Verwaltungsrecht

Zur Rechtmäßigkeit einer freidhofsrechtlichen Anordnung

Aktenzeichen  4 ZB 17.2418

Datum:
30.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 21875
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 4 S. 4

 

Leitsatz

1 Aus der langjährigen Duldung eines satzungswidrigen Zustands (hier in Bezug auf die Grabgestaltung) kann ein Bestandsschutz nicht abgeleitet werden. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine etwaige Teilnichtigkeit von Satzungsregelungen zur Einfassung von Gräbern berührt die Regelung der zulässigen Größe des Pflanzbeetes nicht. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 2 K 17.897 2017-10-11 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 11. Oktober 2017 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf 107,50 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen eine friedhofsrechtliche Anordnung betreffend die Überschreitung der zulässigen Grabbeetgröße durch ein links neben dem Grabstein stehendes Gehölz.
Der Kläger ist Nutzungsberechtigter eines Grabs auf dem Waldfriedhof im Stadtgebiet der Beklagten (…). Nach schriftlicher Aufforderung reduzierte er die (räumliche) Bepflanzung seines Grabbeetes und schnitt das links neben dem Grabstein stehende Gehölz zurück, ohne es jedoch, wie von der Beklagten gefordert, zu entfernen. Mit Bescheid vom 8. Dezember 2015 forderte die Beklagte den Kläger auf, die Grabbeetgröße bis zum 31. März 2016 den Vorgaben der Friedhofs- und Bestattungssatzung anzupassen (Nr. 1 des Bescheids). Für den Fall, dass er dem nicht fristgerecht nachkommen sollte, wurde die Durchführung der Anordnung im Wege der Ersatzvornahme angedroht und die Kosten hierfür vorläufig auf 107,50 Euro veranschlagt (Nr. 2).
Auf die gegen den Bescheid erhobene Klage hob das Verwaltungsgericht Würzburg mit Urteil vom 11. Oktober 2017 den Bescheid vom 8. Dezember 2015 in Nr. 2 auf und wies die Klage im Übrigen ab.
Gegen das Urteil richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung, dem die Beklagte entgegentritt.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 VwGO sind nicht ausreichend im Sinne von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt, liegen jedenfalls nicht vor.
a) Der mit der Antragsbegründung geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor. Der Kläger hat keinen einzelnen tragenden Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243/1244 m.w.N.).
aa) Der Kläger trägt vor, er sei nur für den Bereich seines Pflanzbeetes verantwortlich, jedoch nicht für außerhalb dieses Beetes natürlich gewachsene Gehölze; das lediglich einseitige Anwachsen des Gehölzes lasse auf eine zufällige Entstehung schließen. Das Erstgericht habe fälschlich angenommen, dass das Gehölz jedenfalls mit Zustimmung des Nutzungsberechtigten gepflanzt worden sei. Diese Annahme sei falsch. Auf dem Waldfriedhof gebe es zahlreiche, auch wildgewachsene Gehölze. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Kläger hier als Störer in Anspruch genommen werde. Aus dem geringfügigen Rückschnitt des Gehölzes durch den Kläger könne keine Störerhaftung abgeleitet werden.
Daraus ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts.
Nach § 41 Abs. 1 der Friedhofs- und Bestattungssatzung der Beklagten vom 24. November 2010, zuletzt geändert durch Satzung vom 16. Juni 2015, hat der Nutzungsberechtigte, wenn eine Grabstätte nicht ordnungsgemäß hergerichtet oder gepflegt wird, diese auf schriftliche Aufforderung innerhalb einer jeweils festzusetzenden angemessenen Frist in Ordnung zu bringen. Nach § 39 Abs. 3 und § 28 Nr. 1.1 der Satzung i.V.m. dem für den Waldfriedhof für die Abteilung D1 geltenden Belegungsplan vom 1. April 2014 liegt das klägerische Grab in einem Rasengrabfeld, in dem nur ein Teil der Grabfläche als Pflanzbeet angelegt ist. Die restliche Fläche (auf der Grabfläche) ist nach dem Belegungsplan mit Rasen eingesät und wird vom Garten- und Friedhofsamt regelmäßig unterhalten und gemäht. Das (zulässige) Pflanzbeet ist bei einer Grabstätte mit ein bis zwei Sargstellen 60 cm breit und 1,20 m lang. Das Pflanzbeet der klägerischen Grabstätte entspricht nicht diesen Vorgaben. Entgegen der Zulassungsbegründung trägt der Kläger dafür die Verantwortung und kann für die Herstellung des satzungsmäßigen Zustands seiner Grabstätte in Anspruch genommen werden.
Wie insbesondere die erste Lichtbildaufnahme des klägerischen Grabs vor dem Anhörungsschreiben der Beklagten vom 29. September 2015 (Bl. 1 der Beklagtenakte) belegt, war das links neben dem Grabstein stehende Gehölz in der Weise in die damalige Grabbeetbepflanzung einbezogen, dass es den Grabstein von einer Seite einrahmte, wobei sich das Pflanzbeet bis auf die gesamte Breite des Grabsteins einschließlich des Gehölzes erstreckte und das Gehölz derartig zurückgeschnitten war, dass die Fläche des Grabsteins mit den Grabinschriften sichtbar war. Kaum anders verhält es sich nach der Verkleinerung des Pflanzbeetes durch den Kläger, wie auf der vorgelegten Lichtbildaufnahme (Blatt 58 der VG-Akte) ersichtlich ist. Das Gehölz wurde vom Kläger zwar erheblich zurückgeschnitten, ist jedoch weiterhin in die Grab(beet) gestaltung einbezogen.
Dem klägerischen Vorbringen, das Gehölz sei zufällig unmittelbar neben dem Grabstein durch Anflug von Samen aufgegangen und habe mit der klägerischen Grabgestaltung nichts zu tun, kann nicht gefolgt werden. Der Kläger hat von Anfang an auf der Zulässigkeit des Gehölzes beharrt, indem er auf Vergleichsfälle auf dem Waldfriedhof hingewiesen (Klageschriftsatz vom 8. Januar 2016) und sogar das Angebot der Beklagten im Vorfeld und in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts auf Erlass der Gebühr und kostenlose Übernahme der Ersatzvornahme abgelehnt hat (vgl. bereits Schreiben des Klägers vom 8. Februar 2016). Erst mit Schreiben vom 16. März 2016 an das Verwaltungsgericht hat er darauf hingewiesen, dass sich das Gehölz offensichtlich außerhalb des Grabbeetes befinde, er dieses nicht gepflanzt habe und es dort auch schon seit 30 Jahren wachse.
Dass das Gehölz sich an dieser Stelle ohne menschliches Zutun entwickelt haben könnte, erscheint lebensfremd. Ein auf natürliche Weise entstandener Schössling wäre, da sich sein Standort außerhalb des Pflanzbeets befand, im Zuge des dort regelmäßig stattfindenden Mähens der Rasenfläche mitbeseitigt worden. Zu seiner jetzigen Größe konnte das Gehölz nur heranwachsen, wenn es entweder als Setzling gezielt zur Grabbegrünung dort angepflanzt wurde und daher nicht ohne weiteres abgemäht werden konnte oder wenn es innerhalb eines bereits über das Pflanzbeet hinausreichenden Bewuchses durch zufälligen Anflug von Samen entstanden ist. Auch im letztgenannten Fall wäre der Kläger für den Aufwuchs an dieser Stelle verantwortlich, da durch den Einbezug des Gehölzes in die Grabbeetbepflanzung verhindert wurde, dass es durch die satzungsgemäßen Unterhaltungs- und Mäharbeiten der Beklagten frühzeitig entfernt werden konnte. Schließlich kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich das Gehölz nicht nur auf der Grabfläche, die größer ist als das zulässige Pflanzbeet, befindet, sondern dass sich auch das Wurzelgefecht des inzwischen nach Angaben des Klägers 30-jährigen Gehölzes in das Pflanzbeet des klägerischen Grabs hinein und in den Bereich neben und womöglich auch unterhalb des Grabsteins erstreckt.
Soweit der Kläger pauschal und erstmals in der Zulassungsbegründung vorbringt, es bestünden Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der Verweisung des § 30 Abs. 3 der Satzung der Beklagten auf Festsetzungen in den einzelnen Belegungsplänen, entspricht diese nicht weiter erläuterte Rüge nicht den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.
bb) Auf Bestandsschutz kann sich der Kläger nicht berufen. Er trägt zwar vor, dass das Grab bereits 1973 angelegt worden sei und es daher nicht auf die vom Verwaltungsgericht insoweit zu Grunde gelegte Satzung vom 21. Januar 1985 ankomme, tritt jedoch dem Vortrag der Beklagten, dass die zulässige Größe des Pflanzbeetes seit 1973 unverändert beschränkt sei, nicht entgegen. Aus der langjährigen Duldung des (satzungswidrigen) Zustands des klägerischen Grabs und anderer Gräber des Waldfriedhofs ist ebenfalls kein Bestandsschutz für den Kläger abzuleiten.
cc) Der Bescheid der Beklagten ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil er etwa einseitig den Fall des Klägers herausgriffe und deshalb willkürlich wäre. Vielmehr hat die Beklagte in ihren Schriftsätzen unterlegt mit Luftbildaufnahmen ausreichend dargelegt, dass sie in einer Vielzahl vergleichbarer Fälle eingeschritten ist und auch entsprechende Erfolge erzielt hat. Es kommt nicht darauf an, ob immer noch Vollzugsdefizite vorhanden sind oder ob die Beklagte in allen Fällen erreicht hat, dass die zulässigen Maße eingehalten wurden, was der Kläger mit der Vorlage einer Lichtbildersammlung mit Meterstabauflage bestreitet. Selbst wenn auch nach dem Einschreiten der Beklagten die Pflanzbeetgröße nicht überall und nicht genau eingehalten wird, so ist das nicht mit dem außerhalb des Pflanzbeetes befindlichen ca. 35 cm breiten Gehölz auf der klägerischen Grabstelle zu vergleichen.
dd) Ob die Regelungen in der Satzung der Beklagten zu Einfassungen der Gräber, wie der Kläger geltend macht, widersprüchlich und nichtig sind, kann offen bleiben. Eine Nichtigkeit dieser Regelungen berührte die Regelung der zulässigen Größe des Pflanzbeetes nicht; die Satzung wäre insoweit allenfalls teilnichtig.
b) Die weiter vom Kläger eingangs der Zulassungsbegründung benannten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache) und des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache) sind im Folgenden nicht weiter ausgeführt, sodass es insoweit schon an einer Darlegung im Sinne von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO fehlt.
c) Soweit der Kläger die Verletzung der Aufklärungspflicht des Verwaltungsgerichts rügt, macht er der Sache nach einen Verfahrensmangel geltend (Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Dieser liegt jedenfalls nicht vor. Die Beklagte hat durch die Vorlage von Lichtbildaufnahmen in der mündlichen Verhandlung ihr systematisches Vorgehen gegen Verletzungen der Friedhofssatzung ausreichend dargelegt. Soweit der Kläger rügt, dass die Beklagte die Lichtbildaufnahmen mit Bezeichnung der einzelnen Grabstellen erst in der mündlichen Verhandlung und nicht bereits, wie von ihm verlangt, im Vorfeld vorgelegt, liegt darin keine Verletzung der Aufklärungspflicht des Verwaltungsgerichts. Im Übrigen hätte der Kläger, wenn er hierzu noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hätte Stellung nehmen wollen, die Einräumung einer Schriftsatzfrist zur Wahrung seines rechtlichen Gehörs beantragen können.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG. Das Interesse des Klägers ist jedenfalls nicht höher als mit 107,50 Euro anzusetzen. Nr. 15.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 ist nicht anzuwenden, weil es hier nur um eine punktuelle Anordnung hinsichtlich der Grabpflege und nicht um die Grabmalgestaltung insgesamt geht. Die Befugnis zur Abänderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts ergibt sich aus § 63 Abs. 3 GKG.
3. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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