Aktenzeichen 4 T 2293/16
Leitsatz
Der Umstand, dass der Betroffene vor seiner Einreise seinen Pass vernichtet hat, ist geeignet, eine über sechs Monate hinausgehende Haftdauer zu begründen. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Vollzugs der mit Beschluss des Amtsgerichts Mühldorf am Inn vom 13.06.2016 angeordneten und bis 27.06.2016 vollzogenen Haft wird zurückgewiesen (Az.: 4 T 2112/16).
2. Der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Vollzugs der mit Beschluss des Amtsgerichts Mühldorf am Inn vom 27.06.2016 angeordneten und bis 07.07.2016 vollzogenen Haft wird zurückgewiesen (Az.: 4 T 2293/16).
3. Dem Betroffenen wird für beide Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe gewährt und jeweils Rechtsanwalt Patrick Wischmann, Hannover, zu den Bedingungen eines im Bezirk des Landgerichts Traunstein ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet.
4. Die Kosten der beiden Beschwerdeverfahren trägt jeweils der Betroffene.
5. Der Geschäftswert wird für beide Beschwerdeverfahren auf je 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Nach unerlaubter Einreise wurde der Betroffene am 03.12.2015 gegen 14.15 Uhr im Bereich der Gemeinde A. polizeilich kontrolliert, wobei er sich mit keinen aufenthaltslegitimierenden Dokumenten ausweisen konnte. Am 04.12.2015 wurde ihm die Abschiebung schriftlich angedroht. Mit Schreiben vom 04.12.2015 beantragte die beteiligte Behörde beim Amtsgericht Laufen die Anordnung der Haft zur Sicherung der Abschiebung bis 04.06.2016. Der Betroffene sei nach dem Rücknahmeabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Marokko dorthin abzuschieben. Es liege der Haftgrund des § 62 Abs. 3 Nr. 5, § 2 Abs. 14 Nr. 3, 4, 5 AufenthG vor. Der Betroffene habe durch das Wegwerfen seines Reisepasses seine gesetzliche Mitwirkungspflicht zur Feststellung der Identität verletzt (§ 2 Abs. 14 Nr. 3 AufenthG). Er habe für seine Schleusung 600,00 € bezahlt (§ 2 Abs. 14 Nr. 4 AufenthG). Aufgrund seiner Aussage bestehe der Verdacht, dass der Betroffene untertaucht und sich der Zurückschiebung entziehen wolle (§ 2 Abs. 14 Nr. 5 AufenthG).
Nach persönlicher Anhörung vom 04.12.2015 (Akte XIV 41/15 des Amtsgerichts Laufen, Protokoll Bl. 21/22), ordnete das Amtsgericht Laufen mit Beschluss vom 04.12.2015 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung der Abschiebung bis längstens 03.06.2016 an. Die Beschwerde des Betroffenen wies das Landgericht Traunstein nach persönlicher Anhörung durch den beauftragten Richter am 17.12.2015 mit Beschluss vom 22.01.2016 zurück (Az.: 4 T 4349/15). Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde wies der BGH mit Beschluss vom 12.05.2016 (Az.: V ZB 27/16) zurück.
Am 27.01.2016 wurde der Betroffene vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: BAMF) mündlich angehört. Mit Bescheid vom 05.02.2016 (Akte des Amtsgerichts Mühldorf am Inn, 3 XIV 57/16, Bl. 55/61) wurde der Asylantrag des Betroffenen abgelehnt und dem Betroffenen die Abschiebung angekündigt.
Mit Schreiben vom 25.05.2016 beantragte die beteiligte Behörde beim Amtsgericht Mühldorf am Inn die Verlängerung der Haft zur Sicherung der Abschiebung bis 04.06.2016 (Az. AG Mühldorf am Inn: 3 XIV 57/16). Zur Begründung führte sie aus, dass die benötigten Dokumente am 14.12.2015 an die marokkanische Botschaft in Berlin übersandt worden seien. Die hieran anschließende Überprüfung durch die marokkanischen Behörden dauere noch an, es seien regelmäßig Sachstandsanfragen erfolgt. Mit einem Ergebnis sei innerhalb der nächsten zwei Wochen zu rechnen. Nach richterlicher Anhörung am 02.06.2016 verlängerte das Amtsgericht Mühldorf am Inn mit Beschluss vom 02.06.2016 die Verlängerung der Sicherungshaft bis zum 15.06.2016 an.
Mit Schreiben vom 09.06.2016 beantragte die beteiligte Behörde beim Amtsgericht Mühldorf am Inn die Verlängerung der Haft zur Sicherung der Abschiebung bis 04.07.2016 (Az. AG Mühldorf am Inn: 1 XIV 65/16). Zur Begründung führte sie aus, dass die beteiligte Behörde in regelmäßigen Abständen bei der marokkanischen Botschaft in Berlin und über Verbindungsbeamten bei den zuständigen Behörden in Marokko Sachstandsanfragen getätigt habe. Der Verbindungsbeamte sei am 06.06.2016 beim marokkanischen Innenministerium vorstellig geworden und habe eine prioritäre Behandlung der Haftfälle zugesagt erhalten. Laut seinen Angaben sei in den nächsten Tagen mit einer Antwort zu rechnen. Nach erfolgter Identifizierung werde noch ca. eine Woche für die Flugbuchung benötigt.
Der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen beantragte mit Schriftsatz vom 09.06.2016, 10.06.2016 (Bl. 12/14) die Zurückweisung des Haftantrags.
Nach richterlicher Anhörung am 13.06.2016 (Protokoll Bl. 15/16 der Akte 1 XIV 65/16) verlängerte das Amtsgericht Mühldorf am Inn mit Beschluss vom 13.06.2016 die Sicherungshaft bis zum 30.06.2016. Mit Schriftsatz vom 14.06.2016 legte der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen gegen den Beschluss vom 13.06.2016 Beschwerde ein, beantragte die Rechtswidrigkeit der Haft festzustellen und stellte Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe (Bl. 23/24, 1 XIV 65/169. Das Amtsgericht Mühldorf am Inn half am 14.06.2016 der Beschwerde nicht ab und legte die Akte des Landgericht Traunstein vor (Az. Landgericht Traunstein: 4 T 2112/16).
Nach Erledigung der Beschwerde aufgrund Verlängerung der Haft wies das Landgericht Traunstein mit Beschluss vom 15.06.2016 (Az.: 4 T 1933/16) den Feststellungsantrag betreffend den Beschluss vom 02.06.2016 zurück.
Mit Schreiben vom 23.06.2016 beantragte die beteiligte Behörde beim Amtsgericht Mühldorf am Inn die Verlängerung der Haft zur Sicherung der Abschiebung bis 14.07.2016 (Az. AG Mühldorf am Inn: 1 XIV 73/16). Zur Begründung führte sie aus, dass die Identifizierung durch die marokkanischen Behörden noch betrieben werde. Bisher sei jedoch noch keine Antwort eingegangen. Nach richterlicher Anhörung am 27.06.2016 (Protokoll Bl. 19/20 der Akte 1 XIV 73/16) verlängerte das Amtsgericht Mühldorf am Inn mit Beschluss vom 27.06.2016 die Sicherungshaft bis zum 14.07.2016. Mit Schriftsatz vom 27.06.2016 legte der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen gegen den Beschluss vom 27.06.2016 Beschwerde ein, beantragte die Rechtswidrigkeit der Haft festzustellen und stellte Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe (Bl. 30/31). Das Amtsgericht Mühldorf am Inn half am 28.06.2016 der Beschwerde nicht ab und legte das Verfahren dem Landgericht Traunstein vor (Az. Landgericht Traunstein: 4 T 2293/16). Mit Schriftsatz vom 01.07.2016 wurde die Beschwerde ergänzend begründet.
Am 30.06.2016 teilte die beteiligte Behörde zunächst telefonisch mit, dass eine Verbalnote der marokkanischen Behörden vorliege, wonach der Betroffene identifiziert sei und übernommen werde. Am 01.07.2016 wurde die Verbalnote in Ablichtung vorgelegt. Am 07.07.2016 teilte die beteiligte Behörde mit, dass eine Flugbuchung für den gleichen Tag um 17.45 Uhr von Flughafen München nach Casablanca vorliege. Der Betroffene wurde am 07.07.2016 nach Casablanca/Marokko abgeschoben.
Der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen beantragte mit Schriftsatz vom 14.07.2016 die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft.
II.
1. Gegen die Anordnung der Haft zur Sicherung der Zurückschiebung durch Beschlüsse des Amtsgerichts Mühldorf am Inn vom 13.06.2016 und 27.06.2016 ist jeweils gemäß § 106 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 58 Abs. 1 FamFG das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben. Die Beschwerden gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts Mühldorf am Inn vom 13.06.2016 und 27.06.2016 wurden jeweils fristgerecht innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist (§ 63 Abs. 1 FamFG) eingelegt und sind zulässig. Da sich beide Beschwerdeverfahren erledigt haben, betreffend den Beschluss vom 13.06.2016 durch die Haftverlängerung vom 27.06.2016 und betreffend den Beschluss vom 27.06.2016 durch die am 07.07.2016 erfolgte Abschiebung, kann nach § 62 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 FamFG die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft begehrt werden.
2. Die Feststellungsanträge betreffend die Beschlüsse vom 13.06.2016 und vom 27.06.2016 sind jeweils unbegründet.
Der Betroffene war aufgrund einer unerlaubten Einreise vollziehbar ausreisepflichtig (§ 58 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 AufenthG). Seine Einreise war unerlaubt, da er den erforderlichen Pass nach § 3 AufenthG oder Aufenthaltstitel nach § 4 AufenthG nicht besaß (§ 14 Abs. 1 AufenthG). Die vollziehbare Ausreisepflicht besteht darüber hinaus gemäß § 58 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG.
a) Den beiden Verlängerungen der Zurückschiebehaft lag jeweils ein zulässiger und ausreichend begründeter Haftantrag der beteiligten Ausländerbehörde vom 09.06.2016 und 23.06.2016 zugrunde.
Für Zurückschiebehaftanträge werden insbesondere Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Zurückschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Zurückschiebung und zu der notwendigen Haftdauer verlangt (vgl. § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 – 5 FamFG). Inhalt und Umfang der erforderlichen Darlegung bestimmen sich nach dem Zweck des Begründungserfordernisses. Es soll gewährleisten, dass das Gericht die Grundlagen erkennt, auf welche die Behörde ihren Antrag stützt, und dass das rechtliche Gehör des Betroffenen durch die Übermittlung des Haftantrags nach § 23 Abs. 2 FamFG gewahrt wird (BGH vom 22. Juli 2010, V ZB 28/10, NVwZ 2010, 1511). Die Darlegungen dürfen knapp gehalten sein, müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte des Falles ansprechen (BGH vom 15.09.2011, FGPrax 2011, 317). Für Anträge auf Verlängerung der Haft gelten die Vorschriften über die erstmalige Antragstellung entsprechend (§ 425 Abs. 3 FamFG).
(1) Aus den Haftanträgen der beteiligten Behörde vom 09.06.2016 und 23.06.2016 geht hervor, dass der Betroffene nach dem Rücknahmeabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Marokko nach Marokko abgeschoben werden soll.
(2) Der Antrag vom 09.06.2016 enthält eine Begründung, dass die beteiligte Behörde voraussichtlich noch weitere drei Wochen für die beabsichtigte Abschiebung benötigt. Da der Betroffene nicht im Besitz eines Reisepasses ist, musste über das marokkanische Konsulat ein Passersatzpapier beschafft werden. Die erforderlichen Passbeschaffungsmaßnahmen wurden nach Mitteilung der beteiligten Ausländerbehörde durch Vorlage der nötigen Unterlagen bei der marokkanischen Botschaft am 14.12.2015 eingeleitet. Wie die beteiligte Behörde mitteilte, wurden in regelmäßigen Abständen bei der marokkanischen Botschaft in Berlin und über den Verbindungsbeamten der Bundespolizei bzw. des BKA in Marokko bei den zuständigen Behörden Sachstandsanfragen getätigt; insbesondere wurde der Verbindungsbeamte am 06.06.2016 bei dem marokkanischen Innenministerium vorstellig, wo ihm eine prioritäre Behandlung der aktuellen Haftfälle zugesagt wurde. Da die beteiligte Behörde aufgrund der Angaben des Verbindungsbeamten „in den nächsten Tagen mit einer Antwort“ rechnete, war der Zeitansatz der Haftverlängerung mit zwei weiteren Wochen für die Prüfungszeit der Fingerabdrücke durch die marokkanischen Behörden und einer Woche Flugbuchung und Durchführung der Abschiebung schlüssig und nachvollziehbar dargelegt. Die Ausländerbehörde hat auf die Bearbeitung der Verfahren durch die beteiligten ausländischen Behörden selbst keinen Einfluss; dortige Verzögerungen sind ihr nicht zuzurechnen (vgl. BGH, V ZA 2/10, NJOZ 2011, 125). Der Umstand, dass sich nachträglich herausgestellt hat, dass die Abschiebung innerhalb dieser Frist nicht möglich war, macht den Antrag nicht fehlerhaft.
Die o.g. Ausführungen gelten für den Antrag vom 23.06.2016 entsprechend. Innerhalb der mit diesem Antrag angesetzten Frist von weiteren drei Wochen war die Abschiebung möglich. Die Ausführungen des Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen, dass nicht absehbar sei, wie lange die Maßnahmen in Marokko dauern, treffen daher nicht zu.
(3) In den Haftanträgen ist ausgeführt, dass dem Betroffenen nach § 59 Abs. 1 AufenthG die Abschiebung angedroht wurde.
b) Der Haftantrag enthält das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft Traunstein für die geplante Zurückschiebung. Im Übrigen ist dieses Einvernehmen nach der aktuellen Fassung des § 72 Abs. 4 AufenthG nicht mehr erforderlich.
c) Es bestand der Haftgrund der Fluchtgefahr im Sinne von § 62 Abs. 3 Satz 1 Ziffer 5, § 2 Abs. Abs. 14 Ziffer 4, 5 AufenthG.
Nach § 2 Abs. 14 Ziffer 4 AufenthG kann ein konkreter Anhaltspunkt für eine Fluchtgefahr sein, wenn der Ausländer zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge an einen Dritten für dessen Handlung nach § 96 AufenthG aufgewandt hat, die für ihn nach den Umständen derart maßgeblich sind, dass daraus geschlossen werden kann, dass er die Abschiebung verhindern wird, damit die Aufwendungen nicht vergeblich waren. Der mittellose Betroffene hat – gemäß seinen Ausführungen in der mündlichen Anhörung vom 17.12.2015 – für die Überfahrt von der Türkei nach Griechenland nach seinen Angaben bei der richterlichen Anhörung 800,00 € an einen Schleuser gezahlt, was für ihn einen erheblichen Betrag darstellt, der im Falle einer Abschiebung nach Marokko vergeblich aufgewendet worden wäre.
Es bestand auch der Haftgrund der Fluchtgefahr im Sinne von § 62 Abs. 3 Satz 1 Ziffer 5, § 2 Abs. 14 Ziffer 5 AufenthG. Danach kann ein konkreter Anhaltspunkt für eine erhebliche Fluchtgefahr sein, wenn der Ausländer ausdrücklich erklärt hat, dass er sich der Abschiebung entziehen will. Diese Voraussetzung liegt hier vor. Der Betroffene hatte bereits anlässlich der polizeilichen Vernehmung am 03.12.2015 auf die Frage, ob er sich einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zur Verfügung halten würde, angegeben, dass er für den Fall, dass er nach Marokko abgeschoben würde, untertauchen würde. Bei der richterlichen Anhörung vor dem beauftragten Richter der 4. Zivilkammer des Landgerichts Traunstein am 17.12.2015 hat er ebenfalls betont, dass er sich der Abschiebung nicht stellen würde. Die Kammer hat daher keine Zweifel, dass der Betroffene sich einer Abschiebung nicht gestellt hätte, sondern untergetaucht würde, um sich in ein anderes Land abzusetzen.
Da die beteiligte Behörde die Abschiebung in sein Heimatland betreibt, ist unerheblich, ob der Betroffene der Überstellung in ein anderes (evtl. EU-Land) zustimmen würde.
d) Die Haft war nicht wegen des gestellten Asylantrages aufzuheben. Der schriftliche Asylantrag (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Ziffer 2 AsylG) ging am 11.01.2016 beim BAMF ein. Da gegen den Betroffenen gemäß § 62 Abs. 3 Ziffer 5 AufenthG Sicherungshaft verhängt wurde, stand die Asylantragstellung der Aufrechterhaltung der Haft nicht entgegen (§ 14 Abs. 3 Satz 1 Ziffer 4 AsylG). Noch vor Ablauf der Frist von vier Wochen (§ 14 Abs. 3 Satz 3 AsylG) wurde der Asylantrag am 02.02.2016 abgelehnt.
e) Der Haftgrund ist auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit (§ 62 Abs. 1 AufenthG) zu bejahen, da ein milderes Mittel als die Inhaftierung des Betroffenen zur Sicherung der Zurückschiebung nicht gegeben ist. Meldeauflagen, die Verwahrung des Passes oder die Verfügung, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten sind entweder nicht möglich, da der Betroffene keine Ausweisdokumente hat, oder nicht geeignet, um seine Zurückschiebung sicherzustellen. Der Betroffene hat nicht glaubhaft dargetan, dass er sich einer Zurückschiebung nicht entziehen will, § 62 Abs. 3 Satz 3 AufenthG.
f) Das Verfahren wurde von der beteiligten Behörde mit der nötigen Beschleunigung betrieben. Der erforderliche Antrag für die Beschaffung von Passersatzpapieren lag seit dem 14.12.2015 der marokkanischen Botschaft vor. Auf die weitere Dauer des Verfahrens bei den marokkanischen Behörden hat die beteiligte deutsche Ausländerbehörde keinen Einfluss.
g) Die Zurückschiebehaft wurde in der zentralen Abschiebehafteinrichtung in Mühldorf am Inn vollzogen (§ 62a Abs. 1 AufenthG).
h) Gemäß § 62 Abs. 4 AufenthG kann die Sicherungshaft bis zu sechs Monate angeordnet werden und in Fällen, in denen der Ausländer seine Abschiebung verhindert, um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Vorliegend hat der Betroffene die über sechs Monate hinausgehende Dauer bis zur Abschiebung und eine damit entsprechend lange Haft selbst zu vertreten und seine Abschiebung verhindert. Ein Verhindern setzt voraus, dass ein von dem Willen des Ausländers abhängiges pflichtwidriges Verhalten ursächlich dafür ist, dass die Abschiebung nicht erfolgen konnte, wenn also das für die Abschiebung bestehende Hindernis auf ein Tun, zu dessen Unterlassen er verpflichtet ist, oder auf ein Unterlassen zurückgeht, während er zu einem Tun verpflichtet ist (vgl. BGH, Beschluss vom 25.02.2010, V ZA 2/10). In den dem Betroffenen zuzurechnenden und von ihm hinnehmbaren Zeitraum fällt grundsätzlich auch das Prüfungsverfahren, das die Heimatbehörde bis zur positiven Bescheidung für sich in Anspruch nehmen kann (vgl. BGH, a. a. O.).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Betroffene hat die über drei Monate hinausgehende Dauer bis zur Abschiebung und eine damit entsprechend lange Haft selbst zu vertreten. Er hat – wie sich aus seiner Aussage bei der polizeilichen Vernehmung und vor dem beauftragten Richter der 4. Zivilkammer des Landgerichts Traunstein am 15.12.2015 ergibt – bei seiner Flucht seinen Pass weggeworfen, wodurch ein langwieriges Verfahren zur Beschaffung des Passersatzpapieres erforderlich wurde.
Trotz Belehrung anlässlich der persönlichen Anhörung am 15.12.2015 hat der Betroffene während der Bearbeitungszeit keine Versuche unternommen, die Bearbeitung durch eigene Anstrengungen zu beschleunigen (z. B. durch die Beschaffung einer Geburtsurkunde, einer ID-Karte, einer Passkopie) oder indem er sich selbst an die Botschaft/das Konsulat gewandt hätte, §§ 48 Abs. 3, 82 AufenthG. Durch die Übersendung von Papieren oder Beibringung von Bestätigungen durch Verwandte oder Bekannte des Betroffenen hätte sich das Verfahren beschleunigen lassen. Der Betroffene hat von Anfang an deutlich gemacht, an seiner Abschiebung nach Marokko nicht mitzuwirken. Zur Überzeugung der Kammer war das pflichtwidrige Verhalten des Betroffenen mitursächlich dafür, dass die Abschiebung erst am 07.07.2016 durchgeführt werden konnte.
3. Die erneute Anhörung im Beschwerdeverfahren war nicht erforderlich. Der Betroffene wurde bei der erstmaligen Anordnung sowohl durch das Amtsgericht, als auch durch den beauftragten Richter der 4. Zivilkammer am 15.12.2015 persönlich angehört. Bei den Anhörungen zu den Verlängerungsanträgen äußerte der Betroffene dass er dazu nichts mehr zu sagen habe. Von einer erneuten Anhörung waren daher keine neuen Erkenntnisse zu erwarten (§ 68 Abs. 2 Satz 2 FamFG).
4. Dem Betroffenen war in beiden Beschwerdeverfahren antragsgemäß Verfahrenskostenhilfe zu gewähren und wegen der Schwierigkeit der Rechtslage ein Rechtsanwalt beizuordnen (§ 76 Abs. 1 FamFG; § 114 ZPO).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG
6. Die Festsetzung des Geschäftswerts der Beschwerde beruht auf §§ 61 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 3 GNotKG.