Verwaltungsrecht

Wohnverpflichtung in einer Aufnahmeeinrichtung bei Herkunft aus sicherem Herkunftsstaat

Aktenzeichen  W 6 S 16.30115

Datum:
29.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 29a, § 47 Abs. 1a, § 50
VwGO VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Die Vorschriften über die Verpflichtung für Asylantragsteller aus sicheren Herkunftsstaaten, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, decken auch eine spätere landesinterne Umverteilung von Antragstellern, die bereits aus einer Aufnahmeeinrichtung in eine Anschlussunterbringung verteilt worden waren. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wird abgelehnt.
II.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Prozessbevollmächtigten wird sowohl im vorliegenden Sofortverfahren als auch im Klageverfahren W 6 K 16.30114 abgelehnt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin ist kosovarische Staatsangehörige, die sich gegen eine Zuweisungsentscheidung – innerbayerische Umverteilung – der Regierung von Oberfranken wehrt.
Mit Bescheid vom 8. Januar 2015 (wohl 2016) wies die Regierung von Oberfranken der Antragstellerin als künftigen Wohnsitz die Ankunfts- und Rückführungseinrichtung II Bayern (ARE II), Erlenweg 4, 96047 Bamberg, zu (Nr. 1), setzte als Frist für die Erfüllung der Verpflichtung zum Einzug in die vorgenannte Unterkunft eine Woche nach Aushändigung des Bescheids (Nr. 2) und drohte für den Fall der nicht rechtzeitigen Erfüllung die Vollstreckung durch unmittelbaren Zwang an (Nr. 3).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Antragstellerin sei nach § 47 Abs. 1a Satz 1 AsylG als Ausländerin aus einem sicheren Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG in Verbindung mit Anlage II zum AsylG verpflichtet, in der ARE II zu wohnen. Es seien im vorliegenden Fall keine Gesichtspunkte ersichtlich, um von einer Umverteilung in die ARE II abzusehen. Der unmittelbare Zwang sei gemäß § 34 VwZVG zulässig. Eine vorherige Anhörung sei gemäß § 50 Abs. 4 Satz 3 und 4 AsylG entbehrlich.
Die Antragstellerin ließ mit Schriftsatz vom 14. Januar 2016 beim Bayer. Verwaltungsgericht Bayreuth Klage erheben (B 3 K 16.30055). Gleichzeitig ließ sie im Verfahren (B 3 S 16.30054) beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom heutigen Tage gegen den Bescheid der Regierung von Oberfranken vom 8. Januar 2015 (richtig 8. Januar 2016) anzuordnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es fehle an einer Rechtsgrundlage für die Umverteilung der Antragstellerin. § 47 Abs. 1a AsylG könne keine solche Rechtsgrundlage sein.
Mit Beschlüssen vom 25. Januar 2016 erklärte sich das Bayer. Verwaltungsgericht Bayreuth für unzuständig und verwies die Streitsachen an das Bayer. Verwaltungsgericht Würzburg. Sie werden nunmehr unter den Verfahren W 6 K 16.30114 und W 6 S 16.30115 fortgeführt.
Der Antragsgegner, vertreten durch die Regierung von Oberfranken, beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde auf die Gründe des streitgegenständlichen Bescheids verwiesen. Ergänzend wurde ausgeführt, das Ermessen sei ausreichend ausgeübt worden. Mit Blick auf eine Anhörung sei auf § 50 Abs. 4 Satz 2 AsylG zu verweisen.
Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten verwiesen. Die Verfahrensakte W 6 K 16.30114 wurde beigezogen.
II.
Der zulässige Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO hat keinen Erfolg.
Der Antrag ist unbegründet, da der streitgegenständliche Bescheid nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung rechtmäßig ist und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt, so dass das öffentliche Vollzugsinteresse das Privatinteresse der Antragstellerin, vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache in ihrer bisherigen Unterkunft verbleiben zu dürfen, überwiegt.
Das Gericht folgt den Feststellungen und der Begründung im angefochtenen Bescheid und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer nochmaligen Darstellung ab (§ 77 Abs. 2 AsylG). Im vorliegenden Antragsverfahren sind keine neuen Tatsachen und Rechtsargumente geltend gemacht worden, die zu einer abweichenden Entscheidung führen können.
Ergänzend ist anzumerken, dass die Antragstellerin der Wohnverpflichtung in der Aufnahmeeinrichtung gemäß § 47 Abs. 1a Satz 1 AsylG unterfällt, weil sie aus einem sicheren Herkunftsstaat kommt. Die Umverteilung und die Umzugsaufforderung konnten auf § 47 Abs. 1a AsylG i. V. m. § 50 AsylG und die zu dessen Durchführung erlassene Rechtsverordnung gestützt werden. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Vorschriften decken sie auch eine gebotene spätere landesinterne Umverteilung, weil eine Pflicht zum Wohnen in der Aufnahmeeinrichtung erstmals oder wieder entsteht. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 9. Dezember 2015 (21 CS 15.30249 – juris Rn. 7) ausdrücklich auf die Gesetzesbegründung und den Sinn und Zweck der neuen Vorschrift des § 47 Abs. 1a AsylG verwiesen, wonach die neuen Aufnahmeeinrichtungen eigens für den Zweck geschaffen wurden, bei Personen ohne flüchtlingsrelevanten Schutzbedarf – wie der Antragstellerin – eine abschließende sowie im Ergebnis schnelle Bearbeitung des Asylverfahrens und eine raschere Beendigung des Aufenthalts zu gewährleisten. Gerade im Jahr 2015 sind wegen des starken Anstiegs der Flüchtlingszahlen Verteilungen aus den Aufnahmeeinrichtungen in eine Anschlussunterbringung offensichtlich auch aus Kapazitätsproblemen erfolgt. Die Vorschrift des § 47 Abs. 1a AsylG bezweckt gerade die Entlastung der anderweitigen Kapazitäten für die Unterbringung von Asylbewerbern außerhalb der Aufnahmeeinrichtungen (vgl. VG Regensburg, B.v. 29.12.2015 – RO 7 S 15.32072).
Das Gericht kann des Weiteren keine unzulässige Rückwirkung der Gesetzesänderung feststellen, da der Antragsgegner schon vor der Gesetzesänderung landesinterne Umverteilungen im öffentlichen Interesse vornehmen konnte. Die Antragstellerin konnte nicht darauf vertrauen, in der Unterkunft, in der sie sich bisher befand, dauerhaft und nicht nur vorübergehend zu bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 AsylG.
Schließlich war – nach den vorstehenden Ausführungen – der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Prozessbevollmächtigten im vorliegenden Verfahren mangels Erfolgsaussichten in der Hauptsache abzulehnen (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 und § 121 Abs. 2 ZPO). Dies gilt sowohl für das vorliegende Antragsverfahren als auch für das Klageverfahren (W 6 K 16.30114).

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