Aktenzeichen AN 15 K 16.01923
BayVwVfG Art. 49
Leitsatz
Für eine im Zusammenhang mit dem Widerruf eines Tierhaltungsverbots vorzunehmende Prognoseentscheidung gilt ein mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt … wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe und die Beiordnung seines Bevollmächtigten für eine Klage gegen einen Bescheid der Beklagten vom 6. September 2016, mit dem diese die Abänderung eines Pferdehaltungsverbots abgelehnt hat.
Mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 23. September 2011 untersagte die Beklagte dem Kläger u.a. die Pferdehaltung. Dem lag zugrunde, dass die Pferde des Klägers in der Vergangenheit bereits mehrfach ausgebrochen waren, es dabei zu gefährlichen Situationen gekommen ist und die dem Kläger mit Bescheiden vom 14. Oktober 2005 bzw. vom 25. Mai 2007 auferlegten Pflichten, seine Pferde zwischen Stall und Koppel stets am Zügel zu führen bzw. die Pferde ausbruchsicher unterzubringen, von diesem wiederholt nicht beachtet wurden. Die gegen den Untersagungsbescheid erhobene Klage (AN 5 K 11.01867) und der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das ablehnende Urteil blieben erfolglos.
Mit Schreiben vom 1. August 2016 stellte der Kläger bei der Beklagten den Antrag, dass mit Bescheid vom 23. September 2011 angeordnete allgemeine Pferdehaltungsverbot aufzuheben.
Mit Bescheid vom 6. September 2016 lehnte die Beklagte nach Anhörung des Klägers die Aufhebung des Pferdehaltungsverbots ab. Die Beklagte habe nach wie vor erhebliche Zweifel an der persönlichen Eignung des Klägers. Dieser habe bislang keine entsprechenden Nachweise vorgelegt (zum Beispiel Besitz einer ausbruchsicheren Koppel, Bescheide über Fortbildungsmaßnahmen oder Lehrgänge zur Pferdehaltung). Derartige Nachweise seien jedoch erforderlich, um eine erneute Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch die Pferdehaltung auszuschließen. Überdies verfüge der Kläger nicht über die finanziellen Mittel, welche eine Pferdehaltung erforderten. So habe er auf die durch die Beklagte verauslagten Kosten (ca. 38.000,00 EUR) für die Unterbringung seiner Pferde, Tierarztbehandlungen und Sachbeschädigungen durch die Pferde bislang keine Zahlung geleistet.
Mit am 29. September 2016 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach eingegangenem Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 26. September 2016 hat der Kläger Klage gegen den Bescheid vom 6. September 2016 erhoben. Er begehrt dessen Aufhebung sowie die Gestattung der Pferdehaltung. Zur Begründung hat der Kläger im Wesentlichen Vorbringen lassen, die seitens der Beklagten vorgebrachten Argumente seien nicht geeignet, das Pferdehaltungsverbot weiter aufrecht zu erhalten. Der Kläger sei bereit, nach Gestattung der Pferdehaltung eine Ausbruchsicherung bezüglich der Koppel zu erstellen und nachzuweisen. Darüber hinaus sei er bereit, auf die Haltung von Hengsten zu verzichten. Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sei mit einer solchen Pferdehaltung nicht mehr gegeben. Auch werde seitens des Klägers eine Tierhalterhaftpflichtversicherung abgeschlossen werden. Die Absolvierung von Fortbildungsmaßnahmen oder Lehrgängen zur Pferdehaltung könnten dem Kläger allerdings nicht abverlangt werden.
Mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2016 ließ der Kläger weiter beantragen,
dem Kläger für das anhängige Verfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und den Unterzeichnenden als Rechtsanwalt beizuordnen.
Die Beklagte erwidert auf den klägerischen Vortrag mit Schriftsätzen vom 20. Oktober 2016 und 25. November 2016, dass ihr bislang keine schlüssigen Gründe oder Nachweise dargelegt worden seien, aus denen sich eine zwischenzeitlich vorliegende persönliche Eignung des Klägers ergeben würde. Vielmehr habe der Kläger auch nach Erlass des Pferdehaltungsverbots durch sein Handeln gezeigt, dass es ihm an jeglicher Einsichtsfähigkeit und Zuverlässigkeit bezüglich der Pferdehaltung fehle. Der Kläger habe nämlich auch nach Erlass dieser Untersagungsanordnung mehrfach gegen diese verstoßen. So habe er sowohl im Mai 2012 wie auch im September 2013 erneut Pferde gehalten. Beide Male habe, da der Kläger die Pferdehaltung nicht freiwillig aufgegeben habe, eine Wegnahme seitens der Beklagten erfolgen müssen. Dass der Kläger nicht gewillt sei, auf behördliche Anordnungen zu reagieren und diese zu befolgen, zeige sich auch aus seinem Verhalten bei der Hundehaltung. So sei gegenüber dem Kläger im Januar 2014 auch eine Anordnung bezüglich dessen Hundehaltung (Leinenzwang) erlassen worden. Da der Kläger in der Folgezeit wiederum mehrfach gegen die ihm auferlegten Pflichten verstoßen habe, habe die Beklagte ihm mit Bescheid vom 26. März 2015 die Hundehaltung untersagt. Die Rechtmäßigkeit des Hundehaltungsverbots sei auch seitens des Verwaltungsgerichts Ansbach (AN 5 K 15.00601) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes bestätigt worden. Vor diesem Hintergrund sehe die Beklagte nach Abwägung aller Interessen derzeit keine Möglichkeit, dem Antrag des Klägers auf Widerruf des Pferdehaltungsverbots zu entsprechen.
Der Kläger replizierte auf die Klageerwiderung, dass er durch die Anschaffung der beiden Pferde zwar gegen die Untersagungsverfügung vom 23. September 2011 verstoßen habe; eine darüberhinausgehende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sei hingegen nicht erfolgt. Auch die seitens der Beklagten genannten, dem Hundehaltungsverbot zugrunde liegenden Verstöße könnten ein Verbot der Pferdehaltung keinesfalls rechtfertigen. Dem Kläger sei daher die Pferdehaltung – gegebenenfalls unter Beifügung bestimmter Auflagen – zu gestatten.
Zum Verfahren wurden die Gerichtsakten aus den Verfahren AN 5 K 11.01867 und AN 5 K 15.00601 beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vorliegende Behördensowie die Gerichtsakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt … für die Durchführung des Klageverfahrens ist unbeschadet der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse des Klägers abzulehnen, weil die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO). Dass die Beklagte die beantragte Abänderung des Pferdehaltungsverbots abgelehnt hat, ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf einen (teilweisen) Widerruf des mit dem Bescheid vom 23. September 2011 ausgesprochenen Pferdehaltungsverbots (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Nach Art. 49 Abs. 1 BayVwVfG kann ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.
Das Pferdehaltungsverbot vom 23. September 2011 ist ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt und es ist auch nicht ersichtlich, dass ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts in Vollzug gebundenen Rechts bzw. aufgrund eines auf eine einzige Entscheidung reduzierten Ermessensrahmens zwingend wieder ergehen müsste. Ein Widerruf ist damit zwar grundsätzlich möglich. Die Beklagte hat aber jedenfalls im Rahmen einer fehlerfreien Ermessensentscheidung den Widerruf der belastenden Anordnungen aus dem Bescheid vom 23. September 2011 abgelehnt.
Dabei ist auch zu beachten, dass Ermessensentscheidungen – wie die nach Art. 49 Abs. 1 BayVwVfG – nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegen (§ 114 Satz 1 VwGO). Dem Gericht ist es deshalb versagt, die behördlichen Ermessenserwägungen durch eigene zu ersetzen; es kann die Entscheidung nur auf Ermessensfehler hin überprüfen. Nach Maßgabe dieser Grundsätze sind vorliegend Ermessensfehler des Beklagten nicht ersichtlich.
Die Voraussetzungen für die auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG gestützte Untersagungsanordnung liegen nach wie vor vor. Nachträglich eingetretene Tatsachen, die eine andere Beurteilung der Sachlage rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. So ist insbesondere nicht festzustellen, dass – wie der Kläger behauptet – bei einer Wiederaufnahme der Pferdehaltung konkrete Gefahren, die das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder Sachwerten bedrohen, nicht mehr bestehen würden. Für die diesbezügliche Prognoseentscheidung gilt dabei ein mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind daher umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BayVGH, U.v. 6.4.2016 – 10 B 14.1054).
Das Verwaltungsgericht Ansbach hat in seiner Entscheidung von 2012 zum Pferdehaltungsverbot festgestellt, die Pferde des Klägers seien vor Erlass der Untersagungsanordnung von 2011 über Jahre hinweg immer wieder ausgerissen und hätten in Folge dessen gefährliche Situation für Leben und Unversehrtheit anderer herbeigeführt. Ohne Einschreiten der Sicherheitsbehörde wäre der Eintritt weiterer Gefährdungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen. Überdies sei der Kläger grundsätzlich zur Pferdehaltung ungeeignet (vgl. dazu VG Ansbach, U.v. 26.1.2012 – AN 5 K 11.01867). Dass der Kläger künftig in der Lage sein wird, einen verantwortungsbewussten Umgang mit den Pferden vorzunehmen, ist nicht ersichtlich. Ein Umdenken in Bezug auf das Verhalten im Umgang mit Pferden und eine Einsicht in die bisherigen Verstöße sind beim Kläger gerade nicht erkennbar. Dass der Kläger auch nach dem Erlass des Pferdehaltungsverbots vom 23. September 2011 wiederholt Pferde gehalten hat, zeigt, dass der Kläger nicht gewillt oder in der Lage ist, insoweit die Rechtsordnung zu respektieren und sein Verhalten danach auszurichten. Auch die Verstöße in jüngster Vergangenheit gegen die gegenüber dem Kläger durch Bescheid angeordneten Hundehalterpflichten, die im März 2015 sogar in eine Untersagung der Hundehaltung mündeten, belegen, dass sein Fehlverhalten keine bloßen Einzelfälle darstellen, bei denen zu erwarten ist, dass der Kläger sie künftig abstellen wird. Das Verhalten des Klägers dokumentiert vielmehr eine Gleichgültigkeit gegenüber der Einhaltung geltenden Rechts. Da zudem auch keine Verhaltensänderungen erkennbar sind, bestehen derzeit keine Anhaltspunkte, die es im Rahmen einer Prognose rechtfertigen würden, auf eine künftige Rechtstreue zu vertrauen. Ein Besuch von entsprechenden Fortbildungsmaßnahmen oder Lehrgängen zur Pferdehaltung, durch deren Absolvierung der Eintritt eines individuellen Lernprozesses beim Kläger in Gang gesetzt werden könnte und die zu einem Umdenken hinsichtlich seines Verhaltens führen könnten, wurde nicht nur vom Kläger nicht nachgewiesen; vielmehr besteht diesbezüglich eine Weigerungshaltung. Die Beklagte konnte damit aufgrund des Verhaltens des Klägers zu Recht auf dessen auch gegenwärtig noch bestehende Unzuverlässigkeit und damit auf das Vorliegen einer konkreten Gefahr schließen.
Auch die zusätzlich im Klageverfahren vorgebrachten Aspekte führen zu keiner anderen Entscheidung. Der begehrte Widerruf des Pferdehaltungsverbots kommt auch nicht deswegen in Betracht, weil der Kläger bereit ist, eine Abänderung unter Nebenbestimmungen, wie bspw. die von ihm vorgeschlagene Herstellung einer ausbruchsicheren Koppel, hinzunehmen. Vor dem Hintergrund der vorliegenden Erkenntnisse und des klägerischen Verhaltens in der Vergangenheit sowie der fehlenden Zuverlässigkeit des Klägers stellen Nebenbedingungen kein taugliches Mittel zur Unterbindung der weiterhin drohenden Gefahren dar. Die Gefahren für Leib und Leben, auf deren Beseitigung das Pferdehaltungsverbot von 2011 maßgeblich abzielt, beruhten nämlich gerade nicht (nur) auf dem Fehlen von Vorkehrungen zur sicheren Verwahrung der Pferde, sondern vor allem auch auf einem insoweit bestehenden Verhaltensdefizit des Klägers im Umgang mit diesen Tieren. So vermochte der Kläger des Öfteren nicht zu gewährleisten, dass ihm die Pferde bei beaufsichtigten Einsätzen nicht ausrissen mit der Folge, dass entsprechende gefährliche Situationen verursacht wurden. Aus diesem Grund hilft dem Kläger auch die Ankündigung eines Verzichts auf die Haltung von Hengsten nicht weiter, zumal sich das Gefährdungspotential (auch) nicht nur auf die Hengste beschränkte. Vielmehr ging aus der im damaligen Klageverfahren vorgelegten veterinärmedizinischen Stellungnahme vom 3. Januar 2012 hervor, dass bei den Pferden des Klägers (insgesamt) ein Erziehungsdefizit bestehe. Gerade dies bestätigt aber, dass das Gefährdungspotential der Pferde maßgeblich auch im Verhalten des Klägers mit diesen begründet war. Wie er ein solches jetzt verhindern will, hat er gerade nicht aufgezeigt. Hierfür wäre der Nachweis von verhaltensändernden Maßnahmen erforderlich gewesen. Fortbildungen oder Lehrgänge im Umgang mit der ordnungsgemäßen Haltung von Pferden oder Tieren im Allgemeinen wurden von ihm aber gerade abgelehnt, was ein Desinteresse des Klägers an einer Verhaltensänderung offenkundig werden lässt.
Auch der Einwand des Klägers, er würde eine Tierhalterhaftpflichtversicherung abschließen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Unabhängig davon, ob der Kläger überhaupt über die finanziellen Mittel für den Abschluss einer solchen Versicherung verfügt, würde eine solche nur dazu dienen, eventuell auftretende Schäden zu regulieren. Gerade im Hinblick auf die gesetzgeberische Aufgabe der Sicherheitsbehörden, bereits einen Schadenseintritt abzuwehren, geht diese Maßnahme jedoch fehl.
Die Beklagte hat es nach alledem rechtsfehlerfrei abgelehnt, das Pferdehaltungsverbot vom 23. September 2011 zu widerrufen. Demnach ist der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwaltes … mangels hinreichender Erfolgsaussicht der erhobenen Klage abzulehnen.