Verwaltungsrecht

Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse

Aktenzeichen  M 7 K 18.1796

Datum:
21.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 2580
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 55 Abs. 2
WaffG § 45 Abs. 2
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2, 1.  Alt.
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg.
Der Bescheid vom 13. März 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, vorliegend des Bescheidserlasses (vgl. zum Fall des Widerrufs einer waffenrechtlichen Erlaubnis BVerwG, U.v. 16.5.2007 – 6 C 24.06 – juris Rn. 35).
Der Widerruf der Ersatzbescheinigung für die Waffenbesitzkarte Nr. … sowie der Ersatzbescheinigung für den Waffenschein Nr. … § 45 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG (Nr. 1 des Bescheids) ist rechtmäßig.
Der Widerruf der beiden Ersatzbescheinigungen i.S.v. § 55 Abs. 2 Satz 1 WaffG wurde zutreffend auf § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG gestützt. Denn nach § 55 Abs. 2 Satz 1 WaffG wird Personen, die wegen der von ihnen wahrzunehmenden hoheitlichen Aufgaben des Bundes oder eines Landes erheblich gefährdet sind, an Stelle einer Waffenbesitzkarte, eines Waffenscheins oder einer Ausnahmebewilligung nach § 42 Abs. 2 eine Bescheinigung über die Berechtigung zum Erwerb und Besitz von Waffen oder Munition sowie eine Bescheinigung zum Führen dieser Waffen erteilt. Die Ersatzbescheinigungen sind somit Erlaubnisse im Sinne des § 45 Abs. 2 WaffG, zumal es dem allgemeinen Sicherheitsinteresse und auch dem Grundsatz der Gleichbehandlung entspricht, dass für die Erteilung bzw. die Rücknahme/den Widerruf einer waffenrechtlichen Ersatzbescheinigung nach § 55 Abs. 2 die allgemeinen Vorschriften – mithin vorliegend die §§ 45 Abs. 2 Satz 1, 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1, 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG – Anwendung finden (vgl. Gade, WaffG, 2. Aufl. 2018, § 55 Rn. 17; B. Heinrich in Steindorf, WaffG, 10. Aufl. 2015, § 55 Rn. 7).
Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine waffenrechtliche Erlaubnis ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG zu versagen, wenn der Antragsteller nicht die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 WaffG besitzt.
Der Kläger verfügt nicht über die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG.
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden (Buchst. a) oder mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden (Buchst. b) oder Waffen oder Munition Personen überlasen werden die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind (Buchst. c).
Maßgeblich für die Beurteilung, ob die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht gegeben ist, ist eine auf Tatsachen gestützte Prognose eines spezifisch waffenrechtlich bedenklichen Verhaltens, aus dem mit hoher Wahrscheinlichkeit der Eintritt von Schäden für hohe Rechtsgüter resultiert (vgl. BT-Drs 14/7758, S. 54). Diese Prognose ist auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellen. Dabei ist der allgemeine Zweck des Gesetzes nach § 1 Abs. 1 WaffG, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren, zu berücksichtigen. Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten das Vertrauen verdienen, mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umzugehen. In Anbetracht des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Regelungen und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, ist für die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich. Vielmehr genügt eine hinreichende, auf der Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2014 – 21 ZB 14.1512 – juris Rn. 12; B.v. 4.12.2013 – 21 CS 13.1969 – juris Rn. 14). Unter Berücksichtigung des strikt präventiven, auf die Umsetzung grundrechtlicher Schutzpflichten gerichteten Regelungskonzepts des Waffengesetzes ist die Prognose der Unzuverlässigkeit nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Tatsachen, auf die sie gestützt ist, nach aller Lebenserfahrung kein plausibles Risiko dafür begründen, dass der Betroffene künftig Verhaltensweisen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG begehen werde (vgl. BVerwG, U.v. 28.1.2015 – 6 C 1.14 – juris Rn. 17).
Der Kläger ist unzuverlässig im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG. Denn Personen, die der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht haben, besitzen nicht die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG (vgl. BayVGH, B.v. 5.10.2017 – 21 CS 17.1300; B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332; B.v. 10.1.2018 – 21 CS 17.1339; B.v. 15.1.2018 – 21 CS 17.1519; B.v. 12.3.2018 – 21 CS 17.1678; B.v. 16.1.2019 – 21 C 18.578 – alle juris).
Der Verfassungsschutzbericht 2018 des Bundes (S. 94) beschreibt die Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ als personell, organisatorisch und ideologisch heterogen. Sie setzt sich aus Einzelpersonen ohne Organisationsanbindung, Kleinst- und Kleingruppierungen, länderübergreifend aktiven Personenzusammenschlüssen und virtuellen Netzwerken zusammen. Verbindendes Element der Szeneangehörigen ist die fundamentale Ablehnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland sowie deren bestehender Rechtsordnung. Nach dem Verfassungsschutzbericht Bayern 2018 (S. 175) sind „Reichsbürger“ Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen. Dabei berufen sie sich unter anderem auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht. Den Vertretern des Staates sprechen sie die Legitimation ab oder definieren sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend. Sie berufen sich in unterschiedlichster Form auf den Fortbestand des Deutschen Reiches. Dabei werden z.B. der Rechtsstand von 1937, 1914 zwei Tage vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges oder auch 1871 genannt. Reichsbürger behaupten, Deutschland habe keine gültige Verfassung und sei damit als Staat nicht existent, oder das Grundgesetz habe mit der Wiedervereinigung seine Gültigkeit verloren. Daher fühlen sich Reichsbürger auch nicht verpflichtet, den in der Bundesrepublik geltenden Gesetzen Folge zu leisten. In ihrer Gesamtheit ist die Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ als staatsfeindlich einzustufen (vgl. Verfassungsschutzbericht 2018 des Bundes (S. 95). Die Reichsbürgerideologie insgesamt ist geeignet, Personen in ein geschlossenes verschwörungstheoretisches Weltbild zu verstricken, in dem aus Staatsverdrossenheit Staatshass werden kann. Dies kann Grundlage für Radikalisierungsprozesse sein bis hin zur Gewaltanwendung (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2018, S. 176).
Wer der Ideologie der Reichsbürgerbewegung folgend die Existenz und Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiert und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung generell nicht als für sich verbindlich anerkennt, gibt Anlass zu der Befürchtung, dass er auch die Regelungen des Waffengesetzes nicht strikt befolgen wird. Dies gilt für den Umgang mit Waffen ebenso wie für die Pflicht zur sicheren Waffenaufbewahrung, die Pflicht zur getrennten Aufbewahrung von Waffen und Munition, die Pflicht zu gewährleisten, dass andere Personen keinen Zugriff haben können, sowie die strikten Vorgaben zum Schießen mit Waffen im Besonderen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bis c WaffG). Ausgehend von dem Grundsatz, dass nur derjenige im Besitz von Waffen sein soll, der nach seinem Verhalten das Vertrauen darin verdient, dass er mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen wird, muss einer der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnenden Person anknüpfend an die Tatsache, dass sie die waffenrechtlichen Normen gerade nicht als für sich verbindlich ansieht, die nach § 5 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit abgesprochen werden (vgl. BayVGH, B.v. 9.2.2018 – 21 CS 17.1964 – juris Rn. 15 m.w.N.). Keine andere Beurteilung ist gerechtfertigt, wenn sich jemand (glaubhaft) selbst nicht als diesem Spektrum zugehörig betrachtet oder in einzelnen – auch wesentlichen – Bereichen von dort anzutreffenden Thesen nachvollziehbar und glaubhaft distanziert. Auch jenseits der Nähe zum eigentlichen „Reichsbürger“-Spektrum rechtfertigt eine Einstellung, die die Existenz und die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiert und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung nicht als für sich verbindlich betrachtet, die Annahme der waffenrechtlichen absoluten Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG (vgl. OVG RhPf, B.v. 3.12.2018 – 7 B 11152/18 – juris Rn. 23).
Die Tatsachen, die dem Gericht vorliegen, rechtfertigen im Fall des Klägers die Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG. Die ermittelten Verhaltensweisen und Einlassungen des Klägers begründen in ihrer Gesamtwürdigung die Annahme, dass dieser der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnen ist bzw. er sich deren Ideologie für sich bindend zu eigen gemacht hat. Es bestehen keine durchgreifenden Zweifel daran, dass die nach außen getätigten Äußerungen und Verhaltensweisen auch seine innere Einstellung widerspiegeln.
So spricht im konkreten Fall insbesondere die Stellung eines Antrags auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit unter Hinweis auf das RuStAG von 1913 dafür, dass der Kläger der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnen ist bzw. er sich deren Ideologie für sich bindend zu eigen gemacht hat. Denn Reichsbürger und Selbstverwalter bestreiten die rechtmäßige Existenz der Bundesrepublik Deutschland als Staat und bezeichnen diese z.T. als „Firma BRD“. Sie sind der Auffassung, dass sie nicht die Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik Deutschland besitzen bzw. aus dieser „austreten“ können. Ausgehend von der falschen Annahme, ohne Staatsangehörigkeitsausweis staatenlos zu sein, beantragen sie häufig einen Staatsangehörigkeitsausweis (sog. „gelber Schein“) zur Bestätigung ihrer Reichs- und Staatsangehörigkeit nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2018 S. 179 ff.). Vom Staatsangehörigkeitsausweis erhofft sich dieser Personenkreis – rechtlich völlig unzutreffend – unter anderem den „Ausstieg aus der Firma BRD“ oder die Sicherung vermeintlicher Rechte beim „Untergang des Systems“ (vgl. BayVGH, B.v. 19.12.2017 – 21 CS 17.2029 – juris Rn. 16). Der „gelbe Schein“ wird zudem als Nachweis der Rechtsstellung als Staatsangehöriger des vorgeblich fortbestehenden „Deutschen Reichs“ angesehen (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2018 S. 180). Dieses reichsbürgertypische Argumentationsmuster kommt insbesondere in der Angabe „Geburt (Abstammung) gemäß § 4 Abs. 1 RuStAG (Stand 22.07.1913)“ unter dem Punkt „Sonstiges“ des Antrags auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit zum Ausdruck. Zudem ist in diesem Kontext auch die, in dem Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit getätigte Angabe der weiteren Staatsangehörigkeit des Klägers „Königreich Sachsen seit Geburt erworben durch Abstammung“ zu sehen. Dies legt ebenfalls grundsätzlich „reichsbürgertypisch“ nahe, dass sich der Kläger nicht als zur Bundesrepublik Deutschland zugehörig ansieht (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2018 – 21 CS 17.2310 – juris Rn. 19). Weiterhin hat der Kläger in dem Antrag als Wohnsitzstaat „Königreich Bayern“ und Geburtsstaat „Königreich Sachsen“ angegeben. Der Kläger hat hierdurch eine weitere für die sog. „Reichsbürgerbewegung“ typische Argumentationslinie zum Ausdruck gebracht, wobei unerheblich ist, dass der Kläger das Wort „Königreich“ möglicherweise an einigen Stellen der eingereichten Formulare nachträglich eingetragen haben mag (vgl. zur Angabe „Königreich Bayern“ BayVGH, B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332 – juris Rn. 15). Denn aus Sicht der „Reichsbürger“ bestimmt sich ihre Staatsangehörigkeit nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in der im Jahr 1913 geltenden Fassung, wonach die Reichsangehörigkeit zum Deutschen Reich gegeben war, wenn eine Staatsangehörigkeit eines Landes des Deutschen Reichs bestand (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2018 S. 180). Durch die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises unter Berufung auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in der Fassung von 1913 sowie mit der Angabe der weiteren Staatsangehörigkeit „Königreich Sachsen“, hat der Kläger somit nicht nur eine, für die sog. „Reichsbürgerbewegung“ typische Verhaltens- und Ausdrucksweise gezeigt, sondern hierdurch zugleich nach außen gegenüber einer Behörde den Eindruck erweckt, dass es ihm nicht nur um den Erwerb eines Staatsangehörigkeitsausweises geht, sondern darum, einen Nachweis dafür zu erhalten, dass er die Staatsangehörigkeit Bayerns durch Abstammung erworben hat. Dies stellt grundsätzlich ebenfalls die Verfolgung eines ideologischen, für die sog. „Reichsbürgerbewegung“ typischen Zieles dar. Der Kläger hat seine, in den dargelegten Äußerungen und Verhaltensweisen zum Ausdruck kommende, innere Einstellung auch nach außen hin zu erkennen gegeben.
Die Einlassungen des Klägers sowohl im Anhörungsverfahren als auch im gerichtlichen Verfahren vermögen demgegenüber an der Einschätzung des Gerichts nichts zu ändern.
Soweit der Kläger geltend macht, ein rechtstreuer Staatsbürger zu sein und sich an geltende Gesetze zu halten, steht auch dies dieser Einschätzung nicht entgegen. Der Umstand allein, dass sich eine Person in bestimmten, ihr opportun erscheinenden Situationen in Übereinstimmung mit gesetzlichen Vorgaben verhält, begründet keine waffenrechtliche Zuverlässigkeit, wenn sie ihre Bindung an die Rechtsordnung, wie hier, durch Wort und Tat unter Vorbehalt stellt und auf diese Weise Zweifel weckt, ob sie waffenrechtliche Vorschriften auch dann noch einhält, wenn sie ihr nicht (mehr) opportun erscheinen (vgl. VGH BW, B.v. 10.10.2017 – 1 S 1470/17).
Zudem vermochte der Kläger den durch reichsbürgertypische Stellung des Antrags auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit entstandenen Eindruck bzw. Anschein nicht – auch nicht im Rahmen der mündlichen Verhandlung – zu entkräften. Vielmehr hat der Kläger versucht, sein Verhalten zu relativieren bzw. zu rechtfertigen. So konnte der Kläger bereits nicht schlüssig den Anlass für die Auseinandersetzung mit der Thematik „Staatsangehörigkeitsausweis“ und die Stellung des Antrags auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit darlegen. Insbesondere erscheint es wenig überzeugend, dass der Kläger als Polizeibeamter nach lediglich oberflächlicher Lektüre des (gerichtsbekannten) Buches „Wenn das die Deutschen wüssten“, dieses als Anlass dafür genommen haben will, sich eingehender mit der Thematik „Staatsangehörigkeitsausweis“ zu beschäftigten, hierüber mit seinem Dienstvorgesetzten zu sprechen und schließlich den Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit zu stellen, obwohl er das Buch nach eigenen Angaben nur überflogen haben will und ihn dieses mit Ausnahme des Staatsangehörigkeitsausweises insgesamt weniger interessiert haben soll. Dies gilt umso mehr, als es auf dem Text auf der Rückseite des Buches u.a. heißt „(…) Wussten Sie zudem, dass Gerichtsvollzieher der BRD seit 2012 keine Beamten mehr sind oder dass die BRD selbst gar kein Staat ist – und auch nie war -, sondern eine von den Alliierten installierte Verwaltung, die großteils innerhalb einer ‚Firmenstruktur‘ operiert? (…)“. Gerade auf Grund solcher Aussagen wäre vom Kläger angesichts seines Bildungsgrades und Berufes (Polizeibeamter) zu erwarten gewesen, dass er die Ausführungen in dem Buch kritisch hinterfragt bzw. reflektiert und von einer Weiterverfolgung Abstand nimmt, zumal es insbesondere in dem die Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises thematisierenden Teil „Wieso benötige ich einen Staatsangehörigkeitsausweis? Ich habe doch einen Personalausweis“ u.a. heißt „Der Staatsangehörigkeitsausweis (sog. ‚Gelber Schein‘) wird bei der Stadtverwaltung/Ausländerbehörde beantragt, und hier ist es wichtig, seine deutsche Herkunft lückenlos und beglaubigt bis vor 1914 nachzuweisen. (…) Es ist hier eine Frage der Souveränität. Und hier muss ich eben so weit zurückgehen, bis ich wieder auf gültiges Recht stoße. Denn eine Staatsangehörigkeit kann rechtlich betrachtet nur von bzw. für einen rechtmäßigen souveränen Staat ausgestellt werden. (…)“. Angesichts der Eindeutigkeit dieser, die Existenz der Bundesrepublik Deutschland ablehnenden Aussagen, erscheint es nicht plausibel, dass der Kläger sich mit der Thematik „Staatsangehörigkeitsausweis“ bis hin zu dessen Beantragung unter Verwendung „reichsbürgertypischer“ Angaben beschäftigt haben will, ohne diese als zutreffend zu erachten. Vielmehr bestärkt das weitere Vorgehen des Klägers insgesamt den gewonnenen Eindruck, dass er die Ausführungen in dem Buch zur Thematik „Staatsangehörigkeitsausweis“ als überzeugend und als für sich zutreffend erachtet hat. Des Weitern gelang es dem Kläger nicht, den Grund für die Stellung des Antrags auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit schlüssig darzulegen. Soweit der Kläger diesbezüglich anführte, den Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit gestellt zu haben, um diesen für seinen Sohn hinterlegen zu können, ist nicht schlüssig, weshalb der Antrag nicht (auch) für den Sohn gestellt wurde, wenn er gerade diesem zu Gute kommen sollte. Schließlich vermochte der Kläger auch nicht plausibel darzulegen, wie es zu den reichsbürgertypischen Eintragungen („Königreich Sachsen“ als Geburtsstaat, „Königreich Bayern“ als Wohnsitzstaat, „Geburt (Abstammung) gemäß § 4 Abs. 1 RuStAG (Stand 22.07.1913)“ unter „Sonstiges“ und unter „Ich besitze/besaß neben der deutschen Staatsangehörigkeit noch folgende weitere Staatsangehörigkeiten“ „Staatsangehörigkeit Königreich Sachen seit Geburt erworben durch Abstammung“) gekommen ist. Die diesbezügliche Erklärung, dass er die Angaben unkritisch und unreflektiert aus einer Ausfüllanleitung übernommen habe, da er keinen großen Aufwand habe betreiben, insbesondere nicht erst Jura studieren wollen und gedacht habe, dass das Landratsamt den Antrag schon prüfen und ihm sagen werde, wenn etwas falsch sei, vermag nicht zu überzeugen. Dies gilt umso mehr, als es sich bei den im Antragsformular zu machenden Angaben primär um die Angabe personenbezogener Daten, wie Name, Vorname, Geburtsdatum, Geburtsort, aktuelle Anschrift sowie Wohnsitzstaates, handelt, wofür weder eine Ausfüllanleitung oder gar ein Jurastudium von Nöten erscheint.
Auf Grund der Eindeutigkeit der getätigten Aussagen in dem vom Kläger angeführten Buch, vermag der Klägerbevollmächtigte mit seinem Einwand nicht durchzudringen, dass der Kläger im Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit weder der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig war noch sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht hätte, da er überhaupt keine Kenntnis von der sog. „Reichsbürgerbewegung“ gehabt habe, zumal es insbesondere dessen Dienstherr versäumt habe diesen hierüber in Kenntnis zu setzten. Denn unabhängig davon, ob der Kläger wusste, dass es sich bei diesen Aussagen, um Gedankengut der sog. „Reichsbürgerbewegung“ handelt, hat der Kläger diese – wie bereits oben ausgeführt – jedenfalls derart überzeugend und als für sich zutreffend erachtet hat, dass er nach der Lektüre des Buches schließlich den Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit unter Verwendung reichsbürgertypischen, die Existenz der Bundesrepublik Deutschland negierenden Angaben gestellt hat.
Nicht mehr entscheidungserheblich ist somit die Frage, ob der Kläger im Rahmen seiner Dienstausübung gegenüber dem Bürger und/oder Kollegen durch reichsbürgertypische Aussagen und Verhaltensweisen in Erscheinung getreten ist. Denn der Umstand allein, dass sich eine Person in bestimmten, ihr opportun erscheinenden Situationen in Übereinstimmung mit gesetzlichen Vorgaben und somit quasi „unauffällig“ verhält, kann keine waffenrechtliche Zuverlässigkeit begründen, wenn sie ihre Bindung an die Rechtsordnung, wie hier, durch Wort und Tat unter Vorbehalt stellt und auf diese Weise Zweifel weckt, ob sie waffenrechtliche Vorschriften auch dann noch einhält, wenn sie ihr nicht (mehr) opportun erscheinen (vgl. VGH BW, B.v. 10.10.2017 – 1 S 1470/17). Es mag durchaus sein, dass sich der Kläger gegenüber Freunden, Bekannten und seinem Arbeitgeber einwandfrei verhält und im beruflichen wie privaten Umfeld nicht als Reichsbürger aufgefallen ist. Daraus lassen sich aber keine zwingenden Rückschlüsse auf seine innere Einstellung („innere Tatsache“), insbesondere in einem gänzlich anderen Kontext (Verbindlichkeit des Waffengesetzes), ableiten (vgl. dazu auch BayVGH, B.v. 25.4.2018 – 21 CS 17.2459 – juris Rn. 27). Dementsprechend kann vorliegend dahinstehen, ob der Kläger im Rahmen einer Unfallaufnahme oder gegenüber Kollegen durch reichsbürgertypische Aussagen und Verhaltensweisen in Erscheinung getreten ist.
Schließlich lässt sich den Einlassungen des Klägers auch keine glaubhafte Distanzierung von der Ideologie der sog. „Reichsbürgerbewegung“ entnehmen. Hinsichtlich der Anforderungen an eine glaubhafte Distanzierung kann aufgrund der identischen sicherheitsrechtlichen Schutzrichtung – Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung – die ausländerrechtliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu § 54 Abs. 1 Nr. 2 des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG – entsprechend herangezogen werden (vgl. VG München, Gerichtsbescheid v. 17.10.2018 – M 7 K 17.750 – juris Rn. 39). Dementsprechend ist für eine glaubhafte Distanzierung zu verlangen, dass äußerlich feststellbare Umstände vorliegen, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Betroffene seine innere Einstellung verändert hat (vgl. BVerwG, B.v. 25.4.2018 – 1 B 11/18 – juris Rn. 12). Das Erfordernis der Veränderung der inneren Einstellung bedingt es, dass der Betroffene in jedem Fall einräumen muss oder zumindest nicht bestreiten darf, in der Vergangenheit den einschlägigen sicherheitsrechtlichen Tatbestand erfüllt zu haben. Ohne Einsicht des Betroffenen in die Unrichtigkeit des ihm vorgeworfenen Handelns hat die Ankündigung einer Verhaltensänderung keine glaubwürdige Grundlage (vgl. BayVGH, U.v. 27.10.2017 – 10 B 16.1252 – juris Rn. 53).
Eine diesen Anforderungen genügende, glaubhafte Distanzierung des Klägers von der Ideologie der sog. „Reichsbürgerbewegung“ lässt sich nicht feststellen. Hinreichende äußerlich feststellbare Umstände, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Kläger seine innere Einstellung verändert hat, sind nicht erkennbar. Zudem hat der Kläger insbesondere ein Fehlverhalten nicht eingeräumt. Vielmehr hat er sein Verhalten gerechtfertigt und relativiert. Allein ein Zeitablauf, während dessen der Betroffene nicht mehr „reichsbürgertypisch“ in Erscheinung getreten sein mag, vermag keine glaubhafte Distanzierung darzustellen.
In Bezug auf die weiteren Verfügungen des streitgegenständlichen Bescheids sind durchgreifende rechtliche Bedenken weder vorgetragen noch ersichtlich.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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