Verwaltungsrecht

Widerruf eines bestandskräftigen Pferdehaltungsverbots

Aktenzeichen  10 C 17.70

Datum:
20.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 19955
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 39 Abs. 1 S. 3, Art. 40, Art. 49 Abs. 1
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 3

 

Leitsatz

Es ist nicht zu beanstanden, wenn ein Pferdehaltungsverbot, das zur Abwehr von Gefahren erlassen wurde, die vor allem von der fehlenden Zuverlässigkeit des Halters im Hinblick auf die Einhaltung bestehender Verpflichtungen ausgelöst wurden, nicht widerrufen wird, weil der Halter keinerlei Einsicht in ein eigenes früheres Fehlverhalten erkennen lässt und gewichtige Anhaltspunkte bestehen, dass er nicht gewährleistet, rechtliche Verpflichtungen einzuhalten; die bloße Teilnahme an einem “Pferdehaltungs- und Pferdefahrlehrgang” ist nicht geeignet, die Gefahrprognose entscheidend zu verändern. (Rn. 13 und 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 15 K 16.01923 2016-12-13 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
Mit seiner Beschwerde verfolgt der Kläger seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe weiter.
Gegen den Kläger besteht ein mit bestandskräftigem Bescheid der Beklagten vom 23. September 2011 angeordnetes Verbot der Pferdehaltung (VG Ansbach, U.v. 26.1.2012 – AN 5 K 11.01867 – juris; BayVGH, B. v. 21.3.2014 – 10 ZB 12.740 – juris). Grund hierfür war, dass über Jahre hinweg Pferde des Klägers immer wieder ausgebrochen waren und gefährliche Situationen für Leben und Unversehrtheit anderer Personen herbeigeführt hatten. Anordnungen der Beklagten zur Haltung der Pferde und zu ihrer sicheren Unterbringung waren wirkungslos geblieben. Im gerichtlichen Verfahren wurde festgestellt, dass der Kläger „derzeit grundsätzlich für die Pferdehaltung ungeeignet“ sei und „auch in Zukunft eine sichere Pferdehaltung nicht gewährleisten können“ werde. Er habe sich über Jahre hinweg nicht nur geweigert, Ausbruchssicherungen an seinen Pferdekoppeln anzubringen, sondern habe es „ausdrücklich an jeglicher Mitwirkungsbereitschaft fehlen lassen, stattdessen die handelnden Personen noch verhöhnt“; es ergebe sich daher zur Überzeugung des Gerichts, dass „es der Kläger auch künftig an einem verantwortungsbewussten Umgang mit den Pferden fehlen lassen“ werde (VG Ansbach a.a.O., Rn. 26 f.).
Mit Schreiben vom 1. August 2016 beantragte der Kläger bei der Beklagten, das angeordnete Pferdehaltungsverbot aufzuheben. Diese lehnte den Antrag mit Bescheid vom 6. September 2016 ab.
Der Kläger erhob hiergegen Klage zum Verwaltungsgericht Ansbach und beantragte die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten.
Das Verwaltungsgericht lehnte mit Beschluss vom 13. Dezember 2016 den Antrag auf Prozesskostenhilfe ab, weil die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete.
Zwar komme ein Widerruf gemäß Art. 49 Abs. 1 BayVwVfG grundsätzlich in Betracht, doch unterliege die zu treffende Ermessensentscheidung gemäß § 114 Satz 1 VwGO nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Nach diesem Maßstab seien Ermessensfehler der Beklagten nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen für eine auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG gestützte Untersagungsanordnung lägen weiterhin vor. Es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger künftig zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit den Pferden in der Lage sein werde. Ein Umdenken in Bezug auf das Verhalten im Umgang mit Pferden und eine Einsicht in die bisherigen Verstöße seien beim Kläger gerade nicht erkennbar. Dass der Kläger auch nach dem Erlass des Pferdehaltungsverbots wiederholt Pferde gehalten habe, zeige, dass er nicht gewillt oder in der Lage sei, insoweit die Rechtsordnung zu respektieren und sein Verhalten danach auszurichten. Auch die Verstöße in jüngster Vergangenheit gegen die ihm gegenüber durch Bescheid angeordneten Hundehaltungspflichten, die im März 2015 sogar in eine Untersagung der Hundehaltung gemündet hätten (VG Ansbach, U.v. 24.3.2016 – AN 5 K 15.00601; BayVGH, B.v. 5.9.2016 – 10 ZB 16.998 – juris), belegten, dass sein Fehlverhalten keine bloßen Einzelfälle darstellten, bei denen zu erwarten sei, dass er sie künftig abstellen werde. Das Verhalten des Klägers dokumentiere vielmehr eine Gleichgültigkeit gegenüber der Einhaltung geltenden Rechts. Da zudem auch keine Verhaltensänderungen erkennbar seien, bestünden derzeit keine Anhaltspunkte, die es im Rahmen einer Prognose rechtfertigen würden, auf eine künftige Rechtstreue zu vertrauen.
Ein Widerruf des Pferdehaltungsverbots komme auch nicht deswegen in Betracht, weil der Kläger bereit sei, eine Abänderung unter Nebenbestimmungen, wie etwa die von ihm vorgeschlagene Herstellung einer ausbruchssicheren Koppel, hinzunehmen. Vor dem Hintergrund der vorliegenden Erkenntnisse und des klägerischen Verhaltens in der Vergangenheit sowie der fehlenden Zuverlässigkeit des Klägers stellten Nebenbestimmungen kein taugliches Mittel zur Unterbindung der weiterhin drohenden Gefahren dar. Die Gefahren für Leib und Leben, auf deren Beseitigung das 2011 verhängte Pferdehaltungsverbot maßgeblich abziele, beruhten nämlich gerade nicht nur auf dem Fehlen von Vorkehrungen zur sicheren Verwahrung der Pferde, sondern vor allem auch auf einem insoweit bestehenden Verhaltensdefizit des Klägers im Umgang mit diesen Tieren. So habe der Kläger des öfteren nicht zu gewährleisten vermocht, dass ihm die Pferde bei beaufsichtigten Einsätzen nicht ausreißen könnten, mit der Folge, dass entsprechende gefährliche Situationen verursacht worden seien. Aus diesem Grund helfe ihm auch die Ankündigung eines Verzichts auf die Haltung von Hengsten nicht weiter, zumal sich das Gefährdungspotential nicht nur auf die Hengste beschränkte. Vielmehr sei aus der im damaligen Klageverfahren vorgelegten veterinärmedizinischen Stellungnahme hervorgegangen, dass bei den Pferden des Klägers insgesamt ein Erziehungsdefizit bestehe. Gerade dies bestätige aber, dass das Gefährdungspotential der Pferde maßgeblich auch im Verhalten des Klägers begründet gewesen sei.
Der Kläger bringt zur Begründung seiner hiergegen eingelegten Beschwerde im Wesentlichen vor, er sei aufgrund seiner begrenzten finanziellen Mittel nicht in der Lage, ohne die Aussicht auf Erlaubnis der Pferdehaltung eine ausbruchssichere Koppel herzustellen; sollte eine Pferdehaltung gestattet werden, besitze er die Möglichkeit, umgehend eine entsprechende Koppel vorzuweisen. Das Fehlverhalten des Klägers, welches seitens des Gerichts noch angeführt werde, dass ein Pferd führerlos mit einem Pferdeanhänger allein durch den Ort gelaufen sei, sei nicht Anlass für ein Pferdehaltungsverbot gewesen, weil dies ein einmaliger Vorfall gewesen sei. Der Kläger habe auf dem örtlichen Weihnachtsmarkt kostenlose Kutschfahrten durchgeführt, die auch seitens der Beklagten angepriesen worden seien.
Wegen der Einzelheiten wird ergänzend auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde (§ 146 Abs. 1 VwGO) ist unbegründet.
Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO liegen nicht vor. Nach dieser Regelung erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; die Entscheidung der Beklagten, das bestandskräftige Pferdehaltungsverbot aus dem Jahr 2011 nicht zu widerrufen (Art. 49 Abs. 1 BayVwVfG), hält sich im Rahmen einer zulässigen Ermessensausübung (Art. 40, Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG) und ist gerichtlich nicht zu beanstanden (§ 114 Satz 1 VwGO).
Es liegen keine Gesichtspunkte vor, die die dem Pferdehaltungsverbot zugrundeliegende Einschätzung, der Kläger sei für die Haltung von Pferden ungeeignet und werde auch in Zukunft eine sichere Pferdehaltung nicht gewährleisten können, nunmehr in einem anderen Licht erscheinen lassen könnten. Schon das Schreiben des Klägers an die Beklagte vom 25. August 2016 lässt keinerlei Einsicht in ein eigenes früheres Fehlverhalten erkennen; es enthält lediglich Vorwürfe gegenüber der Beklagten, ohne näher darzulegen, weswegen die von einer Pferdehaltung des Klägers ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder für die körperliche Unversehrtheit anderer Menschen (Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG) nunmehr nicht mehr bestehen würde. Wenn der Kläger in der Klage- und in der Beschwerdebegründung vorbringt, er besitze zwar derzeit mangels finanzieller Möglichkeiten keine ausbruchssichere Koppel für die Unterbringung von Pferden, nach einer Aufhebung des Haltungsverbots würde er jedoch umgehend eine solche vorweisen können, ist nicht ersichtlich, wie er allein durch die Aufhebung des Haltungsverbots angesichts seiner finanziellen Situation dann dazu in der Lage sein sollte. Auch führt das Verwaltungsgericht zu Recht aus, dass die seinerzeitigen Gefahrensituationen nicht allein auf mangelhaften Vorkehrungen bezüglich der sicheren Unterbringung der Tiere beruhten, sondern vor allem auch auf einem Verhaltensdefizit des Klägers, nämlich auf fehlender Zuverlässigkeit im Hinblick auf die Einhaltung bestehender Verpflichtungen. Ebenfalls zu Recht weist das Verwaltungsgericht auch darauf hin, dass dem Kläger im März 2015 auch die Hundehaltung untersagt werden musste, nachdem er mehrfach gegen eine zuvor ergangene sicherheitsrechtliche Anordnung (Leinenpflicht) verstoßen hatte; auch hieraus ergibt sich ein gewichtiger Anhaltspunkt, dass der Kläger nicht gewährleistet, rechtliche Verpflichtungen einzuhalten. Soweit der Kläger sich dagegen wendet, dass ihm zu Unrecht ein Vorfall anlässlich eines Weihnachtsmarktes vorgehalten werde, bei dem sein Pferd mit einem Anhänger allein durch den Ort gelaufen sei, ist dem entgegenzuhalten, dass diesen konkreten Vorfall weder die Beklagte noch das Verwaltungsgericht angeführt haben. Das Verwaltungsgericht hat lediglich allgemein darauf verwiesen, dass ihm „des öfteren“ bei „beaufsichtigten Einsätzen“ Pferde ausgerissen seien mit der Folge, dass dadurch gefährliche Situationen verursacht worden seien. Der Einwand, des Klägers, es habe sich dabei um einen „einmaligen Vorfall“ gehandelt, der ihm nicht entgegengehalten werden dürfe, geht damit ins Leere.
Es ist auch nicht zu erkennen, dass aufgrund von nach der Entscheidungsreife für den Antrag auf Prozesskostenhilfe eingetretenen Änderungen der Sach- und Rechtslage sich die Erfolgsaussichten der Klage zugunsten des Klägers geändert hätten. Dass er mittlerweile einen „Pferdehaltungs- und Pferdefahrlehrgang“ absolviert hat, verändert die weiterhin bestehende Gefahrenprognose nicht entscheidend. Zwar wurde ihm seine Ablehnung, an Fortbildungsmaßnahmen oder Lehrgängen zur Haltung von Pferden teilzunehmen, als Anzeichen fehlender Zuverlässigkeit hinsichtlich der Pferde- oder Tierhaltung ausgelegt. Die vorgelegte Fotokopie einer Teilnahmebestätigung bestätigt nunmehr – soweit sie lesbar ist – offenbar den Tierhüter-Sachkundenachweis für einen Antrag auf Erlaubnis nach § 11 TierSchG und die straßenverkehrsrechtliche Eignung für das Führen eines zweispännigen Pferdegespanns. Trotzdem rechtfertigt diese ohne jede weitere Erläuterung vorgelegte Unterlage (noch) nicht die Annahme, dass sich deswegen die Zweifel an seiner Zuverlässigkeit hinsichtlich der Einhaltung bestehender Verpflichtungen in relevanter Weise abschwächen würden. Angesichts des gravierenden Fehlverhaltens des Klägers in der Vergangenheit bedürfte es weiterer gewichtiger Umstände, um mit für das Prozesskostenhilfeverfahren ausreichender Wahrscheinlichkeit einen Wegfall der vom Kläger wegen einer Pferdehaltung ausgehenden Gefahr annehmen zu können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil die nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) anfallende Gebühr streitwertunabhängig ist.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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