Verwaltungsrecht

Widerruf einer Stellvertretererlaubnis zum Waffenhandel wegen Unzuverlässigkeit des Stellvertreters

Aktenzeichen  M 7 S 17.4280

Datum:
19.12.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5
WaffG WaffG § 21a, § 45 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Ist der Stellvertreter waffenrechtlich unzuverlässig, ist der Widerruf der Stellvertretererlaubnis rechtmäßig; dies gilt auch dann, wenn der Inhaber der Stellvertretererlaubnis mangels eigener Fachkunde für den Weiterbetrieb eines Waffenhandels auf einen Stellvertreter angewiesen ist. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen den Widerruf einer ihr für ihren Ehemann erteilten Stellvertretererlaubnis zum Waffenhandel.
Der Antragstellerin wurde durch die Antragsgegnerin am 27. Oktober 2009 eine auf ihren Ehemann (einem gelernten Büchsenmacher) lautende Stellvertretererlaubnis zum Betrieb eines Waffenhandels im Gebiet der Antragsgegnerin ausgestellt.
Am 31. Januar 2017 verurteilte das Amtsgericht München (Az. 1116 Ds 267 Js 133938/16) den Ehemann (Stellvertreter) der Antragstellerin wegen vorsätzlichen Überlassens einer erlaubnispflichtigen Schusswaffe an einen Nichtberechtigten gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 7, § 34 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 2 Nr. 1 Waffengesetz – WaffG – i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 zum WaffG zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 40 Euro. Laut Urteilsbegründung verkaufte der Ehemann der Antragstellerin am 24. März 2014 in seinem Waffengeschäft (gemeint ist der Waffenhandelsbetrieb der Antragstellerin) einem Dritten eine Selbstladebüchse Erma M1 Kaliber .22 lr, obwohl er als Waffenhändler und geprüfter Büchsenmacher wusste, dass der Käufer nur im Besitz einer sog. gelben Waffenbesitzkarte für Sportschützen und damit nicht Inhaber der für den Erwerb dieser halbautomatischen Langwaffe erforderlichen waffenrechtlichen Erlaubnis war. Der Ehemann der Antragstellerin (Angeklagte) räumte ein, dass er sich die entsprechenden Unterlagen nicht genau angesehen hat; dem Urteil folgend hat er damit billigend in Kauf genommen, dass die erforderliche Erlaubnis nicht für den Erwerb der Waffe ausreicht. Auf Berufung der Staatsanwaltschaft änderte das Landgericht München I mit seit 29. Mai 2017 rechtskräftigem Urteil (Az. 24 Ns 267 Js 133938/16) vom selben Tag das o.g. Urteil des Amtsgerichts München im Rechtsfolgenausspruch ab und verurteilte den Ehemann der Antragstellerin zu 150 Tagessätzen zu je 20 Euro.
Mit Schreiben vom 18. Juli 2017 hörte die Antragsgegnerin die Antragstellerin an und teilte ihre Absicht mit, aufgrund des Strafurteils und des diesem zugrundeliegenden Sachverhalts die der Antragstellerin erteilte, auf ihren Ehemann lautende Stellvertretererlaubnis zu widerrufen.
Mit am 11. August 2017 zugestelltem Bescheid vom 8. August 2017 widerrief die Antragsgegnerin die am 27. Oktober 2009 erteilte Stellvertretererlaubnis (Nr. 1 des Bescheids). Weiter gab sie der Antragstellerin auf, die Stellvertretererlaubnis binnen einer Frist von zwei Wochen nach Bescheidszustellung bei der Antragsgegnerin abzugeben (Nr. 2 des Bescheids), ordnete insoweit die sofortige Vollziehung an (Nr. 3 des Bescheids) und drohte für die nicht fristgerechte Rückgabe der Stellvertretererlaubnis ein Zwangsgeld in Höhe von 500 Euro an (Nr. 4 des Bescheids). Zudem erhob sie von der Antragstellerin Gebühren und Auslagen in Höhe von 152,19 Euro (Nr. 5 des Bescheids).
Zur Begründung des Widerrufs verwies die Antragsgegnerin auf die Verurteilung des Ehemanns der Antragstellerin. Daraus ergebe sich seine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit, so dass auch die auf ihn lautende Stellvertretererlaubnis zu widerrufen sei. Die Rückgabeverpflichtung der Stellvertretererlaubnis ergebe sich aus
§ 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG. Die angeordnete sofortige Vollziehbarkeit der Rückgabe liege im überwiegenden öffentlichen Interesse; die diesbezügliche Androhung eines Zwangsgeldes ergebe sich aus Art. 29 ff. Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz – VwZVG. Die erhobenen Kosten würden auf den einschlägigen Kostenvorschriften beruhen.
Ebenfalls mit Bescheid vom 8. August 2017 untersagte die Antragsgegnerin dem Ehemann der Antragstellerin den Erwerb und den Besitz von erlaubnispflichtigen und erlaubnisfreien Waffen und solcher Munition.
Mit am 8. September 2017 bei Gericht eingegangenem Schreiben erhob die Antragstellerin Anfechtungsklage (Az. M 7 K 17.4279) gegen den an sie gerichteten Bescheid vom 8. August 2017 und beantragte zudem u.a., eine einstweilige Anordnung, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen; die Sofortvollziehung aufzuheben und Einstellung aller angeordneten Zwangsmaßnahmen.
Nach Ansicht der Antragstellerin leide der Bescheid an inhaltlichen Mängeln. Der beschriebene Sachverhalt entspreche nicht den Tatsachen, die erfolgte Bestrafung beruhe auf einem Fehler. Das ausgesprochene Verbot sei daher nicht rechtmäßig, zumal die Waffen seit 2000 im Waffenhandelsbetrieb nach dem vorgeschriebenen Verwahrkonzept gelagert worden und auch sonst keine Umstände ersichtlich seien, welche eine Regelvermutung der Unzuverlässigkeit ihres Ehemanns rechtfertigen würden. Der Sachbearbeiter der Antragsgegnerin, der nach einer Waffenkontrolle den zur Verurteilung führenden Sachverhalt angezeigt habe, kenne das Ehepaar schon lange und habe genau gewusst, welche Auswirkungen der Inhalt eines solchen vorverurteilenden und sich objektiven Aussagen verweigernden Schreibens habe.
Mit Schriftsatz vom 26. September 2017 beantragte die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen, und verteidigte ihren Bescheid unter Verweis auf die dort angeführte Argumentation.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren, in den Verfahren M 7 K 17.4279, M 7 K 17.4277 und M 7 S. 17.4278 sowie die vorgelegten Behördenakten in den genannten Verfahren ergänzend Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Der Antrag ist sachdienlich dahingehend auszulegen (§ 86 Abs. 1 und 3, § 88 VwGO i.V.m. dem Rechtsgedanken der §§ 133, 157 BGB), dass die aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren M 7 K 17.4279 hinsichtlich der Nrn. 1, 4 und 5 des Bescheids vom 8. August 2017 angeordnet (vgl. § 45 Abs. 5 und Abs. 2 Satz 1 i.V.m § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 WaffG, Art. 21a Satz 1 VwZVG, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 VwGO) und hinsichtlich dessen Nr. 2 wiederhergestellt (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) werden soll. Damit wäre das verfolgte Rechtsschutzziel der Antragstellerin inklusive „Einstellung von Vollstreckungsmaßnahmen“ vollumfänglich erfüllt, weil der Bescheid bei Stattgabe des Antrags nicht mehr vollstreckbar wäre, Art. 19 Abs. 1 VwZVG.
2. Der so zu verstehende Antrag ist unbegründet.
2.1 Die Antragsgegnerin hat das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Nr. 2 des Bescheids vom 8. August 2017 unter Verweis auf das hohe öffentliche Sicherheitsinteresse im Bereich des Waffenrechts den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechend begründet (vgl. zu den – nicht zu hoch anzusetzenden – Anforderungen im Einzelnen Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 43).
2.2 Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei seiner Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem kraft Gesetzes bestehenden beziehungsweise von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten der Hauptsache als wesentliches, wenn auch nicht alleiniges Indiz für die vorzunehmende Interessenabwägung zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Hauptsacherechtsbehelf offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer (dann reinen) Interessenabwägung.
Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt die summarische Prüfung, dass keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 8. August 2017 bestehen, so dass dieser die Rechte der Antragstellerin voraussichtlich nicht verletzt und die Hauptsacheklage mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
2.2.1 Der in Nr. 1 des Bescheids verfügte Widerruf der Stellvertretererlaubnis ist rechtmäßig.
Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine nach dem Waffengesetz erteilte Erlaubnis, vorliegend also die Stellvertretererlaubnis, zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Nach § 21a Satz 3 i.V.m. § 21 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 1 WaffG ist eine Stellvertretererlaubnis zu versagen, wenn der Stellvertreter nicht die erforderliche waffenrechtliche Zulässigkeit nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 i.V.m. § 5 WaffG besitzt.
Der Stellvertreter (Ehemann) der Antragstellerin ist waffenrechtlich unzuverlässig nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c WaffG, weil der von ihm am 24. März 2014 vorgenommene Verkauf und seine anschließend im Rahmen des Straf-, Verwaltungs- und verwaltungsgerichtlichen Verfahrens getätigten Einlassungen die Annahme rechtfertigen, dass er Waffen oder Munition Personen überlassen wird, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind. Zudem ist er gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c WaffG waffenrechtlich unzuverlässig, weil er aufgrund eines Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen, mithin weit mehr als 60 Tagessätzen, verurteilt worden ist und keinerlei Anhaltspunkte zu erkennen sind, welche die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c WaffG widerlegen könnten. Im Einzelnen wird dazu vollumfänglich auf die Gründe im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts vom 19. Dezember 2017 – Az. M 7 S. 17.4278 – verwiesen, der das ebenfalls mit Bescheid vom 8. August 2017 gegenüber dem Ehemann der Antragstellerin verfügte Waffenbesitz- und Erwerbsverbot (s.o.) und damit die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Stellvertreters der Antragstellerin zum Gegenstand hat.
Der Widerruf ist auch nicht unverhältnismäßig. Zwar ist die Antragstellerin mangels eigener Fachkunde (§ 21 Abs. 1 Alt. 2, Abs. 3 Nr. 3 WaffG) für den Weiterbetrieb ihres Waffenhandels auf einen Stellvertreter angewiesen. Es ist allerdings kein milderes, aber gleich effektives Mittel ersichtlich, mit dem die von ihrem Ehemann aufgrund seiner waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit ausgehende Gefahr beseitigt werden könnte. Da der Antragstellerin zudem die Möglichkeit offen steht, eine Erlaubnis für einen anderen Stellvertreter zu beantragen, ist der Widerruf auch angemessen.
2.2.2 Die in Nr. 2 des Bescheids verfügte Verpflichtung zur Herausgabe der Stellvertretererlaubnis ergibt sich aus § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG. Für eine Rechtswidrigkeit der in Nr. 4 des Bescheids verfügten Zwangsgeldandrohung und der in Nr. 5 vorgenommenen Kostenentscheidung ist nichts ersichtlich und auch nichts vorgetragen.
2.3 Damit überwiegt das öffentliche Interesse am Vollzug des verfahrensgegenständlichen Bescheids vom 8. August 2017. Gründe, die im Wege einer ergänzenden Interessenabwägung ausnahmsweise trotz der mangelnden Erfolgsaussichten der Hauptsache für eine Anordnung beziehungsweise Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung sprechen würden, sind nicht ersichtlich (vgl. dazu auch die Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit unter 2.2.1).
3. Damit war der Antrag insgesamt abzulehnen. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz – GKG – i.V.m. Nrn. 50.4, 54.2.1 und 1.5 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Da das vorliegende Verfahren nicht eine Waffenhandelserlaubnis an sich, sondern eine Stellvertretererlaubnis zum Gegenstand hat, wurde die Empfehlung Nr. 54.2.1 auf 10.000 Euro reduziert, so dass sich i.V.m. Empfehlung Nr. 1.5 ein Streitwert von 5.000 Euro ergibt.

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