Aktenzeichen B 6 S 17.949
AufenthG § 42 Abs. 2 Nr. 5, § 60a Abs. 6 S. 1 Nr. 2
Leitsatz
Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Eilantrag entfällt, da die Gestattung einer Beschäftigung in einem unlösbaren engen Zusammenhang mit der der abgelaufenen konkreten Duldung steht und damit unabhängig vom dem streitgegenständlichen Widerruf durch Zeitablauf unwirksam geworden ist. (Rn. 16 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
4. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt … wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der 1986 geborene Antragsteller ist äthiopischer Staatsangehöriger. Die Klage gegen die Ablehnung seines Asylantrags wurde mit rechtskräftigem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 14.09.2015 abgewiesen (B 2 K 14.30441). Dem Tatbestand des Urteils ist zu entnehmen, der Schleuser habe sämtliche Papiere des Antragstellers einbehalten (Gerichtsakte Asyl Seite 66). Zudem ist dem Urteil zu entnehmen, dass zahlreiche Umstände gegen die Glaubwürdigkeit des Antragstellers sprechen (Asylakte Seite 72). Dem Fragenkatalog zur Identitätsklärung vom 05.03.2012 ist zu entnehmen, er, der Antragsteller, sei mit einem gefälschten äthiopischen Reisepass nach Deutschland eingereist. Deshalb habe er seine eigenen Personaldokumente nicht mitbringen können. Er besitze einen Kebele Ausweis und habe diesen bei seinem Onkel … zurückgelassen. Er werde sich bemühen, seinen Personalausweis in Kürze nachzureichen (Behördenakte Seite 7/8).
Wegen seiner Passlosigkeit erhielt der Antragsteller ab 19.11.2015 fortlaufend Duldungsbescheinigungen (Behördenakte Seite 206 ff.). Ebenso regelmäßig wurde er schriftlich auf seine Passpflicht hingewiesen (siehe etwa Schreiben vom 19.11.2015, Behördenakte Seite 207 f.).
Mit Schreiben vom 07.04.2016 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zur beabsichtigten Ablehnung seines Antrags vom 27.01.2016 auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis an (Behördenakte Seite 218). Bei einer Vorsprache am 20.05.2016 wurden dem Antragsteller erneut die Pflichten zur Passbeschaffung erläutert und dem Aktenvermerk nach gab er an, dass er über einen Vertrauensanwalt Identifikationsdokumente besorgen werde (Behördenakte Seite 228).
Der Verfügung der Antragsgegnerin vom 08.06.2016 (Behördenakte Seite 233) ist zu entnehmen, dass der Antragsteller am 08.06.2016, ausgehändigt am 13.06.2016, die Verlängerung der Duldung bis 08.09.2016 erhielt mit der „Auflage“: Beschäftigung gestattet. Handschriftlich ist hinzugefügt: „Mit der Einschaltung des Vertrauensanwalts zur Geburtsurkundenbeschaffung wurden die Mitwirkungspflichten erfüllt, § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG“. Diese Duldung wurde einschließlich Beschäftigungsgestattung mit Verfügung vom 20.09.2016 bis 20.12.2016 verlängert (Behördenakte Seite 242).
Am 30.08.2016 kündigte die bisherige Arbeitgeberin dem Antragsteller zum 10.09.2016 (Behördenakte Seite 251). Mit Verfügung vom 29.12.2016 wurde die Duldung des Antragstellers mit Beschäftigungsgestattung bis zum 29.03.2017 verlängert. Mit Verfügung vom 14.06.2017 erfolgte eine entsprechende Verlängerung bis 14.09.2017 (Behördenakte Seite 268). Am 13.09.2017 sprach der Antragsteller bei der Behörde vor und gab ausweislich einer Niederschrift vom selben Tage an, er sei nicht bereit, bei der Passbeschaffung mitzuwirken. Er werde sich weder an die Äthiopische Botschaft wenden, noch einen Vertrauensanwalt beauftragen. Er habe keine Verwandten in Äthiopien mehr und lebe seit sechs Jahren in Deutschland und sehe keine Notwendigkeit, einen neuen Vertrauensanwalt zu beauftragen. Mit Verfügung vom 13.09.2017 wurde die Duldung des Antragstellers mit Beschäftigungsgestattung bis zum 18.12.2017 verlängert (Behördenakte Seite 278 f.).
Mit Schreiben vom 13.09.2017 (Behördenakte Seite 276) wurde der Antragsteller dazu angehört, dass die Antragsgegnerin beabsichtigte, seine allgemeine unbefristete Beschäftigungserlaubnis zu widerrufen. Die Behörde sei aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen nicht mehr berechtigt, ihm eine Beschäftigungserlaubnis zu erteilen (§ 60a Abs. 6 Nr. 2 AufenthG).
Mit Bescheid vom 09.11.2017 widerrief die Antragsgegnerin die „allgemeine unbefristete Beschäftigungserlaubnis“ des Antragstellers mit sofortiger Wirkung. Der Widerruf wird auf Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG gestützt und insbesondere darauf, dass dem Antragsteller derzeit nach dem allgemeinen Erwerbstätigkeitsverbot des § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG eine Beschäftigungserlaubnis wegen fehlender Mitwirkung bei der Passbeschaffung und der Identitätsklärung nicht mehr habe erteilt werden können. Auf die Ausführungen des Bescheids wird verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 05.12.2017 wandte sich der Antragsteller, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, an das Bayer. Verwaltungsgericht Bayreuth und beantragte in der Hauptsache, den Bescheid vom 09.11.2017 aufzuheben (B 6 K 17.950). Zudem wurde beantragt,
die aufschiebende Wirkung dieser Klage anzuordnen.
Weiterhin wurde Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten beantragt.
Zur Begründung wurde vorab darauf hingewiesen, dass das Vollziehungsinteresse hier zurückstehen müsse, denn der Bescheid sei offensichtlich materiell rechtswidrig, weil die Ermessensausübung von falschen tatsächlichen Voraussetzungen ausgehe. Die Behauptungen über die Straffälligkeit des Antragstellers stünden in eklatantem Widerspruch zur Wahrheit. Die einzige Strafe zu der der Antragsteller verurteil worden sei, sei die im Bescheid erwähnte Geldstrafe wegen des Vorwurfs des Hausfriedensbruchs. Die Ermessensausübung basiere daher auf einer falschen Tatsachengrundlage, so dass der Bescheid schon deshalb rechtswidrig sei.
Mit Schriftsatz vom 13.12.2017 beantragte die Antragsgegnerin, den Antrag abzuweisen.
Zur Begründung wurde auf den Akteninhalt verwiesen und darauf, dass die Ermessenausübung zum Widerruf der Beschäftigungserlaubnis rechtmäßig sei. Es sei weder die Identität des Antragstellers geklärt, noch wirke er bei der Passbeschaffung bzw. Identitätsklärung hinreichend mit. Unabhängig von rechtskräftigen Verurteilungen lasse das Verhalten des Antragstellers auch durch das Auftreten gegenüber den Mitarbeitern im Ausländeramt erkennen, dass er nicht gewillt sei, sich an die deutsche Rechtsordnung anzupassen und in die vorhandenen Strukturen einzufügen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich der Antragsteller derzeit in keinem bestehenden Beschäftigungsverhältnis befinde, seien auch keine unverhältnismäßigen Beeinträchtigungen durch die sofortige Vollziehbarkeit der Widerrufsentscheidung der Ausländerbehörde erkennbar.
Ergänzend wird auf die vorgelegte Behördenakte und die Gerichtsakte B 6 K 17.950 und B 6 S 17.949 verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 09.11.2017 hat keinen Erfolg.
Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist statthaft. Nachdem die Klage gegen den Widerruf der „allgemeine unbefristete Beschäftigungserlaubnis“ mit Bescheid vom 09.11.2017 gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG keine aufschiebende Wirkung hat (weiter Begriff der Nebenbestimmung im Anwendungsbereich des Aufenthaltsgesetzes, siehe Funke-Kaiser, in: GK AufenthG § 84 Rn. 82 ff.; vgl. auch § 4 Rn. 103 und § 60a Rn. 31 ff.); der entsprechende Hinweis zum Abschluss des Bescheids vom 09.11.2017 ist zutreffend.
Der Antrag ist jedoch nicht (mehr) zulässig, da das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers entfallen ist. Der Antragsteller kann durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage nichts gewinnen, weil die Gestattung seiner Beschäftigung – zuletzt Bestandteil der am 13.09.2017 bis zum 18.12.2017 verlängerten Duldung (Behördenakte Seite 278 f.) – unabhängig vom dem streitgegenständlichen Widerruf durch Zeitablauf unwirksam geworden ist (§ 43 Abs. 2 BayVwVfG).
Diese zeitliche Begrenzung beruht auf den strukturellen Prinzipien und Geltungsbedingungen von Beschäftigungserlaubnissen. Auch wenn dies nicht ausdrücklich im Aufenthaltsgesetz zum Ausdruck gebracht wird, ist davon auszugehen, dass die Beschäftigungserlaubnis immer in einem unlösbaren engen Zusammenhang mit dem (anderen nicht zur Erwerbstätigkeit berechtigenden) konkreten Aufenthaltstitel oder der konkreten Duldung steht, ohne dass eine auflösende Bedingung beigefügt werden müsste. Dies schließt es nicht aus, dass die Geltungsdauer einer Beschäftigungserlaubnis ausdrücklich kürzer bemessen wird, als die des Titels oder der Duldung selbst. Eine über den Titel oder die Duldung in zeitlicher Hinsicht hinausweisende Erlaubnis, wie sie noch nach dem früheren selbstständigen Arbeitserlaubnisverfahren denkbar war, ist dem Aufenthaltsgesetz hingegen fremd (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, U.v. 10.7.2017 – 11 S 695/17 – Rn. 29, juris). Konkret bedeutet dies, dass die Gestattung der Beschäftigung zusammen mit der Duldung abläuft und – gegebenenfalls – im Rahmen der Verlängerung der Duldung über die weitere Gestattung der Beschäftigung neu zu entscheiden ist (siehe VGH Baden-Württemberg a.a.O. Rn. 30).
Bei der erstmals am 08.06.2016 – also bereits nach neuer Rechtslage und insbesondere unter Geltung des § 60a Abs. 6 AufenthG – in die bis zum 08.09.2016 verlängerte Duldung aufgenommene Regelung „Beschäftigung gestattet“ handelt es sich gerade nicht um eine „allgemeine unbefristete Beschäftigungserlaubnis“, deren Geltungsdauer gegebenenfalls durch ein Widerruf zu begrenzen wäre. Vielmehr wurde nach zutreffender Rechtsansicht mit den nachfolgenden Duldungsverlängerungen auch jeweils eine entsprechende Verlängerung der Beschäftigungsgestattung ausgesprochen. Folglich ist mit dem Ablauf der Geltungsdauer der am 13.09.2017 bis zum 18.12.2017 erteilten Duldung auch die Gestattung der Beschäftigung des Antragstellers abgelaufen, ohne dass es auf die streitgegenständliche Widerrufsentscheidung noch ankäme.
Lediglich ergänzend und ohne dass es für diese Entscheidung noch darauf ankommt, sei jedoch darauf hingewiesen, dass das Gericht im Ergebnis keine Bedenken in Hinblick auf die Ermessensausübung im Bescheid vom 09.11.2017 hätte (§ 114 VwGO).
2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 1 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG (halber Auffangstreitwert).
4. Aufgrund der vorangehenden Ausführungen unter 1. sind hinreichende Aussichten der Rechtsverfolgung gemäß § 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO und § 121 Abs. 2 ZPO zu verneinen.