Verwaltungsrecht

Zuerkennung des subsidiären Schutzes auf der Grundlage des § 26 Abs. 1 iVm Abs. 5 AsylG

Aktenzeichen  Au 5 K 17.31948

Datum:
8.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 13187
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 4, § 13 Abs. 1, § 26 Abs. 1, Abs. 5, § 77 Abs. 1, § 83b
VwGO § 113 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Für die Entscheidung über das Familienasyl nach § 26 AsylG ist nach dem Wortlaut ein Antrag erforderlich, wobei hierfür die Stellung eines regulären Asylantrags nach § 13 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 AsylG ausreicht und demzufolge kein separater Antrag nach § 26 AsylG erforderlich ist (so auch VG Augsburg BeckRS 2018, 10644). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist die Einreise des Ausländers aufgrund einer Familienzusammenführung im Rahmen des Dublin-Verfahrens erfolgt, ist davon auszugehen, dass in einem solchen Sonderfall für den maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung iSd § 13 Abs. 1 AsylG auf das Begehren auf Familienzusammenführung in Deutschland abzustellen ist. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 22. März 2017 wird in Nr. 3 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger subsidiären Schutz zuzuerkennen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Das Gericht konnte im vorliegenden Fall über die Klage des Klägers entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung am 28. Mai 2018 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die zulässige und auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzes beschränkte Klage ist auch in der Sache begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes auf der Grundlage des § 26 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 AsylG (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der insoweit entgegenstehende Bescheid des Bundesamtes vom 22. März 2017 war daher in dessen Ziffer 3 aufzuheben. Maßgeblich hierfür ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG).
1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 26 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 AsylG sind vorliegend gegeben.
Nach § 26 Abs. 1 AsylG wird der Ehegatte eines Asylberechtigten auf Antrag als Asylberechtigter anerkannt, wenn die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist, die Ehe mit dem Asylberechtigten schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird, der Ehegatte vor der Anerkennung des Asylberechtigten eingereist ist oder er den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt hat und die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist. Nach § 26 Abs. 5 Satz 1, Satz 2 AsylG gilt § 26 Abs. 1 AsylG entsprechend für Ehegatten von Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt wurde.
Für die Entscheidung über das Familienasyl nach § 26 AsylG ist nach dem Wortlaut ein Antrag erforderlich. Hierfür reicht die Stellung eines regulären Asylantrags nach § 13 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 AsylG aus. Es ist demzufolge kein separater Antrag nach § 26 AsylG erforderlich (so auch VG Augsburg, U.v. 21.3.2018 – Au 6 K 17.30859 – juris Rn. 30; VG Würzburg, U.v. 28.2.2018 – W 1 K 16.32753 – juris Rn. 13; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 26 AsylG Rn. 10; a.A. VG Augsburg, B.v. 8.5.2017 – Au 4 K 16.31699 – juris Rn. 4). Denn die Zuerkennung internationalen Schutzes nach § 26 Abs. 1, Abs. 5 AsylG gewährt dem begünstigten Familienangehörigen dieselbe Rechtsstellung wie die Zuerkennung des internationalen Schutzes nach § 3 bzw. § 4 AsylG. Dies hat zur Folge, dass die Rechtsgrundlage ausgewechselt werden darf (BayVGH, B.v. 24.7.2017 – 21 ZB 17.30451 – juris Rn. 8; B.v. 18.7.2017 – 21 ZB 16.30724 – Rn. 8). Das Erfordernis eines eigenständigen Antrags widerspricht zudem der Systematik des AsylG. Denn das Asylverfahren nach dem AsylG sieht diesbezüglich keine besondere Verfahrensart vor. Ein nachträglich gestellter Antrag auf Familienasyl müsste in einem Fall wie dem vorliegenden demnach als Folgeantrag gewertet werden, in dem die geltend gemachten Tatsachen jedoch bereits im Erstantragsverfahren vorgelegen haben. Ein separates Verfahren würde zudem Sinn und Zweck des § 26 AsylG, der grundsätzlich eine Verfahrenserleichterung darstellen soll, widersprechen.
Der Kläger ist der Ehegatte von Frau *. Der Kläger hat eine Heiratsbescheinigung vorgelegt (Bl. 58 der Bundesamtsakte). An der Wirksamkeit der Eheschließung am 26. Mai 1990 bestehen keine Zweifel. Die Ehe bestand zudem bereits im Herkunftsland der Ehegatten. Die Familie ist nach den glaubhaften Angaben des Klägers auch gemeinsam in den Iran ausgereist und anschließend in die Türkei gereist.
Der Ehefrau des Klägers und dem gemeinsamen minderjährigen Sohn wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 6. Februar 2017 (Gz. *) der subsidiäre Schutz gemäß § 4 AsylG zuerkannt. Der Bescheid ist am 28. Februar 2017 bestandskräftig geworden.
Der Kläger hat den Antrag auch unverzüglich gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG gestellt. „Unverzüglich“ bedeutet ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist im Asylverfahren unter diesem Begriff eine Frist von zwei Wochen zu verstehen (vgl. BVerwG, U.v. 13.5.1997 – 9 C 35/96 – BVerwGE 104, 362). Zwar erfolgte die förmliche, schriftliche Antragstellung erst am 27. Oktober 2015 und damit nicht unverzüglich nach der Einreise des Klägers am 7. August 2015. Vorliegend ist die Einreise des Klägers jedoch aufgrund einer Familienzusammenführung im Rahmen des Dublin-Verfahrens erfolgt. Es ist damit davon auszugehen, dass in einem solchen Sonderfall für den maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung im Sinne des § 13 Abs. 1 AsylG auf das Begehren auf Familienzusammenführung in Deutschland abzustellen ist. Dieses Begehren beinhaltet den Wunsch des Klägers, im Bundesgebiet Schutz im Sinne des § 13 Abs. 1 AsylG zu erlangen. Der Antrag ist damit als rechtzeitig gestellt anzusehen.
Die Zuerkennung des subsidiären Schutzes für die Ehefrau des Klägers und den gemeinsamen minderjährigen Sohn ist auch nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen. Ein Widerruf oder eine Rücknahme ist bisher nicht erfolgt. Die Beklagte hat im streitgegenständlichen Verfahren auch nicht mitgeteilt, dass ein Widerrufs- oder Rücknahmeverfahren eingeleitet ist. Das Gericht ist im Übrigen weder verpflichtet noch berechtigt, Gründe für den Widerruf der Asylanerkennung des Stammberechtigten zu prüfen, solange das Bundesamt ein Widerrufsverfahren nicht eingeleitet und den betroffenen Stammberechtigten hierzu nicht angehört hat (BVerwG, U.v. 9.5.2006 – 1 C 8/05 – BVerwGE 126, 27 – Leitsatz).
Somit war der Klage im beantragten Umfang stattzugeben.
2. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.

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