Verwaltungsrecht

Zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis wegen Hepatits B und posttraumatischer Belastungsstörung

Aktenzeichen  M 2 S 16.30952

Datum:
9.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 4, § 13 Abs. 2, § 26 a Abs. 1, Abs. 2, § 36, § 75, § 77 Abs. 1 S. 1,  Abs. 2, § 80, § 83 b
AufenthG AufenthG § 11 Abs. 1, Abs. 2, , § 11 Abs. 7, § 59, § 60 Abs. 1
EMRK EMRK Art. 3
GG GG Art. 16a Abs. 1
VwGO VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, § 80 Abs. 5, § 154 Abs. 1

 

Leitsatz

Ein krankheitsbedingtes zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 AufenthG liegt bei einer chronischen Hepatitis B nicht vor, weil diese Krankheit bei einer Nichtbehandlung nicht alsbald im Zielland zu einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung führt. Auf die Frage, ob Hepatitis B im Senegal behandelt werden kann, kommt es deshalb nicht an. (redaktioneller Leitsatz)
Die bloße Behauptung einer posttraumatischen Belastungsstörung rechtfertigt nicht die Feststellung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses, wenn diese Erkrankung weder durch ärztliches Attest noch entsprechend den höchstrichterlichen Vorgaben (BVerwG BeckRS 2012, 55084) fachärztlich nachgewiesen ist. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben senegalesischer Staatsangehöriger. Er verließ sein Heimatland am 13. September 2012 und reiste über Mauretanien und Marokko zunächst nach Spanien, wo er sich zwei Monate aufhielt, dann weiter nach Frankreich, wo er sich drei bis fünf Monate aufhielt, bevor er mit dem Zug aus Frankreich kommend am 13. Januar 2013 in die Bundesrepublik Deutschland einreiste (alles eigene Angaben). Am 15. Juli 2013 stellt er einen Asylantrag.
Bei der Anhörung durch das Bundesamt … (Bundesamt) am 16. November 2015 gab der Antragsteller zur Begründung seines Asylantrags im Wesentlichen Folgendes an: Er habe in Senegal drei Jahre lang auf einer Baustelle gearbeitet. Er sei krank geworden und habe aufgehört zu arbeiten. Er sei ausgereist weil er krank sei. Er habe Hepatitis B. Zur Vorlage kamen zwei Untersuchungsbefunde des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 24. Juli 2013 und 24. Oktober 2013, aus denen hervorgeht, dass im Blut des Antragstellers Hepatitis B-DNA und Hepatitis B-Antikörper nachgewiesen wurden. Er leide schon sehr lange Zeit an dieser Krankheit, in Deutschland sei es festgestellt worden. In Senegal habe ihm sein Herz wehgetan, sein Körper sei warm gewesen, er habe viel geschlafen. In Senegal sei er nicht in ärztlicher Behandlung gewesen. In Deutschland habe er Medikamente bekommen. Er sei sieben Jahre lang krank gewesen. Er wolle nicht nach Senegal zurück, dort werde er sterben.
Mit Bescheid vom 14. April 2016, den Bevollmächtigten zugestellt am 25. April 2016, lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1.) und auf Asylanerkennung (Ziffer 2.) jeweils als offensichtlich unbegründet sowie den Antrag auf subsidiären Schutz (Ziffer 3.) als unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4.), forderte den Antragsteller auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, andernfalls werde er abgeschoben (Ziffer 5.), ordnete eine Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG an und befristete dieses auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise (Ziffer 6.) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 7.). Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt: Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschafte und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen offensichtlich nicht vor. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Der Asylantrag eines Ausländers aus einem sicheren Herkunftsstaat sei gemäß § 29 a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründeten die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Verfolgung droht. Der Antragsteller stamme aus dem Senegal und damit aus einem sicheren Herkunftsstaat. Aus dem Sachvortrag des Antragstellers sei weder eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung, noch ein flüchtlingsrechtlich relevantes Anknüpfungsmerkmal ersichtlich. Da es dem Antragsteller nicht gelungen sei, die Regelvermutung des § 29 a AsylG zu widerlegen und aufgrund der Feststellung, dass er ausschließlich aus gesundheitlichen Gründen aus Senegal ausgereist sei, sei der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Die engeren Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter lägen somit nach Ablehnung des Flüchtlingsschutzes ebenfalls offensichtlich nicht vor. Dem Antragsteller drohe kein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 AsylG. Die Zuerkennung subsidiären Schutzes sei somit abzulehnen gewesen. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Hinsichtlich des § 60 Abs. 5 AufenthG komme in erster Linie eine Verletzung des Art. 3 EMRK in Betracht. In Bezug auf Gefahren einer Verletzung des Art. 3 EMRK, die individuell durch einen konkret handelnden Täter drohen, sei keine andere Bewertung als bei der Prüfung des subsidiären Schutzes denkbar. Auch führten die derzeitigen humanitären Bedingungen in Senegal nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom EGMR geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Es sei davon auszugehen, dass der Antragsteller im Falle einer Rückkehr in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen, um damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums erwirtschaften zu können* Dem Antragsteller drohe auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde. Die vom Antragsteller vorgelegten ärztlichen Befunde zu einer Hepatitis B seien nicht geeignet, außergewöhnlich schwere körperliche oder psychische Schäden und/oder existenzbedrohende Zustände zu belegen. Insbesondere ließen sie keine dringende Behandlungsnotwendigkeit erkennen. Es handle sich um eine nicht mehr frische Infektion mit Hepatitis, die lediglich möglicherweise chronisch sein könnte. Die seltenere chronische Hepatitis B, die im Gegensatz zur selbst ausheilenden, häufigeren akuten Hepatitis B dauerhaft behandlungsbedürftig wäre und Gesundheitsschäden erwarten lassen würde, sei nicht diagnostiziert worden. Auch eine chronische Hepatitis B würde im Übrigen nur in 10% der Fälle in eine chronisch-aggressive Hepatitis B übergehen. Zwischen Ansteckung und der Entwicklung einer Schrumpfleber vergingen durchschnittlich 20 Jahre. Es seien keine aktuellen Befunde über eine mögliche chronische Hepatitis B und deren dauerhafte Behandlungsbedürftigkeit vorgelegt worden. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG zu erlassen. Die Ausreisefrist von einer Woche ergebe sich aus § 36 Abs. 1 AsylG. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot werde gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet. Das (daneben bestehende) gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller durch seine Bevollmächtigten am 2. Mai 2016 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte sinngemäß, den Bescheid vom 14. April 2016 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen, hilfsweise festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 – 5, Abs. 7 AufenthG vorliegen. Diese Klage, über die noch nicht entschieden ist, wird unter dem Aktenzeichen M 2 K 16.30949 geführt. Ferner ließ er ebenfalls am 2. Mai 2016 sinngemäß beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Antragsbegründung ließ der Antragsteller u. a. wie folgt vortragen: Der Antragsteller leide an einer chronischen Hepatitis B. Der Antragsteller könne sich eine regelmäßige, dauerhafte Behandlung in Senegal nicht leisten. Er klage regelmäßige über Druckgefühle unter dem Rippenbogen. Wenn dauerhaft Symptome einer chronischen Hepatitis B vorhanden seien, so könne nicht von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden, dass die Hepatitis B sich nicht in naher Zukunft weiter entwickeln werde. Eine Abschiebung des Antragstellers habe daher aus humanitären Gründen zu unterbleiben, zumindest sei zunächst amtsärztlich festzustellen, in welchem Stadium sich die chronische Hepatitis B befinde und wie sich eine Rückkehr in den Senegal auswirken. Außerdem bestehe beim Antragsteller der dringende Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung, die ihre Grundlage in den traumatischen Erlebnissen des Antragstellers auf der Reise vom Senegal nach Deutschland habe. Bei der Überfahrt von Marokko nach Spanien sei das Schlauchboot gesunken, dabei seien vier von neun Insassen ertrunken. Der Antragsteller werde von dem Geschehen nach seinen Angaben bis heute verfolgt. Es sei ihm bisher schwer gefallen, darüber zu reden, weshalb er es auch nicht im Rahmen der Anhörungen im Asylverfahren zur Sprache gebracht habe. Da zumindest der Verdacht einer posttraumatischen Belastungsstörung vorliege, müsse vor einer Abschiebung festgestellt werden, ob eine solche gegeben sei.
Am 3. Mai 2016 legte das Bundesamt seine Akten vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakten und die vor-gelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Für das Gericht ist hinsichtlich der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG). Insbesondere kommen das AsylG und das AufenthG in den durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl I S. 390) und das Gesetz zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern und zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 11. März 2016 (BGBl I S. 394) geänderten Fassungen zur Anwendung.
Der Antrag ist als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung zulässig (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 AsylG; § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i. V. m. § 36 Abs. 3 AsylG), jedoch unbegründet.
Die Aussetzung der Abschiebung darf nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (Art. 16 a Abs. 4 Satz 1 GG, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG). Ernstliche Zweifel liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird (BVerfGE 94, 166, 194). Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (§ 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG).
Die Androhung der Abschiebung unter Bestimmung einer Ausreisefrist von einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung stützt sich auf die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet (§ 34 Abs. 1 i. V. m. § 36 Abs. 1 AsylG). Das Gericht hat daher die Einschätzung des Bundesamts, dass die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen. Maßgeblich ist dabei, ob sich diese Einschätzung im Ergebnis als tragfähig und rechtmäßig erweist. Darüber hinaus hat das Gericht gemessen am Maßstab der ernstlichen Zweifel auch zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht den Antrag auf subsidiären Schutz abgelehnt und das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG verneint hat (vgl. zum Ganzen: Marx, Kommentar zum AsylVfG, 8. Auflage, § 36 Rdnr. 43, 56 f. jew. m. w. N.).
Vorliegend bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffen Bescheids vom 14. April 2016. Das Bundesamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen. Nicht zu beanstanden ist auch, dass das Bundesamt den Antrag auf subsidiären Schutz abgelehnt und keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festgestellt hat. Dem Antragsteller droht offensichtlich weder im Hinblick auf die allgemeine Situation in Senegal noch aufgrund besonderer individueller Umstände eine asylerhebliche Bedrohung, Verfolgung oder Gefährdung im Sinne des Art. 16 a Abs. 1 GG sowie der §§ 3 ff. AsylG, § 4 AsylG und § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
Zur Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die Ausführungen im Bescheid des Bundesamts vom 14. April 2016 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen:
Der Antragsteller hat sich allein auf gesundheitliche Probleme berufen. Schon gegenüber dem Bundesamt und erneut gegenüber dem Gericht hat er eine (chronische) Hepatitis B-Erkrankung vorgebracht. Gegenüber dem Gericht hat er zusätzlich vortragen lassen, es bestehe der Verdacht einer posttraumatischen Belastungsstörung.
1. Dieses Vorbringen führt ganz offensichtlich und von vornherein weder zu einer Anerkennung als Asylberechtigter, noch zu einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, noch zur Anerkennung als subsidiär Schutzberechtigter, noch zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG. Insoweit wird nochmals auf den Bescheid des Bundesamts vom 14. April 2016 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend sei noch darauf hingewiesen, dass der Antragsteller gemäß Art. 16 a Abs. 2 GG i. V. m. § 26 a Abs. 1 AsylG auch deshalb offensichtlich nicht als Asylberechtigter anerkannt werden, weil er nach eigenem Vortrag über Spanien und Frankreich eingereist und daher über einen sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16 a Abs. 2 GG i. V. m. § 26 a Abs. 2 AsylG nach Deutschland gelangt ist.
2. Das Vorbringen des Antragstellers rechtfertigt es auch nicht, von einem krankheitsbedingten zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Sätze 1 bis 4 AufenthG auszugehen:
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Regelung in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfasst dabei nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solcher ergeben, nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können (st. Rspr., BVerwG, U. v. 25.11.1997 – Az. 9 C 58.96 – juris; BVerwG, U. v. 29.10.2002 – 1 C 1/02 – juris; BayVGH, U. v. 8.3.2012 – 13a B 10.30172 – juris; OVG NW, U. v. 27.1.2015 – 13 A 1201/12.A – juris Rn. 45).
Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich dabei auch aus der Krankheit eines Ausländers ergeben, wenn diese sich im Heimatstaat verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich darüber hinaus trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann, etwa weil er nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfügt (BVerwG, U. v. 29.10.2002, a. a. O.; BayVGH, U. v. 8.3.2012, a. a. O.). Dabei setzt die Annahme einer erheblichen konkreten Gefahr voraus, dass sich der Gesundheitszustand des betroffenen Ausländers alsbald nach der Ankunft im Zielland der Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde (BVerwG, U. v. 25.11.1997, a. a. O.). Durch Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl I S. 390) wurden hinsichtlich des krankheitsbedingten zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses durch § 60 Abs. 7 Sätze 2 bis 4 AufenthG zusätzlich folgende Bestimmungen getroffen: Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Nach Auffassung des Gerichts haben sich diese nunmehr in § 60 Abs. 7 Sätze 2 bis 4 AufenthG gesetzlich normierten Grundsätze auch bereits bisher aus der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung zum krankheitsbedingten zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernis ableiten lassen. Im Fall des Antragstellers liegen die Voraussetzungen eines solchen krankheitsbedingten zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 Sätze 1 bis 4 AufenthG indes nicht vor:
a) Dies gilt zunächst für die vom Antragsteller vorgebrachte chronische Hepatitis B-Erkrankung: Insoweit hat der Antragsteller noch nicht einmal glaubhaft gemacht, dass er überhaupt an einer solchen Erkrankung leidet. Vorgelegt hat er lediglich zwei Untersuchungsbefunde des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 24. Juli 2013 und 24. Oktober 2013, aus denen hervorgeht, dass im Blut des Antragstellers Hepatitis B-DNA und Hepatitis B-Antikörper nachgewiesen wurden. Entgegen der Antragsbegründung enthalten diese Befunde keine explizite Feststellung, der Antragsteller leide an chronischer Hepatitis B. Aktuelle ärztliche Atteste hat der Antragsteller weder beim Bundesamt, noch gegenüber dem Gericht vorgelegt. Darüber hinaus fehlen auch jegliche ärztliche Atteste, inwieweit eine etwaige chronische Hepatitis B beim Antragsteller behandlungsbedürftig ist. Vor allem aber scheidet ein krankheitsbedingtes zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis hinsichtlich einer etwaigen chronischen Hepatitis B deshalb aus, weil es sich hierbei nicht um eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung handelt, die sich im Falle einer etwaigen Nichtbehandlung alsbald nach der Ankunft im Zielland der Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Dem Gericht ist bekannt, dass eine unbehandelte chronische Hepatitis bei 15 bis 30% der Betroffenen im Laufe der Jahre zu einer fortschreitenden Zerstörung der Leber (Leberzirrhose) führt und außerdem ein erhöhtes Risiko besteht, dass sich eine Krebserkrankung der Leber (Leberzellkarzinom) entwickelt (Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Robert Koch-Institut (Hrsg.), Stand November 2015, S. 87 m. w. N., abrufbar unter www.gbe-bund.de). Hierbei handelt es sich aber gerade nicht um Folgen, die alsbald nach der Ankunft im Zielland der Abschiebung eintreten. Es ist auch überhaupt nicht abzusehen, ob im Einzelfall des Antragstellers später einmal derart schwerwiegende Folgen auftreten werden. Mithin liegt gerade nicht die von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorausgesetzte erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben vor. Auf die vom Antragsteller aufgeworfene Frage, inwieweit ihm in Senegal eine etwa erforderliche Behandlung einer etwaigen Hepatitis B zur Verfügung stünde, kommt es deshalb nicht an.
b) Auch der erstmals gegenüber dem Gericht vorgebrachte Verdacht einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) kann es schon im Ansatz nicht rechtfertigen, von einem krankheitsbedingten zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernis im Sinne des § 60 Abs. 7 Sätze 1 bis 4 AufenthG ausgehen zu können.
Die höchstrichterliche Rechtsprechung (BVerwG, B. v. 26.7.2012 – 10 B 21/12 – juris Rn. 7 m. w. N.; BVerwG, U. v. 11.9.2007 – 10 C 17/07 – juris Rn. 15) stellt an die Substantiierung des Vorbringens einer Erkrankung an einer PTBS besondere Anforderungen. Gefordert wird die Vorlage eines gewisse Mindestanforderungen genügenden, aktuellen fachärztlichen Attests. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren soll das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist. Vorliegend sind diese Voraussetzungen offensichtlich nicht erfüllt: Es liegt hinsichtlich einer PTBS noch nicht einmal ein ärztliches Attest, geschweige denn ein die o.g. Mindestanforderungen erfüllendes fachärztliches Attest vor. Die bloße Behauptung des Verdachts einer PTBS in einem anwaltlichen Schriftsatz kann schon im Ansatz keinerlei ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids des Bundesamts begründen.
Angesichts dessen kommt es auf die Frage der Behandlungsmöglichkeiten einer etwaig behandlungsbedürftigen PTBS in Senegal nicht mehr an. Gleiches gilt für die Frage, inwieweit sich der Gesundheitszustand des Antragstellers im Falle einer etwaigen Nichtbehandlung alsbald nach der Ankunft im Zielland der Abschiebung wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Dahingestellt kann auch bleiben, ob das erstmals gegenüber dem Gericht vorgebrachte traumatisierende Erlebnis überhaupt stattgefunden hat (was gegenüber dem Tatrichter nachgewiesen bzw. wahrscheinlich gemacht werden muss, vgl. VG Ansbach, U. v. 24.3.2015 – AN 3 K 14.30132 – juris Rn. 77; VG München, U. v. 14.2.2014 – M 21 K 11.30993 – juris Rn. 36; VG Augsburg, U. v. 21.6.2013 – Au 7 K 13.30077 – juris Rn. 62).
c) Zusammenfassend sei nochmals verdeutlicht, dass § 60 Abs. 7 Sätze 1 bis 4 AufenthG keine optimale Gesundheitsversorgung gewährleistet. Möglicherweise könnte der Antragsteller bei einem weiteren Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland eine bessere gesundheitliche Versorgung als im Heimatstaat erlangen. Der Abschiebungsschutz des § 60 Abs. 7 Sätze 1 bis 4 AufenthG gewährleistet indes nicht die Heilung oder bestmögliche Linderung von Krankheiten im Bundesgebiet. Vielmehr besteht Abschiebungsschutz lediglich insoweit, als sich im Fall der Rückkehr in das Heimatland eine vorhandene Erkrankung aufgrund der Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung alsbald und in einer Weise verschlimmern würde, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führen würde. Dies kann im Fall des Antragstellers nicht festgestellt werden.
d) Angesichts dieses Ergebnisses ist entgegen der Auffassung des Antragstellers auch kein Raum dafür, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, um seinen Gesundheitszustand näher aufzuklären. Hierfür bedürfte es ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts (§ 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG), wovon gemessen an dem Vorstehenden auch im Hinblick auf ein krankheitsbedingtes zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 7 Sätze 1 bis 4 AufenthG keine Rede sein kann.
3. Das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamts – dieses bezieht sich nur auf den Asylantrag (§ 13 Abs. 2 AsylG), nicht aber auf die asylrechtlichen Abschiebungsverbote – ist gemessen an dem Vorstehenden gerechtfertigt gemäß § 29 a AsylG und gemäß § 30 Abs. 1 AsylG.
Nach alldem war der gemäß § 83 b AsylG gerichtskostenfreie Antrag mit der Kosten-folge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.

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