Aktenzeichen 7 CE 18.10008
BayHZV § 10 Abs. 1 S. 4, § 44 Abs. 3 S. 1, § 54 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
Leitsatz
1 Nach der gefestigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist die Berechnung der patientenbezogenen Kapazitäten gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 1 HZV unter Zugrundelegung der Berechnungsmethode der Mitternachtszählung auch angesichts des Rückgangs der damit erfassten Patienten und der Einführung neuer Lehrmethoden verfassungsrechtlich unbedenklich. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2 Allein die Tatsache, dass sich die Verweildauer der Patienten in den letzten Jahrzehnten verkürzt und sich damit die Zahl der tagesbelegten Betten bei Anwendung der sog. Mitternachtszählung verringert hat, zwingt nicht dazu, die Art der Kapazitätsermittlung gemäß § 54 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HZV zu ändern. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
3 Aus der Größe des Personalkörpers, der für die Lehreinheit tätig ist, kann sich kein Anspruch ergeben, die patientenbezogene Kapazität anzupassen. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
AN 2 E 17.10234 2018-02-28 Bes VGANSBACH VG Ansbach
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin im ersten klinischen Fachsemester an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen (FAU) für das Wintersemester 2017/ 2018.
Das Verwaltungsgericht Ansbach hat den Antrag mit Beschluss vom 28. Februar 2018 abgelehnt.
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter. Er macht im Wesentlichen geltend, die FAU habe ihre Aufnahmekapazität nicht ausgeschöpft. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ergäben sich außerhalb der von der FAU festgesetzten Zulassungszahlen noch weitere Studienplätze. Das Verwaltungsgericht habe die Berechnung der patientenbezogenen Aufnahmekapazität gemäß § 54 Abs. 1 der Hochschulzulassungsverordnung (HZV) zu Unrecht nicht beanstandet. Diese Bestimmung sei mittlerweile verfassungswidrig, weil sie die patientenbezogene Aufnahmekapazität für den klinischen Teil des Studiengangs Humanmedizin zu niedrig ansetze. Der gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HZV maßgebende Parameter von 15,5% der Gesamtzahl der tagesbelegten Betten gemessen an den sog. Mitternachtsbeständen sei nach über dreißig Jahren verfassungsrechtlich und bildungspolitisch unhaltbar. Die Verweildauer der Patienten in den Kliniken sei heute viel kürzer. Zudem ließen neue Ausbildungsmethoden, wie z.B. die Videoübertragungen von Behandlungen die Ausbildung einer größeren Zahl von Studierenden am Patienten zu. Die erhebliche Diskrepanz zwischen hohen personellen Ausbildungskapazitäten einerseits und der beschränkten patientenbezogenen Kapazität andererseits verletze die Studienbewerber in ihrem Studienzulassungsteilhabegrundrecht. Der Antragsgegner müsse sich außerdem ein Organisationsverschulden zurechnen lassen, indem er es unterlasse, weitere außeruniversitäre Krankenanstalten zur Ausbildung der Studierenden anzuwerben, wie das in § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 HZV vorgesehen sei. Dass die geübte Ermittlung der patientenbezogenen Aufnahmekapazität Verfassungsrecht verletze, zeige sich auch an der willkürlichen Überbuchung der festgesetzten Zulassungszahl.
Der Antragsgegner widersetzt sich der Beschwerde.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Berechnungsunterlagen der FAU Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Verwaltungsgerichtshofs beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), begründet den geltend gemachten Anordnungsanspruch der Antragsteller nicht.
Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die FAU ihre Ausbildungskapazität im klinischen Teil des Studiengangs Humanmedizin (1. Klinisches Fachsemester) ausgeschöpft hat. Der Verwaltungsgerichtshof folgt den Gründen des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbingen folgendes zu bemerken:
Die Berechnung der patientenbezogenen Aufnahmekapazität gemäß § 54 Abs. 1 der Verordnung über die Hochschulzulassung an den staatlichen Hochschulen in Bayern (Hochschulzulassungsverordnung – HZV) vom 18. Juni 2007 (GVBl S. 401, BayRS 2210-8-2-1-1-K), zuletzt geändert durch Verordnung vom 28. April 2018 (GVBl S. 277), ist entgegen den Einwänden des Antragstellers nicht zu beanstanden. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (z.B. BayVGH, B.v. 12.6.2014 – 7 CE 14.10011 – juris Rn. 16, vom 12.6.2014 – 7 CE 14.10012 u.a. – juris Rn. 18 ff, sowie vom 5.11.2015 – 7 CE 15.10362 u.a. – juris Rn. 19 ff. und Rn. 22) ist die Berechnung der patientenbezogenen Kapazitäten gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 1 HZV unter Zugrundelegung der Berechnungsmethode der Mitternachtszählung auch angesichts des Rückgangs der damit erfassten Patienten und der Einführung neuer Lehrmethoden verfassungsrechtlich unbedenklich.
Allein die Tatsache, dass sich die Verweildauer der Patienten in den letzten Jahrzehnten verkürzt und sich damit die Zahl der tagesbelegten Betten bei Anwendung der sog. Mitternachtszählung verringert hat, zwingt nicht dazu, die Art der Kapazitätsermittlung gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HZV zu ändern. Ausschlaggebend für die nach Auffassung des Normgebers und der Hochschule ordnungsgemäße Ausbildung der Studierenden ist die Zahl der eine gewisse Zeit anwesenden, für die Ausbildung bereitstehenden Patienten, die Voraussetzung dafür ist, dass die Ausbildung am Krankenbett durchgeführt werden kann. Das Abstellen auf andere Parameter würde zu einer Änderung der Anforderungen an die Ausbildung der Studierenden, letztlich der Ausbildungsinhalte führen. Der Teilhabeanspruch nach Art. 12 Abs. 1 i.V.m. mit Art. 3 Abs. 1 GG beinhaltet jedenfalls keinen Anspruch auf bestimmte Lehrinhalte oder die Veränderung gegenwärtiger Ausbildungsinhalte, auch wenn das zu höheren Ausbildungskapazitäten führen würde. Es besteht lediglich Anspruch auf entsprechende Teilhabe an den vorhandenen Kapazitäten unter Zugrundelegung der vom Gesetzgeber und der Hochschule als Inhaberin der Lehrfreiheit bestimmten Ausbildungsinhalte.
Gleiches gilt, soweit sich neue Lehrmethoden auftun und angewendet werden. Die Wahl der Ausbildungsmethoden und ihre Gewichtung innerhalb des Studiengangs unterliegen allein dem weiten Gestaltungsspielraums des Normgebers und wiederum der Lehrfreiheit der Hochschule.
Anhaltspunkte für die Notwendigkeit und die Möglichkeit, allein die Berechnungsmethode ohne zugleich die materiellen Ausbildungsinhalte zu verändern, lassen sich dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen.
Ferner kann sich aus der Größe des Personalkörpers, der für die Lehreinheit tätig ist, und damit aus der Größe der personalbezogenen Kapazität kein Anspruch ergeben, die patientenbezogene Kapazität anzupassen. Hierbei würde es sich um einen verfassungsrechtlich gerade nicht geförderten Anspruch auf Errichtung neuer Kapazitäten handeln. Im Übrigen könnte die Diskrepanz im Hinblick auf den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auch dadurch beseitigt werden, dass eine „überflüssige“ personelle Kapazität verringert wird. Anhaltspunkte dafür, dass personelle Ressourcen ungenutzt bleiben und nicht etwa zur Patientenversorgung erforderlich sind, wurden nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die FAU von ihrer Organisationsgewalt missbräuchlich Gebrauch gemacht hätte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Zahl der Patienten jedenfalls dann, wenn eine ausreichende Versorgung sichergestellt ist, nicht beliebig erhöht werden kann. Bei der Heranziehung von außeruniversitären Lehrkrankenhäuser ist Voraussetzung, dass dort genügend Behandlungen durchgeführt werden, die sich zur Ausbildung der Studierenden im klinischen Teil des Studiengangs (§ 44 Abs. 3 Satz 1 HZV) eignen. Schon aus diesem Grund können die akademischen Lehrkrankenhäuser, in denen die Ausbildung im praktischen Jahr stattfindet, nicht ohne weiteres zugleich zur Ausbildung im klinischen Teil des Studiums herangezogen und auf die patientenbezogene Kapazität angerechnet werden. Neben der Sache liegt der Hinweis, dass – sollte es tatsächlich zutreffen – außeruniversitäre Kliniken mit Privatuniversitäten und ausländischen Universitäten zusammenarbeiten, denn das entzieht sich dem Einflussbereich des Antragsgegners.
Nicht genutzte Ausbildungskapazitäten ergeben sich auch nicht aus den vom Antragsteller kritisierten Überbuchungen. Nach § 10 Abs. 1 Satz 4 HZV kann durch Überbuchungen berücksichtigt werden, dass vergebene Studienplätze voraussichtlich nicht besetzt werden. Damit soll ausgeglichen werden, dass zugeteilte Studienplätze nicht angenommen werden und die vorhandene Ausbildungskapazität möglichst erschöpfend genutzt werden. Maßgeblich ist hierfür das von der Hochschule prognostizierte Annahmeverhalten anhand der Erfahrungswerte der letzten Jahre (BayVGH, B.v. 20.8.2014 – 7 CE 14.1001 – juris Rn. 8). Bei 160 festgesetzten Studienplätzen und 172 eingeschriebenen Studenten gibt es keinen Anlass daran zu zweifeln, dass sich die Überbuchungen in diesem Rahmen halten. Außer der Behauptung, die Überbuchung sei willkürlich, setzt sich die Beschwerde damit nicht auseinander. Die Überbuchung ist daher als kapazitätsdeckend anzuerkennen.
Vor diesem Hintergrund ist die vom Antragsteller geforderte Vorlage weiterer Unterlagen, insbesondere verschiedener statistischer Daten, nicht entscheidungserheblich. Im Übrigen wurden keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass fehlerhafte Annahmen zugrunde gelegt worden sind und unter Zugrundelegung der Daten, deren Vorlage gefordert worden ist, ein anderes Ergebnis zu erwarten ist. Entgegen der Kritik des Antragstellers wurden bei der Berechnung Privatpatienten einbezogen. Inwieweit eine Ausbildung an Intensiv- und Dialysebetten stattfinden kann und soll, unterliegt ebenfalls der Lehrfreiheit der Hochschule und ist insoweit nicht entscheidungserheblich.
Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, Anh.).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).