Verwaltungsrecht

Zulassungsvorbringen

Aktenzeichen  9 ZB 20.30348

Datum:
11.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 4578
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 71 Abs. 1 S. 1, § 78 Abs. 3 Nr. 1
VwVfG § 51
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1, § 60a Abs. 2c S. 3

 

Leitsatz

Erfüllt die Einführung neu eingetretener Tatsachen oder neuer Beweismittel im Verfahren auf Zulassung der Berufung im Hinblick auf diese nicht auch zugleich die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung, ist der Asylsuchende auf die Stellung eines Folgeantrags zu verweisen.   (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 14 K 18.32192 2019-12-27 GeB VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 22.10.2019 – 9 ZB 19.31503 – juris Rn. 3). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
Hinsichtlich der aufgeworfenen Frage, „ob der Kläger, der heute überhaupt keinen Bezug zu Sierra Leone oder gar dort verwandtschaftliche Beziehungen oder andere soziale Kontakte hat, dort überleben kann oder ihm eine Verelendung in Sierra Leone droht falls er dorthin zurückgeführt würde“, fehlt es an der Darlegung der grundsätzlichen Klärungsbedürftigkeit. Das Verwaltungsgericht hat auf die schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen in Sierra Leone abgestellt und ist gleichwohl davon ausgegangen, dass der Kläger als gesunder und arbeitsfähiger Mann in der Lage sein wird, ein Existenzminimum zumindest durch Gelegenheitsjobs sicherzustellen. Der Kläger leide an keinen körperlichen Beeinträchtigungen, aufgrund derer seine Arbeitsfähigkeit eingeschränkt wäre und habe bereits praktische Erfahrungen in verschiedenen Berufssparten. Abgesehen davon, dass das Zulassungsvorbringen sich weder mit diesen Ausführungen noch mit den eingeführten Erkenntnismitteln auseinandersetzt, legt der Kläger – auch in Bezug auf seinen Vortrag, dass er als Rückkehrer bzw. „Westler“ stigmatisiert sowie besonders gefährdet sei – nicht anhand überprüfbarer Hinweise auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte Tatsachen- und Erkenntnisquellen (z.B. Gutachten, Auskünfte, Presseberichte, andere Gerichtsentscheidungen) dar, warum die aufgeworfene Frage im Berufungsverfahren zu einer vom angefochtenen Urteil abweichenden Entscheidung führen könnte (vgl. BayVGH, B.v. 15.10.2019 – 9 ZB 19.33606 – juris Rn. 3 m.w.N.). Der Kläger macht hier somit lediglich ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung geltend, was keinen Zulassungsgrund im Sinne des § 78 Abs. 3 AsylG darstellt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den erst im Berufungszulassungsverfahren vorgelegten ärztlichen Attesten vom 10. April 2019 und 18. April 2019 betreffend u.a. eine Pankreaslinksresektion und Splenektomie nach stumpfem Bauchtrauma im April 2019, die wegen des fehlenden Aussagegehalts zu den krankheitsbedingten Folgen im Sinne des § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG schon keinen Rückschluss auf eine Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG oder auch nur eine (fortbestehende) Einschränkung der Arbeitsfähigkeit des Klägers zulassen.
Die Einführung neu eingetretener Tatsachen oder neuer Beweismittel in das Antragsverfahren kommt ohnehin nur dann in Betracht, wenn im Hinblick auf diese zugleich die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung erfüllt sind, insbesondere, wenn damit eine die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung eröffnende Tatsachenfrage verallgemeinerungsfähiger Tragweite betroffen ist. Betreffen diese Tatsachen und Beweismittel hingegen nur Umstände des konkreten Einzelfalls, können diese allein mit einem Folgeantrag (§ 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG) geltend gemacht werden. Wegen der eingeschränkten Möglichkeit des Zugangs zu einer zweiten Tatsacheninstanz ist – für die Abgrenzung zwischen Einbringen neuer Tatsachen oder Beweismittel in ein Berufungsverfahren einerseits und einem Folgeantrag andererseits – das Merkmal „nach (…) unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags“ in § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG in dem Sinn zu verstehen, dass Unanfechtbarkeit den Ausschluss der rechtlichen Möglichkeit darstellt, den Streitstoff in einem Berufungsverfahren umfassend überprüfen zu lassen. Greift der Ausschluss ein, weil die neuen Tatsachen oder Beweismittel – ohne zu einer Grundsätzlichkeit zu führen – nur im Einzelfall eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten, ist der Asylbewerber auf den Folgeantrag verwiesen (vgl. BayVGH, B.v. 2.10.2018 – 9 ZB 18.32420 – juris Rn. 6).
So liegt es hier. Die neu eingeführten Beweismittel (ärztliche Atteste) und das diesbezügliche neue Vorbringen, wonach der Kläger aufgrund einer Milzentfernung unter steten Schmerzen am Bauch leide, starke Schmerzmittel nehmen müsse, ärztlicher Kontrolle bedürfe und die körperlichen Krankheitszustände in Sierra Leone nicht erfolgversprechend behandelbar seien, sondern sich verschlimmern würden, betreffen ersichtlich den Einzelfall des Klägers. Ihnen wäre allenfalls in einem Folgeverfahren gemäß § 71 AsylG i.V.m. § 51 VwVfG Bedeutung beizumessen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der gemäß § 80 AsylG unanfechtbaren Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

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