Aktenzeichen M 30 K 17.5869
Leitsatz
1 Für Maßnahmen der Staatsanwaltschaft auf dem Gebiet der Strafrechtspflege, insbesondere auch für Prozesshandlungen der Staatsanwaltschaft, ist der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet (Anschluss an BayVGH BeckRS 2016, 40045). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2 Für ein Begehren auf Verpflichtung zur Aufnahme von Ermittlungen gelten die Vorschriften der Strafprozessordnung (§ 172 StPO) mit den dort vorgesehenen Rechtsbehelfen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.
II. Der Rechtsstreit wird an das Oberlandesgericht München verwiesen.
III. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung des Oberlandesgerichts München vorbehalten.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen Maßnahmen der Staatsanwaltschaft … … und des Generalstaatsanwalts in … in Zusammenhang mit der Einstellung eines Ermittlungsverfahrens.
Am 5. September 2016 stellte der Kläger „Strafantrag (Strafanzeige) wegen Geheimnisverrats“ bei der Staatsanwaltschaft … … und bezog sich dabei auf das Verfahren mit dem Az. … und einen diesem zu Grunde liegenden Strafantrag eines weiteren Anzeigeerstatters. Ergänzend führte der Kläger aus, er leite sein Antragsrecht für den Strafantrag aus seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer zum Zeitpunkt einer Erfindungsmeldung und daraus ab, dass sein Arbeitgeber ihn vor Übertragung der Schutzrechte an die … AG weder über die Absicht der Übertragung informiert, noch vor der Übertragung entlohnt habe.
Mit Verfügung vom 10. Oktober 2016 stellte die Staatsanwaltschaft … … das Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts aus tatsächlichen Gründen ein. Dabei wurde u.a. auf die Begründung der Einstellungsverfügung vom 27. November 2015 im Verfahren mit dem Az. … Bezug genommen. In dieser wird u.a. ausgeführt, dass der Anzeigeerstatter zusammen mit weiteren Personen eine spezielle Energiespeichereinrichtung entwickelt habe, deren Einsatz in Elektro- bzw. Hybridfahrzeugen vorgesehen sei. Die Erfindung sei durch die … AG zur Eintragung eines Patents beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet worden. Der Anzeigeerstatter sei schon nicht antragsberechtigt im Sinne von § 17 Abs. 5 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Es sei davon auszugehen, dass allein die … AG durch einen etwaigen Geheimnisverrat verletzt wäre. Darüber hinaus lägen bislang auch keine tatsächlichen Anhaltspunkte vor, die weitere Ermittlungen rechtfertigen würden. Die Einstellungsverfügung vom 10. Oktober 2016 wurde dem Kläger mit Schreiben der Staatsanwaltschaft … vom 13. Oktober 2016 mitgeteilt.
Mit Schreiben vom 20. Oktober 2016 an die Staatsanwaltschaft … teilte der Kläger mit, dass die rechtliche Grundlage in seinem Fall anders zu bewerten sei als in dem in Bezug genommenen Verfahren, da sein Antragsrecht auf seinem Arbeitsverhältnis und damit auf dem „ArbErfG“ beruhe. Zudem beantragte der Kläger die Übersendung einer rechtswirksamen Verfügung und verwies dabei auf die fehlende Unterschrift des Schreibens der Staatsanwaltschaft … vom 13. Oktober 2016. Daraufhin wurde dem Kläger von der Staatsanwaltschaft … mit Schreiben vom 3. November 2016 mitgeteilt, dass es sich bei dem Schreiben vom 13. Oktober 2016 um eine bloße Mitteilung handele, die keine Rechtswirksamkeit entfalte und keiner Unterschrift bedürfe.
Mit Schreiben vom 18. April 2017 erhob der Kläger „Widerspruch“ gegen die Schreiben der Staatsanwaltschaft … vom 13. Oktober 2016 und vom 3. November 2016 sowie „Verzögerungsrüge“. Das Schreiben des Klägers wurde von der Staatsanwaltschaft … als Aufsichtsbeschwerde gewertet. Der Generalstaatsanwalt in … gab dieser mit Bescheid vom 12. Mai 2017 keine Folge. In dem Bescheid wird u.a. ausgeführt, dass eine Unterschrift auf der Mitteilung der Einstellungsverfügung nicht erforderlich sei.
Gegen den Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben vom 26. Mai 2017 „Widerspruch“ und rügte u.a., dass nicht nachvollziehbar sei, wer den Bescheid verantworte. Zudem beantragte der Kläger eine beglaubigte Ablichtung der Urschrift des Bescheids sowie eine Ausfertigung mit Unterschrift.
Mit Schreiben vom 9. Juni 2017 teilte der Generalstaatsanwalt in … dem Kläger mit, dass der Bescheid vom 12. Mai 2017 rechtswirksam sei und kein Anspruch auf Übersendung einer beglaubigten Abschrift sowie einer Ausfertigung des Bescheides bestehe. Gegen das Schreiben des Generalstaatsanwalts vom 9. Juni 2017 wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 2. Juli 2017 und rügte u.a., dass durch das Vorgehen der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft das Legalitätsprinzip missachtet werde.
Mit Schreiben vom 14. Dezember 2017 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht München erhoben.
Der Kläger beantragt zuletzt,
1.Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine beglaubigte Ablichtung der Verfügung vom 10.10.2016 Az. … zu übermitteln.
2.Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine beglaubigte Ablichtung der Akte mit dem Az. … zu übermitteln.
3.Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Mitteilungen vom 13.10.2016 und 03.11.2016 in Schriftform zu übermitteln.
4.Es wird die Nichtigkeit, hilfsweise die Rechtswidrigkeit der Bescheide vom 12.05.2017 und 09.06.2017 mit dem Az. … festgestellt.
5.Die Beklagte wird verpflichtet, Ermittlungen entsprechend dem Strafantrag des Klägers vom 05.09.2016 als auch der Schriftsätze in den Verfahren …, … wie auch in Bezug genommenen Schriftsätzen im Verfahren und … aufzunehmen.
6.Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine beglaubigte Ablichtung der Akte mit dem Az. … zu übermitteln.
7.Es wird festgestellt, dass der Kläger durch einen Geheimnisverrat welcher zur Einschränkung des Schutzumfangs der Erfindungsmeldung führt eine Geschädigtenstellung besitzt.
Mit Schreiben vom 18. Februar 2018 hat der Kläger zudem den Erlass einer einstweiligen Anordnung (…) beantragt.
Zur Begründung der Klage führt der Kläger aus, er sei als Arbeitnehmer an einer Erfindung beteiligt gewesen, welche beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet wurde. Er ist der Auffassung, dass er aus dem Arbeitnehmererfinderrecht einen Vergütungsanspruch habe, welcher sich abhängig vom erzielten Schutzumfang der Erfindung bemesse. Aus dem erfolgten Geheimnisverrat würden sich umfangreiche Schadensersatzansprüche ergeben, da der Kläger davon ausgehe, dass der Schutzanspruch durch diesen zerstört wurde.
Als Geschädigter habe der Kläger im Falle einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens entsprechend § 171 der Strafprozeßordnung (StPO) einen Rechtsanspruch auf einen rechtswirksamen, schriftlichen und begründeten Einstellungsbescheid. Aus dem verweigerten Einstellungsbescheid könne konkludent nur geschlossen werden, dass von der Strafverfolgungsbehörde bisher noch keine Ermittlungen durchgeführt wurden bzw. Beweise unterdrückt würden. Mit jedem Zuwarten sei der Ermittlungserfolg zusehends gefährdet.
Da die vom Kläger genannten Schreiben und Bescheide der Staatsanwaltschaft … und der Generalstaatsanwaltschaft keine Unterschrift sowie keinen Beglaubigungsvermerk aufwiesen, sei für den Kläger nicht erkennbar, wer die Schreiben verantworte und ob diese willentlich in den Rechtsverkehr gelangt seien. Der Kläger ist daher der Auffassung, dass die Schreiben nichtig seien. Hinsichtlich des Rechtswegs ist der Kläger der Ansicht, dass nur der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet sei. Die Klage habe insbesondere keinen Justizverwaltungsakt i.S.d. § 23 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz (GVG-Einführungsgesetz – EGGVG) zum Gegenstand.
Mit Schreiben des Gerichts vom 10. Januar 2018 sind die Beteiligten zur beabsichtigten Verweisung des Rechtsstreits an das Oberlandesgericht … angehört worden. Der Kläger hat zur beabsichtigten Verweisung mit Schreiben vom 12. Januar 2018 zunächst mitgeteilt, dass er sich zur Rechtswegfrage äußern werde, sobald die Rechtswegerörterung durch einen Richter erfolge. Bis dahin werte er das anonyme und nicht unterschriebene Schreiben als Nullum.
Mit Schreiben vom 30. Januar 2018 hat der Beklagte beantragt,
den Rechtsstreit gemäß § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das Oberlandesgericht München zu verweisen.
Zur Begründung führt der Beklagte aus, dass der Kläger sich gegen Entscheidungen und Mitteilungen der Staatsanwaltschaft … und des Generalstaatsanwalts in … in Zusammenhang mit der Einstellung eines Ermittlungsverfahrens wende. Insbesondere begehre der Kläger eine „rechtswirksame Bescheidung“ zu seinem Strafantrag. Für diese Begehren ist nach Auffassung des Beklagten gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG die ordentliche Gerichtsbarkeit zuständig.
Mit Schreiben vom 9. Februar 2018 hat das Gericht den Kläger darauf hingewiesen, dass das Anhörungsschreiben vom 10. Januar 2018 noch keine Entscheidung in der Sache darstellt und folglich nicht von einem Richter unterschrieben werden muss.
Mit Schreiben vom 17. Februar 2018 äußerte sich der Kläger zum Rechtsweg dahingehend, dass nur der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet sei. Nach Auffassung des Klägers wäre ein Ermittlungserzwingungsverfahren im Rahmen eines Klageerzwingungsverfahrens mangels Einstellungsbescheids nicht erfolgversprechend. Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten sei im Übrigen auch aus dem Meistbegünstigungsprinzip ableitbar.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten zu den Verfahren … und … Bezug genommen.
II.
Nach § 173 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) ist die Unzulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs festzustellen und der Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten an das zuständige Oberlandesgericht … zu verweisen.
Nach § 40 Abs. 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind.
Der Kläger wendet sich vorliegend im Kern gegen Maßnahmen der Staatsanwaltschaft … und des Generalstaatsanwalts in … in Zusammenhang mit der Einstellung eines Ermittlungsverfahrens. Über die Rechtmäßigkeit von Anordnungen, Verfügungen oder sonstigen Maßnahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten u.a. auf dem Gebiet der Strafrechtspflege getroffen werden, entscheiden auf Antrag die ordentlichen Gerichte, § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG. Danach ist für Maßnahmen der Staatsanwaltschaft auf dem Gebiet der Strafrechtspflege, insbesondere auch für Prozesshandlungen der Staatsanwaltschaft, der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet (vgl. BayVGH, B.v. 10.12.2015 – Az. 5 C 15.2518 – juris; str.). Was das Begehren des Klägers hinsichtlich der Verpflichtung zur Aufnahme von Ermittlungen anbelangt, so gelten diesbezüglich die Vorschriften der Strafprozeßordnung (§ 172 StPO) mit den dort vorgesehenen Rechtsbehelfen (vgl. Kissel/Mayer, Gerichtsverfassungsgesetz, 8. Aufl., § 23 EGGVG, Rn. 31 f.).
Der Rechtsstreit war daher von Amts wegen an das zuständige Oberlandesgericht … zu verweisen.
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 25 EGGVG i.V.m. Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes über die Organisation der ordentlichen Gerichte im Freistaat Bayern (Gerichtsorganisationsgesetz – GerOrgG) bzw. § 172 Abs. 4 StPO, § 120 GVG i.V.m. Art. 2 Nr. 2 GerOrgG.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG der Endentscheidung des Oberlandesgerichts vorbehalten.