Aktenzeichen B 5 K 15.66
Leitsatz
Die Beeinträchtigung dienstlicher Interessen als Grund für den Widerruf einer Nebentätigkeitsgenehmigung darf nicht allein nach abstrakten und generellen Gesichtspunkten, sondern muss unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Dies würde sogar im Fall der Erteilung der Nebentätigkeitsgenehmigung gelten, für die nur die „Besorgnis“ der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen ausreicht. (redaktioneller Leitsatz)
Die Besorgnis der Beeinträchtigung ist berechtigt, wenn bei verständiger Würdigung der gegenwärtig erkennbaren Umstände unter Berücksichtigung der erfahrungsgemäß zu erwartenden Entwicklung eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen wahrscheinlich ist (wie BVerwGE 60, 254 = BeckRS 1980, 30707085). (redaktioneller Leitsatz)
Die Gerichte müssen beachten, dass die dienstlichen Interessen des Dienstherrn auch durch verwaltungspolitische Entscheidungen oder Eignungsurteile geprägt werden, die nur einer beschränkten gerichtlichen Nachprüfung unterliegen (wie BVerwGE 120,382 = NVwZ-RR 2004, 863). (redaktioneller Leitsatz)
§ 99 II 3 BBG lässt sich keine konkretisierbare Einengung der bisherigen Grenzen zulässiger Nebentätigkeiten entnehmen. Es handelt sich vielmehr um einen Hinweis darauf, dass auch außerhalb der konkreten Versagungsbeispiele der Schutz der gebotenen vollen Dienstleistung insbesondere anhand der dort genannten Kriterien (Art, Umfang, Dauer und Häufigkeit) zu prüfen bleibt. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Bescheid der Direktion Bundesbereitschaftspolizei vom 10. November 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Direktion Bundesbereitschaftspolizei vom 14. Januar 2015 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
4. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Über die Streitsache kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Direktion Bundesbereitschaftspolizei vom 10. November 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Direktion Bundesbereitschaftspolizei vom 14. Januar 2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Rechtsgrundlage für den Widerruf der Genehmigung ist § 99 Abs. 4 Satz 3 Bundes-beamtengesetz (BBG): Ergibt sich eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen nach Erteilung der Genehmigung, ist diese zu widerrufen. Die Vorschrift geht davon aus, dass eine einmal rechtmäßig erteilte Nebentätigkeitsgenehmigung rechtmäßig bleibt, auch wenn nachträglich eine Besorgnis der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen eintreten sollte. Der Widerruf der Genehmigung ist in diesem Fall gesetzlich vorbehalten, aber nur für den Fall, dass eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen tatsächlich eintritt (Plog/Wiedow, BBG, Stand Juni 2015, § 65 BBG alt, Rn. 22).
Eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen kann zwar dann vorliegen, wenn Versagungsgründe nach § 99 Abs. 2 Satz 2 BBG gegeben sind, wenn also die Nebentätigkeit (§ 99 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BBG) den Beamten in einen Widerstreit mit den dienstlichen Pflichten bringen kann oder (§ 99 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 BBG) dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung abträglich sein kann. Ein Versagungsgrund liegt nach § 99 Abs. 2 Satz 3 BBG auch dann vor, wenn sich die Nebentätigkeit wegen gewerbsmäßiger Dienst- oder Arbeitsleistung oder sonst nach Art, Umfang, Dauer oder Häufigkeit als Ausübung eines Zweitberufs darstellt.
Aber auch hier darf die Beeinträchtigung dienstlicher Interessen nicht allein nach abstrakten und generellen Gesichtspunkten, sondern muss unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Dies würde sogar im Fall der Erteilung der Nebentätigkeitsgenehmigung gelten, für welchen nur die „Besorgnis“ der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen ausreicht. Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Besorgnis der Beeinträchtigung berechtigt ist, wenn bei verständiger Würdigung der gegenwärtig erkennbaren Umstände unter Berücksichtigung der erfahrungsgemäß zu erwartenden Entwicklung eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen wahrscheinlich ist – BVerwG, U. v. 26.06.1980 – 2 C 37/78 – BVerwGE 60, 254 (256). Bei den Versagungsgründen handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die verwaltungsgerichtlich voll nachprüfbar sind. Es besteht weder ein Beurteilungsspielraum noch eine Ermessensspielraum des Dienstherren (BVerwG, U. v. 30.06.1976 – VI C 46.74 – ZBR 1977, 27). Allerdings haben die Gerichte zu respektieren, dass die dienstlichen Interessen auch durch verwaltungspolitische Entscheidungen oder Eignungsurteile des Dienstherren geprägt werden, die nur einer beschränkten gerichtlichen Nachprüfung unterliegen (BVerwG, U. v. 29.04.2004 – 2 C 21/03 – BVerwGE 120,382 f.)
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist der Widerruf der genehmigten Nebentätigkeit „Werbung auf Honorarbasis“ des Klägers rechtswidrig. Soweit die Beklagte sich auf den Widerstreit mit dienstlichen Interessen beruft, ist es zwar richtig, dass eine Ansehensschädigung noch nicht tatsächlich eingetreten sein muss. Dies eröffnet dem Dienstherren aber dennoch nicht einen weitreichenden Ermessensspielraum. Nach den oben genannten Grundsätzen des Bundesverwaltungsgerichts müsste zumindest ein vernünftiger Grund bestehen, dass eine Beeinträchtigung voraussichtlich eintreten wird. Beispielsfälle für solche zu erwartenden Beeinträchtigungen können sein, dass der Beamte dienstliche Kenntnisse unbefugt verwerten könnte oder die Tätigkeit als solche ansehensmindernde Außenwirkung haben kann. Dies kann sich z. B. aus der Art der Tätigkeit ergeben (z. B. unsittliche oder strafbare Tätigkeiten) oder aus dem zu erwartenden Umfang oder der Höhe der Vergütung für diese Tätigkeit (Plog/Wiedow, BBG, Stand Juni 2015, § 65 BBG alt, Rn. 17, 21). Der Kläger hat in seinem Widerspruch ausgeführt, dass sich die Nebentätigkeit weder hinsichtlich der Arbeitszeit erhöht hat, noch der Art nach verändert hat. Die Gründung erfolgte allein aus haftungsrechtlichen Gründen. Aus diesem Grund hat der Rechtsform des Einzelunternehmens in eine UG stattgefunden. Dies hat die Beklagte nicht bestritten, sondern ist dem nur dadurch entgegen treten, dass eine Geschäftsführertätigkeit nach allgemeiner Lebenserfahrung mit Führungsverantwortung verbunden ist, weshalb sie in der Öffentlichkeit den Eindruck eines Hauptberufs vermittle. Da für das Vorliegen des Versagungsgrundes die Beweislast beim Dienstherren liegt, hätte ausgeführt werden müssen, warum der Rechtsformwechsel gerade in diesem Fall dazu führt, dass es zu einem Widerstreit mit dienstlichen Interessen kommt.
Auch § 99 Abs. 2 Satz 3 BBG lässt keine konkretisierbare Einengung der bisherigen Grenzen zulässiger Nebentätigkeiten entnehmen. Es handelt sich um einen hervorzuhebenden Hinweis darauf, dass auch außerhalb der konkreten Versagungsbeispiele der Schutz der gebotenen vollen Dienstleistung insbesondere anhand der dort genannten Kriterien (Art, Umfang, Dauer und Häufigkeit) zu prüfen bleibt (Plog/Wiedow, BBG, Stand Juni 2015, § 65 BBG alt, Rn. 21 b). Eine solche Prüfung nach Art, Umfang, Dauer und Häufigkeit hat im konkreten Fall des Klägers nicht stattgefunden. Vielmehr hat sich die Beklagte auf die allgemeine Lebenserfahrung berufen, die für das Gericht so nicht nachvollziehbar ist, da nach allgemeiner Lebenserfahrung zwar in einigen Fällen eine Geschäftsführertätigkeit zu einem erhöhten Umfang der Tätigkeit führen kann, aber in anderen Fällen eine Umwandlung der Rechtsform von einem Einzelunternehmen zu einer GmbH oder UG auch allein aus haftungsrechtlichen Gründen ohne Ausweitung der Tätigkeit erfolgen kann. Es wäre Aufgabe der Beklagten im Verwaltungsverfahren, den geäußerten Verdacht in irgendeiner Form zu erhärten.
Die Nebentätigkeitsgenehmigung war zudem nicht auf eine Tätigkeit als Arbeitsnehmer beschränkt, da eine freiberufliche Tätigkeit beantragt wurde. Eine Beschränkung auf eine bestimmte Rechtsform ist der Genehmigung nicht zu entnehmen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war gem. § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, weil das Verfahren schwierige Sach- und Rechtsfragen aufwarf und dem Kläger daher nicht zugemutet werden konnte, das Widerspruchsverfahren selbst zu betreiben.
3. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).
4. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO liegen nicht vor.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach § 124 und § 124a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung die Zulassung der Berufung beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth,
Hausanschrift: Friedrichstraße 16, 95444 Bayreuth oder
Postfachanschrift: Postfach 110321, 95422 Bayreuth,
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Stellung des Antrags auf Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgericht erster Instanz. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4, 5 VwGO sowie in den §§ 3 und 5 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz bezeichneten Personen und Organisationen.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München oder
Postfachanschrift in München: Postfach 340148, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach,
einzureichen.
Es wird darauf hingewiesen, dass die Berufung nur zuzulassen ist,
1. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 4.800 Euro festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Der Kläger hat bei seinem Antrag auf Verlängerung der Nebentätigkeitsgenehmigung sein zu erwartendes Entgelt mit 400 EUR monatlich angegeben. Laut Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist der Gesamtbetrag der Einkünfte aus der Nebentätigkeit, höchstens der Jahresbetrag anzunehmen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth,
Hausanschrift: Friedrichstraße 16, 95444 Bayreuth oder
Postfachanschrift: Postfach 110321, 95422 Bayreuth,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Die Frist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München oder
Postfachanschrift in München: Postfach 340148, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach,
eingeht.
Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.