Aktenzeichen 22 ZB 18.1165
Leitsatz
1 Die Rechtmäßigkeit eines auf § 35 GewO gestützten Verwaltungsakts beurteilt sich ausschließlich nach den Gegebenheiten, die bei Abschluss des verwaltungsbehördlichen Verfahrens bestehen; später eingetretene Entwicklungen sind insofern ohne Belang (Anschluss an BVerwG BeckRS 9998, 44552). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2 Beruhen steuerliche Zahllasten auf Schätzungen des Finanzamts, kommt auf diese Weise entstandenen Steuerschulden keine geringere Aussagekraft für die Unzuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden zu als das bei Steuerrückständen der Fall ist, die auf eine Steuererklärung oder -anmeldung des Betroffenen beruhen (Anschluss an BayVGH BeckRS 2018, 20035 ua). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eintragungen im Gewerbezentralregister dürfen grundsätzlich so lange zu Ungunsten des Betroffenen verwertet werden, wie die in § 153 Abs. 1 und 2 GewO normierten Tilgungsfristen noch nicht abgelaufen sind. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
4 Durch den bloßen Hinweis auf den gravierenden Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG wird nicht dargetan, dass ein solcher Eingriff nicht auch im Licht dieses Grundrechts zulässig ist. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 16 K 17.1208 2018-04-10 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 20.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
1. Der Kläger meldete am 20. März 2008 bei der Beklagten die seiner Darstellung zufolge am gleichen Tag erfolgte Aufnahme des Gewerbes „Feinkost“ an.
Mit Schreiben vom 24. Oktober 2016 beantragte das Finanzamt München bei der Beklagten, dem Kläger gegenüber eine Gewerbeuntersagung auszusprechen und diese Anordnung auf alle in § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO bezeichneten Betätigungen zu erstrecken. Zur Begründung verwies die Behörde darauf, dass der Kläger Einkommen- und Umsatzsteuer sowie steuerliche Nebenleistungen und Vollstreckungskosten im Gesamtbetrag von 37.050,24 € schulde. Forderungspfändungen hätten nicht zum Erfolg geführt; Ratenzahlungszusagen habe der Kläger nicht eingehalten.
Am 3. November 2016 gewährte ihm das Finanzamt einen Vollstreckungsaufschub unter der Bedingung der Entrichtung festgesetzter Teilzahlungen, der pünktlichen Erfüllung der laufenden steuerlichen Erklärungs- und Anmeldepflichten sowie der termingerechten Entrichtung der laufend fällig werdenden Abgaben. Halte der Kläger eine dieser Bedingungen nicht ein, gelte der Vollstreckungsaufschub als widerrufen.
Am 20. Februar 2017 beliefen sich die Verbindlichkeiten des Klägers gegenüber dem Finanzamt, die sich gegen Ende des Jahres 2016 auf 32.527,62 € verringert hatten, einer amtlichen Rückstandaufstellung zufolge auf 35.639,26 €. Der gleichen Unterlage zufolge hatte er eine am 23. Januar 2017 fällig gewordene Umsatzsteuerschuld nicht beglichen.
Bei der Beklagten standen am 15. November 2016 gegen den Kläger gerichtete Gewerbesteuerforderungen im Gesamtbetrag von 20.645,20 € offen. Nachdem der Kläger am 2. Dezember 2016 hierauf eine Abschlagszahlung in Höhe von 7.529,00 € geleistet hatte, gewährte ihm die Beklagte unter der Voraussetzung der Entrichtung allmonatlicher Raten in Höhe von 500,00 € eine Vollstreckungsbeschränkung. Nach Darstellung des Kassen- und Steueramtes der Beklagten hat der Kläger keine der festgesetzten Raten entrichtet.
Das Vollstreckungsportal enthielt am 15. November 2016 die Eintragung, dass der Kläger mindestens in den Jahren 2015 und 2016 die Vermögensauskunft nicht abgegeben hat.
Wegen der insgesamt vier in den Jahren 2011 bzw. 2013 gegen den Kläger erlassenen, rechtskräftig gewordenen Bußgeldbescheide, die Verstöße gegen lebensmittel- und infektionsschutzrechtliche Vorschriften zum Gegenstand hatten, wird auf die ihn betreffenden Eintragungen im Gewerbezentralregister (Blatt 24 – 26 der Akte der Beklagten) Bezug genommen.
Durch Bescheid vom 20. Februar 2017 untersagte die Beklagte dem Kläger die Ausübung des Gewerbes „Einzelhandel mit Feinkost und Lebensmitteln; Abgabe von Speisen und/oder alkoholfreien Getränken (erlaubnisfrei nach dem Gaststättengesetz)“, ferner Tätigkeiten als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person sowie jede gewerbliche Tätigkeit im stehenden Gewerbe. Gleichzeitig gab sie ihm unter Androhung unmittelbaren Zwangs auf, das gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO untersagte Gewerbe mit dem Ablauf des zehnten Tags nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit des Bescheids einzustellen.
2. Nachdem der Kläger gegen diesen Bescheid durch seine anwaltliche Bevollmächtigte Anfechtungsklage erhoben hatte, beraumte das Verwaltungsgericht Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 10. April 2018 um 9.30 Uhr an. Die Klagebevollmächtigte bestätigte den Erhalt der Ladung durch ein von ihr am 15. März 2018 unterzeichnetes Empfangsbekenntnis.
Bei Aufruf der Sache am 10. April 2018 um 9.30 Uhr erschien für die Klagepartei niemand. Das Verwaltungsgericht unterbrach daraufhin die mündliche Verhandlung bis 9.50 Uhr. Nachdem auch bis dahin für die Klagepartei niemand erschienen war, erörterte das Verwaltungsgericht die Streitsache mit dem Terminsvertreter der Beklagten und verkündete sodann ein die Klage abweisendes Urteil.
Das Empfangsbekenntnis, mit dem die Klagebevollmächtigte die Zustellung des mit Gründen versehenen Urteils hätte bestätigen sollen, sandte sie am 24. April 2018 per Fernkopie ohne Unterschrift, jedoch mit dem handschriftlich darauf angebrachten Vermerk „Das Mandat wurde bereits nieder gelegt. Wir sind nicht empfangsberechtigt“ an das Verwaltungsgericht zurück. Ebenfalls am 24. April 2018 ging dem Verwaltungsgericht ein – gleichfalls per Fernkopie übermitteltes – Schreiben der Klagebevollmächtigten zu, das das Datum „19.03.2018“ trägt. Sie teilte darin mit, dass sie das Mandat niedergelegt habe, und bat, „von etwaigen Zustellungen“ abzusehen.
Mit Schreiben vom 24. April 2018 wies das Verwaltungsgericht die Klagebevollmächtigte darauf hin, dass die Mitteilung über eine Mandatsniederlegung erst an jenem Tag eingegangen sei. In diesem Schreiben brachte das Verwaltungsgericht ferner seine Auffassung zum Ausdruck, dass das Urteil vom 10. April 2018 der Klagebevollmächtigten wirksam zugestellt worden sei. Werde dem Gericht das Erlöschen einer Vollmacht erst nach erfolgter Zustellung angezeigt, bleibe die Zustellung wirksam. Gleichzeitig wurde die Klagebevollmächtigte aufgefordert, das Empfangsbekenntnis unverzüglich zu unterzeichnen und es an das Verwaltungsgericht zurückzusenden.
Dieser Aufforderung kam die Klagebevollmächtigte nicht nach. Stattdessen richtete sie am 25. April 2018 ein Schreiben an das Verwaltungsgericht, in dem sie eine am 19. März 2018 erfolgte Niederlegung des Mandats behauptete. Seither sei sie nicht mehr empfangsberechtigt. Wegen der Aufklärung über die Rechtslage, die ihr das Verwaltungsgericht mit Schreiben vom 26. April 2018 zuteilwerden ließ, wird auf Blatt 59 der Akte des Verwaltungsgerichts verwiesen.
3. Am 23. Mai 2018 beantragte die Klagebevollmächtigte beim Verwaltungsgericht, die Berufung gegen das Urteil vom 10. April 2018 zuzulassen. Hilfsweise beantragte sie die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung des letztgenannten Antrags machte sie geltend, der Kläger habe aufgrund einer fehlerhaften Aufnahme seiner Anschrift, zu der es in der Kanzlei der Klagebevollmächtigten gekommen sei, weder durch das Verwaltungsgericht noch durch seine Bevollmächtigte von dem zur Durchführung der mündlichen Verhandlung bestimmten Termin in Kenntnis gesetzt werden können.
Die Beklagte beantragt, den Antrag auf Zulassung der Berufung abzulehnen.
4. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und den vom Verwaltungsgericht beigezogenen Vorgang der Beklagten verwiesen.
II.
1. Der Antrag, dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, geht ins Leere. Dieser Rechtsbehelf ist gemäß § 60 Abs. 1 VwGO nur eröffnet und erforderlich, wenn ein Verfahrensbeteiligter eine gesetzliche Frist versäumt hat. Dass es im vorliegenden Rechtsstreit zu einer Fristversäumnis gekommen ist, ergibt sich weder aus dem Vorbringen der Klagepartei, noch ist dies unabhängig hiervon ersichtlich. Auf Seite 2 der von ihr unterzeichneten Antrags- und Antragsbegründungsschrift vom 23. Mai 2018 erklärt die Klagebevollmächtigte, dass ihr das Urteil vom 10. April 2018 am 24. April 2018 zugestellt wurde. Der Antrag auf Zulassung der Berufung, der am 23. Mai 2018 bei dem gemäß § 124a Abs. 4 Satz 2 VwGO empfangszuständigen Verwaltungsgericht eingegangen ist, wurde mithin innerhalb der einmonatigen Frist nach § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO gestellt.
2. Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, da die Klagepartei entgegen der Obliegenheit, die sich für sie aus § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO ergibt, nicht dargelegt hat, dass die Voraussetzungen eines Zulassungsgrundes im Sinn von § 124 Abs. 2 VwGO vorliegen.
Auf Seite 3 oben des Schriftsatzes der Klagebevollmächtigten vom 23. Mai 2018 bezieht sich der Kläger auf die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 VwGO. Da auf Seite 2 oben des gleichen Schriftstücks ein Anspruch auf Zulassung der Berufung aus dem Vorliegen eines Verfahrensmangels sowie daraus hergeleitet wird, dass das angefochtene Urteil von (allerdings nicht näher bezeichneten) Entscheidungen des Bundesverwaltungs- und des Bundesverfassungsgerichts abweiche, ist davon auszugehen, dass die Klagepartei ihren Rechtsbehelf auch auf § 124 Abs. 2 Nr. 4 und Nr. 5 VwGO stützen will.
2.1 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ergeben sich zunächst nicht aus der in der Antragsbegründung aufgestellten Behauptung, vor dem Erlass des Bescheids vom 20. Februar 2017 seien weder der Kläger selbst noch die Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern angehört worden. Tatsächlich haben beide Anhörungen ordnungsgemäß stattgefunden (vgl. zur Anhörung des Klägers das Schreiben der Beklagten vom 15.11.2016, das ihm am 17.11.2016 mittels Postzustellungsauftrags fehlerfrei zugestellt wurde; zur Anhörung der Industrie- und Handelskammer Nummer II der Verfügung der Beklagten vom 15.11.2016 sowie das Antwortschreiben der Kammer vom 29.11.2016). Da es der Industrie- und Handelskammer freisteht, ob sie sich zu einer beabsichtigten, auf § 35 GewO zu stützenden Maßnahmen äußern will, ist es rechtlich ohne Belang, dass sich ihre Stellungnahme auf die Mitteilung der Höhe der rückständigen Kammerbeiträge des Klägers sowie auf den Hinweis beschränkte, dass sie ihm – allerdings ohne eine Antwort zu erhalten – Gelegenheit gegeben habe, sich ihr gegenüber zu der streitgegenständlichen Maßnahme zu äußern.
Die in der Antragsbegründung aufgestellte Behauptung, der Kläger habe seine Beitragsschuld gegenüber der Industrie- und Handelskammer noch im Laufe des Jahres 2016 getilgt, ist auch unabhängig von dem Umstand, dass die Richtigkeit dieser Darstellung nicht belegt wurde, ungeeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zu begründen. Zwar werden die am 29. November 2017 bestehenden Beitragsrückstände des Klägers gegenüber der Industrie- und Handelskammer in der Sachverhaltsdarstellung des Bescheids vom 20. Februar 2017 kurz erwähnt; auch werden sie dem Kläger im Rahmen der rechtlichen Würdigung seines Verhaltens entgegengehalten (vgl. Seite 5 unten des Bescheids vom 20.02.2017). Zudem hat das Verwaltungsgericht zur Begründung seiner Entscheidung gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die Begründung dieses Bescheids Bezug genommen. Da die Beklagte die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers in Teil 2 der Bescheidsgründe jedoch nicht entscheidend aus den Beitragsrückständen hergeleitet hat, und auch die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils an keiner Stelle auf diesen Umstand abstellen, beruht die Abweisung der Klage nicht tragend auf diesem Gesichtspunkt.
Die Voraussetzungen des Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO werden ferner nicht durch die – gleichfalls unbelegt gebliebene – Behauptung dargetan, der Kläger habe seine Steuerschulden vor der mündlichen Verhandlung am 10. April 2018 vollständig beglichen. Hierbei kann es sich nur um eine Entwicklung handeln, die nach dem Erlass des Bescheids vom 20. Februar 2017 eingetreten ist. Denn die Beklagte hat sich durch die Auswertung von am 20. Februar 2017 erstellten Rückstandsaufstellungen des Finanzamtes (Blatt 50 f. der Akte der Beklagten) sowie ihres eigenen Kassen- und Steueramtes (Blatt 48 f. der Akte der Beklagten) über die Höhe der in diesem Zeitpunkt bestehenden steuerlichen Verbindlichkeiten des Klägers vergewissert. Die Rechtmäßigkeit eines auf § 35 GewO gestützten Verwaltungsakts aber beurteilt sich ausschließlich nach den Gegebenheiten, die bei Abschluss des verwaltungsbehördlichen Verfahrens bestehen (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seit dem Urteil vom 2.2.1982 – 1 C 146.80 – BVerwGE 65, 1/2); später eingetretene Entwicklungen sind insofern ohne Belang.
Nur ergänzend ist deshalb anzumerken, dass die Behauptung, der Kläger habe alle Steuerschulden bis zur mündlichen Verhandlung weggefertigt, nicht als zutreffend anerkannt werden kann. Denn nach der vom 10. April 2018 datierenden Übersicht, die die Beklagte im Termin übergeben hat (Blatt 36 der Akte des Verwaltungsgerichts), beliefen sich die Zahlungsrückstände des Klägers gegenüber der Beklagten an jenem Tag auf 24.430,58 €. Im Verhältnis zum Finanzamt ist es zwar zu einer deutlichen Ermäßigung des Schuldenstandes auf damals 9.352,64 € gekommen; von einer vollständigen Tilgung dieses Teils seiner Verbindlichkeiten kann vor diesem Hintergrund jedoch keine Rede sein. Dies gilt umso mehr, als die Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung der Richtigkeit der im Vermerk vom 10. April 2018 enthaltenen Angaben nicht entgegentritt.
Keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils folgen ferner aus den Ausführungen in der Antragsbegründung, in denen erläutert wird, warum es zu den Steuerrückständen gekommen sei. Die Klagepartei macht insofern geltend, diese Zahllasten würden auf einer vom Finanzamt vorgenommenen Schätzung beruhen, gegen die der Kläger keine Rechtsbehelfe eingelegt habe. Auf diese Weise entstandenen Steuerschulden kommt jedoch keine geringere Aussagekraft für die Unzuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden zu, als das bei Steuerrückständen der Fall ist, die auf eine Steuererklärung oder -anmeldung des Betroffenen beruhen (BayVGH, B.v. 8.5.2015 – 22 C 15.760 – juris Rn. 19; B.v. 13.6.2017 – 22 C 16.2481 – juris Rn. 10; B.v. 27.8.2018 – 22 ZB 18.1562 – BA Rn. 25). Denn die Prognose über die künftige Rechtskonformität der beruflichen Betätigung eines Gewerbetreibenden, der außer der Steuerentrichtungsauch die Steuererklärungspflicht missachtet hat (nur unter dieser Voraussetzung kommt es zu Steuerschätzungen), stellt sich keinesfalls günstiger dar als das bei einem Unternehmer der Fall ist, dem lediglich die finanziellen Mittel fehlen, um aufgelaufene Steuerschulden zu begleichen, oder der aus anderen Gründen hierzu nicht bereit ist.
Die Höhe der bis zum 20. Februar 2017 aufgelaufenen Steuerschulden des Klägers rechtfertigte – zumal in Verbindung mit den ihn betreffenden Eintragungen im Vollstreckungsportal sowie der Tatsache, dass er die Chance der Ratenzahlungsmöglichkeit, die ihm sowohl das Finanzamt als auch die Beklagte geboten haben, nicht zu nutzen vermochte – den Schluss, dass er bei Bescheidserlass nicht die Gewähr für eine künftig ordnungsgemäße Gewerbeausübung bot. Die Behauptung, er sei seinen steuerlichen Verpflichtungen bis dahin über 14 Jahre hinweg in nicht zu beanstandender Weise nachgekommen, könnte an der Aussagekraft dieser Umstände auch dann nichts ändern, wenn der Kläger den von ihm diesbezüglich angekündigten Nachweis geführt hätte.
Die als Anlage zum Schriftsatz vom 23. Mai 2018 übersandte Bescheinigung des Amtsgerichts München, der zufolge an jenem Tag keine den Kläger betreffenden Eintragungen im Schuldnerverzeichnis dieses Gerichts bestanden, ist entscheidungsunerheblich, weil damit eine nach dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt liegende Gegebenheit dargetan wird.
Es kann dahinstehen, ob das Verwaltungsgericht die vom Kläger in den Jahren 2011 und 2013 begangenen gewerbebezogenen Ordnungswidrigkeiten dadurch zu seinen Ungunsten berücksichtigt hat, dass sie diese Zuwiderhandlungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils erwähnt und in den Entscheidungsgründen in allgemeiner Form ausgeführt hat, die Unzuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden könne sich u. a. aus von ihm begangenen Ordnungswidrigkeiten ergeben. Ebenfalls auf sich beruhen kann, ob die gemäß § 117 Abs. 5 VwGO erfolgte Bezugnahme auf die Begründung des Bescheids vom 20. Februar 2017 zur Folge hat, dass die darin vorgenommene detaillierte Darstellung des Inhalts der gegen den Kläger ergangenen Bußgeldbescheide Bestandteil des angefochtenen Urteils geworden ist. Die Voraussetzungen des Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO würden durch die Antragsbegründung nämlich auch dann nicht aufgezeigt, falls diese Fragen zu bejahen sein sollten. Der Kläger macht insoweit geltend, die über ihn angestellte ungünstige Prognose dürfe deshalb nicht auf die von ihm in den Jahren 2011 und 2013 begangenen Zuwiderhandlungen gestützt werden, weil es seither zu keinen Eintragungen mehr gekommen sei. Hierbei lässt er außer Betracht, dass Eintragungen im Gewerbezentralregister, wie im Umkehrschluss aus § 153 Abs. 6 Satz 1, Abs. 7 GewO folgt, grundsätzlich so lange zu Ungunsten des Betroffenen verwertet werden dürfen, als die in § 153 Abs. 1 und 2 GewO normierten Tilgungsfristen noch nicht abgelaufen sind. Die Tilgungsfrist zweier der drei am 27. März 2013 gegen den Kläger erlassenen Bußgeldbescheide beträgt gemäß § 153 Abs. 1 Nr. 2 GewO fünf Jahre, da sich die darin gegen ihn verhängten Bußgelder auf 1.010 € bzw. 630 € beliefen. Diese Frist, die nach § 153 Abs. 3 Satz 1 GewO mit der am 16. April 2013 eingetretenen Rechtskraft der beiden Bußgeldbescheide begann, war weder am 20. Februar 2017 noch bei der am 23. Februar 2017 erfolgten Zustellung dieses Bescheids, an dem die behördliche Entscheidung gemäß Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG wirksam geworden ist, abgelaufen. Damit wurde gemäß § 153 Abs. 4 GewO auch der Eintritt der Tilgungsreife des dritten am 27. März 2013 gegen den Kläger erlassenen Bußgeldbescheids gehemmt, bei dem die Tilgungsfrist nach § 153 Abs. 1 Nr. 1 GewO wegen der darin ausgeworfenen Geldbuße von 230 € grundsätzlich nur drei Jahre betrug. Ebenfalls bis zum 15. April 2018 gehemmt wurde gemäß § 153 Abs. 4 GewO der Ablauf der fünfjährigen Tilgungsfrist, die für den über 1.400 € lautenden Bußgeldbescheid vom 2. Mai 2011 galt.
Die angebliche Rechtswidrigkeit der Erstreckung der Gewerbeuntersagung auf jedwede gewerbliche Tätigkeit hat der Kläger in der Antragsbegründung nur behauptet, nicht aber – wie dies nach § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO erforderlich gewesen wäre – dargelegt. Der in diesen Vorschriften verwendete Begriff des „Darlegens“ bedeutet schon nach allgemeinem Sprachgebrauch mehr, als lediglich eine nicht näher spezifizierte Behauptung aufzustellen; er meint ein „Erläutern“, „Erklären“ oder ein „näher auf etwas eingehen“ (vgl. BVerwG, B.v. 2.10.1961 – VIII B 78.61 – BVerwGE 13, 90/91; B.v. 9.3.1993 – 3 B 10.92 – NJW 1993, 2825; BayVGH, B.v. 9.3.2016 – 22 ZB 16.283 – juris Rn. 6; B.v. 18.5.2016 – 22 ZB 16.12 – juris Rn. 15; B.v. 23.12.2016 – 22 ZB 16.2286 – juris Rn. 6). Der bloße Hinweis auf den gravierenden Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG, der mit einer solchen behördlichen Maßnahme einhergeht, reicht schon deshalb nicht aus, um ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der erweiterten Gewerbeuntersagung aufzuzeigen, weil auf diese Weise nicht dargetan wird, dass ein solcher Eingriff nicht auch im Licht dieses Grundrechts zulässig ist.
2.2 Der Bejahung eines Anspruchs auf Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 4 VwGO steht entgegen, dass der Kläger die Voraussetzungen dieser Zulassungsgründe nicht einmal ansatzweise dargelegt hat.
2.3 Auch einen Mangel des gerichtlichen Verfahrens im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zeigt die Antragsbegründung nicht auf. Ein solcher Fehler liegt insbesondere nicht in dem Umstand, dass das Verwaltungsgericht ungeachtet der Nichtteilnahme des Klägers und seiner anwaltlichen Bevollmächtigten an der mündlichen Verhandlung zur Sache entschieden hat. Denn die Klagebevollmächtigte war am 15. März 2018 zur mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß – insbesondere unter Beachtung der Frist des § 102 Abs. 1 Satz 1 VwGO – geladen worden; einer zusätzlichen Ladung des Klägers selbst bedurfte es nicht. Das Ladungsschreiben enthielt ferner den nach § 102 Abs. 2 VwGO erforderlichen Hinweis darauf, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden könne. Entgegen der Darstellung in dem mit dem Datum „19.03.2018“ versehenen Schreiben der Klagebevollmächtigten an das Verwaltungsgericht geht sie nunmehr offenbar selbst nicht mehr von einer wirksam erfolgten Kündigung des zwischen ihr und dem Kläger bestehenden Mandats aus. Denn ausweislich der Ausführungen auf Seite 2 ihres Schriftsatzes vom 23. Mai 2018 soll auch die von ihr ausgesprochene Kündigungserklärung dem Kläger nicht zugegangen sein. Nur ergänzend ist bei alledem festzuhalten, dass eine ggf. gleichwohl erfolgte Kündigung des Mandats und ein damit u. U. einhergehendes Erlöschen der der Klagebevollmächtigten erteilten Vollmacht dem Gericht gegenüber erst von dem Zeitpunkt an Wirksamkeit erlangt hätte, an dem dem Gericht eine diesbezügliche Mitteilung zugegangen wäre (BVerwG, U.v. 13.12.1982 – 9 C 894.80 – BayVBl 1983, 667/668). Eine solche Erklärung erreichte das Verwaltungsgericht jedoch erst am 24. April 2018.
Der in der Antragsbegründung beiläufig enthaltene Hinweis auf den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) stellt keine beachtliche Darlegung eines Verfahrensmangels dar, da die Klagepartei nicht in der erforderlichen konkreten Weise aufgezeigt hat, dass das Verwaltungsgericht eine Beweiserhebung unterlassen hat, deren Notwendigkeit sich ihm auch ohne dahingehenden förmlichen Beweisantrag aufdrängen musste, und bei deren Durchführung eine andere Entscheidung als eine Abweisung der Klage in Betracht gekommen wäre.
4. Der Kostenausspruch beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit der Empfehlung in den Abschnitten 54.2.1 und 54.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.