Verwaltungsrecht

Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft

Aktenzeichen  M 32 K 17.42458

Datum:
19.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 55921
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 1, § 30 Abs. 1, § 3, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, 7 S. 1, § 11

 

Leitsatz

Eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG scheidet aus. Die behaupteten Verfolgungen knüpften nicht an ein asylrechtlich relevantes Merkmal i.S.d. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b AsylG an. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen, gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unbegründet.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.  

Gründe

Die Klage bleibt ohne Erfolg.
Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG, noch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG, noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG, noch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 34 und 38 AsylG, die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots in § 11 AufenthG.
Das Gericht folgt der zutreffenden Begründung des streitgegenständlichen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) und führt ergänzend aus:
Eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG scheidet aus. Die behaupteten Verfolgungen – so der Vortrag glaubwürdig sein sollte – knüpften nicht an ein asylrechtlich relevantes Merkmal i.S.d. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b AsylG an. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Verfolgungen des Klägers wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmtem sozialen Gruppe geschahen. Die Verfolgung des Klägers im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen um das Grundstück stellen sich vielmehr als – selbstverständlich zu missbilligendes – durch Habgier motiviertes Unrecht einer privaten Personengruppe dar, was indes nichts mit Asyl oder Schutzgewährung zu tun hat. Des Weiteren gingen die vom Kläger behaupteten Verfolgungen nicht von einem rechtlich relevanten Verfolgungsakteur i.S.v. § 3c AsylG aus. Die vom Kläger als Verfolger bezeichneten „Personen“ sind kein nichtstaatlicher Verfolgungsakteur im Sinne des § 3c Nr. 3 AsylG, da der Kläger nicht dargelegt hat, dass vor dieser Gruppe erwiesenermaßen nicht Schutz durch die in § 3c Nr. 1 und 2 AsylG genannten staatlichen Strukturen, z.B. die Polizei, gewährt werden kann (zum Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren siehe ausführlich VG München, U.v. 15.2.2019 – M 32 K 16.35712). Außerdem besteht nach § 3e AsylG für den Kläger eine inländische Fluchtalternative. Die Voraussetzungen, nämlich dass der Kläger in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und er in diesen Landesteil reisen, dort aufgenommen werden und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt, sind erfüllt. Nach der aktuellen Erkenntnislage (Auswärtiges Amt, Lagebericht, Stand August 2018, S. 20) können potentiell Verfolgte in den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Karachi, Peshawar oder Multan aufgrund der dortigen Anonymität unbehelligt leben. In einem flächen- und bevölkerungsmäßig großen Land wie Pakistan (Fläche 880.000 m², ca. 200 Mio. Einwohner) ohne funktionierendes Meldewesen ist es grundsätzlich möglich, in einer der größeren Städte dauerhaft der Aufmerksamkeit der lokalen Behörden oder eines potentiellen Verfolgers zu entgehen (Auswärtiges Amt, Stellungnahme an VG Leipzig vom 15.1.2014). Besondere individuelle Ausschlussgründe sind beim Kläger nicht ersichtlich.
Der Kläger hat ebenso keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG. Wie bei der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft fehlt es bereits an einem rechtlich relevanten Akteur und besteht eine inländische Fluchtalternative (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG).
Es besteht auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG.
Ebenso besteht kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, insbesondere nicht wegen des Gesundheitszustandes des Klägers. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht (Satz 1 der Vorschrift). Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (Satz 2 der Vorschrift). Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (Satz 3 der Vorschrift). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (Satz 4 der Vorschrift). Gefahren nach Satz 1 der Vorschrift, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (Satz 5 der Vorschrift). § 60a Abs. 2c und 2d AufenthG (welche Vorschrift auch bei § 60 Abs. 7 AufenthG Anwendung findet, BayVGH, B.v. 24.1.2018 – 10 ZB 18.30105 – juris), spricht die Vermutung aus, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen, stellt Anforderungen an den qualifizierten ärztlichen Nachweis von geltend gemachten gesundheitlichen Einwendungen und bestimmt die unverzügliche Vorlage eines solchen Nachweises.
Gemessen an diesen Anforderungen begründen die vorgelegten Atteste der praktischen Ärzte bei Weitem kein Abschiebeverbot. Das aktuelle Attest vom 12.2.2019 ist gerade viereinhalb Zeilen lang („Bei Herrn N. besteht eine deutliche Angstpsychose. Nach wie vor besteht eine Depression verbunden mit Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen und Magenbeschwerden. Es bestehen wohl Probleme mit den in dem Zimmer wohnenden Mitbewohnern“) und postuliert nur vage umschriebene psychiatrische Diagnosen ohne im Geringsten anzugeben, auf welcher Grundlage hier diagnostiziert wurde und welche therapeutischen Konsequenzen zu ziehen sind. Praktischen Ärzten fehlt im Übrigen schon generell die fachliche Befähigung, hinreichend abgesicherte spezifisch psychiatrische Diagnosen zu stellen; dafür braucht es fachärztliche Stellungnahmen und Darlegungen. Solche wurden nicht vorgelegt. Der vorläufige psychiatrische Arztbericht vom 15.5.2017 wurde nur in seiner ersten Seite bis zum Aufnahmebefund vorgelegt, es fehlen die weiteren Ausführungen zu Diagnose, Maßnahmen, Therapie, Medikation, Entlassungszustand usw. Vor allem ist der Arztbericht nur ein vorläufiger und gibt auch keinen Aufschluss über den aktuellen Gesundheitszustand des Klägers. Im Übrigen wird auf die Behandelbarkeit auch psychiatrischer Krankheiten in Pakistan hingewiesen (siehe Erkenntnismittel Independent Advisory Group on Country Information (IAGCI) – Home Office, Medical and Healthcare issues, Februar 2015, Nr. 1.5). Die vom Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung geäußerten Selbstmordabsichten im Fall einer Abschiebung nach Pakistan – der vorläufige Arztbericht vom 15.5.2017 stellt noch keine Suizidalität beim Kläger fest – begründet ebenso kein Abschiebungsverbot. Möglichen suizidalen Handlungen des Klägers kann durch geeignete Gestaltung der Abschiebung durch die damit zuständigen Behörden begegnet werden.
Die Klage war von daher abzuweisen. Da es aus dem Vortrag der Klageseite rechtlich offensichtlich ist, dass damit kein Anspruch auf Asylanerkennung oder Zuerkennung des internationalen Schutzes begründet werden kann und sich dem Gericht die Abweisung der Klage geradezu aufdrängt, war die Klage gemäß § 30 Abs. 1 AsylG insoweit als offensichtlich unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Dieses Urteil ist unanfechtbar, § 78 Abs. 1 AsylG.

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