Aktenzeichen 7 CE 16.10127 u. a.
Leitsatz
Bei der Berechnung der patientenbezogenen Ausbildungskapazität ist ein Schwundausgleichsfaktor (niedriger als 1,0) nicht anzusetzen. (redaktioneller Leitsatz)
Aus der Zahl der in einem höheren medizinischen Fachsemester eingeschriebenen Studierenden kann nicht geschlossen werden, dass diese in erheblichem Umfang das Lehrangebot der Universität im klinischen Teil des Studiengangs nicht wahrnehmen würden, so das ein „Schwund“ in die Kapazitätsberechnung einzubeziehen und damit die Studierendenzahl für das erste klinische Fachsemester zu erhöhen wäre. Denn der Festsetzung der Zulassungszahl der im ersten klinischen Fachsemester aufzunehmenden Studienbewerber liegt nicht die aufgrund der personellen Ausstattung berechnete Aufnahmekapazität (§§ 43 ff. BayHZV) zugrunde, sondern – wegen des Fehlens einer ausreichenden Anzahl geeigneter Patienten für die Ausbildung im klinischen Teil des Studiengangs Medizin (§ 51 Abs. 2 Nr. 4 BayHZV) – das nach Maßgabe des § 54 Abs. 1 BayHZV anhand der patientenbezogenen Einflussfaktoren überprüfte und zu einer niedrigeren Aufnahmekapazität führende Berechnungsergebnis (§ 54 Abs. 2 BayHZV). (redaktioneller Leitsatz)
Da sich der für die ordnungsgemäße Ausbildung der Studierenden maßgebende patientenbezogene Engpass unmittelbar mit dem ersten klinischen Fachsemester kapazitätsbegrenzend auswirkt, kommt es nicht darauf an, in welchem Umfang einzelne Studierende in höheren Fachsemestern das Lehrangebot der Universität nicht in Anspruch nehmen und wann diese sich dem Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung unterziehen. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
W 7 E 15.20409 2016-03-03 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg
Tenor
I.
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
II.
Die Antragsteller und Antragstellerinnen tragen jeweils die Kosten der Beschwerdeverfahren.
III.
Der Streitwert für die Beschwerdeverfahren wird jeweils auf 2.500,– Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller und Antragstellerinnen (im Folgenden: Antragsteller) begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin im ersten klinischen Fachsemester an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (Universität) nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2015/2016. Sie machen geltend, die Universität habe ihre tatsächliche Ausbildungskapazität nicht ausgeschöpft.
Das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg hat die Anträge mit Beschlüssen vom 3. März 2016 abgelehnt.
Mit den Beschwerden verfolgen die Antragsteller ihr Rechtsschutzziel weiter. Sie tragen vor, die Angaben der Universität zu den eingeschriebenen Studierenden im klinischen Teil des Studiengangs seien unklar. Es werde bestritten, dass im ersten klinischen Fachsemester tatsächlich 163 Studierende vorhanden seien. Außerdem müsse bei der Berechnung der patientenbezogenen Ausbildungskapazität ein Schwundausgleichsfaktor niedriger als 1,0 angesetzt werden, weil im Hinblick auf zahlreiche eingeschriebene Studierende in höheren (klinischen) Fachsemestern erkennbar sei, das von einem erheblichen Teil der Studierenden das Lehrangebot tatsächlich nicht nachgefragt werde. Auf die Schriftsätze des Bevollmächtigten der Antragsteller vom 14. April 2016 und 23. Mai 2016 wird verwiesen.
Der Antragsgegner widersetzt sich den Beschwerden.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerden haben keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), begründet den geltend gemachten Anordnungsanspruch der Antragsteller nicht.
1. Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Universität ihre Ausbildungskapazität im klinischen Teil des Studiengangs Humanmedizin (erstes klinisches Fachsemester) ausgeschöpft hat. Der Senat folgt den Gründen des streitgegenständlichen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist zu bemerken:
a) Die bereits im erstinstanzlichen Verfahren gemachten Angaben der Universität zu den eingeschriebenen Studierenden im klinischen Teil des Studiengangs (Schreiben der Universität vom 16.11.2015) sind glaubhaft. Die von den Antragstellern geltend gemachten Unklarheiten sind im Beschwerdeverfahren aufgeklärt worden (Schreiben des Antragsgegners vom 10.5.2016). Insbesondere ist glaubhaft, dass im streitgegenständlichen Wintersemester 2015/2016 im ersten klinischen Fachsemester zum Stichtag 10. November 2015, d. h. vier Wochen nach Vorlesungsbeginn, tatsächlich 163 Studierende eingeschrieben waren und damit die Ausbildungskapazität der Universität erschöpft ist. Der Vorlage einer anonymisierten „Studierendenliste“ bedarf es zum Zweck der Überprüfung der Angaben der Universität nicht.
b) Der Einwand der Antragsteller gegen die Berechnung der patientenbezogenen Aufnahmekapazität (§ 54 Abs. 1 der Verordnung über die Hochschulzulassung an den staatlichen Hochschulen in Bayern [Hochschulzulassungsverordnung – HZV] vom 18.6.2007 [GVBl S. 401; BayRS 2210-8-2-1-1-K], zuletzt geändert durch Verordnung vom 31.3.2015 [GVBl S. 74]) greift ebenfalls nicht durch. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass bei der Berechnung der patientenbezogenen Ausbildungskapazität ein Schwundausgleichsfaktor (niedriger als 1,0) nicht anzusetzen ist (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 13.6.2014 – 7 CE 14.10058 – juris Rn. 17; B. v. 25.11.2013 – 7 CE 13.10315 u. a. – juris Rn. 10 ff.).
In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, in welchem Umfang in höheren klinischen Fachsemestern Studierende eingeschrieben sind. Aus diesen Studierendenzahlen kann nicht geschlossen werden, dass Studierende in erheblichem Umfang das Lehrangebot der Universität im klinischen Teil des Studiengangs nicht wahrnehmen würden, so das ein „Schwund“ in die Kapazitätsberechnung einzubeziehen und damit die Studierendenzahl für das erste klinische Fachsemester zu erhöhen sei. Denn der Festsetzung der Zulassungszahl der im ersten klinischen Fachsemester aufzunehmenden Studienbewerber liegt nicht die aufgrund der personellen Ausstattung berechnete Aufnahmekapazität (§§ 43 ff. HZV) zugrunde, sondern – wegen des Fehlens einer ausreichenden Anzahl geeigneter Patienten für die Ausbildung im klinischen Teil des Studiengangs Medizin (§ 51 Abs. 2 Nr. 4 HZV) – das nach Maßgabe des § 54 Abs. 1 HZV anhand der patientenbezogenen Einflussfaktoren überprüfte und zu einer niedrigeren Aufnahmekapazität führende Berechnungsergebnis (§ 54 Abs. 2 HZV). Weil sich der für die ordnungsgemäße Ausbildung der Studierenden maßgebende patientenbezogene Engpass unmittelbar mit dem ersten klinischen Fachsemester kapazitätsbegrenzend auswirkt, kommt es entgegen der Ansicht der Antragsteller nicht darauf an, in welchem Umfang einzelne Studierende in höheren Fachsemestern das Lehrangebot der Universität nicht in Anspruch nehmen und wann diese sich dem Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung unterziehen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i. V. m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).