgestellt werden dürften. Trotz dieses Wissens habe er weitere Geräte in dem Vereinsheim aufgestellt. Da der Kläger hier bewusst seine Position als Automatenaufsteller missbraucht habe, um zur Steigerung seines Gewinns auch illegale Geräte mit manipulierter Software aufzustellen, sei ihm eine weitere Eignung zum Aufstellen von Geldspielgeräten abzusprechen. Er sei daher als gewerberechtlich unzuverlässig anzusehen. Da der Kläger seine gesetzlichen Verpflichtungen als Gewerbetreibender nachhaltig verletzt habe und das in der Vergangenheit gezeigte Verhalten keine Gewähr dafür biete, dass er in Zukunft seinen Pflichten ordnungsgemäß nachkomme, sei der Widerruf das einzig mögliche Mittel zum Schutz der Allgemeinheit.
Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage des Klägers gegen den Bescheid vom 20. Februar 2017 mit Urteil vom 18. Oktober 2017 abgewiesen.
Der Kläger hat die Zulassung der Berufung gegen das Urteil beantragt.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, da sich aus den Darlegungen in der Antragsbegründung des Klägers vom 20. Dezember 2017 (vgl. zu deren Maßgeblichkeit § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) nicht ergibt, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Zulassungsgrundes ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) vorliegen.
Das Verwaltungsgericht (UA S. 7 f.) ist zur Bewertung gelangt, dass aufgrund der strafrechtlichen Verurteilung vom 8. April 2016 gemäß § 33 c Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 2 GewO die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers anzunehmen sei. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles könne eine Ausnahme von der Regelvermutung nach dieser Vorschrift nicht angenommen werden. Unter anderem könne aus dem zeitlichen Ablauf seit der Tathandlung nicht hergeleitet werden, dass die Prognose hinsichtlich der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit sich nur noch eingeschränkt auf die Verurteilung stützen könne. Auf der anderen Seite sprächen die Umstände für ein Erhärten der negativen Prognose. Da der Kläger unzuverlässig sei, reichten weder eine Verwarnung noch eine Befristung oder sonstige Auflagen aus, um der gesetzlichen Anforderung der Zuverlässigkeit gerecht zu werden.
Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Bewertung im angefochtenen Urteil könne aus dem Verhalten des Klägers eine positive Prognose geschlossen werden. Mit Ausnahme eines Vorgangs im April 2015 habe er sich bis zu diesem Zeitpunkt und danach nichts zu Schulden kommen lassen; er habe insbesondere in den Jahren nach dem ihm zur Last gelegten Urteil keinerlei Verstöße begangen, die auf eine Unzuverlässigkeit schließen ließen. Er habe sich damit eine „Bewährung“ in der Weise verdient, dass ihm die Möglichkeit zu bieten sei, unter angemessenen Auflagen und Einschränkungen seine Zuverlässigkeit unter Beweis zu stellen und das in ihn zu setzende Vertrauen zu rechtfertigen. Das Verwaltungsgericht habe im angefochtenen Urteil die Möglichkeit einer Ermessensentscheidung nicht gesehen, was fehlerhaft sei.
Aus diesen Darlegungen des Klägers ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Der Kläger macht nicht konkret geltend, dass trotz der Verurteilung vom 8. April 2016 die Regelvermutung des § 33 c Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 2 GewO nicht erfüllt und er nicht als gewerberechtlich unzuverlässig anzusehen wäre. Er hat keine besonderen Umstände vortragen, die trotz der einschlägigen Verurteilung eine andere Beurteilung zulassen würden (vgl. BayVGH, B.v. 25.9.2012 – 22 ZB 12.731 – juris Rn. 10 m.w.N.). Insbesondere ergeben sich aus seiner Antragsbegründung keine Argumente gegen die Bewertung des Verwaltungsgerichts, dass nicht bereits wegen des Zeitablaufs seit der strafrechtlichen Verurteilung ein von der Regelvermutung abweichender Ausnahmefall vorliegt. Das Verwaltungsgericht hat darauf hingewiesen, dass die Drei-Jahres-Frist im Sinne von § 33 c Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 2 GewO zwischen Verurteilung und Prognosezeitpunkt bei Erlass des Widerrufsbescheids nicht abgelaufen sei; selbst die Tathandlung im Jahre 2015 liege weniger als drei Jahre zurück. Weiter hat es angenommen, dass eine – abgesehen von der Verurteilung vom 8. April 2016 – anzunehmende Straffreiheit des Klägers nicht weiter ins Gewicht falle, weil es sich insoweit um den „gesetzlich zu fordernden Regelfall“ handele.
Diese Bewertungen stehen im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung. So hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Beschluss vom 9. Juli 1993 – 1 B 105/93 – juris Rn. 14 betreffend den Widerruf einer Maklererlaubnis ausgeführt, dass nicht ausgeschlossen sei, die gesetzliche Vermutung der Unzuverlässigkeit als widerlegt anzusehen, wenn zwar die betreffende gesetzliche Frist (dort fünf Jahre nach rechtskräftiger Verurteilung, vgl. § 34 c Abs. 2 Nr. 1 GewO) noch nicht abgelaufen ist, jedoch die Straftat – etwa nach einer langen Dauer des Strafverfahrens – sehr weit zurückliegt und der Betroffene sich seither straffrei geführt hat. Nachdem vorliegend zwischen der Straftatbegehung und der Widerrufsentscheidung schon keine drei Jahre im Sinne von § 33 c Abs. 2 Nr. 1 GewO vergangen sind, kann hier von einer sehr weit zurückliegenden Straftat keine Rede sein.
Zwar hat die zuständige Behörde unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit eines Widerrufs grundsätzlich zu prüfen, ob die Gefährdung des öffentlichen Interesses im Sinne des Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG auch durch ein milderes Mittel wie z.B. eine Abmahnung abgewendet werden kann (vgl. Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, Stand Oktober 2017, § 33 c Rn. 41 a). Es ergibt sich jedoch nicht aus den Darlegungen des Klägers und ist auch sonst nicht ersichtlich, inwieweit hier durch ein solches milderes Mittel die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers und damit die Gefährdung des öffentlichen Interesses ausgeräumt werden könnte. Auch ist nicht erkennbar, weshalb im Rahmen der Entscheidung nach Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG das Ermessen dahingehend auf Null reduziert sein könnte, dass „auf Bewährung“ von einem Widerruf der Erlaubnis nach § 33 c Abs. 1 GewO abzusehen wäre. Im Gegenteil wäre es ermessensfehlerhaft, trotz der Gefährdung des öffentlichen Interesses vorläufig auf einen Erlaubniswiderruf zu verzichten, um dem Kläger die Chance zu geben, die begründete Prognose möglicher künftiger Verstöße gegen gewerberechtliche Verpflichtungen zu widerlegen. Der gesetzlichen Regelvermutung nach § 34 c Abs. 2 Nr. 1 GewO liegt die Wertung zugrunde, dass es der Allgemeinheit im Falle einer gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit nicht zumutbar ist, das Risiko erneuter erheblicher Verfehlungen im Zusammenhang mit der erlaubnispflichtigen Tätigkeit zu tragen.
Unabhängig davon wäre es unter Umständen auch nicht möglich, eine „auf Bewährung“ belassene Erlaubnis erst dann zu widerrufen, wenn sich die negative Prognose durch spätere gewerberechtlicher Zuwiderhandlungen des Klägers bestätigen sollte. Der Erlaubniswiderruf ist nur möglich innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Behörde von Tatsachen, welche den Widerruf rechtfertigen (Art. 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Art. 49 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG). Würden nach Ablauf dieser Jahresfrist Verfehlungen des Klägers auftreten, welche für sich genommen keinen Erlaubniswiderruf rechtfertigen könnten, so wäre ein Widerruf gestützt auf die strafrechtliche Verurteilung vom 8. April 2016 nicht mehr möglich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 3 GKG i.V.m. Nr. 54.2.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (wie Vorinstanz).

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen