Aktenzeichen 15 ZB 18.32223
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
EMRK Art. 3
Leitsatz
1 Wird ein Antrag auf Zulassung der Berufung auf die Behauptung gestützt, eine Tatsachenfrage habe grundsätzliche Bedeutung, setzt das Darlegungserfordernis die Angabe konkreter Anhaltspunkte dafür voraus, dass die benannte Tatsachenfrage auch einer anderen als der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Würdigung zugänglich ist. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2 Im Falle des Gazastreifens scheidet eine inländische Fluchtalternative nicht allein deshalb von vornherein aus, weil sich dieser von der Meeresküste nur wenige Kilometer ins Landesinnere bis zur Grenze erstreckt, wenn sich andererseits die gefahrträchtigen Orte, an denen Bedrohungslagen potentiell in Betracht kommen können, im Sinne von „Hot-Spots“ im unmittelbaren Bereich der Binnengrenze konzentrieren. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
RN 11 K 18.30504 2018-08-08 Ent VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Die Kläger – ein nach eigenen Angaben palästinensischer Volkszugehöriger aus dem Gazastreifen – wendet sich gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 31. Januar 2018, mit dem sein Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt, die Flüchtlingseigenschaft und der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wurde, ferner festgestellt wurde, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen, und die Abschiebung in die palästinensischen Autonomiegebiete oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht wurde. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid verwiesen.
Mit Urteil vom 8. August 2018 wies das Verwaltungsgericht Regensburg die vom Kläger erhobene Klage mit den Anträgen, die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 31. Januar 2018 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft sowie (hilfsweise) den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen und (weiter hilfsweise) festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, ab. Das Verwaltungsgericht verneinte in den Entscheidungsgründen einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) mit Zweifeln an der Glaubhaftigkeit des klägerischen Verfolgungsvortrags. Einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (§ 4 Abs. 1 AsylG) verneinte das Gericht entscheidungstragend aufgrund einer inländischen Fluchtalternative, § 4 Abs. 3 i.V. mit § 3e AsylG: Für die als Zuerkennungsgrund allein in Betracht kommende Fallgruppe des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aufgrund eines internationalen bewaffneten Konflikts könne die erforderliche Gefahrendichte – wonach der Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreichen müsse, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung i.S. des Art. 15 lit. c) RL 2011/95/EU ausgesetzt zu sein – jedenfalls nicht für das gesamte Gebiet des Gazastreifens bejaht werden. Aus den dem Verwaltungsgericht vorliegenden Erkenntnisquellen ergebe sich, dass im Jahr 2018 bis zum 1. August rd. 150 Todesfälle und 7.000 Verletzte in den palästinensischen Autonomiegebieten (Gazastreifen und Westjordanland) zu beklagen seien. Setze man die aktuellen Zahlen ins Verhältnis zu der Gesamtbevölkerung, liege das statistische Risiko, in den palästinensischen Autonomiegebieten Veletzungs- oder Tötungsopfer zu werden, zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im Bereich von ca. 1:300 (0,33%). Soweit diese Wahrscheinlichkeit höher liege als die Wahrscheinlichkeit von 1:800, die das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung vom 17. November 2011 (10 C 13.10) für die Bejahung einer ernsthaften individuelle Bedrohung als nicht ausreichend angesehen habe, sei zu berücksichtigen, dass sich dieses Zahlenmaterial nicht nur auf das Gebiet des Gazastreifens beziehe und dass darüber hinaus für das Gericht nicht ersichtlich sei, inwieweit Zivilisten betroffen gewesen seien. Unabhängig von der Frage, ob der o.g. abstrakte Wahrscheinlichkeitsgrad für die Bejahung einer entsprechenden Gefährdungsdichte im Sinne des § 4 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 AsylG ausreiche, führe jedenfalls eine wertende Gesamtbetrachtung zu der Annahme, dass eine entsprechende Gefahrendichte nicht gebietsübergreifend für den gesamten Gazastreifen angenommen werden könne. Die maßgeblichen Angriffe, die zu erheblichen Todeszahlen und Verletzten geführt hätten, hätten in unmittelbarer Nähe zu dem Grenzzaun zu Israel und überwiegend in Zusammenhang mit einmaligen Ereignissen stattgefunden, so etwa bei den gewalttätigen Ausschreitungen bei Protesten gegen die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem. Die Gefahr, Opfer von israelischen (Gegen-) Angriffen zu werden, sei außerhalb der unmittelbaren Grenznähe und militärisch genutzter Ziele angesichts der geringen Größe des Gazastreifens zwar nicht ausgeschlossen, aber doch viel geringer. Von einer Gefahrendichte, wie sie § 4 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 AsylG voraussetze, könne daher unter Würdigung der Gesamtumstände nicht im gesamten Gebiet des Gazastreifens ausgegangen werden. Der Kläger müsse sich daher jedenfalls auf die Möglichkeit einer internen Schutzmöglichkeit verweisen lassen. Ein solches Ausweichen sei ihm auch zuzumuten. Das Verwaltungsgericht verneinte ein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 5 AufenthG i.V. mit Art. 3 EMRK aufgrund der humanitären Lage und den allgemeinen Lebensbedingungen damit, dass ein hierfür von der Rechtsprechung gefordertes Gefährdungsniveau beim Kläger nicht vorliege. Zur Begründung ist in den Entscheidungsgründen gem. § 77 Abs. 2 AsylG zunächst auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids vom 31. Januar 2018 Bezug genommen. Hierin ist unter Bezugnahme auf einzelne verwaltungsgerichtliche Entscheidungen ausgeführt, dass es trotz der israelischen Einfuhrblockaden keine ausreichenden Hinweise dafür gebe, dass die – bislang jedenfalls durch die Unterstützung von Hilfsorganisationen gewährleistete – Versorgung im Gazastreifen hinsichtlich der Grundbedürfnisse (Ernährung, Unterkunft, medizinische Versorgung) unter ein Niveau gesunken sei, wonach eine generelle Leibes- und Lebensgefahr für die Bevölkerung vorliege. Ergänzend ist in den Entscheidungsgründen speziell für den Kläger ausgeführt, dass es sich bei diesem um einen gesunden arbeitsfähigen Mann handele, der durch die Aufnahme von Gelegenheitsarbeiten zumindest ein kleines Einkommen erzielen könne, um sein Überleben zu sichern. Zudem könne er unter Berücksichtigung seiner Angaben gegenüber dem Bundesamt auf ein familiäres Netzwerk zurückgreifen, von welchem er bei einer Rückkehr aller Lebenserfahrung nach Unterstützung und Schutz erhalten könne. Da der Kläger hiernach im Falle der Rückkehr nicht gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde bzw. es nicht so sei, dass ihm mangels jeglicher Lebensgrundlage landesweit der alsbaldige sichere Hungertod drohen würde, liege auch keine Gefahrenlage vor, die ausnahmsweise (d.h. trotz der Sperrwirkung aus § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG) ein Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründete.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung, den er auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache stützt, verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzinteresse weiter. Wegen der Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakten Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der vom Kläger behauptete Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor bzw. ist nicht in einer Weise dargelegt worden, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.
Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) setzt voraus, dass für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2017 – 15 ZB 17.31475 – juris Rn. 7 m.w.N.; B.v. 21.8.2018 – 15 ZB 18.32029 – juris Rn. 4 m.w.N.). Das klägerische Vorbringen genügt diesen Anforderungen nicht.
a) Hinsichtlich der Klageabweisung in Bezug auf die beantragte Verpflichtung des Beklagten auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 Abs. 1 AsylG) hat der Kläger von vornherein keinen Zulassungsgrund i.S. von § 78 Abs. 3, Abs. 4 Satz 4 AsylG geltend gemacht oder dargelegt. Gegen die vom Verwaltungsgericht als entscheidungstragend bewertete mangelnde Glaubhaftigkeit des klägerischen Verfolgungsvortrags im Zulassungsverfahren wird in der Antragsbegründung nichts vorgebracht. Insbesondere wird diesbezüglich schon keine Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, die aus Sicht des Klägers von entscheidungserheblicher und fallübergreifender Bedeutung sein soll.
b) Hinsichtlich der auf einen behaupteten Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (§ 4 AsylG) zugeschnittenen Fragen,
„ob das Risiko im Gazastreifen zumutbar im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist oder aber ob das Risiko dort so hoch ist, dass der Anspruch auf subsidiären Schutzbesteht“, sowie
„ob es im Gazastreifen eine innerstaatliche Fluchtalternative gibt, aufgrund derer der subsidiäre Schutz nicht zu gewähren ist“,
setzt sich der Kläger in der Antragsbegründung nur unzureichend mit der in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils dargestellten Ansicht des Verwaltungsgerichts zur Möglichkeit des internen Schutzes gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i.V. mit § 3e AsylG auseinander.
Der Kläger bringt gegen die Ansicht des Verwaltungsgerichts und zur Untermauerung der aus seiner Sicht bestehenden grundsätzlichen Bedeutung der hierzu gestellten Fragen (s.o.) vor, das vom Verwaltungsgericht selbst ermittelte statistische Risiko (1:300) sei nach den vom Bundesverwaltungsgericht in der Entscheidung vom 17. November 2011 aufgestellten Maßstäben wohl ausreichend, um einen Anspruch auf subsidiären Schutz zu begründen. Hinzukomme, dass der Gazastreifen laut Wikipedia nach einer Schätzung vom Juli 2017 „179095“ Einwohner habe (offensichtlich laut der in Bezug genommenen Quelle gemeint: 1.795.000 Einwohner) und damit über eine Einwohnerdichte von 4.986 Einwohnern pro km² verfüge. Die bei den gewalttätigen Auseinandersetzungen resp. israelischen Militäroperationen verursachten Verluste in der Zivilbevölkerung träfen außerdem fast ausschließlich den Gazastreifen und nicht das Westjordanland. Es verfälsche daher die Gefährdungsstatistik, wenn man das wesentlich geringere Risiko, im Westjordanland bei einer Militäraktion ums Leben zu kommen, in das auf den Gazastreifen bezogene Risiko mit einrechne. Die vom Verwaltungsgericht hinsichtlich der Beurteilung des Gefährdungsgrades vorgenommene Differenzierung zwischen den Grenzgebieten des Gazastreifens und dem restlichen Gebiet sei nicht zielführend. Angesichts der geringen Größe des Gazastreifens spiele es für das Gefährdungsrisiko keine größere Rolle, ob man in Grenznähe wohne oder eher in Richtung Meer. Der Gazastreifen sei im Wesentlichen keine 10 km breit; auch ganz im Süden weise er keine Breite von 15 km auf. Dementsprechend schieße die Hamas grundsätzlich von überall aus und beträfen Vergeltungsschläge das gesamte Gebiet des Gazastreifens.
Mit dieser Argumentation erfolgt keine dem Darlegungsgebot des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügende Auseinandersetzung mit der von der angegriffenen Ausgangsentscheidung angenommenen Möglichkeit des internen Schutzes i.S. von § 4 Abs. 3 i.V. mit § 3e AsylG (vgl. insofern auch BVerwG, B.v. 14.11.2012 – 10 B 22/12 – juris Rn. 7) in einer Weise, die dem Senat eine abweichende Bewertung im Zulassungsverfahren ermöglichte. Zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit und der Entscheidungserheblichkeit muss auch hinreichend substantiiert dargetan werden, warum die aufgeworfene Frage im Berufungsverfahren anders als im angefochtenen Urteil zu entscheiden sein könnte (OVG LSA, B.v. 23.8.2018 – 3 L 293/18 – juris Rn. 3 m.w.N.). Stützt der Kläger seinen Berufungszulassungsantrag etwa auf die Behauptung, eine Tatsachenfrage habe grundsätzliche Bedeutung nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG, setzt dieses Darlegungserfordernis die Angabe konkreter Anhaltspunkte dafür voraus, dass die benannte Tatsachenfrage auch einer anderen als der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Würdigung zugänglich ist. Der Rechtsmittelführer muss mithin bestimmte begründete Informationen, Auskünfte, Presseberichte oder sonstige Erkenntnisquellen benennen, aus denen sich zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür ergibt, dass nicht die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Bewertungen in der Antragsbegründung zutreffend sind (OVG NRW, B.v. 31.7.2018 – 19 A 1675.17.A – juris Rn. 12 m.w.N.). Dem ist der Kläger vorliegend nicht gerecht geworden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes kann eine Gefahrenlage nach § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 AsylG wegen eines bewaffneten Konflikts nicht allein deshalb bejaht werden, weil ein Zustand permanenter Gefährdungen der Bevölkerung und schwerer Menschenrechtsverletzungen besteht. Vielmehr erfordert die Bestimmung der Gefahrendichte eine quantitative Ermittlung der Verletzten und getöteten Zivilpersonen im Verhältnis zur Einwohnerzahl (Gewaltniveau), wobei zudem eine wertende Gesamtbetrachtung zu erfolgen hat. Das Bundesverwaltungsgericht sieht bezogen auf die Zahl der Opfer von willkürlicher Gewalt eines Jahres das Risiko, von 1:800 (0,125%) bzw. 1:1.000 (0,1%) verletzt oder getötet zu werden, als weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt an (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – NVwZ 2012, 454 = juris Rn. 22 f.; U.v. 17.11.2011 – 10 C 11.10 – juris Rn. 20 f.; vgl. auch BayVGH, B.v. 4.8.2017 – 13a ZB 17.30791 – juris Rn. 7; U.v. 12.7.2018 – 20 B 17.31292 – juris Rn. 24; OVG LSA, B.v. 23.8.2018 – 3 L 293/18 – juris Rn. 21 ff.). Gemessen hieran hat der Kläger im Berufungszulassungsverfahren zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit und Entscheidungserheblichkeit nicht hinreichend substantiiert dargetan, warum die von ihm aufgeworfene Frage hinsichtlich der innerstaatlichen Fluchtalternative (s.o.) anders als im angefochtenen Urteil zu entscheiden sein könnte. Es versteht sich entgegen der Ansicht des Klägers nicht von selbst, dass eine inländische Fluchtalternative i.S. von § 4 Abs. 3 i.V. mit § 3e AsylG im Fall des Gazastreifens von vornherein allein deshalb ausscheidet, weil sich dieser von der Meeresküste nur wenige Kilometer ins Landesinnere bis zur Grenze erstreckt, wenn sich anderseits die gefahrträchtigen Orte, an denen Bedrohungslagen i.S. von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG (potenziell) in Betracht kommen, nach der Überzeugungsbildung des Erstgerichts i.S. von „Hot-Spots“ im unmittelbaren Bereich der Binnengrenze konzentrieren. Der weitere Vortrag in der Zulassungsbegründung, es spiele hinsichtlich der Risikoeinordnung bezüglich § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO wegen der geringen Breite des Gazastreifens von wenigen Kilometern keine relevante Rolle, ob man in Grenznähe oder eher in Richtung Meer wohne, weil die die Hamas grundsätzlich von überall schieße und daher Vergeltungsschläge das gesamte Gebiet des Gazastreifens beträfen, wird trotz der gegenteiligen, aus einer benannten Quelle abgeleiteten Sachverhaltsbewertung des Verwaltungsgerichts nicht ansatzweise mit Erkenntnisquellen untermauert. Insofern zeigt der Kläger nicht substantiiert auf, dass die vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte Sachlage (keine relevante Bedrohungslage i.S. von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO bei größerer Entfernung zur Grenze) unrichtig ist. Mit dem schlichten Angriff auf die gerichtliche Sachverhalts- und Beweiswürdigung und der hiermit implizit erhobenen Rüge der Fehlerhaftigkeit des Urteils wird kein Berufungszulassungsgrund gem. § 78 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 Satz 4 AsylG geltend gemacht. Auf ernstliche Zweifel an der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kann der Zulassungsantrag nicht gestützt werden, da nach der eindeutigen Regelung des § 78 Abs. 3 AsylG dieser Zulassungsgrund in asylrechtlichen Streitigkeiten nicht zur Verfügung steht (BayVGH, B.v. 20.9.2017 – 15 ZB 17.31105 – juris Rn. 5 m.w.N.).
Mit Blick auf den vom Verwaltungsgericht angenommenen alternativen internen Schutz in grenzferneren Regionen innerhalb des Gazastreifens gem. § 4 Abs. 3 i.V. mit § 3e AsylG, die der Kläger im Zulassungsverfahren nicht über die Geltendmachung eines Zulassungsgrundes zu überwinden vermochte, kommt es auf die Frage, wie hoch im besonders gefährlichen Grenzbereich oder auf die gesamte Fläche des Gazastreifens bezogen das jährliche Risiko ist, verletzt oder getötet zu werden, nicht mehr entscheidungserheblich an.
c) Ebenso vermag der Kläger mit der weiter erhobenen Frage
„Begründet die gegenwärtige Versorgungs- und Sicherheitslage für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen einen Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5, 7 Satz 1 AufenthG?“,
eine Berufungszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht zu erreichen. Der Kläger greift im Zulassungsverfahren die Annahme des Verwaltungsgerichts an, es liege hinsichtlich der Versorgungslage im Gazastreifen kein Gefährdungsniveau vor, wonach er Gefahr laufe, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden und im Falle einer Rückkehr in eine existenzielle Notlage zu geraten. Der Kläger trägt in seiner Antragsbegründung vor, die vorgenannte Ansicht des Verwaltungsgerichts stehe im Widerspruch zu der Einschätzung der Vereinten Nationen, die den Gazastreifen für unbewohnbar hielten. Über diese Einschätzung der UN werde im Internet berichtet. Es gebe kaum Strom und fast kein Trinkwasser. Die humanitäre Lage sei katastrophal. Die Bewohner hätten nur noch wenige Stunden am Tag Elektrizität und die Jugendarbeitslosigkeit liege bei mehr als 60%. Mehr als 95% des Wassers habe keine Trinkwasserqualität. Die israelische Blockade tue ein Übriges.
Auch mit diesem Vorbringen setzt sich der Kläger nicht substantiiert mit den Erwägungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auseinander. Insbesondere wird hinreichend dargelegt, warum die aufgeworfene Frage im Berufungsverfahren anders als im angefochtenen Urteil zu entscheiden sein könnte:
aa) Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die einen Ausländer im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat erwarten, insbesondere auf die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann ein Ausländer Abschiebungsschutz nach Maßgabe von § 60 Abs. 5 und / oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ganz ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Hierbei gelten im Einzelnen folgende Grundsätze (zusammenfassend vgl. BayVGH, U.v. 23.3.2017 – 20 B 15.30110 – juris Rn. 34 ff.; B.v. 26.6.2017 – 15 ZB 17.30357 – juris Rn. 23 ff.; BayVGH, U.v. 12.7.2018 – 20 B 17.31292 – juris Rn. 31 ff.):
– Im Falle besonders schlechter humanitärer Verhältnisse ist ausnahmsweise in extremen Ausnahmesituationen von einem Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 5 auszugehen, wenn im Herkunftsstaat derart schlechte, nicht (überwiegend) auf Handlungen staatlicher oder nichtstaatlicher Akteure zurückzuführende humanitäre Bedingungen bestehen, die als unmenschliche Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK zu qualifizieren sind (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – BVerwGE 146, 12 = juris Rn. 34 ff.; BayVGH, B.v. 11.12.2014 – 13a ZB 14.30400 – juris Rn. 7; U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris Rn. 12; U.v. 23.3.2017 a.a.O. Rn. 35; VGH BW, U.v. 24.7.2013 – A 11 S 697/13 – juris Rn. 79 ff.).
– Gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll ferner von der Abschiebung abgesehen werden, wenn für den Ausländer im Zielstaat eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Maßgebend ist insoweit allein das Bestehen einer konkreten, individuellen – zielstaatsbezogenen – Gefahr für die genannten Rechtsgüter, ohne Rücksicht darauf, von wem die Gefahr ausgeht und auf welchen Ursachen sie beruht. Diese Gefahr muss dem Einzelnen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen, wobei im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der „konkreten“ Gefahr für „diesen“ Ausländer als zusätzliches Erfordernis eine einfallbezogene, individuell bestimmte und erhebliche Gefahrensituation hinzutreten muss, die überdies landesweit droht. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die einen Ausländer im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann ein Ausländer Abschiebungsschutz in verfassungskonformer bzw. entsprechender Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ganz ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Eine Abschiebung wäre in diesen Fällen allenfalls auszusetzen, wenn der Ausländer ansonsten gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (also im Falle einer schlechten Lebensmittelversorgung, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde, vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 5.01 – BVerwGE 115, 1 = juris Rn. 11 ff.; U.v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 – BVerwGE 137, 226 = juris Rn. 13 ff., insbes. Rn. 15; U.v. 29.9.2011 – 10 C 24.10 – NVwZ 2012, 451 = juris Rn. 19 ff.; BayVGH, U.v. 23.3.2017 – 20 B 15.30110 – juris Rn. 36).
bb) In der Begründung des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts vom 8. August 2018 wird bei der Anwendung von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V. mit Art. 3 EMRK und § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG genau auf die vorgenannten Maßstäbe abgestellt. Das Verwaltungsgericht hat nicht verkannt, dass die humanitäre Situation im Gazastreifen bedenklich ist. Für das Verwaltungsgericht ist aber insoweit entscheidend und ausschlaggebend, dass derzeit über die humanitäre Leistung von H i l f s o r g a n i s a t i o n e n ein Versorgungsniveau aufrechterhalten wird, dass der Annahme eines Abschiebungsverbots nach den genannten Regelungen entgegensteht. Mit Letzterem hat sich der Kläger in der Antragsbegründung nicht auseinandergesetzt. Auch die von ihm in Bezug genommenen Kurzberichte aus der Internetpresse (ZeitOnline, „UN halten Gazastreifen für unbewohnbar“ v. 11.7.2017; ARD-Bericht „Gaza vor der Explosion“ v. 18.6.2018) gehen auf Hilfeleistungen von dritter Seite nicht ein und stehen damit nicht im Widerspruch zu der Annahme des Gerichtes, dass mit Blick auf Leistungen von Hilfsorganisationen sowie den ergänzenden Möglichkeiten des Klägers, seine Arbeitskraft einzusetzen und auf ein familiäres Netzwerk zurückzugreifen, für diesen ein Mindestversorgungsniveau gewährleistet sei, dass unterhalb der hohen Gefahrenschwellen nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V. mit Art. 3 EMRK sowie § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liege (exemplarisch zu den humanitären Dienstleistungen der UNRWA und anderen Institutionen im Bereich der Versorgung der Bevölkerung des Gazastreifens vgl. Seiten 3, 14 und 22 ff. des im Internet abrufbaren Original-UN-Berichts „Gaza – ten years later“ vom Juli 2017, der in dem von der Antragsbegründung in Bezug genommenen Artikel „UN halten Gazastreifen für unbewohnbar“ zitiert wird; vgl. insoweit auch BayVGH, B.v. 15.9.2017 – 15 ZB 17.31475 – juris Rn. 32, 33).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).