Verwaltungsrecht

Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache iSv § 78 III Nr. 1 AsylVfG nicht dargelegt

Aktenzeichen  20 ZB 16.50032

Datum:
12.4.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 45799
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 III Nr. 1, IV 4
Dublin III-Verordnung Art. 25 II

 

Leitsatz

1 Die nach § 78 IV 4 AsylG geforderte Darlegung des Berufungszulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 III Nr. 1 AsylG) verlangt, dass der Rechtsmittelführer eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufzeigt, weshalb diese für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist. Ferner muss die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der Rechts- oder Tatsachenfrage dargestellt werden, was eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil notwendig macht. (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Die grundsätzliche Bedeutung einer Tatsachenfrage rechtfertigt die Zulassung der Berufung nur dann, wenn die Antragsbegründung des Rechtsmittelführers erkennen lässt, weshalb das Verwaltungsgericht die tatsächlichen Verhältnisse – hier die behaupteten systemischen Mängel des ungarischen Asylsystems – unzutreffend beurteilt haben soll. Weder das alleinige Bestreiten der Auffassung des Verwaltungsgerichts in Form einer Berufungsbegründung noch der alleinige Verweis auf anders lautende Gerichtsentscheidungen zeigen hingegen einen grundsätzlichen Klärungsbedarf auf. (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Der Hinweis, ein Mitgliedstaat habe öffentlich erklärt, vom Dublin-System abrücken zu wollen, rechtfertigt eine berufungsgerichtliche Klärung der Frage der weiteren Anwendbarkeit von Art. 25 II Dublin III-Verordnung nicht, wenn lediglich auf Absichtserklärungen ausländischer Politiker abgestellt, nicht hingegen die tatsächliche Nichtanwendung des Dublin-Systems aufgezeigt wird.  (red. LS Clemens Kurzidem)

Verfahrensgang

W 4 K 15.50401 2016-02-25 Ent VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird verworfen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Zulassungsantrag bleibt ohne Erfolg. Er ist unzulässig, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 78 Abs. 2 Nr. 1 AsylG) nicht in einer den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügenden Weise dargetan wurde.
Der Kläger hat den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) nicht im Sinne des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG dargelegt. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert, dass der Rechtsmittelführer eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufzeigt, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist. Ferner muss dargelegt werden, weshalb der Frage eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Hierfür ist eine Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts erforderlich (vgl. Berlit in GK-AsylVfG, RdNrn. 592, 607 und 609 zu § 78). Der Kläger hat bereits eine solche Frage nicht ausreichend formuliert. Soweit er wohl klären lassen will, ob systemische Mängel des Asylverfahrens in Ungarn bestehen, ist eine entsprechende Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts hier jedoch nicht erfolgt. Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung unter Zugrundelegung der maßgeblichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichts das Vorliegen systemischer Mängel im Asylverfahren in Ungarn verneint und dort insbesondere auf den Ausnahmecharakter dieser Rechtsprechung hingewiesen. Es hat in seiner Entscheidung das ungarische Asylsystem in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gewürdigt, ist aber zur Überzeugung gekommen, dass systemische Mängel im ungarischen Asylsystem und ein Selbsteintritt der Bundesrepublik Deutschland jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 AsylG) zu verneinen sind.
Dem ist der Kläger mit einer Bezugnahme auf erstinstanzliche Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Köln entgegengetreten, die solche systemische Mängel im Falle des ungarischen Asylsystems angenommen hätten. Durch diesen bloßen Verweis auf anders lautende erstinstanzliche Entscheidungen wird kein grundsätzlicher Klärungsbedarf aufgezeigt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 8.9.2014 – 13 A 1347/14.A – juris Rn. 21; OVG Schleswig-Holstein B. v. 13.4.2015 – 2 LA 39/15 – juris; BayVGH, B. v. 12.6.2015 – 13a ZB 15.50097 – BeckRS 2015, 48019). Denn mit dem alleinigen Bestreiten der Auffassung des Verwaltungsgerichts in Form einer Berufungsbegründung wird eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt. Bei grundsätzlichen Tatsachenfragen muss die Antragsbegründung erkennen lassen, warum das Verwaltungsgericht die tatsächlichen Verhältnisse unzutreffend beurteilt haben soll. Es ist Aufgabe des Rechtsmittelführers, durch die Benennung bestimmter Auskünfte oder sonstiger Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass nicht die Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern – mit der Folge der Durchführung eines Berufungsverfahrens – seine gegenteilige Bewertung in dem Antrag zutreffend ist (OVG Sachsen-Anhalt, B. v. 28.1.2016 – 4 L 16/16 – juris). Dies ist nicht geschehen.
Soweit der Kläger noch geklärt haben möchte, ob Art. 25 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung anwendbar sei, wenn der betreffende Mitgliedstaat öffentlich mehrfach erklärt habe, vom System der Dublin-III-Verordnung abrücken zu wollen, so ist dies nicht grundsätzlich klärungsbedürftig. Insoweit kommt es nicht auf Absichtserklärungen ausländischer Politiker an, sondern darauf, ob die Rückübernahme entgegen den Verpflichtungen aus der Dublin-III-Verordnung tatsächlich nicht erfolgt. Dies hat der Kläger nicht vorgetragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.
Gegen diesen Beschluss, der keiner weiteren Begründung bedarf, gibt es kein Rechtsmittel (§ 78 Abs. 5 Sätze 1 und 2 AsylVfG, § 122 Abs. 2 Satz 1 VwGO).

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