Verwaltungsrecht

Wiederkehrende Dichtheitsprüfung einer Entwässerungsanlage

Aktenzeichen  AN 1 K 17.02543

Datum:
7.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 13922
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WHG § 60 Abs. 1 S. 3
GG Art. 31

 

Leitsatz

1 Die sogenannte Anliegerregie begründet eine umfassende Pflicht des Grundstückseigentümers, die Grundstücksentwässerungsanlagen zu unterhalten. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig.
Die ursprünglich als Anfechtungsklage erhobene Klage wurde im Rahmen einer zulässigen Klageänderung auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage geändert.
Die Klägerin begehrte ursprünglich die Aufhebung des Bescheides vom 8. November 2017 im Wege einer Anfechtungsklage, § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO. Da nach Klageerhebung die Entwässerungsanlage der Klägerin saniert wurde und hierüber ein Nachweis durch Vorlage eines Prüfprotokolls geführt wurde, trat eine Erledigung der Hauptsache ein. Daher hat die Klägerin die Klage geändert. Ihr nunmehr verfolgtes Ziel, die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 8. November 2017 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 29. August 2018 festzustellen, stellt eine zulässige Form der Klageänderung dar, da diese sachdienlich ist, § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO.
Diese Fortsetzungsfeststellungsklage ist zulässig. Nachdem die Klägerin unstreitig Eigentümerin mehrerer Grundstücke im Geltungsbereich der Satzung für die öffentliche Entwässerungsanlage der Stadt … (nachfolgend: EWS) ist, besteht aufgrund einer möglichen Wiederholungsgefahr auch das erforderliche Feststellungsinteresse. Auch sonst sind keine Aspekte ersichtlich, die der Zulässigkeit der Klage entgegenstehen würden, zumal die ursprüngliche Klage zulässig, insbesondere fristgemäß, war und somit gegenüber der Ausgangsklage kein weitergehender Rechtsschutz gewährt wird.
Die Klage ist jedoch unbegründet, da der streitgegenständliche Bescheid in Gestalt des Änderungsbescheides vom 29. August 2018 zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erledigung rechtmäßig war und die Klägerin dadurch nicht in ihren Rechten verletzt wurde, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO.
Rechtsgrundlage für den Bescheid ist § 22 Abs. 1 EWS, wonach die Beklagte zur Erfüllung der nach der Entwässerungssatzung bestehenden Verpflichtungen Anordnungen für den Einzelfall erlassen kann. Die Entwässerungsanlage der Klägerin war unstrittig seit dem Jahr 2008 beschädigt und daher undicht. Sie entsprach daher nicht mehr dem Stand der Technik und wurde somit in Widerspruch zu § 9 Abs. 2 Satz 1 EWS und § 60 Abs. 1 Satz 3 WHG betrieben. Zudem sind gemäß § 12 Abs. 1 Satz 5 Nr. 2 EWS für Anlagen zur Ableitung von häuslichem Abwasser erstmalig bis spätestens 31. Dezember 2015 insbesondere Dichtheitsprüfungen durchzuführen und entsprechende Nachweise zu erstellen, § 12 Abs. 1 Satz 6 EWS. Auf Verlangen der Beklagten ist der Eigentümer verpflichtet, das Protokoll vorzulegen, § 12 Abs. 1 Satz 8 EWS. Dem ist die Klägerin bis zum Erlass des streitgegenständlichen Bescheides nicht nachgekommen. Somit ist eine Verpflichtung aus der Entwässerungssatzung durch die Klägerin nicht erfüllt worden.
Es sind auch keine Ermessensfehler ersichtlich. Nach dem Vortrag der Beklagten wurde bereits im Jahr 2010 die Überprüfungspflicht bis zum 31. Dezember 2015 in die Entwässerungssatzung übernommen. Somit stand der Klägerin ausreichend Zeit zur Verfügung, ihre Verpflichtung fristgemäß nachzukommen. Überdies hat die Beklagte mehrmals Fristverlängerungen gewährt, innerhalb derer eine Prüfung möglich gewesen wäre. Im konkreten Fall der Klägerin ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte weitere Fristverlängerungen hätte gewähren müssen, da Schäden an der Entwässerungseinrichtung der Klägerin bereits seit dem Jahr 2008 bekannt waren und somit auch im Hinblick auf einen effektiven Schutz des Grundwassers Handlungsbedarf bestand. Aus Sicht der erkennenden Kammer ist daher auch dem Umstand ausreichend Rechnung getragen worden, dass mehrere Grundstückseigentümer zeitgleich versucht haben mögen, entsprechende Firmen zu beauftragen, und es daher zu Engpässen gekommen sein mag.
Des Weiteren ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte ihre Anordnung gegen die Klägerin gerichtet hat. Der Grundstückseigentümer ist sowohl für den Unterhalt des Grundstücksanschlusses (§ 8 Abs. 1 Satz 1 EWS) als auch der Grundstücksentwässerungsanlage (§ 9 Abs. 2 Satz 1 EWS) verantwortlich. Diese sogenannte Anliegerregie, die auch in § 12 Abs. 1 Satz 1 EWS eine rechtliche Grundlage erfährt, begründet eine umfassende Pflicht des Grundstückseigentümers, die Grundstücksentwässerungsanlagen zu unterhalten. Demnach ist vorrangig der Grundstückseigentümer in Anspruch zu nehmen. Im vorliegenden Fall war insbesondere zu berücksichtigen, dass bereits Schäden an der Entwässerungseinrichtung der Klägerin festgestellt wurden und somit zur Sicherstellung einer effektiven Gefahrenabwehr eine Heranziehung der Klägerin nicht ermessensfehlerhaft war.
Ob tatsächlich Schäden durch das Wurzelwerk von Bäumen verursacht wurden, die sich auf Grundstücken der Beklagten oder auch benachbarten Grundstücken befinden, bedarf im vorliegenden Rechtsstreit keiner weiteren Klärung. Zum einen ist vorrangig die Klägerin aufgrund der satzungsrechtlich geregelten Anliegerregie für die Dichtheit der Anlage verantwortlich, zum anderen mussten mögliche, nach zivilrechtlichen Regelungen haftende Grundstückseigentümer, nicht ermittelt werden, da dem die Effektivität der Gefahrenabwehr entgegensteht. Auch ist ein offensichtlich überwiegendes Mitverschulden der Beklagten weder vorgetragen noch ersichtlich, sodass auch kein atypischer Fall vorliegt, der die Inanspruchnahme der Klägerin als unbillig erscheinen lässt. Insbesondere befinden sich sowohl auf dem Grundstück der Klägerin als auch auf Nachbargrundstücken Bäume (Bl. 123 der Gerichtsakte), deren Wurzelwerk die Schäden verursacht haben können.
Zuletzt besteht auch kein Verstoß gegen Art. 31 GG. Diese Norm regelt als eine grundlegende Vorschrift des Bundesstaatsprinzips die Lösung von Widersprüchen zwischen Bundes- und Landesrecht. Sie bestimmt das Rangverhältnis für alle Arten von Rechtssätzen jeder Rangstufe, nicht aber für Einzelfallentscheidungen, auch nicht der Gerichte. Art. 31 GG löst die Kollision von Normen und setzt daher zunächst voraus, dass die Regelungen des Bundes- und Landesrechts auf denselben Sachverhalt anwendbar sind. Schon dies ist hier nicht der Fall, da die in der Entwässerungssatzung geregelte öffentlich-rechtliche Störerverantwortlichkeit keine Aussage über die endgültige zivilrechtliche Kostenverteilung zwischen gegebenenfalls mehreren Störern trifft (BayVGH, B.v. 27.9.2012 – 4 ZB 11.1826 – juris Rn. 8 ff.).
Auch wenn es vorliegend aus Sicht der erkennenden Kammer streitentscheidend nicht auf die Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 1 EWS ankommt, da streitgegenständliche lediglich die erstmalige Prüfung der Dichtheit und nicht eine Folgeprüfung der Entwässerungsanlage der Klägerin ist, so begründet sich auch in einer Gesamtschau von § 12 Abs. 1 Satz 1 und 6 EWS keine rechtlichen Bedenken, insbesondere sind diese Vorschriften nicht nichtig. Der Klägerin ist zuzugeben, dass die Beklagte entgegen § 12 Abs. 1 Satz 1 des Musters für eine gemeindliche Entwässerungssatzung (AllMBl. 2012 S. 182), gemäß dem eine wiederkehrende Prüfung in Abständen von jeweils 20 Jahren zu erfolgen hat, keine konkrete Frist für wiederkehrende Prüfungen in der Entwässerungssatzung angegeben hat. Jedoch ist dies im vorliegenden Fall unschädlich, da sich die konkreten Fristen aus der einschlägigen DIN-Norm 1986-30 ergeben. Schon der Gesetzgeber hat in § 60 Abs. 1 Satz 2 WHG hinsichtlich der Errichtung, des Betriebs und Unterhalts von Abwasseranlagen auf die allgemein anerkannten Regeln der Technik verwiesen. Es ist deshalb jedenfalls im Bereich der Abwasserentsorgung nicht zu beanstanden, wenn der Normgeber in seiner Satzung in Anlehnung an die gesetzliche Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 2 WHG auf eine DIN-Norm Bezug nimmt. Dadurch wird lediglich der Inhalt der getroffenen Regelung verdeutlicht (BayVGH, B.v. 26.6.2015 – 4 ZB 15.150 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 4.6.2018 – 4 ZB 17.2066 – juris Rn. 12). Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte die einschlägigen DIN-Normen vorhält und somit jederzeit die Betroffenen vom Inhalt der DIN-Vorschriften verlässlich und in zumutbarer Weise Kenntnis erlangen können. Zudem wäre es der Klägerin auch zumutbar, die DIN-Normen bei dem deutschen Patent- und Markenamt in München oder den DIN-Norm-Auslegestellen, wo diese hinterlegt sind, einzusehen (BVerwG, U.v. 27.6.2013 – 3 C 21/12 – juris Rn. 21 ff.).
Auch hinsichtlich Ziffer 3. des streitgegenständlichen Bescheides, mit dem Gebühren und Auslagen erhoben werden, bestehen seitens des Gerichts keine rechtlichen Bedenken.
Die zunächst in Ziffer 2. des Bescheides vom 8. November 2017 rechtswidrige Zwangsgeldandrohung wurde jedenfalls mit Bescheid vom 29. August 2018, der von den Bevollmächtigten der Klägerin zum Gegenstand des Verfahrens gemacht wurde, wirksam verfügt.
Die Beklagte hat zunächst in Ziffer 2. des Bescheides vom 8. November 2017 ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR androht und der Klägerin zugleich eine Frist zum 21. Dezember 2017 gesetzt (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG). Die Anordnung eines Sofortvollzuges der unter Ziffer 1. angeordneten Verpflichtung ist jedoch unterblieben. Die gesetzte Frist ist ergebnislos verstrichen, ohne dass die Klägerin ihrer Verpflichtung nachgekommen ist. Jedenfalls mit dem Ablauf der gesetzten Frist zur Erfüllung ist Ziffer 2. des Bescheides vom 8. November 2017 rechtswidrig geworden, weil die am 7. Dezember 2017 erhobene Klage mangels Anordnung eines Sofortvollzuges aufschiebende Wirkung entfaltete (§ 80 Abs. 1 VwGO). Infolge des Eintritts der aufschiebenden Wirkung durch die Klageerhebung bestand keine vollstreckbare Verpflichtung mehr. Erweist sich die Fristsetzung deshalb als gegenstandslos, gilt dies auch für das Zwangsmittel.
Allerdings wurde durch die erneute Zwangsgeldandrohung mit Bescheid vom 29. August 2018 eine wirksame Zwangsgeldandrohung verfügt. Diese beruht auf § 22 Abs. 2 EWS, Art. 29, 31, 36 VwZVG. Die Höhe des Zwangsgeldes, das sich an dem wirtschaftlichen Interesse, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterbleiben der Handlung hat, orientieren soll (Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG), ist angesichts der voraussichtlichen Kosten für Sanierung und Dichtheitsprüfung der Grundstücksentwässerungsanlage ebenso wenig rechtlich zu beanstanden, wie die Regelung, dass das Zwangsgeldes drei Monate nach Unanfechtbarkeit des Bescheides fällig wird.
Da der Bescheid vom 8. November 2017 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 29. August 2018 rechtmäßig ist, ist die Klägerin nicht in eigenen Rechten verletzt. Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
Die Klägerin unterliegt mit ihrer Klage hinsichtlich Ziffer 1. und 3. des Bescheides vom 8. November 2017, weshalb sie diesbezüglich die Kosten zu tragen hat, § 154 Abs. 1 VwGO.
Zwar war die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 2. des Bescheides vom 8. November 2017 rechtswidrig und wurde erst nachträglich durch den Änderungsbescheid vom 29. August 2018 wirksam verfügt, jedoch stellt dies für die Beklagte lediglich ein Unterliegen zu einem geringen Teil dar, weshalb die Klägerin auch diesbezüglich die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 a Abs. 1 VwGO nicht vorliegen.

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