Verwaltungsrecht

Widerruf einer gaststättenrechtlichen Erlaubnis – Unzuverlässigkeit wegen strafrechtlicher Verurteilung

Aktenzeichen  22 ZB 16.725

Datum:
4.10.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 53474
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StGB § 56 Abs. 1, § 257c
GastG § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 2, § 31
GewO § 15 Abs. 2, § 35 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Das Verwaltungsgericht darf strafgerichtliche Feststellungen nur dann nicht ohne weitere Ermittlungen seiner Entscheidung zugrunde legen, wenn gewichtige Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit bestehen. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Verpflichtung zur Schadenswiedergutmachung und die Strafaussetzung zur Bewährung im strafgerichtlichen Verfahren hindern nicht die Annahme gewerberechtlicher Unzuverlässigkeit. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 K 15.506 2016-02-25 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Die Klägerin wendet sich gegen den Widerruf einer gaststättenrechtlichen Erlaubnis und die Untersagung des Betriebs der betreffenden Schank- und Speisewirtschaft durch Bescheid der Beklagten vom 12. März 2015. Diese stützte die Einschätzung der Klägerin als gaststättenrechtlich unzuverlässig (§ 15 Abs. 2 i. V. m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG) auf den einem rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts M. vom 20. Oktober 2014 zugrunde liegenden Sachverhalt. Mit diesem Urteil wurde der einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Klägerin wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt im Hinblick auf den Arbeitgeberanteil in 121 Fällen, davon in 110 Fällen in Tateinheit mit Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt bezüglich des Arbeitnehmeranteils, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. In den Urteilsgründen wird u. a. ausgeführt, dem Urteil liege eine Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten gemäß § 257c StPO zugrunde. Weiter wird festgestellt, der angeklagte Geschäftsführer habe in „seinen“ verschiedenen Firmen mehrere Arbeitnehmer beschäftigt, die er nicht zur Sozialversicherung angemeldet habe. Auch habe er geringfügig Beschäftigte nicht der Minijobzentrale gemeldet. Insgesamt drei im Urteil als Zeugen bezeichnete Personen waren in der Schank- und Speisewirtschaft der Klägerin als sogenannte „selbstständige Mietköche“ beschäftigt. Sie waren nach den strafgerichtlichen Feststellungen jeweils als Selbstständige gemeldet, tatsächlich handelte es sich jedoch um Arbeitnehmer der Klägerin. Zudem wurden bei der Klägerin drei weitere Personen zur Durchführung von Bauarbeiten beschäftigt, zeitweise geringfügig. Diese drei Personen hatten jeweils ein eigenes Gewerbe angemeldet, waren jedoch nach den Feststellungen im Strafurteil Arbeitnehmer der Klägerin. Infolge der unterbliebenen Anmeldung der im Einzelnen bezeichneten Arbeitsverhältnisse sind fünf Sozialversicherungsträgern Schäden entstanden, die im Urteil aufgelistet werden und einen Gesamtbetrag von 98.654,62 Euro ergeben.
Der Kläger erhob gegen diesen Bescheid Klage, die das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg mit Urteil vom 25. Februar 2016 abwies.
Hiergegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten.
II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, da sich weder aus den Darlegungen in der Antragsbegründung (vgl. zur deren Maßgeblichkeit § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) noch aus dem sonst berücksichtigungsfähigen Vorbringen des Klägers ergibt, dass die Voraussetzungen eines Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 VwGO erfüllt sind.
1. Aus den Darlegungen in der Antragsbegründung vom 13. Mai 2016 ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
a) Solche ernstlichen Zweifel bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B. v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163; BVerwG, B. v. 10.3.2004 – 7 AV 4/03 – NVwZ-RR 2004, 542). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (BVerfG, B. v. 8.12.2009 – 2 BvR 758/07 – NVwZ 2010, 634/641; in Eyermann/Happ, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 62 f. m. w. N.). Gemessen daran sind hier keine ernstlichen Zweifel dargelegt.
b) Die Klägerin meint, im Falle einer Verständigung im Strafprozess nach § 257c StPO müsse dem vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil festgehaltenen Grundsatz, dass von den Feststellungen des strafgerichtlichen Urteils abgewichen werden kann, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel vorliegen, besondere Bedeutung zugemessen werden. Sie habe erstinstanzlich dargelegt, warum aufgrund der „verwaltungsakzessorischen“ Verurteilung bei einer Aufhebung der sozialverwaltungsrechtlichen Entscheidungen von Sozialversicherungsträgern Gründe für eine strafgerichtliche Wiederaufnahme des Verfahrens bestünden. Aufgrund des in der sozialrechtlichen Literatur und sozialgerichtlichen Rechtsprechung äußerst umstrittenen Begriffs der Selbstständigkeit und der überzeugenden Ausführungen der Klägerin im sozialgerichtlichen Verfahren sei nicht ausgeschlossen, dass es in diesen Verfahren zu einer Aufhebung der dort angefochtenen Bescheide komme. Die Beklagte und das Verwaltungsgericht hätten zumindest summarisch prüfen müssen, ob die im sozialgerichtlichen Verfahren vorgetragenen Gründe zu einer Aufhebung der sozialverwaltungsrechtlichen Bescheide führen könnten, mit der Folge der Wiederaufnahme des strafgerichtlichen Verfahrens. Diese Prüfung sei jedoch vollständig unterblieben. Aus diesen Darlegungen der Klägerin ergeben sich indes keine Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils.
Das Verwaltungsgericht ist in dieser Entscheidung (UA S. 10) in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (B. v. 26.2.1997 – 1 B 34/97 – GewArch 1997, 242 Rn. 10) und des Verwaltungsgerichtshofs (B. v. 24.9.2015 – 22 ZB 15.1722 – Rn. 10) von dem Grundsatz ausgegangen, dass es strafgerichtliche Feststellungen nur dann ausnahmsweise nicht ohne weitere Ermittlungen zugrunde legen darf, wenn gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen sprechen, insbesondere im Fall neuer Tatsachen oder Beweismittel, die nach § 359 Nr. 5 StPO die Zulässigkeit eines Wiederaufnahmeverfahrens begründen würden. Gründe für eine solche Ausnahme seien im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Dass die Verurteilung hier auf einer Verständigung nach § 257c StPO beruhe, führe nicht zu einer anderen Bewertung. Diesen Ausführungen ist die Klägerin nicht mit schlüssigen Argumenten entgegen getreten.
Aus den Darlegungen der Klägerin ergibt sich bereits nicht konkret, weshalb die Bewertung des Strafgerichts im Urteil vom 20. Oktober 2014, bei den dort bezeichneten Zeugen habe es sich nicht um Selbstständige gehandelt, unrichtig sein könnte. Auch hat sie zwar behauptet, jedoch nicht nachvollziehbar dargelegt, dass das Geständnis ihres Geschäftsführers im Strafprozess ausschließlich aus strafprozesstaktischen Gründen als nur „formales Anerkenntnis“ abgegeben worden wäre und dem Geständnis deshalb bei der richterlichen Beweiswürdigung keine oder eine nur geringere Bedeutung zukommen dürfte (vgl. zu diesen Anforderungen BayVGH, B. v. 20.7.2016 – 22 ZB 16.284 – Rn. 16 m. w. N.).
Abgesehen davon spricht gegen eine rein prozesstaktische Funktion des Geständnisses, dass der Geschäftsführer der Klägerin offensichtlich bereits frühzeitig im Strafverfahren davon ausgegangen ist, dass er die ihm zur Last gelegten Tatvorwürfe nicht entkräften kann. Bereits zu Beginn der Hauptverhandlung am 8. September 2014 (vgl. Verhandlungsprotokoll, S. 2) wurde seitens der Verteidigung ein Gespräch gemäß § 257c StPO angeregt und vorgetragen, dass sich möglicherweise hinsichtlich der Strafbarkeit im Tatkomplex betreffend einen Beschäftigten „noch Unwägbarkeiten“ befänden; die Rentenversicherung prüfe derzeit den Arbeitnehmerstatus dieser einen Person. Es bestehe Bereitschaft, Schadenswiedergutmachung zu leisten, außer im Fall des vorgenannten Beschäftigten. Daraus ist zu schließen, dass der Geschäftsführer die Strafbarkeit jedenfalls hinsichtlich der Tatkomplexe betreffend die weiteren fünf Beschäftigten zu diesem Zeitpunkt nicht angezweifelt hat. Im Nachforderungsbescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 16. September 2016 wurde dann begründet, weshalb bei allen sechs Beschäftigten der sozialversicherungsrechtliche Status als Arbeitnehmer vorliegt.
Auch hat die Klägerin nicht dargetan, welche neuen Tatsachen vorliegen, die nicht bereits im rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren hätten geltend gemacht werden können, und weshalb grundsätzlich ein Wiederaufnahmegrund nach § 359 Nr. 5 StPO in Betracht kommen könnte. Das gilt insbesondere für tatsächliche Umstände, die für eine selbstständige Tätigkeit der betreffenden Personen sprechen könnten. Eine pauschale Bezugnahme auf entsprechenden erstinstanzlichen Vortrag der Klägerin (Schriftsatz vom 13.5.2016, S. 4, 2. Absatz) genügt insoweit nicht. Im Übrigen enthalten die von der Klägerin genannten Schriftsätze konkretere Ausführungen nur zu einer der insgesamt fünf Personen, die dem Urteil vom 20. Oktober 2014 zufolge bei der Klägerin abhängig beschäftigt waren. Auch hierzu wurde jedoch nicht dargelegt, inwieweit es sich um neue Tatsachen im vorgenannten Sinn handeln könnte. Dagegen spricht im Übrigen, dass der Kläger bereits im Strafprozess Zweifel an der Arbeitnehmereigenschaft des genannten Beschäftigten geäußert hat, wie vorstehend bereits ausgeführt. Aus einer nur aus Sicht der Klägerin möglicherweise abweichenden künftigen Beurteilung des Sachverhalts durch einen Sozialversicherungsträger oder durch ein Sozialgericht kann sich jedenfalls derzeit kein Wiederaufnahmegrund ergeben. Ferner hat die Klägerin auch nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich, woraus sich hinsichtlich der Frage der Selbstständigkeit der bei ihr beschäftigten Personen eine weitergehende Bindung der strafgerichtlichen Beurteilung an Entscheidungen von Sozialversicherungsträgern oder Sozialgerichten ergeben sollte.
c) Erhebliche Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils ergeben sich auch nicht aus der Rüge der Klägerin, das Verwaltungsgericht hätte bei der Überprüfung der Zuverlässigkeitsprognose die zu ihren Gunsten sprechenden Aspekte nur unzureichend berücksichtigt.
Das Verwaltungsgericht (UA S. 11) hat die von der Beklagten angestellte negative Prognose zur gaststättenrechtlichen (Un-)Zuverlässigkeit der Klägerin vor allem mit der Überlegung bestätigt, dass sich aufgrund der Anzahl der von ihrem Geschäftsführer begangenen Taten und des längeren Tatzeitraums eine einmalige, persönlichkeitsfremde Verfehlung ausschließen lasse. Ebenso ergebe sich die negative Prognose aus der Tatsache, dass die Tathandlungen bei zwei verschiedenen Anlässen im Rahmen zweier Gewerbebetriebe erfolgt seien. Die Strafaussetzung zur Bewährung im strafgerichtlichen Urteil führe zu keiner anderen Bewertung, da die strafrechtliche Sozialprognose vorliegend nur auf die fehlenden Vorstrafen des Geschäftsführers und dessen Schadenswiedergutmachung sowie wirtschaftlich geordnete Verhältnisse gestützt worden sei. Dies sei nicht ausreichend, um zu einer positiven gewerberechtlichen Prognose zu gelangen. Auch eine Wiedergutmachung des Schadens führe nicht zu einer positiven Prognose, wenn sie im Rahmen der Verständigung in erster Linie erfolgt sei, um Strafaussetzung zur Bewährung oder Ähnliches zu erlangen.
Die Klägerin wendet ein, ihr Geschäftsführer habe sein früheres, strafrechtlich geahndetes Verhalten umgehend und nicht im Hinblick auf ein späteres gaststättenrechtliches Verfahren beendet. Das Verwaltungsgericht lasse offen, wie es zur Auffassung gelangt sei, dass die Schadenswiedergutmachung mit dem Ziel einer Strafaussetzung zur Bewährung erfolgt sei. Rückständige Sozialversicherungsbeiträge habe er sofort bezahlt; er sei wirtschaftlich auch leistungsfähig. Die frühere Praxis zur Beschäftigung von Beiköchen auf selbstständiger Basis sei weit verbreitet gewesen; der Geschäftsführer der Klägerin sei zum damaligen Zeitpunkt hinsichtlich schwieriger sozialversicherungsrechtlicher Fragen möglicherweise einer Fehleinschätzung unterlegen. Die Tatbegehung liege auch bereits weit zurück. Zudem hätte die Strafaussetzung zur Bewährung positiv berücksichtigt werden müssen. Diese Darlegungen lassen jedoch keine erheblichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung hervortreten.
Dass das Verwaltungsgericht nicht auf alle von der Klägerin im Zusammenhang mit der Zuverlässigkeitsprognose als bedeutsam angesehenen Umstände näher eingegangen ist, lässt nicht darauf schließen, dass es diese von vornherein nicht in Betracht gezogen hätte, sondern zeigt, welchen (anderen) Aspekten es ausschlaggebende Bedeutung zugemessen hat. Die Schadenswiedergutmachung hat das Verwaltungsgericht im Rahmen der Unzuverlässigkeitsprognose nicht deshalb als wenig aussagekräftig angesehen, weil sie im Hinblick auf ein gaststättenrechtliches Verfahren, sondern weil sie im Rahmen der strafprozessualen Verständigung erfolgt ist, mit anderen Worten zur Abwehr noch schwererer strafrechtlicher Sanktionen. Es konnte hier auch ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass der Geschäftsführer der Klägerin mit der Schadenswiedergutmachung im Wesentlichen auch die im Rahmen der Verständigung nach § 257c StPO eingegangene Verpflichtung (vgl. S. 2 des Protokolls über die Fortsetzung der strafgerichtlichen Hauptverhandlung am 29.9.2014) erfüllen wollte. Im Übrigen entsprach der Geschäftsführer mit der Nachzahlung zur Sozialversicherung einer Zahlungspflicht aufgrund des Bescheides der Deutschen Rentenversicherung vom 16. September 2014; es handelte sich damit nicht um eine freiwillige oder besonders frühzeitige Zahlung.
Auch musste das Verwaltungsgericht hier bereits im Hinblick auf die Feststellungen im strafgerichtlichen Urteil vom 20. Oktober 2014 nicht in Betracht ziehen, dass die Anmeldung der Beschäftigten zur Sozialversicherung und bei der Minijobzentrale aufgrund eines Rechtsirrtums unterblieben sein könnte, dem der Geschäftsführer wegen einer weit verbreiteten Praxis unterlegen wäre, wie die Klägerin andeutet. Das Verwaltungsgericht durfte vielmehr von der Feststellung im strafgerichtlichen Urteil ausgehen, dass die Anmeldung der jeweiligen Beschäftigten als Selbstständige in der Absicht erfolgte, die Pflicht zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen zu umgehen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit dieser strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen sprechen würden und diese deshalb nicht ohne weiteres zugrunde gelegt werden dürften. Ferner wurde bereits im angefochtenen Bescheid vom 12. März 2015 (S. 10, Nr. 14) darauf hingewiesen, dass der Beklagten keine ähnliche Fallkonstellation in ihrem Zuständigkeitsbereich bei Gaststätten bekannt war. Sollte es hier früher von der Gaststättenbehörde nicht erkannte Missstände gegeben haben, worauf der Vortrag der Klägerin hindeuten mag, so wäre dies kein Grund, der für die Klägerin spräche.
Auch ist nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht bei der Prognose zur Frage der gaststättenrechtlichen Zuverlässigkeit nicht maßgeblich auf die erfolgte Strafaussetzung zur Bewährung abgestellt hat. Wie der Verwaltungsgerichtshof zuletzt in einem Beschluss vom 20. Juli 2016 (22 ZB 16.284 – juris Rn. 17 m. w. N.) näher dargelegt hat, rechtfertigt eine günstige, die Aussetzung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung rechtfertigende Sozialprognose nicht zwingend die Annahme einer gewerberechtlichen (bzw. hier gaststättenrechtlichen) Zuverlässigkeit. § 56 Abs. 1 Satz 1 StGB und § 35 Abs. 1 GewO liegen nach einhelliger Rechtsprechung unterschiedliche Gefahrenmaßstäbe zugrunde. Die Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung kann daher für die gewerberechtliche Beurteilung nicht bindend, sondern für die Zuverlässigkeitsprognose nur von tatsächlichem Gewicht sein (BayVGH, B. v. 2.7.2014 – 22 CS 14.1186 – Rn. 16 m. w. N.). Andere Umstände des Einzelfalls können den Ausschlag geben, wie in der gerade genannten Entscheidung der Eindruck einer niedrigen Hemmschwelle bei der Begehung von Rechtsverstößen, der nicht den einzig möglichen Fall darstellt. Die Klägerin hat nicht konkret dargelegt, welche Gründe, die hier zur Strafaussetzung zur Bewährung geführt hätten, vom Verwaltungsgericht unberücksichtigt geblieben sind. Sie hat auch nicht schlüssig begründet, woraus sich hier ergeben würde, dass das Strafgericht im Urteil vom 20. Oktober 2014 (dort Nr. III, S. 12) die aus seiner Sicht für die Strafaussetzung zur Bewährung maßgeblichen Gründe nur unvollständig angegeben hat.
Auch ist nachvollziehbar, dass das Verwaltungsgericht trotz fehlender Vorstrafen und einer Schadenswiedergutmachung im Hinblick auf die Anzahl der vom Geschäftsführer der Klägerin begangenen Taten und des längeren Tatzeitraums eine einmalige, persönlichkeitsfremde Verfehlung ausgeschlossen hat. Wie der Verwaltungsgerichtshof in einem insoweit vergleichbaren Fall (einer Vielzahl von über mehrere Jahre hinweg begangenen Einzeltaten im Zusammenhang mit der Gewerbeausübung und einer zunächst erheblichen Schadenssumme) ausgeführt hat (B. v. 25.9.2012 – 22 ZB 12.731 – GewArch 2013, 35/36 Rn. 10), sind in einem solchen Fall eher ein Mangel an Unrechtsbewusstsein und eine gewisse Gewöhnung an das fehlerhafte Verhaltensmuster zu befürchten, die sich wieder bemerkbar machen können, wenn der Druck auf den Geschäftsführer der Klägerin nachlässt, der durch das laufende Strafverfahren oder das gewerbe- bzw. gaststättenrechtliche Widerrufsverfahren verursacht worden ist.
d) Weiter hat die Klägerin die Ergebnisrichtigkeit des angefochtenen Urteils nicht mit der Behauptung in Frage gestellt, es liege ein Ermessensausfall bei der Untersagung der Fortsetzung des Gaststättenbetriebs (§ 31 GastG i. V. m. § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO) vor.
Die Klägerin meint, die Bezeichnung des Adressaten der Untersagungsverfügung im Rahmen der Ermessenserwägungen des Bescheids vom 12. März 2015 könne nicht als offenbare Unrichtigkeit berichtigt werden, da sich diese Erwägungen ersichtlich nicht auf die Klägerin beziehen würden. Sie verfehlt damit die Begründung des angefochtenen Urteils. Das Verwaltungsgericht (UA S. 12) hat die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit gerade darauf gestützt, dass im Zusammenhang mit dem Tenor des Bescheides und der vorhergehenden und nachfolgenden Begründung ersichtlich sei, welcher Adressat hinsichtlich der Untersagungsverfügung gemeint sei; insbesondere aus dem Tenor sei dieser ersichtlich. Die Klägerin hat sich mit diesen Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht substantiiert auseinandergesetzt. Sie hat auch nicht schlüssig dargelegt, weshalb das Verwaltungsgericht mit dieser Auslegung des Bescheids die Grenzen richterlicher Bescheidsauslegung überschritten hätte (vgl. hierzu näher unter 1. c)).
2. Die Klägerin hat schließlich nicht dargelegt, dass ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
Sie führt hierzu aus, das Verwaltungsgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil es ihren Vortrag nicht ausreichend bei seiner Entscheidung berücksichtigt habe. Dies betreffe den Vortrag der Klägerin bezüglich der Besonderheiten der Verständigung im Strafprozess, einer zumindest summarischen Prüfung der sozialversicherungsrechtlichen Vorfragen und der umfassenden Berücksichtigung relevanter Umstände bei der Prognose zur gaststättenrechtlichen Zuverlässigkeit. Dies trifft nicht zu bzw. ergibt sich zumindest nicht aus dem Zulassungsvorbringen. Der Vortrag zu den sozialversicherungsrechtlichen Vorfragen war aus der – insofern maßgeblichen – materiellrechtlichen Sicht des Verwaltungsgerichts nicht entscheidungserheblich. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass hinsichtlich der für die Zuverlässigkeitsprognose maßgeblichen Verletzung sozialversicherungsrechtlicher Zahlungspflichten maßgeblich auf die strafgerichtlichen Feststellungen abgestellt werden konnte und folglich eigene sozialversicherungsrechtliche Prüfungen nicht veranlasst waren (vgl. oben 1. b)). Weiter hat die Klägerin nicht schlüssig dargelegt, woraus sich ergibt, dass das Verwaltungsgericht die von der Klägerin angedeuteten Umstände der strafprozessualen Verständigung und aus ihrer Sicht für ihre Zuverlässigkeit sprechende Gründe nicht zur Kenntnis genommen hätte. Im Regelfall ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegen genommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Deshalb müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen wurde oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. BVerfG, B. v. 16.7.1997 – 2 BvR 570/96 – m. w. N.). Dies zeigt die Klägerin nicht auf. Soweit die Klägerin beanstandet, das Verwaltungsgericht habe den maßgeblichen Sachverhalt unzutreffend gewürdigt, wendet sie sich gegen die richterliche Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 VwGO) und macht keinen Verfahrensmangel geltend (Eyermann/Happ, VwGO, 14. Aufl. 2014, Rn. 48 zu § 124a).
Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.
Streitwert: §§ 47, 52 Abs. 1 GKG, Nr. 54.1 des Streitwertkatalogs 2013.

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