Aktenzeichen Au 9 K 20.30802
AsylG § 3, § 4, § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
AufenthG § 60 Abs. 5, § 60 Abs. 7
EMRK Art. 3
Leitsatz
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte über die Klage der Klägerin verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung vom 17. September 2020 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Die Beklagte ist zur mündlichen Verhandlung vom 17. September 2020 form- und fristgerecht geladen worden.
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Die Klägerin hat im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 HS 1 AsylG) keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. auf die Gewährung subsidiären Schutzes. Auch nationale Abschiebungsverbote auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehen zugunsten der Klägerin nicht (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Der Bescheid des Bundesamts vom 11. Mai 2020 ist, soweit er mit der Klage angegriffen worden ist (Nrn. 2, 4 bis 7) rechtmäßig. Es wird daher zunächst in vollem Umfang auf die Gründe des angefochtenen Bescheids Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Darüber hinaus wird das Folgende ausgeführt:
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 ff AsylG.
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
Die Tatsache, dass der Ausländer bereits verfolgt oder von Verfolgung unmittelbar bedroht war, ist dabei ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, wenn nicht stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass er neuerlich von derartiger Verfolgung bedroht ist. Hat der Asylbewerber seine Heimat jedoch unverfolgt verlassen, kann sein Asylantrag nur Erfolg haben, wenn ihm auf Grund von Nachfluchttatbeständen eine Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Dabei ist es Sache des Ausländers, die Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Dabei genügt für diesen Tatsachenvortrag auf Grund der typischerweise schwierigen Beweislage in der Regel eine Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist allerdings ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.
Wer bereits Verfolgung erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei der Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus (vgl. BVerfG, B.v. 12.2.2008 – 2 BvR 2141/06 – juris Rn. 20; VG Köln, U.v. 26.2.2014 – 23 K 5187/11.A – juris Rn. 26).
Gemessen an diesen Maßstäben konnte die Klägerin eine individuelle Verfolgung nicht glaubhaft machen. Eine asylrechtlich-beachtliche Vorverfolgung im Sinne der §§ 3, 3b AsylG ist bezogen auf die Klägerin nicht festzustellen.
Soweit die Klägerin darauf verweist, dass sie in ihrem Heimatland Nigeria von ihrem Onkel bedroht worden sei, und dieser ihre Geschwister umgebracht habe, knüpft dieser Vortrag, ungeachtet der Tatsache, dass er völlig unglaubwürdig erscheint, bereits nicht an ein asylrechtlich relevantes Merkmal im Sinne der §§ 3, 3b AsylG an. Die Klägerin hat insoweit bereits keine Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe geltend gemacht (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG). Darüber hinaus wirkt der Vortrag der Klägerin insgesamt konstruiert, unschlüssig und offensichtlich nicht der Wahrheit entsprechend.
Gleiches gilt in Bezug auf die Tatsache, dass die Klägerin angeblich in Nigeria sogenannte „Bad Boys“ engagiert haben will, um sich gegen die Nachstellungen ihres Onkels zu wehren. Auch diesem Vortrag schenkt das Gericht keinen Glauben. Der Vortrag dient offensichtlich nur dazu, eine angebliche Verfolgung durch nigerianische Staatsbehörden bzw. die Polizei zu begründen. Das diesbezügliche Vorbringen der Klägerin ist abwegig.
Soweit die Klägerin schließlich auf eine versuchte Zwangsprostitution in Italien verweist, ist auch dieser Umstand nicht geeignet, zur Zuerkennung von Flüchtlingsschutz zu führen. Insoweit ist die Klägerin darauf zu verweisen, internen Schutz im Sinne des § 3e Abs. 1 AsylG in Anspruch zu nehmen.
Der Handel von nigerianischen Frauen und Kindern zu sexuellen Zwecken ist in Nigeria ein weit verbreitetes Phänomen und ein Problem großen, jedoch schwer bezifferbaren Ausmaßes. Die meisten Opfer des Menschenhandels stammen aus Benin City, der Hauptstadt des Bundesstaats Edo, sowie nahegelegenen Dörfern (vgl. Bericht des European Asylum Support Office – EASO – über Herkunftsländer – Informationen – Nigeria: Sexhandel mit Frauen, S. 14 ff m.w.N.). Üblicherweise werden die Opfer in der Rekrutierungsphase durch Täuschung oder falsche Versprechungen dazu bewegt, nach Europa (überwiegend nach Italien und Spanien) zu gehen, um dort als Prostituierte zu arbeiten. Häufig wird den Frauen, die meist aus ärmlichen Verhältnissen stammen, in Aussicht gestellt, in Europa einen gut bezahlten Arbeitsplatz oder Bildungschancen zu erhalten, um dort ein besseres Leben führen zu können bzw. der in Nigeria zurückbleibenden Familie aus der Armut heraushelfen zu können. Zentrale Figuren und Anführer der Menschenhandelsnetzwerke sind in der Regel die sogenannten „Madams“, die oft selbst frühere Opfer der Zwangsprostitution sind. Die Madams rekrutieren die Opfer und überwachen den gesamten Prozess des Menschenhandels. Sie sind häufig auch die Personen, welche die Reise nach Europa finanzieren. Eine Aufklärung über die tatsächliche Schuldenhöhe erfolgt erst nach der Ankunft in Europa. Den zur Prostitution gezwungenen Frauen wird in der Regel ein Schuldenbetrag in Höhe von 35.000,00 EUR bis 50.000,00 EUR in Rechnung gestellt, den sie bei der Madame abbezahlen müssen (vgl. Bericht des European Asylum Support Office – EASO – über Herkunftsländerinformationen – Nigeria: Sexhandel mit Frauen, S. 26 m.w.N.). Um die Zwangslage der zur Prostitution gezwungenen Frauen zu verstärken, kommt Voodoo – Ritualen eine besondere Bedeutung zu. Der Glaube an Voodoo ist in Nigeria, insbesondere im Bundesstaat Edo, weit verbreitet. Bei Voodoo, zuweilen auch als „Juju“ bezeichnet, handelt es sich um eine traditionelle westafrikanische Glaubensrichtung, die durch schwarze Magie und rituelle Schwüre geprägt ist. Dies machen sich die Menschenhändler zunutze, um die Opfer aufgrund ihres Glaubens an die Madam und die Schleuser zu binden und psychischen Druck auf die Opfer auszuüben. Die betroffenen Frauen müssen in einer rituellen Zeremonie einen sogenannten Juju-Schwur ablegen, durch welchen sie sich dazu verpflichten, das geschuldete Geld zurückzuzahlen, die Identität der Menschenhändler nicht preiszugeben und sich diesen bedingungslos zu untergeben. Es wird daran geglaubt, dass der Bruch des Schwurs Krankheit, Wahnsinn oder den Tod der Frauen und deren Familien zur Folge habe (vgl. dazu auch ACCORD, Nigeria – Traditionelle Religion, Okkultismus, Hexerei und Geheimgesellschaften, Bericht vom 17.6.2011, S. 7 f.; ACCORD, Anfragebeantwortung zu Nigeria: Zwangsheirat, Innerstaatliche Fluchtalternative für alleinstehende Frau, Einfluss von Voodoo – Praktiken, 16.3.2016).
Ob nach Nigeria zurückkehrende Frauen, die Opfer von Menschenhandel geworden sind und sich hiervon befreit haben, eine soziale Gruppe im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG darstellen, kann offen bleiben (vgl. VG Würzburg, U.v. 17.11.2015 – W 2 K 14.30213 – juris Rn. 29 f. m.w.N; mit überzeugenden Argumenten hiergegen VG Gelsenkirchen, U.v. 15. 3.2013 – 9a K 3963/11.A – juris). Nach § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG gilt eine Gruppe insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten und die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird.
Selbst bei Annahme einer sozialen Gruppe genügt alleine die Zugehörigkeit zu einer solchen nicht, um einen Anspruch der Klägerin auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4 und Abs. 1 AsylG zu begründen. Es gibt zur Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 VwGO) keine Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin durch die Gesellschaft eine Stigmatisierung aufgrund ihrer Tätigkeit als Prostituierte in Italien drohen würde. Die Klägerin hat selbst ausgeführt, dass es nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland zu keiner Kontaktaufnahme seitens ihrer Madame mehr gekommen sei. Das weitere Vorbringen, dass die Madame in Nigeria immer noch nach der Klägerin suche, erachtet das Gericht als unglaubwürdig und konstruiert.
Eine erneute Kontaktaufnahme bei einer Rückkehr der Klägerin nach Nigeria ist nicht hinreichend wahrscheinlich. Insoweit muss sich die Klägerin jedenfalls auf die bestehende Möglichkeit der Inanspruchnahme internen Schutzes verweisen lassen, § 3e AsylG. Nach § 3e AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3b AsylG besteht und er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
Für die Klägerin besteht eine solche inländische Fluchtalternative insbesondere in den zahlreichen Großstädten im liberaleren Südwesten bzw. Süden Nigerias. Als alleinstehende Frau mit einem Kleinkind ist die Klägerin bei einer Rückkehr nach Nigeria insbesondere auf die Inanspruchnahme von Hilfe durch die im Heimatland vorhandenen spezifischen Hilfsorganisationen für Frauen zu verweisen. Auf die diesbezügliche Aufstellung im Länderinformationsblatt des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl – BFA der Republik Österreich – Nigeria, Gesamtaktualisierung vom 12. April 2019 (S. 41), die als Erkenntnismittel ins Verfahren eingeführt worden ist, wird insoweit verwiesen.
Nach Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 VwGO) ist die Gefahr eine Reviktimisierung für die Klägerin nahezu ausgeschlossen. Grundsätzlich ist in Nigeria mangels vorhandenen Verhandlungs- bzw. Meldesystem davon auszugehen, dass insbesondere in den großen Städten ein Untertauchen möglich ist. Zwar gibt es in Nigeria eine Datenbank für die Bürger National Identity Database (Kurzbezeichnung: NID), in welche sich Bürger mit ihrem Namen und ihrer Wohnadresse registrieren können, aber auch diese gespeicherten Daten haben grundsätzlich nur Sicherheitsorgane sowie lizensierte privatrechtliche Organe Zugriff, wenn ihnen eine Einverständniserklärung erteilt wurde. Soweit sich Rückkehrer nach Nigeria nicht in der NID registrieren lassen bzw. ein bereits dort registrierter Rückkehrer nicht die neue Wohnadresse des Ortes des internen Schutzes registrieren lässt, ist es nach Auffassung des Gerichts ausgeschlossen, dass Verfolgungsakteure über einen Zugriff auf die NID Kenntnis von dessen Aufenthaltsort erlangen.
Nach allem war der Antrag der Klägerin auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne der §§ 3 ff. AsylG abzulehnen.
2. Der beantragte (unionsrechtliche) subsidiäre Schutz nach § 4 AsylG kommt ebenfalls nicht in Betracht.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt dabei auch die Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG). Die Art der Behandlung oder Bestrafung muss eine Schwere erreichen, die dem Schutzbereich des Art. 3 EMRK zuzuordnen ist und für den Fall, dass die Schlechtbehandlung von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht, muss der Staat erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sein, Schutz zu gewähren (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3 c Nr. 3 AsylG).
Gemessen an diesen Maßstäben hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes i.S. des § 4 Abs. 1 AsylG. Im Herkunftsstaat hat sie glaubwürdig jedenfalls keine reale Gefahr erlebt. Voodoo, Hexerei und ähnliches stellen nach hier wohl herrschender Auffassung keine konkrete Gefahr dar und können im Rahmen eines Asylverfahrens bzw. hier im Rahmen der Frage, ob die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen, keine Beachtung finden. Weshalb ihr bei der Rückkehr ein ernsthafter Schaden, insbesondere eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder gar die Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG) drohen sollte, ist unter keinem Gesichtspunkt erkennbar geworden.
Die Klägerin ist im Falle ihrer Rückkehr nicht einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG) ausgesetzt, auch nicht wegen ihres christlichen Glaubens. Die immer wieder aufkommenden, gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen christlichen und muslimischen Gruppen, bzw. die Angriffe und Auseinandersetzung mit der Gruppierung „Boko Haram“ sind überwiegend regional begrenzt und weisen nicht die Merkmale eines innerstaatlichen Konflikts i.S. der Vorschrift und der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung auf (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 2013 -, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/10 -, U.v. 27. 4.2010 – 10 C 4/09 -, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9/08 und U.v. 24.6.2008 – 10 C 43/07 – sowie B.v. 14.11.2012 – 10 B 22/12 – jeweils juris). Das Ausmaß dieser Konflikte ist in Intensität und Dauerhaftigkeit nicht mit Bürgerkriegsauseinandersetzungen, die in Nigeria (noch) nicht festzustellen sind, vergleichbar. Nach den allgemein zugänglichen Erkenntnismitteln (Tagespresse, Medien) und Erkenntnissen des Gerichts kam es zwar auch im Jahr 2017 und 2018 sehr häufig zu Anschlägen der Gruppe „Boko Haram“ und sind auch die Einsätze der nigerianischen Sicherheitskräfte mit Gewaltexzessen und willkürlichen Verhaftungen verbunden. Allerdings konzentrieren sich die Anschläge von „Boko Haram“ und die daraus folgenden Auseinandersetzungen immer noch hauptsächlich auf den Norden bzw. Nordosten Nigerias, während es im Süden und Südwesten des Landes nur vereinzelt zu Anschlägen bzw. Terrorakten gekommen ist. Eine landesweite Verübung von Terrorakten durch die Organisation „Boko Haram“ findet nicht statt (vgl. dazu: AA, Lageberichte von Nigeria vom 10. Dezember 2018, 21. Januar 2018, 26. November 2016, 28. November 2014, jew. Zusammenfassung S.5 sowie II, 1.4., vom 28. August 2013, vom 6. Mai 2012, 7. März 2011, 11. März 2010 und vom 21. Januar 2009, jeweils Ziffer II.1.4). Ein Bürgerkrieg findet in Nigeria nicht statt; Bürgerkriegsparteien sind nicht vorhanden.
Die Klägerin ist daher in der Lage, diesen Konflikten durch Rückkehr in weniger gefährdete Gebiete im Sinne eines internen Schutzes aus dem Wege zu gehen. An dieser Stelle ist darauf zu verweisen, dass die Klägerin selbst nach ihrem eigenen Vorbringen aus dem Bundesstaat … State (…) im Süden Nigerias stammt. Selbst wenn die Klägerin nicht an ihre vormaligen Aufenthaltsorte zurückkehren wollen, kommt nach Auffassung des Gerichts jedenfalls eine Rückkehr nach Lagos bzw. Abuja, aber auch nach Port Harcourt bzw. nach Owerri in Betracht.
3. Soweit mit der Klage die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG begehrt wird, bleibt die Klage ebenfalls ohne Erfolg. Nationale Abschiebungsverbote liegen zugunsten der Klägerin nicht vor.
a) Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die schlechte wirtschaftliche Situation in Nigeria – hier leben immer noch ca. 70% der Bevölkerung am Existenzminimum und sind von informellem Handel und Subsistenzwirtschaft abhängig (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria – Lagebericht – a.a.O. Nr. I.2.) – ebenso wie die Situation hinsichtlich der verschiedenen gewalttätigen Auseinandersetzungen und Übergriffe, z.T. auch durch die Sicherheitskräfte, und die damit zusammenhängenden Gefahren (s.o. und Lagebericht a.a.O. Nr. II.2 und 3.) grundsätzlich nicht zu einer individuellen, gerade dem Kläger drohenden Gefahr führt, sondern unter die allgemeinen Gefahren zu subsumieren ist, denen die Bevölkerung oder relevante Bevölkerungsgruppe allgemein ausgesetzt ist und die gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG durch Anordnungen gemäß § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen sind.
Der Umstand, dass im Falle einer Aufenthaltsbeendigung die Lage eines Betroffenen erheblich beeinträchtigt würde, reicht allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen; anderes kann nur in besonderen Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen, wie zum Beispiel im Falle einer tödlichen Erkrankung in fortgeschrittenen Stadium, wenn im Zielstaat keine Unterstützung besteht (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – BVerwGE 146, 12-31, juris, Rn. 23ff m.w.N.). Im Hinblick auf die Bewertung eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK gelten dabei bei der Beurteilung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG die gleichen Voraussetzungen wie bei der Frage der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG wegen unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – a.a.O. – juris Rn. 22, 36).
Auch eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben (§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) für einen Betroffenen aufgrund allgemein für die Bevölkerung bestehender Gefahren, die über diese allgemein bestehenden Gefahren hinausgeht ist, nur im Ausnahmefall im Sinne eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – a.a.O. – juris Rn. 38). Ein Ausländer kann im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser allgemein bestehenden Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für die Betroffenen die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Betroffenen daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (zum Ganzen BVerwG, U.v. 31.1.2013 a.a.O., juris Rn. 38).
b) Für derartige besondere Gefahren aufgrund schlechter humanitärer oder wirtschaftlicher Verhältnisse ist hier nichts ersichtlich. Insbesondere kann im Falle des Klägers nicht davon ausgegangen werden, dass die schlechte wirtschaftliche Situation in Nigeria zu einem Abschiebungsverbot aufgrund schlechter humanitärer Verhältnisse führt, die im Ausnahmefall als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK qualifiziert werden könnten.
Das Gericht geht davon aus, dass die Klägerin auch nach ihrer Rückkehr nach Nigeria in der Lage sein wird, ihren Lebensunterhalt zu sichern. Dies insbesondere aufgrund des Umstands, dass dies ihr auch vor ihrer Ausreise aus ihrem Heimatland gelungen ist. So hat die Klägerin bei ihrer persönlichen Anhörung beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass sie in Nigeria mit der Schwester ihrer Mutter einen Marktstand betrieben habe, auf dem sie viele Sachen verkauft habe. Auch die Tatsache, dass es sich bei der Klägerin um eine Analphabetin handelt, ist nicht geeignet, ein Abschiebungsverbot zugunsten der Klägerin zu begründen. Da sich die Analphabetenquote bei nigerianischen Frauen auf etwa 50% beläuft, liegt insoweit keine singuläre Situation der Klägerin vor.
c) Für die Klägerin besteht auch kein nationales Abschiebungsverbot auf der Grundlage des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
Ein Ausländer kann im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser allgemein bestehenden Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren.
Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalles ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für die Betroffenen die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen den Betroffenen daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren (zum Ganzen BVerwG, U.v. 31.1.2013 a.a.O. Rn. 38).
Bei der Frage, ob einem Ausländer wegen einer Erkrankung bei einer Rückkehr in die Heimat eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG droht, ist der richtige Gefahrenmaßstab anzuwenden. Nach den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätzen ist die Gefahr, dass sich eine Erkrankung des Ausländers auf Grund der Verhältnisse im Abschiebezielstaat verschlimmert, in der Regel als individuelle Gefahr einzustufen, die am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfen ist. Eine „erhebliche konkrete Gefahr“ im Falle einer zielstaatsbezogenen Verschlimmerung einer Erkrankung ist gegeben, wenn sich der Gesundheitszustand alsbald nach der Rückkehr in den Heimatstaat wegen der dortigen Behandlungsmöglichkeiten wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18/05 – NVwZ 2007, 712). Es muss sich dabei grundsätzlich um eine lebensbedrohliche oder vergleichbar schwerwiegende Erkrankung handeln (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Nennenswerte gesundheitliche Einschränkungen sind für die Klägerin im Verfahren nicht bekannt geworden. Ärztliche Atteste wurden nicht vorgelegt.
Der Antrag der Klägerin auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots auf der Grundlage der § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG war daher abzulehnen.
Dies gilt auch unter Berücksichtigung der sich wohl auch in Afrika ausbreitenden Corona-Pandemie. Auch dieser Umstand ist nicht geeignet, zur Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu führen. Insoweit gilt es die Vorschrift des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG zu beachten. Danach sind Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, nur bei einer Anordnung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Eine derartige allgemeine Entscheidung hinsichtlich des Zielstaats Nigeria i.S.d. § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG liegt derzeit nicht vor. Eine persönliche Betroffenheit von der Krankheit selbst hat die Klägerin nicht aufgezeigt. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin gleichsam sehenden Auges dem Tod oder schwersten Gesundheitsschäden ausgeliefert wäre. Davon kann nicht ausgegangen werden.
Im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sind überdies in Nigeria lediglich 56.604 Corona-Fälle bestätigt, wovon 47.872 Personen genesen sind und es lediglich zu 1.091Todesfällen gekommen ist (Quelle: COVID-19 pandemic data, Wikipedia, Stand: 17.9.2020). Demnach handelt es sich um eine lediglich abstrakte Gefährdung, der im Rahmen des § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu begegnen ist. Dieser Umstand ist daher nicht geeignet, für den Kläger ein Abschiebungsverbot auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu begründen.
Sonstige gesundheitliche Einschränkungen wurden für die Klägerin nicht geltend gemacht. Ärztliche Atteste wurden nicht vorgelegt.
4. Die auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG gestützte Abschiebungsandrohung ist ebenfalls rechtmäßig, da die Voraussetzungen dieser Bestimmungen vorliegen. Die Ausreisefrist von 30 Tagen ergibt sich aus § 38 Abs. 1 AsylG.
Hinweise auf eine Fehlerhaftigkeit der Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 und 2 AufenthG bestehen im maßgeblichen Zeitpunkt nicht. Die Beklagte hat bezüglich der Befristung das ihr zustehende Ermessen erkannt und im Rahmen der gerichtlich gem. § 114 Satz 2 VwGO beschränkten Prüfung ordnungsgemäß ausgeübt.
5. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.