Aktenzeichen 24 CS 20.1010
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b, § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 45 Abs. 2, Abs. 5
VwGO § 80 Abs. 5
Leitsatz
1. Ein wegen fehlender Zuverlässigkeit zum Widerruf der Erlaubnis zum Besitz von Waffen führender Verstoß gegen waffenrechtliche Verhaltensregeln liegt vor, wenn der Inhaber der waffenrechtlichen Erlaubnis vorübergehend nicht in der Lage war, die von ihm offen mitgeführten Schusswaffen gegen Verlust bzw. Diebstahl zu sichern, sei es alkoholbedingt, sei bedingt durch eine diabetische Ketoazidose im Zusammenspiel mit Alkoholgenuss. (Rn. 12) (Rn. 16) (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 6 WaffG erfasst alle in der Person liegenden Gesundheitsstörungen, die negativen Einfluss auf den Umgang mit Waffen haben können. Hierzu gehören auch Fälle, in denen sich aus gesundheitlichen Gründen eine negative Verhaltensprognose in Bezug auf den Umgang mit Waffen ergibt (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WaffG). (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit ist auch jagdrechtlich ein Versagungsgrund. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
4. In Fällen der gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung sind die Gerichte – neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache – zu einer Einzelfallbetrachtung grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 7 S 19.6049 2020-04-09 Bes VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 20.250 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 5. November 2019, in dem u.a. seine waffenrechtlichen Erlaubnisse widerrufen und sein Jagdschein eingezogen wurden.
Den jagd- und waffenrechtlichen Maßnahmen des Landratsamtes vorangegangen war ein Vorfall am Morgen des 24. August 2019, an dem der Antragsteller aufgrund eines Zeugenhinweises von der Polizei gegen 7:00 h mit geöffnetem Gürtel und in Besitz seines Jagdgewehres mit dazugehörigem Magazin und Patronen im Straßengraben liegend aufgefunden wurde. Sein angeblich auf der Jagd mitgeführter Revolver befand sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in dem ursprünglich von ihm am Gürtel angebrachten Holster, weswegen der Antragsteller davon ausging, ihn verloren zu haben. Eine Absuche des in Frage kommenden Geländes durch die Polizei im Beisein des Antragstellers blieb ergebnislos. Der Antragsgegner ging wegen der beim Auffinden des Antragstellers von allen anwesenden Zeugen und der Polizei wahrgenommen Alkoholfahne des Antragstellers und unter Berücksichtigung der amtsärztlichen Einschätzung davon aus, dass übermäßiger Alkoholgenuss Grund für die Ausfallerscheinungen des Antragstellers war. Der an Diabetes mellitus Typ II erkrankte Antragsteller trug dagegen zunächst vor, die Ausfallerscheinungen seien wahrscheinlich auf einen Zustand der Unterzuckerung, ausgelöst durch seine Nulldiät, zurückzuführen. Später wurde an diesem Vortrag nicht mehr festgehalten und nach Rücksprache mit dem Hausarzt des Antragstellers als Grund für den plötzlich auftretenden Kreislaufkollaps und den anschließenden Verwirrtheitszustand des Antragstellers am 24. August 2019 eine durch Flüssigkeitsmangel und Diät ausgelöste Überzuckerung angeführt, die wiederum dazu führen könne, dass Aceton ausgeatmet werde, dessen Geruch leicht mit einer Alkoholfahne verwechselt werde.
Mit Bescheid vom 5. November 2019 widerrief der Antragsgegner die Waffenbesitzkarte, den Europäischen Feuerwaffenpass und den Kleinen Waffenschein des Antragstellers, erklärte dessen Jagdschein für ungültig, zog ihn unter Anordnung des Sofortvollzuges ein und erließ weitere waffenrechtliche Nebenanordnungen.
Das Verwaltungsgericht München hat den entsprechenden Eilantrag gegen den Bescheid des Antragsgegners mit Beschluss vom 9. April 2020 abgelehnt. Der Vorfall am 24. August 2019 rechtfertige die Prognose, dass der Antragsteller auch zukünftig mit Waffen und Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese nicht sorgfältig verwahren werde, weshalb die Annahme seiner waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG gerechtfertigt sei. Dabei könne dahinstehen, ob der körperliche Zustand, in dem sich der Antragsteller am Morgen des 24. August 2019 befand, auf Alkoholgenuss zurückzuführen sei oder sich als Folge der vom Antragsteller verursachten fehlenden Nahrungs- und/oder Flüssigkeitsaufnahme bzw. seiner Diabeteserkrankung darstelle. Denn auch im letztgenannten Fall wäre dem eingetretenen körperlichen Zustand ein vorwerfbares Fehlverhalten im Umgang mit der vorhandenen Erkrankung vorangegangen.
Hiergegen richtet sich die am 30. April 2020 eingelegte Beschwerde. Der Antragsteller hat beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 5. November 2019 hinsichtlich der Ziffer 2. anzuordnen und hinsichtlich der Ziffern 1., 3. und 4. wiederherzustellen.
Er macht geltend, der Beschluss des Verwaltungsgerichts verletze seinen Anspruch auf rechtliches Gehör und stelle eine unzulässige Überraschungsentscheidung dar. Das Gericht habe sich bei der Ablehnung des Antrags auf ihm unbekannte und unzutreffende Zitate und Fundstellen aus dem Internet zum Thema Heilfasten und Diabetes und auf den Inhalt eines Beipackzettels zu einem Medikament, das der Antragsteller gar nicht einnehme, gestützt und behaupte unzutreffend, die vom Antragsteller durchgeführte Nulldiät sei ohne Absprache mit einem Arzt erfolgt. Dem Antragsteller sei hiervon ausgehend fälschlicherweise im Zusammenhang mit der Diät und mit dem Umgang seiner Krankheit ein vorwerfbares Verhalten unterstellt worden. Die diesbezüglichen Vorwürfe des Gerichts basierten auf unzutreffenden Tatsachen. Das Interesse des Antragstellers, der u.a. auch Mitglied im Bayerischen Jagdverband-Landesjagdverband Bayern e.V. sei und Jagdschüler in der Waffenhandhabung ausbilde, überwiege das öffentliche Interesse, zumal sich der Gesundheitszustand des Antragstellers erheblich verbessert habe, so dass nicht angenommen werden könne, dass sich der Vorfall wiederhole.
Der Antragsgegner verteidigt den angegriffenen Beschluss.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung abzuändern oder aufzuheben.
1. Die im Rahmen des vorliegenden Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Interessenabwägung fällt zu Ungunsten des Antragstellers aus. Die Frage der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Erlaubnis zum Besitz von Waffen wegen fehlender Zuverlässigkeit, der von Gesetzes wegen sofort vollziehbar ist (vgl. § 45 Abs. 5 WaffG), sowie der aus gleichem Grund erfolgten Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins ist bei der im vorläufigen Rechtsschutz nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offen zu bewerten. Unter Berücksichtigung der im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Argumente kann eine Aussage über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts nicht mit der erforderlichen Sicherheit getroffen werden (1.1.). Ausgehend von einem offenen Verfahrensausgang führt die vorzunehmende Interessenabwägung dazu, dass das Vollzugsinteresse des Antragsgegners das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt (1.2.).
1.1. Die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren sind nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung offen.
Als Rechtsgrundlage der Anordnung des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnisse nennt der streitgegenständliche Bescheid § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Danach ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zwingend zu widerrufen, ohne dass der Behörde Ermessen eingeräumt wäre, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Einen solchen Versagungsgrund normiert § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, wonach die Erlaubnis voraussetzt, dass der eine waffenrechtliche Erlaubnis Beantragende die erforderliche Zuverlässigkeit gemäß § 5 WaffG und die persönliche Eignung gemäß § 6 WaffG besitzt.
Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG Personen nicht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden. Die in § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG normierten Fälle beschreiben im Hinblick auf die erforderliche Prognose Formen des Umgangs mit Waffen und Munition, die von vornherein im Hinblick auf den Gesetzeszweck spezifisch waffenrechtlich so bedenklich, nämlich in hohem Maße gefährlich für die Allgemeinheit sind, dass, anders als in den Fällen des § 5 Abs. 2 WaffG, eine Widerlegung im Einzelfall nicht zugelassen wird (sog. absolute Unzuverlässigkeit; vgl. hierzu BT-Drucks. 14/7758 S. 54). Bei der auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellenden Prognose ist der allgemeine Zweck des Gesetzes zu berücksichtigen, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren (§ 1 Abs. 1 WaffG), nämlich zum Schutz der Allgemeinheit diese vor den schweren Folgen eines nicht ordnungsgemäßen Umgangs mit Waffen zu bewahren (vgl. BT-Drucks. 14/7758 S. 51). Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2014 – 6 C 30/13 – juris Rn. 19; B.v. 31.1.2008 – 6 B 4.08 – juris Rn. 5; stRspr). Dabei ist in Anbetracht des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Regelungen und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, für die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich, sondern es genügt vielmehr eine hinreichende, auf der Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (BayVGH, B.v. 4.12.2013 – 21 CS 13.1969 – juris Rn. 14; B.v. 28.11.2013 – 21 CS 13.1758 – juris m.w.N.).
Bei dem Vorfall am 24. August 2019 liegt – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt – objektiv ein Verstoß gegen waffenrechtliche Verhaltensregeln vor, da der Antragsteller vorübergehend nicht in der Lage war, die von ihm offen mitgeführten Schusswaffen gegen Verlust bzw. Diebstahl zu sichern. Das Verwaltungsgericht weist zu Recht darauf hin, dass im Bereich des Waffenrechts strenge Regelungen bezüglich des Aufbewahrens, Führens und Transportierens von Waffen gelten und insbesondere der Grundsatz zu beachten ist, dass Waffen und Munition gegen den Zugriff unbefugter Dritter oder gegen Verlust geschützt werden müssen, so dass jegliche Art eines unbeaufsichtigten Ablegens nicht hingenommen werden könne.
Im Rahmen der Bewertung, ob das Geschehen auch die Prognose rechtfertigt, dass der Antragsteller auch zukünftig nicht vorsichtig oder sachgemäß mit Waffen und Munition umgehen werde, kommt es weiter auf eine Vorwerfbarkeit des objektiven Verstoßes in dem Sinne an, dass der Antragsteller hätte erkennen können, dass er möglicherweise in einen Zustand geraten würde, der es ihm unmöglich machen würde, waffenrechtlichen Anforderungen zu genügen. Nach Aktenlage ist davon auszugehen, dass die Desorientierung des Antragstellers, die zu dem waffenrechtlich nicht hinnehmbaren Verhalten geführt hat, entweder allein aufgrund von Alkoholgenuss oder aber im Zusammenspiel von Alkoholgenuss und der bestehenden Erkrankung des Antragstellers eingetreten ist. Denn es liegt auf der Hand, dass der Antragsteller im Laufe der fraglichen Nacht zumindest einen Teil des Inhalts der in seinem Rucksack mitgeführten Schnaps- bzw. Likörflasche konsumiert hat. Hierfür sprechen die deutlichen alkoholtypischen Ausfallerscheinungen, die von den mit der Sache befassten Polizeibeamten und den als Zeugen vernommenen Jagdkollegen des Antragstellers übereinstimmend geschildert wurden und der Umstand, dass der Antragsteller nicht plausibel erklären konnte, warum er eine nahezu leere Glasflasche mit hochprozentigem Inhalt in seinem Rucksack mitführte. Hinzu kommt die Verweigerung eines Atemalkoholtests durch den Antragsteller, den er tags darauf demgegenüber freiwillig absolvierte, was für eine Kenntnis seiner Alkoholisierung zum fraglichen Zeitpunkt spricht. Schließlich sprechen auch die Enthemmung des Antragstellers sowie der zutage getretene Rededrang (vgl. den polizeilichen Aktenvermerk vom 26. August 2019, Bl. 9 ff. d. BA) für einen hohen Alkoholkonsum (vgl. hierzu die amtsärztliche Stellungnahme vom 28. Oktober 2019, Bl. 85. d. BA). Gegen die Behauptung des Antragstellers, sein Zustand sei ausschließlich durch seine Nulldiät im Zusammenhang mit eingetretener Unterzuckerung und fehlender Nahrungs- bzw. Flüssigkeitsaufnahme hervorgerufen worden, spricht klar der Umstand, dass sich sein Zustand trotz fehlender Glukosezufuhr gebessert hat (vgl. die amtsärztlichen Stellungnahmen vom 28. Oktober 2019, Bl. 85. d. BA und vom 10. Januar 2020, Bl. 87 f. d. BA).
Ob der Antragsteller Alkohol nur in einem solchen Maß konsumiert hat, das seine waffenrechtliche Zuverlässigkeit für sich genommen noch nicht infrage stellen würde, kann mangels der Feststellung des genauen Grades seiner Alkoholisierung nicht mit hinreichender Sicherheit beurteilt werden. Es ist nicht auszuschließen, dass die Desorientierung (auch) durch eine diabetische Ketoazidose oder andere, durch seine Stoffwechselerkrankung bedingte Reaktionen verursacht wurde, die durch diese Vorerkrankung im Zusammenhang mit Alkoholkonsum hervorgerufen wurden (vgl. hierzu die amtsärztlichen Stellungnahmen vom 28. Oktober 2019, Bl. 85. d. BA und vom 10. Januar 2020, Bl. 87 f. d. BA). Ob der Antragsteller vorhersehen konnte, dass er durch seinen in der fraglichen Nacht getätigten Alkoholkonsum, der für sich genommen möglicherweise noch nicht für die Annahme der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit ausreichen würde, in einen derart desorientierten Zustand verfallen würde, der waffenrechtlich nicht mehr hinnehmbar ist, ist nach derzeitigem Sachstand offen und bedarf ggf. der weiteren Aufklärung im Hauptsacheverfahren.
Darüber hinaus liegt es im Bereich des Möglichen, dass der Antragsteller in Anbetracht seiner Krankheit und den deutlich vorhandenen Anzeichen für seine insoweit fehlende Adhärenz nicht die körperliche Eignung zum Führen von Waffen nach § 6 WaffG besitzt. Denn § 6 WaffG erfasst alle in der Person liegenden Gesundheitsstörungen, die negativen Einfluss auf den Umgang mit Waffen haben können (Begründung zum Gesetzesentwurf, BT-Drucks 14/755 8 S. 56). Hierzu gehören auch Fälle, in denen sich aus gesundheitlichen Gründen eine negative Verhaltensprognose in Bezug auf den Umgang mit Waffen ergibt (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WaffG).
Bedarf es demnach einer weiteren Aufklärung der tatsächlichen Umstände, sind die Erfolgsaussichten der Klage gegen den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse als offen zu bewerten. Dasselbe gilt für die Anordnung gemäß § 18 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG, den Jagdschein des Antragstellers für ungültig zu erklären und einzuziehen. Gemäß § 18 BJagdG ist die Behörde bei nachträglichem Eintritt von Versagungsgründen in den Fällen des § 17 Abs. 1 BJagdG verpflichtet, den Jagdschein für ungültig zu erklären und einzuziehen. § 17 Abs. 1 BJagdG bestimmt u.a., dass der Jagdschein solchen Personen zu versagen ist, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzen. § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG regelt darüber hinaus, dass bei Fehlen der Zuverlässigkeit oder persönlichen Eignung im Sinne der §§ 5 und 6 WaffG nur ein Jagdschein nach § 15 Abs. 7 (Falknerjagdschein) erteilt werden darf. Mithin ist die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit auch jagdrechtlich ein Versagungsgrund (vgl. BVerwG, U.v. 16.5.2007 – 6 C 24.06 – juris Rn. 67).
1.2. Kann nach alldem keine zuverlässige Prognose über den Verfahrensausgang getroffen werden, ist eine reine Interessenabwägung erforderlich (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332; B.v. 9.2.2018 – 21 CS 17.1964 – juris).
§ 45 Abs. 5 WaffG beseitigt von Gesetzes wegen (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage gegen den Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis wegen nachträglichen Wegfalls der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit. Der Gesetzgeber hielt in dieser Fallgruppe die Anordnung der sofortigen Vollziehung für dringend angezeigt. In derartigen Fällen sei im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung immer eine umgehende Beendigung des Waffenbesitzes geboten bzw. ein höherwertiges legitimes Interesse an einem weiteren Waffenbesitz bis zum Eintritt von Bestands- oder Rechtskraft (u.U. mehrere Monate oder Jahre) überhaupt nicht zu erkennen. Den berechtigten Belangen der Betroffenen könnte in Ausnahmefällen durch eine abweichende (Eil-) Anordnung der Verwaltungsgerichte Rechnung getragen werden (BT-Drucks. 16/7717, S. 33).
In Fällen der gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung unterscheidet sich die Interessenabwägung von derjenigen, die in den Fällen einer behördlichen Anordnung stattfindet. Während im Anwendungsbereich von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bei der Interessenabwägung die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers für die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen bedeutsam wird, ist in Fällen der Nummern 1 bis 3 zu beachten, dass hier der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Hat sich schon der Gesetzgeber für den Sofortvollzug entschieden, sind die Gerichte – neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache – zu einer Einzelfallbetrachtung grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. BVerfG, B.v. 10.10.2003 – 1 BvR 2025/03 – juris Rn. 21 f.).
Der Antragsteller hat insoweit keine Gründe vorgetragen, die auf besondere, über die im Regelfall mit der Anordnung sofortiger Vollziehung verbundenen Umstände hingewiesen hätten, aufgrund derer eine Abwägung zugunsten seiner privaten Interessen ausfallen müsste. Der im streitgegenständlichen Bescheid des Antragsgegners verfügte Widerruf der Waffenbesitzkarte, des Europäischen Feuerwaffenpasses und des Kleinen Waffenscheines des Antragstellers dient dem besonderen Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit an einem sicheren und zuverlässigen Umgang mit Schusswaffen und daher dem Schutz überragender Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit der Bevölkerung. Gegenüber diesem gewichtigen öffentlichen Interesse hat das rein private Interesse des Antragstellers an einer Aussetzung der Vollziehung weniger Gewicht. Sein berechtigtes Interesse – er lässt vortragen, er sei Ausbilder von Jagdschülern und unterstütze diese bei jagdlichen Schießübungen, sei Mitglied im Bayerischen Jagdverband und verhindere zudem die Ausbreitung der afrikanischen Schweinepest – hat der Antragsteller bereits nicht ausreichend substantiiert dargelegt.
Das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) aus Gründen der Gefahrenabwehr besteht regelmäßig auch für die nicht vom gesetzlich angeordneten sofortigen Vollzug erfassten, mit der Widerrufsentscheidung verbundenen notwendigen Anordnungen, die Waffen unbrauchbar zu machen oder sie einem Dritten zu übergeben (§ 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG) bzw. für die Anordnung der Rückgabe von Erlaubnisurkunden (§ 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG). Diese Folgeentscheidungen dienen der Umsetzung des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnisse und stellen die tatsächliche Umsetzung des Entzugs der formellen Erlaubnisberechtigung durch sofortige Abgabe von Waffen und Erlaubnisurkunden sicher (Lehmann, Aktuelles Waffenrecht‚ Stand Februar 2020, § 46 Rn. 19). Die Verpflichtung, die Waffenbesitzkarten zurückzugeben, folgt ebenso wie die Unbrauchbarmachung bzw. Abgabe der Waffen aus dem Widerruf der Waffenbesitzkarten. Nachdem der Widerruf der Waffenbesitzkarten kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, ist im Regelfall davon auszugehen, dass hinsichtlich der Folgeentscheidungen dem öffentlichen Vollzugsinteresse der Vorrang einzuräumen ist (vgl. BayVGH, B.v. 4.3.2016 – 21 CS 15.2718 – juris Rn. 17).
Bezogen auf die Einziehung des Jagdscheins besteht bei der vorzunehmenden Abwägung ebenfalls ein Vorrang des öffentlichen Vollzugsinteresses. Insoweit ist die sofortige Vollziehung – anders als im Waffenrecht – zwar nicht schon gesetzlich angeordnet, weil das Bundesjagdgesetz eine Vorschrift wie § 45 Abs. 5 WaffG nicht enthält. Allerdings ist das öffentliche Vollzugsinteresse bei einer Entziehung des Jagdscheins wegen Unzuverlässigkeit inhaltlich deckungsgleich mit demjenigen des waffenrechtlichen Widerrufs. Denn der Jagdschein berechtigt unter den in § 13 Abs. 3 bis Abs. 6 WaffG erfassten Umständen ebenfalls zum Umgang mit Waffen. Mithin besteht auch hier ein öffentliches Interesse, nach einer Entziehung wegen Unzuverlässigkeit den weiteren Umgang mit Waffen nicht bis zu einem bestands- bzw. rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens hinzunehmen, sondern diesen aus Gründen der Sicherheit und Ordnung, die in § 45 Abs. 5 WaffG die Grundlage des gesetzlichen Sofortvollzugs bilden, sofort zu unterbinden (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2011 – 21 CS 11.1226 – juris Rn. 7).
1.3. Einwendungen gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs oder die weiteren Verfügungen der angegriffenen Entscheidung werden mit der Beschwerde nicht geltend gemacht.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nrn. 1.5, 50.2 und 20.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 18. Juli 2013 (abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).