Aktenzeichen 20 ZB 18.31354
VwGO § 138 Nr. 3, Nr. 6
GG Art. 103 Abs. 1
Leitsatz
1. Mit dem klägerischen Vortrag, das verwaltungsgerichtliche Urteil sei insoweit nicht mit Gründen versehen (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG iVm § 138 Nr. 6 VwGO), als das Gericht den angebotenen Zeugen zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger in seiner Heimat von einer militanten Gruppierung verfolgt worden sei, nicht vernommen hat, kann ein Verstoß gegen § 138 Nr. 6 VwGO nicht begründet werden. (Rn. 2 – 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Zulassung der Berufung könnte hier nur erfolgen, wenn aus der versäumten Vernehmung des Zeugen auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs iSv § 138 Nr. 3 VwGO resultieren würde. Bei Beweisanregungen scheidet ein Gehörsverstoß jedoch stets dann aus, wenn sie bei durchgeführter mündlicher Verhandlung nicht in der Verhandlung als förmlicher Beweisantrag aufgegriffen worden sind. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
RO 3 K 16.33155 2018-04-24 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg hat keinen Erfolg, da der geltend gemachte Zulassungsgrund nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG nicht vorliegt.
Der Kläger macht einerseits geltend, das verwaltungsgerichtliche Urteil sei insoweit nicht mit Gründen versehen (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 6 VwGO), als das Gericht den angebotenen Zeugen zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger in seiner Heimat von einer militanten Gruppierung verfolgt worden sei, nicht vernommen hat. Mit diesem Vortrag kann ein Verstoß gegen § 138 Nr. 6 VwGO aber nicht begründet werden. Denn § 138 Nr. 6 VwGO verlangt, dass die Entscheidungsgründe eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen enthalten, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht. Eine Entscheidung ist nur dann in diesem Sinne nicht mit Gründen versehen, wenn eine Begründung entweder überhaupt oder zu wesentlichen Streitpunkten unterblieben ist. Daneben greift § 138 Nr. 6 VwGO aber auch ein, wenn die Entscheidungsgründe unvollständig und verworren sind oder nicht erkennen lassen, welche Überlegungen für die Entscheidung maßgeblich gewesen sind, weil die angeführten Gründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder sonst wie völlig unzureichend sind. Der Formmangel des § 138 Nr. 6 VwGO liegt aber nicht bereits vor, wenn die Begründung falsch, lückenhaft, unzulänglich oder oberflächlich ist (vgl. zum Ganzen Kraft in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 138 Rn. 55 – 57 m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben liegt hier kein Fall der fehlenden Begründung in diesem Sinne vor. Denn das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil ausführlich begründet, warum es den Vortrag des Klägers nicht als glaubwürdig einschätzt (insb. Seiten 8 und 9). Daneben hat es ausgeführt, dass aus dem Vortrag des Klägers eine Verfolgung/Bedrohung in Anknüpfung an ein Merkmal im Sinne von § 3 Abs. 1, § 3b AsylG nicht folge (S. 8 des Urteils) und ihm überdies eine innerstaatliche Fluchtalternative in einem anderen Stadtviertel von Basra oder in Bagdad zur Verfügung stehe (S. 10). In Anschluss daran stellt es fest, dass es nach alldem auf die Einvernahme eines Zeugen nicht mehr ankomme (S. 10). Ein defizitär begründetes Urteil liegt daher insoweit nicht vor.
Ebenso wenig liegt ein Grund zur Zulassung der Berufung vor, soweit der Kläger in der versäumten Zeugenvernehmung einen Verstoß gegen die Aufklärungspflicht des Gerichts rügt. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz nach § 86 Abs. 1 VwGO in § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG selbst nicht genannt ist, also für sich genommen eine Zulassung der Berufung nicht rechtfertigt. Die Zulassung der Berufung könnte hier nur erfolgen, wenn aus der versäumten Vernehmung des Zeugen auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs im Sinne von § 138 Nr. 3 VwGO resultieren würde. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) schützt nicht gegen eine nach Meinung eines Beteiligten sachlich unrichtige Ablehnung eines Beweisantrags (BVerwG, B.v. 7.10.1987 – 9 CB 20.87 – Buchholz 310, § 86 Abs. 1 VwGO, Nr. 31), ist aber verletzt, wenn die Ablehnung eines als sachdienlich und erheblich angesehenen Beweisantrags im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerwG, B.v. 20.12.2010 – 5 B 38/10 – juris Rn. 18 m.w.N.). Art. 103 Abs. 1 GG verlangt jedoch nur, dass dem Beteiligten Gelegenheit zum rechtlichen Gehör gegeben wird. Hatte er hinreichende Möglichkeit, sich rechtliches Gehör zu verschaffen, hat er hiervon aber keinen Gebrauch gemacht, scheidet ein Gehörsverstoß aus (BVerwG, U.v. 22.8.1985 – 3 C 17.85 – Buchholz 310, § 108 VwGO, Nr. 175 [63 f.]). Bei Beweisanregungen scheidet ein Gehörsverstoß daher stets dann aus, wenn sie bei durchgeführter mündlicher Verhandlung nicht in der Verhandlung als förmlicher Beweisantrag aufgegriffen worden ist (Berlit in GK-AsylG, § 78, Rn. 357). Im vorliegenden Fall war ein unbedingter Beweisantrag im Sinne des § 86 Abs. 2 VwGO in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bereits nicht gestellt worden, das schriftsätzlich formulierte Beweisangebot stellt daher nur eine Beweisanregung dar. Damit liegt eine Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs nicht vor.
Schließlich ist das Urteil entgegen dem Vorbringen im Zulassungsantrag auch nicht deshalb im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO nicht mit Gründen versehen, da das Verwaltungsgericht im Urteil nicht angegeben habe, welche Erkenntnisse es zu der Reichweite der Miliz, die über einen örtlich begrenzten Umfang nicht hinausgehe, habe. Denn dieser Vorwurf trifft nicht zu. Das Verwaltungsgericht begründet auf Seite 9 seines Urteils ausführlich und einleuchtend, wie es zu dieser Einschätzung gelangt. Von einer defizitären Urteilsbegründung im dargestellten Sinne kann insoweit keine Rede sein.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit dieser Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).