Verwaltungsrecht

Zulassung zum Studium der Betriebswirtschaft bei Auslastung der Hochschulkapazität

Aktenzeichen  7 CE 16.10138

Datum:
5.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayLUFV § 3 Abs. 2 S. 1, § 4, § 5, § 7 Abs. 5 S. 1, S. 2
BayHZV BayHZV § 46 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Mit § 7 Abs. 5 BayLUFV hat der Verordnungsgeber – unter Berücksichtigung der deutlich höheren Lehrverpflichtungen der Lehrpersonen an Fachhochschulen (§ 5 BayLUFV) im Vergleich zum Umfang der Lehrverpflichtungen von Lehrpersonen an Universitäten (§ 4 BayLUFV) – einen angemessenen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen der Fachhochschulen, des dortigen Lehrpersonals, der Studierenden sowie der Studienbewerber vorgenommen und Ermäßigungen der Lehrverpflichtungen für Lehrpersonen an Fachhochschulen – im vorgegebenen Rahmen – auch unter Berücksichtigung des Gebots der erschöpfenden Nutzung der Ausbildungskapazität für unbedenklich erachtet. (redaktioneller Leitsatz)
Das Publizieren und Veröffentlichen von Forschungsergebnissen gehört generell zum Bereich der „Durchführung anwendungsbezogener Forschungs- und Entwicklungsvorhaben“, so dass insoweit auch Ermäßigungen der Lehrverpflichtungen gewährt werden dürfen. (redaktioneller Leitsatz)
Die Vorlage anonymisierter Belegungslisten ist kaum geeignet, Erkenntnisse zu unterstellten „Doppeleintragungen“, Beurlaubungen (soweit kapazitätsrechtlich von Bedeutung) oder frei gebliebenen Studienplätze zu gewinnen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

3 E 15.4356 2016-03-15 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,– Euro festgesetzt.

Gründe

I. Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studium der Betriebswirtschaft (Bachelor) im ersten Fachsemester an der Hochschule für angewandte Wissenschaften M. (Hochschule) nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2015/2016. Sie macht geltend, die Hochschule habe ihre tatsächliche Ausbildungskapazität nicht ausgeschöpft.
Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat den Antrag mit Beschluss vom 15. März 2016 abgelehnt.
Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel weiter. Sie trägt vor, die Hochschule habe dem Lehrpersonal Ermäßigungen der Lehrverpflichtungen gewährt, die nicht in Übereinstimmung mit § 7 Abs. 5 Lehrverpflichtungsverordnung (LUFV) stünden und deshalb kapazitätsrechtlich nicht anzuerkennen seien. Außerdem seien der Dienstleistungsexport für der Lehreinheit nicht zugeordnete Studiengänge sowie der Curricularwert des streitgegenständlichen Studiengangs falsch berechnet worden, so dass sich für jenen eine höhere Ausbildungskapazität als die bisher errechnete ergebe. Das Verwaltungsgericht habe außerdem der Antragstellerin nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt, weil es seine Entscheidung auf außerhalb des streitgegenständlichen Verfahrens gewonnene Erkenntnisse gestützt und aus diesem Grund auf die Übermittlung anonymisierter Belegungslisten verzichtet und der Antragstellerin damit nicht ermöglicht habe, substantiierte Zweifel an den Angaben der Hochschule zu den Studierendenzahlen im Hinblick auf „Doppeleintragungen“ und Beurlaubungen sowie frei gebliebene Studienplätze vorzutragen. Auf die Schriftsätze der Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 15. April 2016 und 3. Juni 2016 wird verwiesen.
Der Antragsgegner widersetzt sich der Beschwerde.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), begründet den geltend gemachten Anordnungsanspruch der Antragstellerin nicht.
1. Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Hochschule ihre Ausbildungskapazität für Studienanfänger (erstes Fachsemester) im Studiengang Betriebswirtschaft (Bachelor) ausgeschöpft hat. Der Senat folgt den Gründen des streitgegenständlichen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren zu bemerken:
a) Die dem Lehrpersonal nach Maßgabe des § 7 Abs. 5 der Verordnung über die Lehrverpflichtung des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an Universitäten, Kunsthochschulen und Fachhochschulen (Lehrverpflichtungsverordnung – LUFV) vom 14. Februar 2007 (GVBl S. 201; BayRS 2030-2-21-K), zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. Juli 2014 (GVBl S. 286), gewährten Ermäßigungen der Lehrverpflichtungen stehen mit den Vorgaben dieser Vorschrift in Übereinstimmung. Sie sind kapazitätsrechtlich zu berücksichtigen (§ 46 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über die Hochschulzulassung an den staatlichen Hochschulen in Bayern [Hochschulzulassungsverordnung – HZV] vom 18.6.2007 [GVBl S. 401; BayRS 2210-8-2-1-1-K], zuletzt geändert durch Verordnung vom 31.3.2015 [GVBl S. 74]).
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin entsprechen die streitgegenständlichen Ermäßigungen der Lehrverpflichtungen den detaillierten Vorgaben der Verordnung sowohl in Bezug auf einzelne Lehrpersonen als auch in Bezug auf die Gesamtheit der Lehrverpflichtungen.
aa) Der Verordnungsgeber hat in § 7 Abs. 5 LUFV im Einzelnen geregelt, in welchem Umfang dem Lehrpersonal an Fachhochschulen für die Durchführung anwendungsbezogener Forschungs- und Entwicklungsvorhaben sowie für die Wahrnehmung von weiteren dienstlichen Aufgaben und Funktionen in Fachhochschulen, die nach Art oder Umfang von der Hochschulverwaltung nicht übernommen werden können und deren Übernahme zusätzlich zu der Lehrverpflichtung wegen der damit verbundenen Belastung nicht zumutbar ist, Ermäßigungen gewährt werden können. Er hat den Umfang der Ermäßigungen sowohl in Bezug auf die einzelnen Lehrpersonen (bis zu vier bzw. acht Lehrveranstaltungsstunden [LVS]) als auch in Bezug auf die Gesamtheit der Lehrverpflichtungen der hauptberuflichen Lehrpersonen (bis zu 5 v. H. hinsichtlich der Wahrnehmung weiterer dienstlicher Aufgaben und Funktionen bzw. bis zu 7 v. H. hinsichtlich der Ermäßigungen nach § 7 Abs. 5 LUFV insgesamt) begrenzt. Die Ermäßigungen werden vom Staatsministerium gewährt; das Staatsministerium kann diese Befugnis den Fachhochschulen als staatliche Angelegenheit übertragen. Mit dieser Regelung des § 7 Abs. 5 LUFV hat der Verordnungsgeber – unter Berücksichtigung der deutlich höheren Lehrverpflichtungen der Lehrpersonen an Fachhochschulen (§ 5 LUFV) im Vergleich zum Umfang der Lehrverpflichtungen von Lehrpersonen an Universitäten (§ 4 LUFV) – einen angemessenen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen der Fachhochschulen, des dortigen Lehrpersonals, der Studierenden sowie der Studienbewerber vorgenommen und Ermäßigungen der Lehrverpflichtungen für Lehrpersonen an Fachhochschulen – im vorgegebenen Rahmen – auch unter Berücksichtigung des Gebots der erschöpfenden Nutzung der Ausbildungskapazität für unbedenklich erachtet.
bb) Dem Lehrpersonal der Hochschule sind – ausweislich der Kapazitätsberechnungsunterlagen („Übersicht über die Verminderungen“) – lediglich in einem Umfang von 52,5 Semesterwochenstunden (SWS = LVS) Ermäßigungen der Lehrverpflichtungen nach Maßgabe des § 7 Abs. 5 LUFV gewährt worden. Dabei bewegen sich die den einzelnen Lehrpersonen gewährten Ermäßigungen zwischen 0,5 und max. 3 SWS. Im Verhältnis zur Gesamtheit der Lehrverpflichtungen aller hauptberuflichen Lehrpersonen (940 SWS), zu denen auch solche hauptberuflichen Lehrpersonen zählen, die im Rahmen des „Ausbauprogramms“ 2011/2012 bzw. 2012/2013 lediglich vorübergehend an der Hochschule tätig sind, beträgt der Umfang der Ermäßigungen lediglich 5,59 v. H. und bleibt damit deutlich unter der Höchstgrenze von 7 v. H. Auch die für die Wahrnehmung weiterer dienstlicher Aufgaben und Funktionen geltende Grenze für Ermäßigungen in Höhe von 5.v. H. (§ 7 Abs. 5 Satz 2 LUFV) ist eingehalten, weil von den insgesamt 52,5 SWS lediglich 44 SWS nach Maßgabe dieses Tatbestands gewährt worden sind.
cc) Die Hochschule hat in Stellungnahmen vom 13. Januar 2016, 15. Februar 2016, 7. März 2016 und 11. März 2016 (im erstinstanzlichen Verfahren) hinreichend erläutert, dass die einzelnen Lehrpersonen gewährten und jeweils deutlich unter den Höchstgrenzen des § 7 Abs. 5 Satz 1 LUFV liegenden Ermäßigungen sowohl für die Durchführung anwendungsbezogener Forschungs- und Entwicklungsvorhaben als auch für die Wahrnehmung von weiteren dienstlichen Aufgaben und Funktionen erfolgt sind. Es gibt weder Zweifel daran, dass gewährte Ermäßigungen tatsächlich in Anspruch genommen werden noch daran, dass sie im genannten Rahmen gewährt werden dürfen.
Der Senat hat entgegen der Ansicht der Antragstellerin keinen Zweifel daran, dass das Publizieren und Veröffentlichen von Forschungsergebnissen generell zum Bereich der „Durchführung anwendungsbezogener Forschungs- und Entwicklungsvorhaben“ gehört und deshalb insoweit auch Ermäßigungen der Lehrverpflichtungen gewährt werden dürfen. Dass einzelne Lehrpersonen schon im Jahr 2014 Forschungsergebnisse veröffentlicht haben, belegt die sachliche Richtigkeit derartiger Ermäßigungen gerade im Hinblick auf künftig zu erwartende Publikationen.
Schließlich bestehen auch keine Zweifel daran, dass den Lehrpersonen die streitgegenständlichen Ermäßigungen der Lehrverpflichtungen tatsächlich „gewährt“ werden Das Staatsministerium, das nach § 7 Abs. 5 LUFV für die Gewährung der Ermäßigungen grundsätzlich zuständig ist, hat die Kapazitätsberechnung der Hochschule und die darin für die einzelnen Lehrpersonen ausgewiesenen Ermäßigungen der Lehrverpflichtungen überprüft und bestätigt. Es hat damit – soweit nötig – auch die Ermäßigungen der Lehrverpflichtungen „gewährt“. Wenn das Staatsministerium – was sich dem bisherigen Vorbringen des Antragsgegners nicht entnehmen lässt – die Befugnis zur Gewährung der Ermäßigung der Hochschule übertragen haben sollte, was § 7 Abs. 5 LUFV zulässt, so besteht ebenfalls kein Zweifel daran, dass die Hochschule ihrem Lehrpersonal die Ermäßigungen der Lehrverpflichtungen „gewährt“ und deshalb zu Recht in ihre eigene Kapazitätsberechnung einstellen darf. Auf den von der Hochschule hierzu ergänzend glaubhaft gemachten Beschluss des Präsidiums (vom 22.7.2014) wird verwiesen.
b) Zweifel an der richtigen Berechnung des Dienstleistungsexports für der Lehreinheit nicht zugeordnete Studiengänge bestehen ebenso wenig wie hinsichtlich der Berechnung des Curricularwerts des streitgegenständlichen Studiengangs.
Den Kapazitätsberechnungsunterlagen lassen sich die Dienstleistungen (§ 48 HZV) für die drei der Lehreinheit nicht zugeordnete Studiengänge – auch im Hinblick auf die einzelnen Lehrveranstaltungen – ohne weiteres entnehmen. Weshalb die Berechnung des Dienstleistungsexports gleichwohl falsch sein soll, hat die Antragstellerin nicht näher substantiiert.
Unzutreffend ist auch die Annahme der Antragstellerin, bei der Berechnung des Curricularwerts des streitgegenständlichen Studiengangs habe die Hochschule den Curricularanteil für die sieben Studienschwerpunkte zu hoch angesetzt. Tatsächlich hat die Hochschule als Curricularanteil aller sieben Studienschwerpunkte insgesamt (lediglich) einen Mittelwert von 1,0214 angesetzt, der sich aus den in der Kapazitätsberechnung für die Studienschwerpunkte (Module 201 bis 277) im Einzelnen angegebenen Werten (6 x 1,0333 + 1 x 0,9500 = 7,1498 : 7) ergibt. Die Curricularanteile aller anderen in der Kapazitätsberechnung angegebenen Module (010 bis 402) ergeben einen Wert von 3,9001 (3,9001 + 1,0214 = 4,9214). Auch der Anrechnungsfaktor für die Lehrveranstaltungen wurde mit 1,0 richtig angesetzt (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 LUFV).
c) Für das Verwaltungsgericht bestand kein Anlass, auf der Übermittlung „anonymisierter Belegungslisten“ zu einzelnen Studiengängen der Hochschule zu bestehen. Eine Verweigerung des rechtlichen Gehörs liegt darin nicht.
Zu Recht geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Angaben der Hochschule zu den Studierendenzahlen glaubhaft sind. Wenn sich das Verwaltungsgericht dabei auf seine Erfahrungen aus anderen gerichtlichen Verfahren beruft, ist dies nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin selbst hat auch keine eigenen Zweifel an den Angaben der Hochschule zu den Studierendenzahlen vorgetragen, sondern beansprucht die Übermittlung anonymisierter Belegungslisten lediglich deshalb, um derartige Zweifel begründen zu können. Tatsächlich gibt es jedoch keinerlei Hinweis darauf, dass die Hochschule „falsche“ Angaben zu etwaigen „Doppeleintragungen“, Beurlaubungen oder frei gebliebenen Studienplätze übermittelt; auch ist die Vorlage anonymisierter Belegungslisten kaum geeignet, Erkenntnisse zu unterstellten „Doppeleintragungen“, Beurlaubungen (soweit kapazitätsrechtlich von Bedeutung) oder frei gebliebenen Studienplätze zu gewinnen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i. V. m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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