Aktenzeichen 21 CS 16.2322
WaffG WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. a, lit. c
VwGO VwGO § 146 Abs. 4 S. 6
Leitsatz
Die Mitgliedschaft in der Rockergruppierung Gremium MC rechtfertigt die Annahme der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
AN 14 S 16.462 2016-10-26 Bes VGANSBACH VG Ansbach
Tenor
I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III.
In Abänderung der Nr. 3 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 26. Oktober 2016 wird der Streitwert für beide Rechtszüge jeweils auf 7.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
1. Dem Antragsteller geht es darum, dass die aufschiebende Wirkung einer Klage angeordnet wird, die er gegen den Widerruf der ihm erteilten waffenrechtlichen Erlaubnisse und die dazu ergangenen Nebenentscheidungen erhoben hat.
Der Antragsteller ist einfaches (Voll-)Mitglied des Gremium Motor-Cycle Club (Gremium MC), Ortsgruppe (Chapter) …
Das Landratsamt … widerrief mit Bescheid vom 3. März 2016 die dem Antragsteller von der Stadt Nürnberg erteilten Waffenbesitzkarten (Nr. 26/97, 27/2005 und 14/2001), in die insgesamt 13 Schusswaffen eingetragen sind (Nr. 1). Es ordnete an, dass der Antragsteller die waffenrechtlichen Erlaubnisse spätestens vier Wochen nach Zustellung des Bescheids dem Landratsamt zu übergeben hat und dass er seine Schusswaffen an Berechtigte zu übergeben oder zu veräußern hat (Nr. 2). Für den Fall, dass der Antragsteller die unter Nr. 2 des Bescheids genannte Verpflichtung zur Rückgabe seiner Waffenbesitzkarten nicht fristgerecht erfüllt, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 Euro je Waffenbesitzkarte angedroht (Nr. 3). Die sofortige Vollziehung der Nr. 2 des Bescheids ordnete das Landratsamt nicht an.
2. Das Verwaltungsgericht Ansbach hat mit Beschluss vom 26. Oktober 2016 hinsichtlich der Nr. 3 des Bescheids (Zwangsgeldandrohung) die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet. Im Übrigen hat es den Eilantrag teils als unzulässig (Nr. 2 des Bescheids) und teils als unbegründet (Nr. 1 des Bescheids) abgelehnt.
Mit der Beschwerde wendet sich der Antragsteller dagegen, dass sein Antrag abgelehnt wurde, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 1 des Bescheids vom 3. März 2016 anzuordnen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Grundsatz beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben.
1. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass der Antragsteller waffenrechtlich unzuverlässig im Sinn des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und c WaffG ist, weil bei ihm Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werde und diese Gegenstände Personen überlassen werde, die nicht berechtigt sind, darüber die tatsächliche Gewalt auszuüben. Es hat dazu im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 28.1.2015 – 6 C 1.14 – NJW 2015, 3594) dargelegt, dass die Zugehörigkeit einer Person zu einer bestimmten Gruppe als Tatsache herangezogen werden könne, welche die Annahme der Unzuverlässigkeit rechtfertige. Die Mitgliedschaft des Antragstellers beim Gremium MC rechtfertige aufgrund bestimmter Strukturmerkmale dieser Gruppierung die Prognose, er werde künftig Verhaltensweisen im Sinn von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und c WaffG verwirklichen. Dazu hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Der Gremium MC sei eine Rockergruppierung, die in keiner Hinsicht das Potenzial für gewaltfreie Konfliktlösungen besitze. Er werde wie etwa die „Bandidos“ oder die „Hells Angels“ den so genannten Rockergruppen zugeordnet, die wiederum der Organisierten Kriminalität im Sinn von Art. 1 Abs. 3 BayVSG in Gestalt der Rockerkriminalität mit den Schwerpunkten im Rotlichtmilieu und dem Drogen- und Waffenhandel zugerechnet würden. Bei der Auslegung des Begriffs der missbräuchlichen Verwendung und der Bestimmung des Prognosemaßstabs sei nicht auf eine bestimmte Funktion oder einzelne Aktivitäten des Erlaubnisinhabers abzustellen. Maßgebend seien vielmehr folgende Strukturelemente: Die – auch für jedes Vollmitglied ohne Funktion geltende – lebenslange Zugehörigkeit und bedingungslose Loyalität gegenüber dem Motorcycle Club; eine in sonstigen gesellschaftlichen Gruppierungen nicht vorzufindende gegenseitige Verbundenheit der besonders restriktiv ausgewählten MC-Mitglieder; die Verzahnung und Vernetzung der einzelnen Chapter des Gremium MC durch ortsgruppenübergreifende hierarchische Strukturen; die Parallelen zwischen der Organisierten Kriminalität und den 1%er Rockergruppen (Begehung schwerer Straftaten, hierarchischer innerer Aufbau, interner Ehrenkodex mit strengen, ungeschriebenen Regeln, Durchsetzung von Gebietsansprüchen durch Gewaltanwendung, Macht- und Gewinnstreben sowie arbeitsteiliges Vorgehen). Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die wesentlichen Gründe, die für die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit von Outlaw Motorcycle Gang – Mitgliedern sprächen, in Bezug auf den Antragsteller nicht vorlägen. Wie sich aus der Behördenakte ergibt, bewege sich der Antragsteller schon längere Zeit im Umfeld des Gremium MC und damit in einem kriminellen Milieu.
1.1 Dem hält die Beschwerde entgegen, das gewaltsame Austragen von Konflikten sei beim Gremium MC – anders als bei den „Bandidos“ oder „Hells Angels“ – kein wesensprägendes Strukturmerkmal. Seit der Antragsteller Mitglied sei, habe der Gremium MC keinerlei Straftaten und schon gar nicht unter erheblicher Gewaltanwendung begangen. Der Antragsteller habe auch beim Gremium MC weder annähernd gleiche Strukturmerkmale wie bei den „Bandidos“ oder „Hells Angels“ feststellen können noch einen Ehrenkodex, der es gebiete, einander bei Konflikten auch mit Gewalt beizustehen.
Solche allgemeinen Ausführungen genügen nicht, um die Prognose des Verwaltungsgerichts ernstlich in Frage zu stellen, der Antragsteller besitze nicht mehr die waffenrechtliche Zuverlässigkeit. Das Verwaltungsgericht hat seine Feststellungen unter anderem auf die einschlägigen Inhalte der Verfassungsschutzberichte Bayern der Jahre 2009 bis 2015 sowie auf tatsächliche Feststellungen des Senats im Urteil vom 10. Oktober 2013 (21 BV 12.1280 – juris) gestützt. Die Beschwerde setzt sich damit nicht substantiiert auseinander.
Es ist auch weder vorgetragen noch offensichtlich, dass die vom Verwaltungsgericht berücksichtigten Tatsachen im maßgeblichen Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung (3.3.2016) keine Gültigkeit mehr besitzen. Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Januar 2016 (1 A 3.15 – juris) und die darin enthaltenen tatsächlichen Feststellungen weisen vielmehr in eine andere Richtung. Das Bundesverwaltungsgericht hat damit ein Vereinsverbot bestätigt, das der Bundesminister des Innern wegen Strafgesetzwidrigkeit gegen den Regionalverband Sachsen des Gremium MC ausgesprochen hat.
1.2 Die Beschwerde wendet unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens ein, der Antragsteller sei eine zuverlässige Person und bislang strafrechtlich sowie waffenrechtlich nicht negativ in Erscheinung getreten. Das widerlegt nicht die negative Prognose des Verwaltungsgerichts. Der Antragsteller hat mit dem Eintritt in den Gremium MC Tatsachen geschaffen, die zu einer Änderung der ursprünglichen Prognose führen müssen, der Antragsteller sei waffenrechtlich zuverlässig. Denn in Anbetracht der vom Verwaltungsgericht dargelegten Strukturmerkmale dieser Gruppierung besteht die Möglichkeit, dass auch solche Personen in gewaltsame szeneinterne Auseinandersetzungen hingezogen werden, die sich bislang rechtskonform verhalten haben (vgl. dazu auch BVerwG, U.v. 28.1.2015 – 6 C 1.14 – NJW 2015, 3594/3595).
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
3. Die Streitwertänderung und -festsetzung folgt aus § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nrn. 50.2 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. v. 18. Juli 2013 (abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, Anhang zu § 164 Rn. 14 – Streitwertkatalog 2013). Danach ist unabhängig von der Anzahl der im Streit befindlichen Waffenbesitzkarten einmalig 5.000,00 Euro für eine Waffenbesitzkarte einschließlich einer Waffe anzusetzen. Für jede weitere in den Waffenbesitzkarten eingetragene Waffe ist ein Betrag von 750,00 Euro hinzuzurechnen. Das führt für den Widerruf der Waffenbesitzkarten des Antragstellers zu einem Wert von 14.000,00 Euro (5.000,00 Euro + 12 x 750,00 Euro), der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren ist (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).