Verwaltungsrecht

Widerruf roter Händlerkennzeichen

Aktenzeichen  M 23 K 17.4773 – M 23 K 17.4775

Datum:
28.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 40431
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3
FZV § 16 Abs. 2 S. 1
StVZO § 31 Abs. 2, § 29

 

Leitsatz

1 Maßgebliches Kriterium für die Zuteilung roter Kennzeichen ist die Zuverlässigkeit, welche als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Dabei hat die Zulassungsbehörde eine Prognoseentscheidung im Hinblick auf die Zuverlässigkeit zu treffen, bei der sich die Prüfung am Schutzzweck des § 16 Abs. 2 zu orientieren hat. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Zuverlässigkeit für die Zuteilung roter Kennzeichen ist regelmäßig in Frage zu stellen, wenn der jeweilige Antragsteller bzw. Berechtigte entweder gegen einschlägige Vorschriften im Umgang mit dem roten Kennzeichen verstoßen hat oder Verstöße gegen Verkehrsvorschriften bzw. Strafvorschriften begangen hat, die ihrerseits eine missbräuchliche Verwendung von roten Händlerkennzeichen vermuten lassen, oder wenn hinsichtlich des ordnungsgemäßen Führens seines Gewerbebetriebs sonstige Auffälligkeiten und Unregelmäßigkeiten zutage treten, die eine derartige Vermutung begründen. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3 Sofern der Inhaber eines roten Händlerkennzeichen nicht mehr die erforderliche Zuverlässigkeit iSv § 16 Abs. 2 FZV aufweist, ist es auch regelmäßig ermessensgerecht, die Zuteilung des Kennzeichens zu widerrufen. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Klagen werden abgewiesen.
III. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens M 23 K 17.4773 zu tragen. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens M 23 K 17.4775 zu tragen.
IV. Die Kostenentscheidungen sind jeweils vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung jeweils in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte jeweils vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Gericht hat die Verfahren gemäß § 93 Satz 1 VwGO zur gemeinsamen Entscheidung verbunden, da diese dieselben tatsächlichen Geschehnisse zum Gegenstand haben und in rechtlicher Hinsicht aufeinander aufbauen.
Die Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger jeweils nicht ihn ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage des Widerrufs bildet jeweils § 16 Abs. 2 FZV i.V.m. Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG.
Nach § 16 Abs. 2 Satz 1 der Fahrzeugzulassungsverordnung – FZV – setzt die Zuteilung eines roten Kennzeichens an einen Kraftfahrzeughändler dessen Zuverlässigkeit voraus. Wenn diese nicht mehr gegeben ist, kann die Zuteilung nach § 16 Abs. 2 Satz 1 FZV i.V.m. Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn ohne Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde.
Maßgebliches Kriterium für die Zuteilung roter Kennzeichen ist damit die Zuverlässigkeit. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff unterliegt der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Die Zulassungsbehörde hat eine Prognoseentscheidung im Hinblick auf die Zuverlässigkeit zu treffen, bei der sich die Prüfung am Schutzzweck des § 16 Abs. 2 zu orientieren hat (OVG Münster, B.v. 4.11.1992 – 13 B 3083/92 – juris Rn. 7; VG Augsburg, U.v. 7.7.2015 – Au 3 K 15.22 – juris Rn. 27; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 16 FZV Rn. 15 m.w.N.). Die Zuteilung roter Händlerkennzeichen soll einem Gewerbetreibenden, der mit einer Vielzahl von nicht zugelassenen Kraftfahrzeugen zu tun hat, davon entlasten, in jedem Einzelfall bei der Zulassungsstelle einen Antrag auf Erteilung eines Kennzeichens zu stellen. Dies dient der Privilegierung des betroffenen Personenkreises und der Verwaltungsvereinfachung. Das Kriterium der Zuverlässigkeit bildet hierbei eine wichtige Voraussetzung, da der Kennzeicheninhaber selbst über die jeweils zweckgebundene Zulassung eines Kraftfahrzeugs entscheidet und Angaben über das jeweilige Fahrzeug und den Zweck der vorübergehenden Zulassung lediglich in einem Fahrtenverzeichnis festzuhalten hat (VG Augsburg, a.a.O.- juris Rn. 27). Da für Fahrzeuge mit roten Kennzeichen keine Pflicht zur Durchführung von Hauptuntersuchungen besteht (§ 16 Abs. 6 FZV, § 29 StVZO) und der Inhaber der roten Händlerkennzeichen somit Aufgaben der Zulassungsbehörde übernimmt, ist die Zuverlässigkeit in Anbetracht dieses Schutzzwecks regelmäßig in Frage zu stellen, wenn der jeweilige Antragsteller bzw. Berechtigte entweder gegen einschlägige Vorschriften im Umgang mit dem roten Kennzeichen verstoßen hat oder Verstöße gegen Verkehrsvorschriften bzw. Strafvorschriften begangen hat, die ihrerseits eine missbräuchliche Verwendung von roten Händlerkennzeichen vermuten lassen, oder wenn hinsichtlich des ordnungsgemäßen Führens seines Gewerbebetriebs sonstige Auffälligkeiten und Unregelmäßigkeiten zutage treten, die eine derartige Vermutung begründen (vgl. BayVGH, B.v. 28.10.2015 – 11 ZB 15.1618 – juris). Hierin erschöpft sich aber auch die Bedeutung der Zuverlässigkeit, sodass die Zuverlässigkeit i.S.d. § 16 Abs. 2 FZV nicht in Frage zu stellen ist, sofern der Betroffene gegen Vorschriften verstoßen hat, deren Nichtbeachtung keinen Schluss auf den (fehlenden) Verantwortungssinn im Umgang mit den roten Kennzeichen nahelegt (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, § 16 FZV Rn. 15)
Unter Beachtung diese Grundsätze erweist sich der Kläger persönlich als unzuverlässig, sodass die ihm persönlich zugeteilten Kennzeichen A und B widerrufen werden durften (I.). Aufgrund der persönlichen Unzuverlässigkeit des Klägers war die Beklagte auch berechtigt, die der Klägerin zugeteilten Kennzeichen C und D zu widerrufen (II.)
I.
Der Kläger hat sich in der Vergangenheit als persönlich unzuverlässig erwiesen und die Beklagte hat hieraus zutreffend eine negative Prognose im Hinblick auf die Unzuverlässigkeit des Klägers getroffen (1.). Ohne den Widerruf würde auch das öffentliche Interesse gefährdet (2.). Insoweit hat die Beklagte den Widerruf auch nach pflichtgemäßem Ermessen ausgeübt (3.).
1. Der Kläger ist persönlich unzuverlässig. Dies haben die festgestellten Vorfälle hinreichend gezeigt. Zwar führt die möglicherweise unterbleibende Ummeldung der Niederlassung der Klägerin dem Schutzzweck des § 16 FZV noch nicht zur Unzuverlässigkeit, da es sich hierbei um keinen Pflichtverstoß im Umgang mit roten Kennzeichnen handelt. Allerdings rechtfertigen allein die zeitlich unmittelbar aufeinander folgenden Vorfälle vom 16. und 20. Februar 2017 diese von der Beklagten getroffene Prognoseentscheidung (a.). Die Beklagte war zudem berechtigt, die Vorfälle aus dem Jahr 2008 im Rahmen einer das Gesamtbild der Unzuverlässigkeit ergebenden Gesamtwürdigung zu berücksichtigen (b.)
a.) Indem der Kläger das Kennzeichen A – so auch polizeilich festgestellt – am 16. Februar 2017 an dem offenbar verkehrsunsicheren … hat anbringen lassen, hat der Kläger gegen die von jedem Inhaber von roten Händlerkennzeichen einzuhaltende wesentliche Pflicht verstoßen, nur an verkehrssicheren und vorschriftsmäßigen Fahrzeugen rote Kennzeichen anzubringen und nur solche Fahrzeuge am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen zu lassen. Insoweit ist unerheblich, ob es sich bei der Fahrt des … um eine – wie der Kläger behauptet – Probefahrt oder gar um eine – wie die Verkehrspolizeiinspektion festgestellt hat (BA zu M 23 K 17.4775 Bl. 27) – Überführungsfahrt gehandelt hat. Denn auch wenn § 16 Abs. 1 FZV Fahrten zur Prüfung, also Fahrten zur Prüfung der Fahreigenschaften, Bau- oder Betriebsart (§ 2 Nr. 24 FZV), und zur Probe, also zur Feststellung und zum Nachweis der Gebrauchsfähigkeit des Fahrzeugs (§ 2 Nr. 23 FZV), zulässt, so müssen auch zu diesem Zweck eingesetzte Fahrzeuge vorschriftsmäßig und verkehrssicher sein, § 16 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 2 StVZO (Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, § 16 FZV Rn. 2; MüKo, StVR, § 16 FZV Rn. 33; KG Berlin, B.v. 20.5.2014 – 3 Ws (B) 271/14 – juris Rn. 6; VG Gera, B.v. 20.4.2016 – 3 E 201/16 Ge – juris Rn. 42). Hierbei handelt es sich um eine Kardinalspflicht des Berechtigten, da die Hauptuntersuchung oder Sicherheitsprüfung nach § 29 StVZO und die Prüfung von Fahrtenschreibern gerade nicht vorgesehen sind und der Berechtigte insoweit die Aufgaben der Zulassungsstellen selbst übernimmt. Die Befreiung von der Verpflichtung zur Hauptuntersuchung hat gerade nicht zur Folge, dass das Fahrzeug von den sonstigen der Verkehrssicherheit dienenden Vorschriften befreit wäre. Vielmehr ist der Berechtigte dazu verpflichtet, unter Anwendung der ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Möglichkeiten zu verhindern, dass rote Kennzeichen an Fahrzeugen angebracht werden, die nicht verkehrssicher sind bzw. deren Ladung nicht ausreichend gesichert ist. Nimmt der Kennzeicheninhaber diese Prüfung nicht persönlich vor, so hat er diese Aufgabe einem sorgfältig ausgewählten, zuverlässigen Mitarbeiter zu übertragen, dem die notwendigen Anweisungen erteilt worden sind und der durch regelmäßige stichprobenartige Kontrollen überwacht wird (VG Gera, a.a.O. – juris Rn. 42). Gegen diese Kardinalspflicht hat der Kläger verstoßen. Sein Verhalten legt zumindest ein erhebliches Maß an Organisationsverschulden an den Tag. So hat er bereits im Verwaltungsverfahren angegeben, den … gar nicht zu kennen. In der mündlichen Verhandlung hat er ergänzend angegeben, sein Angestellter habe offenbar den Verkehrszustand des Fahrzeugs während seiner eigenen Abwesenheit nicht geprüft. Auch der Umstand, dass der Kläger die Fahrzeugscheinhefte nach eigenem Bekunden in der mündlichen Verhandlung teilweise blanko unterzeichnet, ohne zu wissen, welches konkrete Fahrzeug letztlich im Einzelfall hiermit autorisiert wird, lässt erhebliche Zweifel an erforderlichen betrieblichen Sicherungsmaßnahmen und an der erforderlichen Disziplin zur Einhaltung der im Umgang mit den roten Kennzeichen bestehenden Verhaltenspflichten erkennen.
Auch aus der Verkehrskontrolle vom 20. Februar 2017 ergeben sich Verstöße gegen die Verhaltensvorschriften im Umgang mit roten Händlerkennzeichen. So war das Fahrzeug entgegen § 16 Abs. 2 Satz 3 FZV nicht vor Antritt der Fahrt im Fahrzeugscheinheft eingetragen. Danach ist für jedes Fahrzeug eine gesonderte Seite des Fahrzeugscheinheftes zu dessen Beschreibung zu verwenden und die Angaben zum Fahrzeug sind vollständig und in dauerhafter Schrift vor Antritt der ersten Fahrt einzutragen. Insoweit ist dieser Verstoß auch erheblich, da das Nichtfertigen, das nicht richtige bzw. nicht vollständige oder nicht rechtzeitige Fertigen einer Eintragung im Fahrzeugscheinheft für rote Kennzeichen entgegen § 16 Abs. 2 Satz 3 FZV eine Ordnungswidrigkeit nach § 48 Nr. 15 FZV darstellt. Insofern kann selbst die Nichteintragung im Fahrzeugscheinheft die Unzuverlässigkeit begründen (VG Augsburg, a.a.O. – juris Rn. 32 f) und ist jedenfalls im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu berücksichtigen.
Das Gericht ist davon überzeugt (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), dass der … tatsächlich im Straßenverkehr in Betrieb war, auch wenn der Kläger sowie sein Begleiter Herr K. dies bei der Vorsprache am 27. April 2017 bestritten haben und der Kläger dies im gerichtlichen Verfahren weiterhin bestreitet. Der Kläger selbst war – wie er in der mündlichen Verhandlung bekundet hatte – am 20. Februar 2017 gar nicht in Deutschland, sodass er die tatsächlichen Vorgänge schon gar nicht aus eigener Anschauung belegen kann. Herr K. wurde von Herrn N. erst im Laufe der Verkehrskontrolle hinzugerufen, sodass auch dieser die tatsächlichen Vorgänge nicht aus eigener Anschauung bezeugen kann. Vielmehr legt dessen ebenfalls zum Gegenstand der polizeilichen Sachverhaltsfeststellung gemachte Aussage, „die Weitergabe der roten Kennzeichen zur Überführung von Lkw und Aufliegern seien gängige Praxis“ nahe, dass das Fahrzeug tatsächlich in Betrieb war. Auch lassen die Angaben des Herrn N. in der von ihm unterschriftlich anerkannten Aussage zur Beschuldigtenvernehmung keine Zweifel an der Inbetriebnahme aufkommen. Anders als es die Kläger in ihren Schriftsätzen zudem behaupten, lagen die Kennzeichen auch nicht in der Fahrerkabine, sondern waren tatsächlich am … angebracht, was ebenfalls auf eine Inbetriebnahme schließen lässt. Maßgeblich zur Überzeugungsbildung des Gerichts hat aber beigetragen, dass die Polizeibeamten den … ausweislich der Sachverhaltsschilderung „fahrend“ festgestellt haben. Zweifel an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen der Polizeibeamten bestehen nicht.
Die Anbringung der roten Kennzeichen A am … hätte gänzlich unterbleiben müssen, da dieses Fahrzeug keinen rechtlichen Zusammenhang zum klägerischen Betrieb unter seiner Namensfirma noch zum Gewerbebetrieb der Klägerin aufweist. So hat Herr N. ausweislich der polizeilichen Feststellungen kundgetan, dass zwischen dem … und den Kennzeichen A keinerlei Verbindung bestehe. Dies ergibt sich auch daraus, dass der … weder im Eigentum des Klägers oder der Klägerin gestanden hat, noch die Überführung von M… ihnen zurechenbar war. Vielmehr hatte ein griechisches Unternehmen den … bei einer Firma aus M… gekauft. Der einzige Zusammenhang zwischen dem … ergibt sich daraus, dass mit diesem für die Kläger fremden Fahrzeug ein von der Klägerin an die griechische Firma verkaufter Auflieger überführt werden sollte. Insoweit hat der Kläger mit seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung zum Vorfall vom 20. Februar 2017 die negative Prognoseentscheidung weiter bestätigt, indem er im Ergebnis kundgetan hat, dass die Fahrt des … keinem der von § 16 Abs. 1 FZV vorgesehenen Zwecken gedient hat. Die Nutzung roter Kennzeichen zu einem anderen als dem von § 16 Abs. 1 FZV vorgesehenen Zweck stellt aber einen besonders schwerwiegenden Verstoß dar (vgl. VG Stade, U.v. 12.2.2018 – 1 A 364/16 – juris Rn. 22). Schließlich stellt die Inbetriebsetzung eines mit roten Kennzeichen versehenen, nicht zugelassenen zulassungspflichtigen Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen zu anderen Zwecken als Prüfungs-, Probe- und Überführungsfahrten eine Inbetriebsetzung eines Fahrzeugs ohne die nach § 3 Abs. 1 Satz 1 FZV erforderliche Zulassung dar und ist somit eine Ordnungswidrigkeit gem. § 48 Nr. 1a FZV (OLG Düsseldorf, B.v. 16.9.2011 – 3 RBs 143/11 – juris Rn. 7).
Nach eigenen Angaben des Klägers hat er die Kennzeichen A Herrn N. gegeben, damit dieser nach F… fahre, um dort einen Aufleger abzuholen. Insoweit diente die Fahrt mit dem … – anders als der Kläger meint – keiner Überführungsfahrt. Auch wenn möglicherweise der Aufleger überführt werden sollte, so trifft dies nicht auf den … selbst zu. Denn auf einer Überführungsfahrt befindet sich eine Sattelzugmaschine nicht schon dann, wenn nur der Auflieger überführt wird. Mit anderen Worten: Auf einer Überführungsfahrt befindet sich die Sattelzugmaschine in einem Fahrzeuggespann nur dann, wenn nicht nur der Auflieger, sondern auch die Zugmaschine selbst überführt wird (VG Gera, a.a.O. – juris Rn. 40). Bei einer Kombination aus Zugmaschine und Anhänger kann demnach an beiden Fahrzeugen nur dann ein rotes Kennzeichen angebracht werden, wenn beide Fahrzeuge überführt werden. Demzufolge dient eine Fahrt mit einer Zugmaschine, um mit dieser einen zur Überführung bestimmten Auflieger abzuholen, keiner Überführung. Zwar enthält der Wortlaut des § 2 Nr. 25 FZV keine ausdrückliche Regelung für Fahrzeugkombinationen, jedoch unterfällt nach dem Sinn und Zweck des § 16 FZV allein das zu überführende Objekt selbst der Privilegierung roter Kennzeichen. Mit der seitens des Klägers in der mündlichen Verhandlung mit Selbstverständlichkeit kundgetanen und offenbar bereits zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung vorgelegenen Unwissenheit zum Umfang des zulässigen Fahrtzwecks hat er die negative Zukunftsprognose umso mehr bestätigt.
Die Vorfälle vom 16. und 20. Februar 2017 geben damit im Ergebnis wesentliche Verstöße gegen die Verhaltenspflichten eines Berechtigten im Umgang mit roten Händlerkennzeichen wieder. Bereits daraus rechtfertigt sich die negative Zukunftsprognose zur Unzuverlässigkeit des Klägers.
b.) Lediglich ergänzend sei angemerkt, dass auch die Vorfälle aus dem Jahr 2008 bei einer Gesamtwürdigung zulasten des Klägers insofern stützend zur Beurteilung der Zuverlässigkeit herangezogen werden durften, als die damaligen Verstöße gegen Vorgaben zum Umgang mit dem roten Kennzeichen auf eine mögliche Unzuverlässigkeit hindeuteten und sich dies nun bestätigt hat. Insbesondere ist Art. 49 Abs. 2 Satz 2, Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG nicht dahingehend zu verstehen, dass Tatsachen, die älter als ein Jahr sind, bei der Bestimmung der Zuverlässigkeit eines Kennzeicheninhabers keine Berücksichtigung finden können. Allerdings müssen, je länger ein Verstoß zurückliegt, umso mehr andere Aspekte hinzukommen, die in ihrer Gesamtschau die Prognose der Unzuverlässigkeit rechtfertigen (VG Gera, a.a.O. – 3 E 201/16 Ge – juris Rn. 47f.; VG Kassel, B.v. 13.8.2015 – 1 L 894/15.KS – juris Rn. 49).
Dies ist vorliegend der Fall. Bereits im Jahr 2008 hat der Kläger Verstöße gegen das Verbot des Inverkehrbringens verkehrsunsicherer Fahrzeuge und gegen die Eintragungspflicht an den Tag gelegt, die sich nun in den anlassgebenden Vorfällen vom Februar 2017 bestätigt haben. Der Berücksichtigung der zeitlich weit zurückliegenden Ereignisse aus dem Jahr 2008 steht auch keine Verwirkung entgegen, indem anschließend die Kennzeichen C und D zugeteilt wurden. Dem stehen nämlich vorliegend bereits die Abmahnungen entgegen.
2. Ohne Widerruf würde das öffentliche Interesse gefährdet.
Gerade bei der hier vorliegenden missbräuchlichen Verwendung der roten Kennzeichen besteht die Gefahr der Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit. Denn bei einer fehlerhaften Verwendung von roten Kennzeichen oder von Fahrten, mit nicht zugelassenen Fahrzeugen zu anderen als den zugelassenen Zwecken wird die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährdet (VG Stade, a.a.O. juris Rn. 24; VG Augsburg, a.a.O. – juris Rn. 35; VG Ansbach, B.v. 5.7.2013 – AN 10 S 13.985 – juris Rn. 28). Dies gilt vorliegend insbesondere vor dem Hintergrund, dass der mit den roten Kennzeichen A versehene … erheblich verkehrsunsicher war.
3. Die Beklagte hat den Widerruf auch nach pflichtgemäßer Ermessensbetätigung ausgesprochen.
Das Gericht kann die getroffene Ermessensentscheidung der Beklagten gemäß § 114 Satz 1 VwGO nur eingeschränkt daraufhin überprüfen, ob die Beklagte das ihr eingeräumte Ermessen erkannt, von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht und ob sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten hat. Der Betroffene kann im Rahmen der behördlichen Ermessensausübung verlangen, dass seine eigenen Interessen ohne Rechtsfehler mit den Interessen der Allgemeinheit und anderer Betroffener abgewogen werden (BVerwG, U.v. 27.1.1993 – 11 C 35/92, juris).
Diese Grenzen des Ermessens hat die Beklagte ebenso eingehalten wie die Grenzen der Verhältnismäßigkeit. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob bei nachträglicher Unzuverlässigkeit das Ermessen ohnehin auf Null reduziert wäre (so VG München, U.v. 10.11.2008 – M 23 K 08.2026 – juris Rn. 31; VG Augsburg, a.a.O. – juris Rn. 42). Denn sofern der Inhaber eines roten Händlerkennzeichen nicht mehr die erforderliche Zuverlässigkeit iSv § 16 Abs. 2 FZV aufweist, ist es regelmäßig ermessensgerecht, die Zuteilung des Kennzeichens zu widerrufen, sofern nicht eine außergewöhnlichen Interessenlage des Betroffenen festgestellt werden kann, die das öffentliche Interesse an einem Widerruf überwiegen würde (so: VG Augsburg, a.a.O. – juris Rn. 42; VG Stade, a.a.O. – 1 A 364/16 – juris Rn. 25; VG Gera, a.a.O. – 3 E 201/16 Ge – juris Rn. 54). Einen solchen extremen Ausnahmefall hat der Kläger weder für sich noch für die Klägerin dargelegt. Zudem wiegen die Verstöße aus dem Februar 2017 – wie die Beklagte zutreffend erkannt hat – besonders schwer, zumal sie in einem kurzen Zeitraum zeitlich unmittelbar aufeinander gefolgt sind. Vor diesem Hintergrund kann es dem als unzuverlässig einzuschätzenden Kläger nicht länger überlassen bleiben, selbst oder über seine Bediensteten über die Zulassung eines Kraftfahrzeugs zu entscheiden. Das gebietet der Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer. Durch den Widerruf der roten Kennzeichen wird die Berufsausübung auch nicht unmöglich gemacht. Denn der Kläger hat weiterhin die Möglichkeit der Beantragung von Kurzzeitkennzeichen (§ 16a FZV), wodurch die Berufsausübung nicht unzumutbar erschwert wird (VG Koblenz, B.v. 24.9.2015 – 5 L 794/15.Ko – juris Rn. 7). Zwar mag es für die Ausübung des Gewerbes hinderlich und zeitraubend sein, nunmehr für jede einzelne Fahrt in einem eigenständigen Vorgang die Zuteilung eines Kennzeichens zu beantragen. Im Interesse der öffentlichen Sicherheit, deren Schutz der Widerruf der Zuteilung nach § 16 Abs. 2 FZV bezweckt, sind diese Folgen des Widerrufs jedoch hinzunehmen (VG Augsburg, a.a.O. – juris Rn. 39).
Letztlich erweist sich die Ausübung des Widerrufs nicht als unverhältnismäßig und ist damit ermessensfehlerfrei, soweit sich der Widerruf auch auf die Kennzeichen B erstreckt, auch wenn sämtliche Pflichtverstöße im Zusammenhang mit den Kennzeichen A festgestellt worden sind. Schließlich ist die Zuverlässigkeit nicht fahrzeug-, sondern personengebunden und insofern unteilbar (VG Augsburg, a.a.O. – juris Rn. 43).
Aus diesen Erwägungen war die Klage des Klägers als unbegründet abzuweisen.
II.
Auch der Widerruf der Kennzeichen C und D gegenüber der Klägerin erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Insoweit wird zunächst auf die obigen Ausführungen zur Unzuverlässigkeit des Klägers (I.1), das öffentliche Interesse am Widerruf (I.2) und die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens (I.3) verwiesen und nachfolgend lediglich ergänzend ausgeführt.
Die insoweit vom Klägerbevollmächtigten eingebrachten Einwände greifen nicht durch.
Aufgrund der persönlichen Unzuverlässigkeit des Klägers war die Beklagte berechtigt, auch die der Klägerin zugeteilten Kennzeichen C und B zu widerrufen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die zum Widerruf anlassgebenden Vorfälle allesamt ausschließlich die dem Kläger unter seiner Namensfirma persönlich zugeteilten Kennzeichen A betrafen. Dieser Umstand steht der Unzuverlässigkeit des Klägers im Hinblick auf die Kennzeichen C und D nicht entgegen. Gerade als Geschäftsführer der Klägerin ist er zur Überwachung der Einhaltung der Pflichten im Umgang mit den Kennzeichen C und D verpflichtet und insofern besonders verantwortlich. Da sich der Kläger bereits im Umgang mit roten Kennzeichen persönlich als unzuverlässig gezeigt hat, durften auch die der Klägerin zugeteilten roten Kennzeichen entzogen werden. Schließlich ist die Frage der Zuverlässigkeit oder Unzuverlässigkeit dem Sinn und Zweck des § 16 Abs. 1 Satz 2 FZV entsprechend nicht fahrzeug-, sondern personengebunden (VG Augsburg, a.a.O. – juris Rn. 43), hört also nicht an den formalen Grenzen einer Gesellschaft auf. Vielmehr strahlt die persönliche Unzuverlässigkeit des Klägers aufgrund seiner Tätigkeit als einziger Geschäftsführer der Klägerin in deren Gewerbebetrieb ein. Die im Umgang mit dem Kennzeichen A zu Tage gelegte Unzuverlässigkeit ist insoweit nicht teilbar.
Dies gilt vorliegend besonders vor dem Hintergrund, dass eine inhaltlich-sachliche Trennung zwischen dem Geschäftsbetrieb des Klägers und der Klägerin offenbar nicht vorliegt. Vor diesem Hintergrund erweist es sich als widersprüchlich, wenn sich die Klägerin darauf zurückzuziehen versucht, die Vorfälle seien ihr formal nicht zurechenbar. Bereits die beschriebenen Vorfälle legen nahe, dass die den Kläger zugeteilten Kennzeichen keineswegs ausschließlich für den Geschäftsbetrieb des Klägers unter seiner Namensfirma, sondern auch für die Ausübung des Gewerbes der Klägerin genutzt wurden. Zudem hat der Kläger selbst als Geschäftsführer die Vermengung der beiden Gewerbe offengelegt, indem er mit Antrag vom … März 2013 auf Zuteilung zweier roter Kennzeichen (BA zu M 23 K 17.4775, Bl. 9) für die Klägerin angab, die Klägerin habe bislang zwei Kennzeichen des Klägers gegen Rechnung genutzt. Zudem hatte der Kläger angegeben, für die neuen Kennzeichen die Verantwortung zu übernehmen. Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte ausweislich des Vermerks auf dem benannten Antrag eine „vereinfachte Zuteilung“ vorgenommen. Die persönliche Unzuverlässigkeit des Klägers ist jedenfalls vor diesem Hintergrund untrennbar mit der Frage nach der Zuverlässigkeit der Klägerin verbunden.
Ebenfalls erweist es sich weder ermessensfehlerhaft oder gar unverhältnismäßig, dass die Beklagte eine „Abberufung“ des Klägers als Geschäftsführers nicht in ihr Ermessen hat einfließen lassen oder der Klägerin nicht zunächst die Gelegenheit gegeben hat, der Unzuverlässigkeit durch eine eigenständige Abberufung des Klägers als Geschäftsführer abzuhelfen. Denn es obliegt der Klägerin selbst, aus der Unzuverlässigkeit ihres Geschäftsführers die erforderlichen Schlüsse zu ziehen und sich entsprechend personell umzuorganisieren. Denn jeder Gewerbetreibende hat sein Unternehmen eigenständig an den von der Rechtsordnung vorgegebenen Rahmenbedingungen auszurichten. Es ist insoweit nicht die Aufgabe der Beklagten, sondern die der Klägerin als Berechtigte, auf die Zuverlässigkeit hinzuwirken und der bestehenden Unzuverlässigkeit abzuhelfen. Diese Möglichkeit bleibt der Klägerin für die Zukunft unbenommen.
Aus diesen Erwägungen ist auch die Klage der Klägerin als unbegründet abzuweisen.
III.
Aus diesen Gründen waren die Klagen jeweils mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Kostenausspruchs beruht jeweils auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen